Im Licht des Mondes
Ein weiterer Bestseller von FleurDeCel
Für einen Verlag ist es ein herrlich beruhigendes Gefühl, mit einer Autorin zusammenarbeiten zu dürfen, die einen Bestseller nach dem anderen schreibt. Als ich das neue Manuskript lese und mir währenddessen die Tränchen über die Wangen kollern, weiß ich: Sie hat es einmal mehr geschafft. Wenn ich das ausgelesene Buch ins Regal stelle, mit der Hand sanft über die inzwischen stattliche Sammlung von Büchern streiche, schweifen meine Gedanken in die Zukunft. Was wird sie wohl als nächstes schreiben? Ein Buch, das in Japan spielt, vielleicht? Ich wünschte es mir. Einerseits, weil ich weiß, dass sie ohne Zweifel in der Lage sein wird, die einzigartige Exotik und Geschichte, die Kultur dieses Inselstaates in eine berührende und spannende Story zu fangen. Andererseits aber auch, weil sie dadurch endgültig gleichauf zöge mit meiner Lieblingsautorin aus jugendlichen Tagen. FDC, wie gesagt. (Wer hier stolpert, sollte das erste Interview aus meinem "Author's Corner" lesen.) Wie auch immer, hier kümmere ich mich um Fleurs neuestes Buch, das ich hoffentlich bald in meinen Händen halten kann.
Die Geschichte
Es ist eine Wolfsgeschichte. Wie Fleur aber von Beginn weg erklärt hatte, handelt es sich nicht um Werwölfe. Keine Alphas, keine Mates und auch keine Blutehre. Wölfe, als Tiere; ganz so, wie wir sie kennen; ganz so, wie Menschen in der Schweiz sie abschießen wollen.
Menschen kommen im Buch auch vor. Sie leben in ihren streng getrennten Gebieten, jeweils mit ihren Tieren. Es gibt das Volk der Eulen, die Bärenmenschen und eben die Menschen mit ihren Wölfen, die Mondmenschen. Durch eine magische Mauer werden sie vom Sonnenvolk getrennt. Niemand wagt es, die Mauer zu übersteigen; ein Fluch liegt darüber und ein Wechsel auf die andere Seite scheint lebensgefährlich.
Faye Gleamridge ist die Tochter eines wichtigen Mannes bei den Sonnenmenschen. Sie ist als Frau des Sonnenkönigs auserkoren. Lycan Blackwood ist der Sohn des Anführers bei den Mondmenschen. Er wird später die Führung seines Volkes übernehmen. Eines Tages stolpert Faye über die Mauer und fällt benommen auf die fremde Seite. Ausgerechnet Lycan findet sie. Das Schicksal führt zwei Lebenswege zueinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten - oder doch nicht?
Bereits der Klappentext verspricht Spannung, vermischt mit Liebe und starken Gefühlen. In dieser Geschichte zieht die Autorin zudem ein weiteres Register: Tiere. Die Wölfe sind mit ihren Menschen verbunden, sie kommunizieren über Gedanken. Schnell wird klar, dass Faye mehr ist, als die Wolfsmenschen zuerst glauben. Sie scheint zumindest offen für die Gefühle und die Gedanken der Wölfe zu sein.
So wird die Fremde nicht getötet, sondern ins Volk der Mondmenschen aufgenommen. Sie gehört zum Rudel der Jungwölfe, wird mit ihnen zusammen ausgebildet und wartet darauf, ihren eigenen Wolf zu finden. Ob und wie ihr das gelingt, erfährt man nur, wenn man das Buch liest. Eines ist sicher: Die Sonnenmenschen versuchen alles, um ihre künftige Königinnen-Gattin zurückzugewinnen.
Der Blick in die Geschichte und dahinter
Mehrere Handlungsstränge werden hier sehr geschickt miteinander verwoben. Da haben wir den menschlichen Strang. Zwei Menschen entdecken ihre Liebe zueinander, zuerst nur vorsichtig, wie zwei scheue Teenager, die sich nicht getrauen, dem anderen Geschlecht nahe zu kommen. Sie stammen aus gegensätzlichen Kulturen und müssen ihre Gefühle akzeptieren lernen. Sie müssen sich öffnen, um den anderen ins Herz zu lassen. Das gelingt ihnen manchmal besser, manchmal weniger gut. So kommt es zwischen ihnen zu Streit und zu starken Emotionen.
In einem zweiten Strang folge ich als Leserin den Wölfen. Eine fremde Welt öffnet sich mir. Mit unglaublich feinem Gespür und sehr viel Fachwissen fürt die Autorin mich in das faszinierende Leben dieser Tiere ein. Vom ersten Wort weg sehe ich die Wölfe nicht als wilde Bestien sondern als Lebewesen, die ihren eigenen Regeln folgen, einen starken Familiensinn haben und ihre eigene Kultur pflegen. Nie werden die Tiere vermenschlicht, sondern immer sehr artgerecht dargestellt. Deshalb lässt die Autorin sie auch nicht sprechen, sondern versteckt die Kommunikation in die Welt der Gedanken. Das ist ein cleverer Schachzug, denn dadurch gewinnt die Geschichte an Glaubwürdigkeit. Wieso soll es nicht möglich sein, ein geliebtes Tier in Gedanken verstehen zu können?
Der dritte Handlungsstrang ist der Kampf der Geschlechter. Da ist die männliche Kriegswelt mit ihrer Ehre, dem Ruhm und der Macht. Es wird gekämpft, Intrigen werden geflochten, Machtspiele werden eingesetzt bis das Testosteron als Regen die toten Körper tränkt. Daneben, fast im männlichen Schweiß erstickt, blüht die weibliche Welt der Vergebung, die Welt der Liebe und des Verständnisses füreinander. Sie überwindet jede trennende Mauer und lässt die Waffen der Krieger wirkungslos werden.
Fleur beweist hier, dass sie alle Ebenen perfekt versteht und in passende Worte zu fassen vermag. Immer wieder nehme ich ihr Wissen dankbar an, fühle mich geschult ohne belehrt zu werden. Ich sauge die neuen Erkenntnisse in mich auf und warte auf mehr. Die Geschichte ist eine fantasievolle, eine fantastische Reise in eine Welt, die nur auf den ersten Blick als gefährlich erscheint und sich am Ende als heile Welt öffnet; mit allen Gefahren und Widrigkeiten, die zu Vollkomenheit dazugehören.
Die Kritik
Auf sprachlicher Ebene gibt es nichts zu kritisieren. Die Geschichte ist kompakt, in fließender Weise erzählt und nahezu fehlerlos geschrieben. Als Korrektorin hätte ich wenig zu tun. Als Lektorin würde ich wohl einige Passagen ansprechen und mit der Autorin darüber diskutieren, ob man die eine oder andere Stelle etwas straffen könnte. In einigen Kapiteln wäre das bestimmt möglich. Ich bin aber überzeugt davon, dass Fleur das während einer Überarbeitungsphase selbst auch feststellen würde.
Als großer Fan von Cliffhangern werde ich hier oft glücklich. Die Meisterin der spannenden Kapitelübergänge lässt mich die Zeit vergessen. Es ist unmöglich, das Buch wegzulegen; eher wird der Kaffee kalt oder ich rufe meine Chefin an und melde mich krank, weil ich noch einige Kapitel lesen muss. Die Spannung wird kontinuierlich aufgebaut und der Bogen bricht nicht ab.
Zudem gibt es einige erstaunliche Plottwists. Nur sehr aufmerksame Leserinnen können diese voraussehen. Das zeichnt das Talent der Autorin aus. Die Geschichte kann erst am Ende erfasst werden. Das aus vielen kleinen Teilchen bestehende Mosaik zeigt seine Schönheit erst ganz am Schluss. Zufrieden lächelnd lege ich das Buch neben mich und streichle meinen Wolf, der seinen Kopf in meinen Schoß gelegt hat.
Diese Geschichte wird vermutlich vor allem ein weibliches Publikum ansprechen. Für viele Leser ist die Story eventuell zu wenig wild; die Männer werden auch nicht sehr heldenhaft dargestellt, scheitern in ihrem Machogehabe. Das könnte viele von ihnen abhalten, die Geschichte zu mögen. Vom Alter her werden sich hier Young Adults wohlfühlen. Den Teenagern könnten der Spice und die klassische Werwolf-Fantasy fehlen; die Seniorinnen könnten sich eventuell zu stark über die verschiedenen Welten hintersinnen. Ihr merkt es: Ich bewege mich im Konjunktiv. Um wieder in den Indikativ zurückzukehren: Das Buch wird Absatz finden und sich gut vermarkten lassen. Ohne Zweifel.
Worte an Fleur
Meine Liebe; an so vielen Stellen habe ich dich neben mir gespürt, habe ich deinen liebenswürdigen Hund gesehen und leise geschmunzelt. Du hast hier eine wertvolle Perle geschrieben. Ich weiß, sie hat dich sehr viel Energie gekostet und dich an den Rand der Verzweiflung getrieben. Nimm einen Schritt Abstand und betrachte das Werk als Ganzes. Lasse deinen Hund an der Geschichte schnuppern und lies seine Gedanken. Du wirst sehen, wie sehr er deine Worte mag. Und genau so geht es uns, deinen Leserinnen. Mit ruhigem Gewissen kann ich behaupten, dass wir dein Buch lieben.
Danke, dass du diese wunderbare Geschichte mit uns teilst. Ich hoffe sehr, dich auf dem Weg zum gedruckten Buch begleiten zu dürfen. Es wäre mir eine große Freude und Ehre. Genieße deine Auszeit. Lass die Seele baumeln, fremde Kulturen auf dich wirken und tanke Kraft für all die neuen Geschichten, die du noch schreiben wirst. Du bist eine wundervolle Autorin, mit seltenem Talent gesegnet. Dich zu kennen und deine Werke zu lesen ist eine Bereicherung meines Lebens. Vielen Dank.
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Ich kann das Buch nur empfehlen. Stellt es in euren (noch virtuellen) SUB; aber nicht zu lange, denn es will gelesen werden.
Macht's gut - eure Lesende
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