♕8 - Eiserne Seele♛
♕ Taehyung ♛
Noch immer hing mir der Traum über den vereisten Wald tief im Nacken, wann auch immer ich mich auf den Aufbruch vorbereiten wollte, kamen mir diese schrecklichen Szenarien wieder in den Sinn und es fühlte sich an, als würde man mich langsam in ein schwarzes Meer der Verzweiflung ziehen. Ein Meer, indem es egal war, wie gut ein Einzelner schwimmen konnte, weil man ohne Hilfe nicht mehr herauskommen konnte und es auch mit sehr riskant war.
In meinem Gemach war es lärmfrei, nur das Geräusch meines auftretenden Schuhwerks war hörbar, denn in meinem Gedankenwirr versunken ging ich in meinem Raum auf und ab, verbreitete die unangenehme Atmosphäre, an der ich beinahe zu ersticken drohte. Ein Seufzen entwich meinen Lippen und ich raufte mir wild durch die Haare - das dritte Mal in Folge, seit ich hier für mich alleine war. Das war wirklich das Letzte, was ich jetzt noch gebrauchen konnte und irgendwie suchten sie mich immer an den ungünstigsten Momenten heim.
Ich wollte, dass es endlich aufhörte, aber damit auch das endlich ein Ende nahm, musste ich erst das hier zu einem Ende führen.
Ich atmete noch ein letztes Mal tief durch und öffnete dann zitternd die Tür meines Gemachs, spazierte die Treppen herunter und bemerkte anschließend, dass man mich wohl schon sehnlichst erwartet hatte. »Der König erwartet Sie bereits, Prinz Taehyung«, vernahm ich die Stimme von einem seiner Bediensteten, der sich in meiner Anwesenheit extra hinkniete, um damit zur Geltung zu bringen, wie unterschiedlich unsere Positionen doch waren.
Und das war es, was ich an dieser Gesellschaft so verabscheute. Dieses differenzieren nach Rang war etwas, das uns bald schon in den Untergang ziehen würde. Wann begriffen sie endlich, dass jeder Mensch vor dem Auge Gottes gleich war und keiner mehr Bedeutung aufgrund seiner Machtposition erlangen würde? Vermutlich niemals, sie waren viel zu stur um das je begreifen zu können.
Ich folgte dem Hinweis des Bediensteten, dessen Name mir noch nicht einmal genannt wurde und suchte meinen Vater auf, der sich wie gewohnt in seinem Thronsaal befand und mich offenbar schon erwartete. »Hast du all deine Vorkehrungen für die Abreise getroffen?«, fragte er mich, als ich den Saal betrat und zu ihm aufblickte, während ich selbst auf die Knie ging und ihm damit meinen Respekt erwies. Zögernd nickte ich mit dem Kopf, auch wenn ich die letzte halbe Stunde vermutlich nur in Gedanken versunken war und nichts von dem tat, was man mir aufgetragen hatte.
Aber das meiste hatten die zahlreichen Untertanen schon erledigt; sie kümmerten sich um Pferde und Kutschen für die Reise, um das Proviant und auch für die Bewaffnung, falls man uns angreifen und ausbeuten wollte. Alles, was ich noch tun musste, waren persönliche Vorkehrungen und von diesen hatte ich nicht viele. Das einzige, was für mich in meinem Gemach wichtig war, war die Halskette mit dem Symbol unseres Reiches als Anhänger. Zu guter Letzt noch das Bild, das Vater, Mutter, Schwester und mich zeigte. Es war das Einzige, das mir von ihnen geblieben war - auch wenn sich eine Gänsehaut über meine Haut legte, weil ich wusste, dass das eigentlich gelogen war.
»Gut.« Er erhob sich von seinem Platz und schickte mich fort, ich solle draußen auf ihn warten und noch einmal über das nachdenken, was ich mir diesem Plan alles riskierte. Und erneut wurde mir bewusst, was wir im Inbegriff waren zu tun - es war mein Vorschlag gewesen und ich trug die Verantwortung für jeden, der uns begleitete. Darunter der Brigadeführer Hoseok, dem wohl zuverlässigsten Krieger dieses Schlosses, der für den Schutz des Königs persönlich ausgesucht wurde.
Des Weiteren wurden wir begleitet von Bogum, der ein erstaunliches Fachwissen im Bereich der Medizin hatte und schon vielen Verletzten und Kranken das Leben retten konnte. Für eine solche Mission war er unentbehrlich; hier nannten wir solche Leute Heiler, denn sie kämpften nicht.
Und dann noch zwei ausgebildete Schutzwächter, die uns auf dieser Reise begleiten würden - ihr Name war mir leider wieder verschleiert geblieben, denn Vater hielt es nie für nötig, mich über solche Dinge in Kenntnis zu setzen, weil er Namen nichts abgewinnen konnte. Dabei waren sie doch die Sache, die einen Menschen ein Stück weit ausmachten und ihm einen Teil seiner Persönlichkeit gaben. Falls man so etwas in Kriegszeiten überhaupt besitzen durfte und nicht nur lebte, um ein willenloser Sklave seines Reiches zu sein.
Mein Vater stieß zu uns und wir verließen das Schloss gemeinsam durch den Hauptausgang. Direkt wehte mir eine angenehme Brise entgegen und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich die Sonne auf meine Haut scheinen spürte; es war ein warmes, angenehmes Gefühl und ich hatte endlich die Gelegenheit, mehr auf die so friedlich wirkende Natur eingehen zu können. Es waren Teile, die noch nicht mit Blut befleckt wurden, die noch nicht vom Krieg erfasst wurden.
Die Pferde und Kutschen standen bereits startklar, es waren jeweils zwei davon. Die Aufteilung war simpel, ich ging mit Hoseok und Bogum, während mein Vater die beiden Leibwächter ertragen musste. Und es wunderte mich nicht, es waren vermutlich seine Berater gewesen, die ihn zu dieser Aufteilung überzeugt hatten, denn ihnen war ich nur ein Dorn im Auge und hatte keinerlei Bedeutung für dieses Land. Nicht, solange es noch meinen Vater gab, denn sie mit ihren narrischen Gedanken beeinflussen konnten.
»Wenn diese Mission fehlschlägt« - »Das wird sie nicht!«, unterbrach ich meinen Vater schnell und blickte ihm ernst in die Augen. Diese Mission war nicht zum Scheitern verurteilt, wer sich wirklich nach Frieden sehnte, konnte diesen auch erreichen. Aber momentan sehnten sich die Leute nach Macht und um diese zu erlangen bedarf es einem Krieg. Die Leute sehnten sich danach, weil sie vollkommen verblended waren und keinen Gedanken zuende dachten, sie merkten gar nicht, dass der Auslöser für dieses schier endlose Leid sie selbst waren.
»Was macht dich so sicher, mein Sohn? Woher kann ich wissen, dass du uns nicht gerade in den Tod führst?«, hinterfragte er dann doch und ich schnaufte schwer. »Das kannst du nicht. Du wirst mir da einfach vertrauen müssen.«
»Wenn es nur so einfach wäre, wie du es immer hinstellst«, murmelte er leise, ließ es aber wie eine Widerrede klingen.
»Das ist es, du musst es nur wollen und ein wenig von deinen Überzeugungen abkommen«, erklärte ich ihm, doch merkte auch, dass er sich an Ort und Stelle nicht überzeugen ließ.
Er musste sich wohl selbst davon überzeugen, um endlich glauben zu können.
Ich nickte ihm noch ein letztes Mal zu, er legte seine Hand auf meine Schulter und unsere Blicke trafen sich vielleicht nur für den Bruchteil einer Sekunde, dennoch war dieser Augenblick so vielsagend und bedeutend für mich. Er vertraute mir, sein Blick sagte es mir und ich durfte ihn nicht enttäuschen. Zur Hölle würden sie mich jagen, wenn dieser Plan versagt.
Aber bevor ich mir darüber weiterhin Gedanken machen konnte, wurde ich in die Kutsche gedrängt, denn sie wollten endlich aufbrechen und diese lange Reise hinter sich bringen. Für mich war es etwas, was ich mir schon mein gesamtes Leben lang erträumt hatte. Ich wollte endlich selbst sehen, was sich hinter den Mauern unseres Reiches verbarg und endlich herausfinden, ob die gigantische Welt da draußen wirklich so atemberaubend schön war, wie man sie in all den Schriften und Büchern beschrieb.
Ich wollte es mit eigenen Augen sehen; die Menschen, das Meer, die Tiere und all das im Einklang mit dem Willen der Götter. Ich träumte von einer Welt des Friedens, in der man sich nicht mehr bis zum bitteren Ende bekriegte. Und vielleicht war das der erste Schritt eines närrischen Träumers, der damit entweder die sagenumwobene Revolution ins Rollen brachte oder für vernichtende Verluste sorgte.
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