
❁ Burden ❁
»Stark sein bedeutet:
Die eigenen Schwächen liebevoll in den Arm nehmen.«
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Ich sehe es.
Jeden Tag sehe ich, wie sehr er sich quält und wie es ihm mit jeder Situation schwerer fällt, die Kontrolle zu behalten und stark zu sein. Aber warum tut er das? Wieso denkt er, dass er das Alles allein schaffen muss? Ich bin doch da, sieht er das nicht? Sieht er nicht, wie sehr ich ihm zu helfen versuche und dass es mich schmerzt, ihn so zu sehen?
Mir ist nicht entgangen, dass Namjoon Abend für Abend in seinem Studio sitzt und sich den Kopf darüber zerbricht, wie er alles organisieren und unter einen Hut bekommen soll. Auch übersehe ich nicht, wie sehr unser Leader versucht, sich nichts von alldem anmerken zu lassen und immer der Besonnene, Kluge zu sein. Immer sorgt er bloß dafür, dass es uns gut geht und dass alles seinen Gang geht.
Die einzige Person, die er dabei vergisst, ist nur leider er selbst.
Früher, als wir noch nicht diesen wahnsinnigen Erfolg hatten, habe ich sein Lächeln, sein ehrliches, strahlendes Lächeln viel öfter gesehen, denn es gab nicht diesen enormen Druck, unter dem wir nun alle stehen, besonders Namjoon. Es war dieses Lächeln, in das ich mich verliebt habe und seine unbeholfene Art, mit der er mein Herz für sich gewonnen hat. Aber jetzt ist es weg. Erstickt von Verantwortung, Druck und Stress.
„Namjoon Hyung, die Outfits müssen noch angepasst werden, guck bitte, dass wir pünktlich da sind!“ brüllt Taehyung durchs Dorm und sieht nichtmal hin, als er an Joonie vorbeiläuft. Sicher, er denkt sich nichts dabei und meinte es sicher nicht böse, aber er sieht eben nicht so genau hin, wie ich. Wir alle verlassen uns auf ihn als unseren Sprecher so sehr, dass wir gar nicht realisieren, wie schwer das Alles für ihn sein muss.
„Ja, und danach müssen wir zum Training!“ fügt Jimin lautstark hinzu und poltert durchs Wohnzimmer, während er sich seine Schuhe anzieht und dabei versehentlich eine von Namjoons Sammelfiguren vom Regal stößt. Und er hat es nicht einmal gemerkt. Ich dagegen weiss, wie wichtig Namjoon diese Figuren sind und eile schnell hin, um sie wieder aufzuheben und an ihren Platz zu stellen.
„Joon, hast du den Text für den neuen Song schon fertig? Langsam wirds knapp!“ kommt es von Yoongi aus der Küche und ich höre Namjoon resignierend seufzen. Jedes seiner Seufzer ist ein kleiner Hoffnungsschimmer für mich, dass er endlich aufgibt und die Aufgaben an uns verteilt. Aber das wird er nicht. Unser Leader hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, alles allein zu meistern und will um keinen Preis Hilfe annehmen. Ach Namjoon, du bist der Klügste von uns, wieso lässt du uns nicht helfen? Du musst das nicht allein tun, wir sind hier...
„Vergiss das Essen heute Abend nicht, du bist mit bestellen dran!“ trällert Jungkook im Vorbeigehen und wirft einen Ball immer wieder gegen die Wand, was selbst mich wahnsinnig macht, während ich die Unterlagen durchgehe und heimlich nachsehe, ob ich Namjoon bei der Koordinierung irgendwie helfen kann. Fehlanzeige. Alles ist wie immer von vorne bis hinten durchgeplant. Wie lange hat er daran wohl gesessen?
Und der Letzte, der noch etwas von Namjoon will, ist Hoseok. „Namjoon, kannst du bitte meinen Rap-Part so rein setzen, dass ich vor Yoongi Hyung dran bin? Danke~“ sagt er, ohne überhaupt eine Antwort abzuwarten und verschwindet in seinem Zimmer.
Das reicht. so kann es einfach nicht weitergehen. Nach dem Auftritt heute, werde ich mal mit ihm reden. Ich weiß zwar, dass Joonie sich sowieso nicht helfen lassen wird, aber ich muss es einfach versuchen, denn langsam aber sicher bin ich es, der daran erstickt.
Dass ich ihn liebe, weiss Namjoon nicht, wie auch? Alles ist immer so darauf fixiert, dass ja keine Gerüchte aufkommen und bloß niemand denkt, auch nur einer von uns wäre schwul. Dabei verdrängt RM gekonnt, dass in unserer Band längst alles genau so ist, wie es viele der Army's schon lange vermuten. Es sind nicht bloß 'Ships', wie sie sie gern nennen, nein. Es ist die Realität. Ich denke, das kommt daher, dass wir alle einfach schon so lange miteinander leben und uns so gut kennen, dass es wohl oder übel so kommen musste.
Jungkook und Jimin haben sich von Anfang an gut verstanden und sind ziemlich schnell zu einem dieser romantischen, alles einnehmenden Pärchen geworden, bei denen es wirklich Mühe kostet, sie in der Öffentlichkeit voneinander fernzuhalten. Wieder etwas, womit Namjoon sich herumschlagen muss, obwohl ich jedes Mal mein Bestes tue, die Beiden zu zügeln.
Bei Yoongi und Hoseok ist das schon einfacher, denn Yoongi ist nicht gerade der zeigefreudigste Mensch, wenn es um seine Gefühle geht, also stellt das kein Problem dar. Und Tae? Tae ist eher der verschmuste, süße Junge, der gern viel Aufmerksamkeit bekommt, wenn wir im Dorm sind. In der Öffentlichkeit dagegen, mimt er meist den Unnahbaren Fashion-Begeisterten Mann, der wahrscheinlich alle Army-Herzen höher schlagen lässt.
Und dann bin da noch ich. Ich schwärme für einen Mann, der mich nicht ernst nimmt und gar nicht merkt, dass er es ist, dem mein Herz gehört. Ständig fragt er mich, ob ich denn schon eine hübsche Frau im Auge habe, oder ob ich mit jemandem schreibe. Es ist zwar ziemlich jämmerlich, aber ich rede mir einfach immer wieder ein, dass er fragt, weil er ernsthaft Interesse zeigen will. Dabei ist es meist die versteckte Frage, ob ich nicht doch schwul bin und er auch mich noch 'zügeln' muss. Und ängstlich, wie ich nunmal bin, schaffe ich es einfach nicht, es ihm endlich zu sagen.
Ihm zu sagen, dass ich ihn über alles liebe und dass er der Mittelpunkt meines Universums ist. Ich würde alles für diesem Mann tun...
[.....]
Das Training und der kurze Auftritt waren anstrengend. Nicht zuletzt, weil Jungkook und Jimin wieder die Scherze nicht lassen konnten. Ich habe genau gehört, wie scharf Namjoon die Luft eingezogen und sich an seinem Mikro festgekrallt hat, als Jungkook auf die Frage, was Jimin glücklich machen würde geantwortet hat: „Na das bin doch wohl ich.“. Zwar hat Kookie schnell abgelenkt, aber es hat wieder Spuren der Angst bei Namjoon hinterlassen. Auf gar keinen Fall will er, dass irgendetwas unserer Karriere schadet, denn wir haben alle viel zu hart daran gearbeitet und so viel geopfert, dass es uns jetzt in ein ganz tiefes Loch werfen würde, wenn es plötzlich zu ende wäre.
Gerade sind alle auf ihre Zimmer verschwunden und warten, bis das Essen geliefert wird, als ich an Namjoon's Tür klopfe und darauf warte, dass er etwas sagt. Nichts. Ich klopfe noch mal und höre aus dem Inneren ein leises Schluchzen. Sofort fängt mein Puls an, zu rasen und die Sorgen breiten sich in meiner Brust aus, sodass es sich anfühlt, als läge riesiger Felsen darauf. Ohne weiter darüber nachzudenken, drücke ich die Klinke sachte runter, um den Leader nicht zu erschrecken, was ich aber sehe, lässt mich in meiner Bewegung direkt stocken.
Namjoon sitzt zusammen gesunken auf seiner schwarzen Couch, seine Ellenbogen hat er auf seine Beine gestützt und sein Gesicht versteckt sich hinter seinen großen Händen. Zwar kann ich es nicht sehen, aber ich weiß, dass er weint. Seine Schultern beben förmlich und sein Atem geht schwer. Fast lasse ich mich dazu hinreißen, ihn einfach sofort in den Arm zu nehmen und mit zu heulen, aber ich darf jetzt nicht egoistisch sein. Namjoon soll wissen, dass auch er mal schwach sein darf. Er muss verstehen, dass Schwäche zu zeigen nichts schlechtes ist, denn auch er ist ein Mensch mit Gefühlen.
Genau, wie ich...
Also nähere ich mich ihm langsam weiter, bis ich direkt vor ihm stehe und räuspere mich leise. Sofort zuckt Namjoon zusammen und wischt sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. „Ich... Ich hab nur...“ „Hör auf.“ unterbreche ich ihn und lege meine Hände auf seine, bevor ich sie von seinem Gesicht ziehe und es mir beinahe das Herz zerreißt. Der Mann, den ich schon so lange liebe, sitzt hier vor mir, mit rot geweinten Augen, rosanen Wangen und zitternden Lippen.
Er starrt für einen Moment auf unsere Hände und holt tief Luft, ehe er in sich zusammen sinkt und seinen Kopf hängen lässt. „Ich kann das nicht mehr, Jin... Ich schaffe das nicht... Ich... Ich...“ schluchzt er und mit jedem Wort zerreißt es mich mehr und mehr. Ich will ihm unbedingt helfen, aber ich habe das Gefühl, dass bloße Worte das nicht bewirken können.
Plötzlich klingelt es an der Tür und ich höre, wie direkt danach lautes Getrampel durchs Haus dröhnt und wie jeder durcheinander ruft, dass er zuerst was vom Essen haben will. Da habe ich plötzlich eine Idee.
Ich will meine Hände aus Namjoons lösen, um ihm die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, aber der Jüngere festigt seinen eben noch lockeren Griff und sieht wieder auf unsere Hände. „Noch einen Moment... Bitte.“ murmelt Er und ich schlucke nervös. „Immer“ flüstere ich und die Hitze steigt mir in die Ohren, sodass sie gerade wahrscheinlich wieder feuerrot sind. Wie immer, wenn ich in Namjoons Nähe bin. Aber wenn es das ist, was er möchte, dann halte ich es aus. Für ihn.
„Weisst du Jin...“ beginnt er und fängt an, seinem Daumen auf meinem Handrücken zu bewegen. Nur ganz leicht und kaum merklich, aber für mich fühlt es sich an, als hätte jemand die Zeit angehalten. „...diese ganze Zeit, in der ich mich immer um alles gekümmert habe, hat einfach nichts gebracht.“ beendet er seinen Satz und ich starre ihn ungläubig an. Wieso denkt er sowas? „Das stimmt nicht. Sieh' dir doch an, was wir für einen Erfolg haben. Die Preise, die Konzerte und alles, was wir erreicht haben. Und das Alles haben wir nur dir zu verdanken. Du hast das möglich gemacht und die Träume von gleich sechs Menschen erfüllt!“ versuche ich ihm verständlich zu machen, er aber lacht kurz danach bitter auf. „Das meine ich nicht.“ und nun bin ich völlig ratlos.
„Es hat nichts gebracht, weil ich damit versucht habe, mich von etwas abzulenken. Von jemandem...“ erklärt er und so heiß, wie mir gerade noch war, ist mir plötzlich eiskalt. Er ist verliebt. Und unsere Verträge erlauben es ihm nicht, dieser Person nah zu sein. Natürlich, wie konnte ich auch denken, jemals mit ihm zusammen sein zu können? „Oh“ stoße ich deshalb bloß aus, darum bemüht, es nicht zu enttäuscht klingen zu lassen.
„Diese Person... Ist wirklich schön, Jin. Schön, witzig und klug. Und vor allem trägt sie das Herz auf der Zunge. Und ständig in ihrer Nähe zu sein, tut weh. Es tut einfach weh, dass ich nicht lieben darf...“ und zum Ende hin wird er immer leiser. So bitter es auch ist: Ich verstehe ihn. Es ist schwer, in jemandes Nähe zu sein, der für einen die Welt bedeutet und ihn trotzdem nicht berühren zu dürfen. So schwer, dass man aus purer Verzweiflung jede Nacht weint und sich danach verzehrt, endlich glücklich sein zu dürfen. Und bis eben hatte ich noch die Hoffnung, dass es eines Tages anders werden würde, aber nun werde ich meine Gefühle wohl für immer wegsperren müssen.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll...“ gebe ich zu, obwohl alles in mir danach schreit, ihm die Wahrheit zu sagen. „Das wusste ich bis heute auch nicht. Aber dann habe ich die Person gesehen. Sie war für mich da und dachte, ich merke es nicht. Die ganze Zeit über. So viele Kleinigkeiten, die es mir leichter machen sollten, aber letztendlich nur dafür gesorgt haben, dass ich immer tiefer gefallen bin. Und jetzt kann ich es nicht mehr für mich behalten. Aber ich habe Angst. Was, wenn es einseitig ist? Wenn ich was falsch verstanden habe? Wäre ja nicht das erste Mal...“ sagt er und lächelt schief, nachdem er seinen Kopf wieder gehoben hat und mich ansieht.
„Dann wäre diese Person verrückt. Jeder Mensch, der deine Liebe bekommt, könnte sich glücklich schätzen, Namjoon. Wirklich glücklich...“ kommt mir wieder unbeholfen über die Lippen und ich hoffe, dass es ihn ein wenig aufmuntert, auch wenn in mir gerade alles zerbricht. Nur merke ich, wie mir die Tränen in die Augen steigen und ich stehe übereilt auf, um das Zimmer zu verlassen, denn mittlerweile fällt es mir schwer, zu atmen, so erdrückend ist die Stimmung. „Ehm, das Essen ist da. Du solltest auch was essen...“ schlage ich vor und lege meine Hand auf die Türklinke, als sich mit einem Mal zwei Arme um meinen Bauch legen und mich zurück ziehen.
Und im nächsten Moment sagt der Mann, den ich so liebe etwas, das erst langsam zu mir durchdringt, mich aber vor Freude völlig aus der Bahn wirft: „Und Jin... bist du wirklich glücklich?“
Meine Hände zittern und mein Herz schlägt so schnell gegen meine Brust, dass es sich fast taub anfühlt. Meine Augen huschen wild hin und her und ich höre das Blut praktisch durch meine Ohren rauschen. „Ich liebe dich, Seokjin. Das tue ich schon sehr lange, nur habe ich mich nie getraut, es dir zu sagen. Wenn du nicht genau so fühlst, ist das okay, aber ich musste-“ redet er, aber plötzlich weicht jede Spannung aus meinem Körper und meine Beine geben nach, bevor ich gemeinsam mit Namjoon auf den Boden sacke. Und nun kann ich auch meine Tränen nicht mehr aufhalten.
„Hey, hey, warum weinst du denn?“ fragt er sofort besorgt und legt seine Hände auf meine Wangen. Sofort ziehe ich sie wieder von meinem Gesicht und wische mir selbst die salzige Flüssigkeit aus dem Gesicht. „Weil... Weil ich nie ge-gedacht hätte, dich das jemals... jemals sagen zu hö-hören...“ schluchze ich und muss lächeln. „Heißt das-“ „Ja, Kim Namjoon. Ich liebe dich auch. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr.“ gestehe ich es ihm nach dieser ganzen Zeit endlich und fühle mich schlagartig so unendlich befreit, dass ich ihm einfach in die Arme falle. Der ganze Druck fällt von mir ab und ich habe das Gefühl, als könnte ich fliegen.
Nach einer Weile löse ich mich wieder von ihm und wir sehen uns einfach nur in die Augen. Plötzlich steht Namjoon auf und hält mir seine Hand hin, um mir ebenfalls wieder auf die Beine zu helfen. Ich ergreife sie und stehe langsam auf. Aber ehe ich mich versehe, liegen seine warmen Lippen auf meinen und für den Bruchteil einer Sekunde reisse ich überrascht die Augen auf, bevor ich sie seufzend schließe und spüre, wie der Jüngere auch unsere freien Hände miteinander verschränkt.
Und ich werde ihn nie wieder loslassen.
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»Gib mir deine Hand,
lass mich dich halten,
solange ich kann«
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