♕1 - Der Kronprinz♛
♕ Taehyung ♛
Wenn sich im Eifer des Gefechts die Gedanken abschalten und man sich nur noch auf seine menschlichen Sinne und Reflexe verlassen konnte, fühlte man sich fast schon verloren. Wenn man die Augen schloss konnte man nur noch das hören, das man hören wollte und musste nicht mehr sehen, was einen bedrängte.
Das Feld war ein gefährlicher Ort, so sagten es all die Wächter und Soldaten, die es jemals betreten hatten.
Eingesperrt in diesem Schloss fühlte ich mich, als wäre ich meiner Freiheit beraubt. In den braun gehaltenen Wänden meines Zimmers versuchte ich etwas zu erkennen, das nicht da war, in meinen Gedanken verloren versuchte ich den Sinn meines Daseins zu finden.
Diese täglichen und langweiligen Abläufe wiederholten sich immer wieder, ich verfiel in ein Muster, aus welchem ich nicht austreten konnte.
Nicht, solange mein Leben durch jemand anderen bestimmt wurde und nicht, wenn mir die Macht fehlt, über mich selbst bestimmen zu können. Doch wie sollte ich irgendwann einmal ein gesamtes Königreich anführen, wenn man mir nicht einmal die Möglichkeit gab, über mich selbst zu bestimmen? Entscheidungen konnte ich keine treffen, wenn mein Vater sie mir nicht abnahm, tat es einer der vielen Bediensteten.
Sie waren alle keine Sklaven, doch haben ihr Leben mit einem Eid dem Schutze des Königs versprochen, alles würden sie aufopfern, um den König von Alvarez zu beschützen. Und auch wenn das ein gewisses Gefühl der Sicherheit gab, man verlor von Tag zu Tag ein Stück der Eigenständigkeit. Ständig einen Begleiter zu haben und die eigene Privatsphäre nicht genießen zu können war genau das, was mich an dieser Situation störte.
Ich wollte ein ganz normaler Junge ohne Pflichten sein, ich wollte mit anderen Menschen dieses Imperiums in Kontakt treten und Freundschaften knüpfen, ich wollte einfach nur das tun, was andere in meinem Alter auch taten ㅡ es nannte sich Spaß haben.
Schon seit mir das Denken möglich war, fühlte ich mich gefangen, eingesperrt in diesem Königshaus.
Wenn es mir erlaubt war, die Außenwelt zu betreten und unser Reich zu bestaunen, dann geschah das nur unter strenger Bewachung, niemals durfte ich alleine einen Fuß nach draußen setzen und das hatte sich bis heute nicht geändert.
Mir war klar, mein Vater war der König seines Reiches und hatte damit viele Pflichten und Aufgaben, um die er sich kümmern musste, dazu kam noch meine Erziehung als Prinzen dieses Imperiums. Er hatte es nicht einfach, vermutlich lag auf seinem Rücken eine viel größere Last als auf meinem, aber trotzdem kam ich nicht umher, mir manchmal ein anderes Leben zu wünschen.
Menschen gingen zur Schule und lernten Leute kennen, sie begannen Freundschaften aufzubauen und pflegten diese über Jahre hinweg, anders als ich. Meine Beschäftigung in der Freizeit war es, mir alte Kriegsgeschichten verschiedener Imperien durchzulesen in unserem Archiv, das einem Auskunft über jedes Kapitel dieses Reiches gab. Ich wusste über sämtliche Beziehungen zu anderen Königreichen bescheid, ich kannte die Geschichten der blutrünstigen Schlachten, die Legenden von heldenhaften Rittern und Kriegern, die großes vollbracht haben sollten, aber letzten Endes konnte das nicht das ersetzen, was ich wirklich wollte.
Ein sanftes Klopfen an der erneuerten Holztür ließ mich aufschrecken, in Gedanken versunken hatte ich nicht auf die Zeit geachtet und mir war klar, warum man seinen Knöchel gegen meine Tür gehauen hatte.
Ich gestattete der Person Einlass und diese betrat kurzerhand den Raum, seine Hände hatte er vor seinem Bauch gefaltet und er blickte mich einen Moment stumm an.
»Bist du hier, weil mein Vater mich sehen möchte oder bist du aus freien Stücken zu mir gekommen, Samuel?«, fragte ich ihn mit sanfter Stimme, während mein Blick wieder nach draußen glitt.
Der Himmel draußen war in einem angenehmen Blauton getränkt, die Wolken zeichneten sich sporadisch auf diesem ab ㅡ es war ein beinahe malerisches Bild, welches mich fast schon wieder in die Tiefen meiner Gedanken stürzte, wenn nicht das Räuspern von Samuel meine Aufmerksamkeit davon abgelenkt hätte.
»König Ragus verlangt dich zu sehen.« Mit diese Worten verbeugte er sich langsam und marschierte dann wieder aus dem Raum, um mich wieder alleine zulassen.
Samuel war der einzige unter vielen, der meinen Wunsch auf eine kleine Privatsphäre respektierte und mir versuchte den Freiraum zu geben, den ich mir wünschte. Auch wenn seine Hände in vielen Dingen gebunden waren und ich ihm keinen Ärger mit meinem Vater einhandeln wollte, war ich ihm doch jedes Mal dankbar, für sein Verständnis und auch dem kleinen Widerspruch gegen meinen Vater.
Denn er war es, der das eigene Denken beherrschte und die seltene Gabe besaß, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Er wusste schon alleine von meiner Mimik, wie ich mich in manchen Situationen fühlte, war für mich eine Anlaufstelle und fast schon wie eine rechte Hand, nur nicht auf die Art, wie mein Vater es gerne hätte.
Ich würde sogar soweit gehen, ihn als meinen einzigen, richtigen Freund zu bezeichnen.
Langsam erhob ich mich von meinem durchaus bequemen Bett und strich das rote Laken wieder einigermaßen Glatt, ehe ich meine Haare im Spiegel zurecht zupfte und das Gemach, in welches mein Körper sich tagtäglich aufhielt, mit einem zufriedenen Lächeln verlasse. Samuel hatte draußen auf mich gewartet und warf mir ein kleines Lächeln zu, dieses erwiderte ich kaum merklich und ich war mir nicht sicher, ob er es überhaupt gesehen hatte.
»Hat er erwähnt, warum er mich so plötzlich sehen möchte?«, versuchte ich ein paar wenige Informationen aus ihm heraus zubekommen, doch er schüttelte nur tonlos seinen Kopf und warf seinen Blick noch nichtmals zu mir. Wenn nicht mal er wusste, weshalb mein Vater nach meiner Anwesenheit verlangte, musste es wahrscheinlich etwas ernstes sein. Er besprach nicht viele Dinge mit mir, in seinen Augen war ich noch zu jung und naiv, um Entscheidungen in Kriegszeiten oder von politischen Ereignisse zu treffen. Dafür hatte er seine treuen Berater, die ich von allen hier Anwesenden am wenigsten leiden konnte.
In was auch immer sie ihn da berieten, gutheißen konnte ich seine Beschlüsse bisher nur selten. Sie waren absolut nicht gut für die Menschen dieses Reiches und quasi gefüllt von Egoismus, das eigene Wohl stand bei diesen Entscheidungen meist an erster Stelle, obwohl es so nicht sein sollte.
Der König war das Oberhaupt seines Reiches und sollte schauen, dass es den Bewohnern dabei immer gut geht; auch wenn die eigenen Interessen dabei nicht immer an erster Stelle stehen konnten.
Das war es, was ich in all der Zeit im Archiv gelernt hatte, diese vielen Geschichten hatten mich menschlich sehr weit gebracht und mich gelehrt, dass man sich seines eigenen Verstandes bedienen musste, um als König nicht zu versagen.
Das war nicht, wie er mich erzogen hatte und besonders zufrieden war er mit dem Verlauf meiner Entwicklung mit Sicherheit nicht, doch das hatte er sich selbst zuzuschreiben.
Meinen Kopf hielt ich stolz erhoben, wie es sich für einen Prinzen gehörte und ich warf all den Leuten, an denen wir gerade vorbeiliefen ein freundliches Lächeln zu. Nicht, weil mir gerade danach war, aber es einfach jahrelange Angewohnheit war, stolz und erhaben den Kopf zu heben und mit einem förmlichen Dauergrinsen herumzulaufen. Dass dieses so falsch wie die vermeintlichen Interessen meines Vater für das Volk war, bemerkten sicherlich auch die meisten.
Denn jeder wusste, dass ein Prinz sich so zu geben hatte und vor allem gleichgestellte Menschen wussten, wie ich mich dabei fühlte.
Samuel klopfte an der großen, in Fichtenholz gehaltene Tür und es dauerte nur einen kurzen Moment, da erklang die kratzige und rauchige Stimme meines Vaters von innen und symbolisierte uns, dass wir eintreten dürfen. Die Tür vor uns wurde geöffnet und wir traten ein, mein Blick glitt sofort zu dem meines Vaters, der mich zwischen halb geschlossenen Lidern ernst anblickte und ich deshalb zunächst schwer schlucken musste.
»Taehyung!«, hallte seine Stimme in mein Ohr und sorgte damit automatisch dafür, dass meine gesamte Aufmerksamkeit auf seiner königlichen Präsenz auf dem Thron lag. Dieser befand sich oben, es gab links und rechts davon Treppen, die nach oben führten. Zu seiner Rechten und zu seiner Linken war seine zwei Leibwächter, die Juwelen des Königs, an denen bisher noch niemand vorbeigekommen war. Sie sorgten nicht nur hier für Schutz, sondern auch außerorts, wenn mein Vater sich auf Reisen in ein anderes Königreich befand. Banditen trieben gerne ihr Unwesen in den Waldgegenden außerhalb der Schutzmauern und raubten den Bewohnern gerne ihre Ware aus.
Deshalb waren Verhandlungen auch nie sicher, es war immer gefährlich zu reisen und tatsächlich besorgte mich schon alleine der Gedanke, jemals alleine reisen zu müssen.
Genau für sowas bekomme ich ein spezielles Training, um mich gegen solche Banditen im Notfall verteidigen zu können, selbst der Umgang mit einer Waffe und verschiedenen Ausrüstungen wurde mir beigebracht.
»Es sind nun exakt sechs Vollmonde seit deinem zwanzigsten Geburtstag vergangen«, setzte er mit seiner festen Stimme erneut an und so langsam begann ich zu verstehen, was nun auf mich zukommen würde. Auch wenn ich nicht behaupten konnte, dass diese Tatsache mich wirklich erfreute, so war sie ein neues Kapitel in meinem bisher eintönigen Leben und konnte vielleicht sogar ein wenig Farbe in dieses bringen.
»Wenn der Prinz das Alter, dessen Länge der des ersten Waffenstillstandes zwischen allen Königreichen widerspiegelt, erreicht, so wird es für ihn Zeit, sich seiner Pflichten zu stellen und sich seiner Verantwortung als Mitglied der Königsfamilie.« Die Stimme meines Vater drang wie immer laut in mein Ohr, ich sollte eingeschüchtert sein und doch war ich es nicht, ich war es einfach gewohnt.
Eine Stille herrschte dann in dem Raum und sollte ich nun meine Augen schließen, würde ich denken, der Raum sei wie leer gefegt. Doch das war bloß illusorisch, in Wahrheit war er belebt von Bediensteten und Berater des Königs, deren Blick allesamt auf mir lagen.
Mein Vater erhob sich langsam von seinem Thron und begann die Treppen nach unten zu laufen, sein Blick lag dabei unentwegt auf mir, gar inspizierte er mich dabei und wollte damit offenbar überprüfen, ob ich dieser Verantwortung wirklich gewachsen war. Und wenn ich ehrlich sein sollte, wusste ich es selbst nicht mal genau.
Wer würde inmitten einer Verhandlung oder eines Kampfes an genau das denken, was man sich im Stillen und in aller Ruhe zurechtgelegt hatte? In der Hitze des Gefechts waren die Gedanken wie leer gefegt, man musste sich auf die Spontanität, aber vor allem auf seinen Geist und sich selbst verlassen können.
Als er dann vor mir angekommen war, ging ich langsam in die Hocke und hielt meinen Kopf gesenkt. Seine Hand lag ruhig auf dem Knauf seines Schwertes, bis er diese Klinge langsam nach draußen zog und ich im Augenwinkel einen schimmernden Glanz erkennen konnte.
»Dieser Schwert wurde von Generation zu Generation in der Königsfamilie weitergegeben und es ist an der Zeit, dieses nun an dich zu geben!«
Langsam ließ er die Klinge auf meine Schultern senken und verwiel für einen kleinen Moment in dieser Situation, ehe er das Schwert wieder langsam von mir entfernte und ein tiefes Durchatmen zu hören war.
»Nun erhebe dich, Kronprinz von Alvarez!«
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