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69. So leicht zu entzweien

The ropes creaking, ship's leaking, sails are on fire,

And this whole bloody ship could go up like a pyre.

We've got smiles on our faces, but we've seen this before

No telling just now what we have in store.

- Abney Park, Aether Shanties


Es war wie in einem dieser Märchen gewesen, die Iskira ihnen immer auf der Dunkelwacht erzählt hatte. Roxane, Luna und Marie hatten ihr an den Lippen gehangen, während sie von unsterblicher Liebe und Perlentränen erzählte, nur unterbrochen von Roxanes und Maries bezauberten Seufzern und Morgaines ungeduldigen Zappeln.

Nachdem Fair Johnny aus seinem Delirium erwacht war, hatte er noch einige Zeit in der Hängematte ausharren müssen. Manchmal hatte er sich mit Roxanes Hilfe an Deck geschleppt, eingewickelt in seine Verbände und das Korsett, und hatte so nach langer Zeit unter Deck endlich wieder frische Luft schnappen können. Roxane war aufgefallen, dass er jedes Mal, wenn sie ihn irgendwohin begleitete, sich besonders lange und sanft an ihr festhielt... und dass sie den Moment hasste, an dem er sie losließ. Eines Abends gab sie schließlich dem Verlangen, dass sie so lange verborgen hatte, das all die Zeit, in der sie neben ihm gewacht hatte, in ihr gewachsen war wie eine warme, glühende Blume, nach. Als er ihr eine vom Seewind zerzauste Haarsträhne aus dem Gesicht strich, griff sie nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger in seinen. Langsam führte sie ihre Hand hinter ihren Rücken, sodass er sie umarmte. Er leistete keinen Widerstand, sondern sah ihr nur wie gebannt in die Augen und löste schließlich seine Finger aus ihren. Ihr Herz machte einen enttäuschten Sprung, doch er verstärkte nur seinen Griff um ihre Taille, und legte seine andere Hand an ihre Wange. Warm lag sie auf ihrer kalten Haut.

Als ihre Lippen sich trafen, erfüllte eine prickelnde Wärme sie, floss mit ihrem Blut durch ihre Adern und erreichte brennend heiß ihre Fingerspitzen. Sein Kuss war zögerlich, doch als sie ihn erwiderte, wurde er sicherer, doch nicht heftig. Sanft und voller Liebe. Sie vergrub ihre Hände in seinen struppigen schwarzen Haaren, ließ sie seinen Nacken hinab auf seinen Rücken wandern, wo sie seine Verbände ertastete. Die er trägt, weil er mich beschützen wollte. Weil er mich beschützt hat. Schuldgefühle wallten in ihr auf, und sie machte halbherzige Versuche, sich zu lösen. Er unterbrach den Kuss und sah sie unsicher an, und Roxane sah den Blick, den sie sich immer vorgestellt hatte. Er liebt mich. So sicher. Fast hätte sie den Moment zerstört und sich für ihre Schuld an seinen Verletzungen entschuldigt, doch er schien ihre Gedanken zu lesen.

„Ich liebe dich, Roxane Blackheart. Seit ich dich zum ersten Mal als die Frau erkannt habe, die du bist", flüsterte er.

Roxane schluckte und sah auf die Sonne, die glühend über den fernen Dünen der Outlands unterging. Warme Tränen rannen ihre Wangen hinab, doch es waren keine Tränen der Trauer. Zum ersten Mal seit so langer Zeit das Licht. Unfähig zu antworten, küsste sie ihn, so vorsichtig, wie sie konnte. Ich liebe dich auch, wollte sie antworten, doch es kam ihr nicht über die Lippen. „Warum küsst du mich dann erst jetzt?", fragte sie schließlich spielerisch, nachdem sie sich wieder gesammelt hatte.

Er lächelte, beinahe mit dem alten Feuer in den Augen. „Ich werde es immer und immer wieder tun", versprach er, und sie küsste ihn sanft.

Seitdem war sie seine Geliebte, und er der ihre. Sie verzehrte sich förmlich nach ihm, und es fraß sie auf, dass in den dünnen Hängematten kein Platz für zwei war. Jede Sekunde wollte sie bei ihm sein, und doch war es anders als mit Madrid. Ich habe mir zwar geschworen, nie wieder so dumm und abhängig von einem Mann zu sein... aber bei ihm bin ich es nicht. Zwar konnte sie es nicht erklären, doch ihre Liebe zu ihm war... nicht verzweifelt. Sie wusste, dass er sie niemals zu etwas zwingen würde, was sie nicht wollte. Wie gerne würde ich mit Marie darüber reden... Doch sie ist weit weg. Zuhause, in Crusadia. Und ich werde dort ankommen, und wir werden uns Wein und Kuchen bringen lassen und wir reden, bis der Morgen graut. Ich werde ihr erzählen, wie ich mich mit ihrer Hilfe an Bord eines Schiffes geschlichen habe, wie Nicolas de Oro und Morgaine Silver dort waren, und wie wir Alpha Centauri und Port Rodriguez gesehen und die Stürme um Muriel erlebt haben... Wie ich in Lichtenturm beinahe vergewaltigt wurde und gerettet wurde, von dem Mann, der der wundervollste Beschützer ist, den ich kenne... und Marie wird mich auslachen, mich und meine Männergeschichten verfluchen und ich werde sie raten lassen, wer der Männer es war... Und sie wird sicher auf Nicolas de Oro tippen und hoffen, dass ihr Versuch, uns zu verkuppeln Erfolg hatte, und ich werde sie auslachen, weil ich niemals auf die Idee käme, mich in ihn zu verlieben, solange Fair Johnny in meiner Nähe ist... In allen Farben malte sie sich ihr Wiedersehen aus, und das Heimweh überfiel sie mit aller Macht, gemischt mit dem ständigen Glücksgefühl, das Fair Johnny in ihr auslöste. Er ist mein, mein Mann, und er gehört mir allein. Er ist bei mir, und ich muss nicht weg von ihm... Niemals...

Schließlich wusste sie, wo sie zu zweit sein konnte. Sie lieh sich bei der süffisanten Morgaine die Schlüssel für den Laderaum und führte Fair Johnny hinein, in die feuchtwarme Dunkelheit, nur erhellt von einer einsamen, abgeblendeten Laterne, die sie mitgebracht hatte.

Leise stellte sie die Laterne ab und verschloss die Luke. Verführerisch wandte sie sich zu ihm um und holte Luft für eine verspielte Einladung, doch sie wurde sofort unterbrochen.

Fair Johnnys Lippen lagen auf ihren, heiß und süß, seine Hände glitten scheu und doch verlangend unter ihr Hemd und strichen über ihre Haut. Trotz seiner langen Ruhe fühlten sich seine Arme stark und warm an. Sanft drückte er sie an sich, während ihre Finger über die Narben an seinem Rücken strichen. So viele Narben. Und ich kenne sie fast alle, nach nur so kurzer Zeit...

Er löste sich von ihr und strich ihr durch die strohigen schwarzen Haare. „Roxane", flüsterte er heiser.

Sie antwortete mit einem weiteren Kuss, länger und inniger als der vorherige. Für alle Ewigkeit könnte ich mit ihm hier sein... hier, wo mir niemand etwas antun kann. Die warme Dunkelheit des Laderaums umfing sie wie schwarzer Samt, als sie ihr Hemd ablegte und sich wieder an Fair Johnny drückte. Mit einem flatternden Geräusch landete es irgendwo in der Finsternis. Schemenhaft erkannte sie die Segeltuchballen, die die Crew in Arare an Bord genommen hatte, und zog ihn auf sie zu. Sie waren härter und kratziger, als sie im schwachen Licht der Laterne aussahen, doch das kümmerte sie nicht. Zusammen mit ihm, zusammen mit Johnny, sind sie besser als jedes seidenbezogene Federbett.

Vorsichtig stieß sie ihn auf die Ballen zu und öffnete seinen Gürtel. Seine Kleidung blieben neben ihrer auf den rauen Planken zurück. Sie ließ ihn sich hinlegen, schwang sich rittlings auf ihn und ließ die Hüften kreisen.

Er stieß ein ersticktes Keuchen aus. „Sei vorsichtig, meine Liebste", raunte er und legte verlangend seine Hände auf ihre Oberschenkel.

Sie lächelte, und wusste, dass er es trotz der Dunkelheit spüren konnte. „Bin ich immer", flüsterte sie zurück, und beugte sich zu ihm hinab, um ihn zu küssen.

Sie wusste nicht, wie lange sie im Laderaum geblieben waren. Die Luft war zum Schneiden dick und so heiß, dass ihnen nun auch ohne jede Bewegung der Schweiß auf der Haut stand. Weit, weit über ihnen donnerten die Schritte der Seemänner, und der Schiffsbauch knarrte seufzend um sie herum. So weit unter dem Trubel der Crew und den Befehlen des Kapitäns war der Laderaum eigenartig still, beinahe verboten ruhig.

Roxane spürte Fair Johnnys Hand auf ihrem Rücken und seine Bartstoppeln an seiner Schulter. Sie legte den Kopf in den Nacken, sein Lippen tasteten ihren Weg ihren Hals entlang zu ihrem Mund. Warmer Atem strich über ihre Haare, sanft wie ein Windhauch. Roxane schloss die Augen und versuchte, sich diesen Moment einzuprägen. Damit er für immer dauerte.

Doch nur kurze Zeit später wusste sie, dass wieder hinauf mussten, bevor Morgaine nach ihnen suchen ließ. Roxane lief allein bei dem Gedanken rot an, als sie sich vorstellte, wie die Kapitänin und ihre Männer in den Schiffsbauch kamen, um nach ihnen zu sehen. Sie sah schon Morgaines verächtliches Lächeln vor sich.

Als sie durch die Luke aufs Orlopdeck traten, begegneten sie zwei Seemännern, die sie beide anstarrten und sich dann einen vielsagenden Blick zuwarfen. Einer von ihnen kicherte wie ein Mädchen.

Johnny drehte sich zu ihm um, als sie sie passierten. Beide sahen zu ihnen und kicherten noch mehr, als Johnny sich zu Roxane hinabbeugte und sie küsste. „Sie sind so neidisch", raunte er ihr leise zu. „Weil wir zusammengehören, nur wir beide."

Roxane lächelte ihn glücklich an. Ihr Gehirn fühlte sich angenehm schummrig an, als hätte sie zu viel getrunken. Bei den Geistern, nie wieder soll das enden. Niemals.

An Deck war es eigenartig entspannt. Sie segelten mit niedriger Geschwindigkeit über die ruhige See, die wenigen Männer, die arbeiten mussten, scherzten mit ihnen Kameraden und plauderten glücklich über die Abenteuer, die sie erlebt hatten. Der Steinerne Joe gab eine Geschichte über einen Kampf gegen einen Seedrachen zu Besten, während Jamie Blakk dagegen anschrie und behauptete, er habe sich allein gegen eine Armee der shyrischen Flotte durchgesetzt. Rusty Levasque stand auf der Reling neben den Wanten und bezeichnete sie beide gut gelaunt als Lügner.

Schon seit Wochen kreuzten sie durch Gewässer vor Arare, von denen Nicolas de Oro annahm, dass Darnovey sie ebenfalls durchqueren würde. Er wollte ihn dort abfangen und gefangennehmen. Doch sie taten nun seit Wochen das Gleiche, sie segelten ein Gebiet ab, jeden Tag, ohne, dass sie ihm oder seinen Verbündeten begegneten. Ab und an sahen sie Handelsschiffe und näherten sich ihnen so weit, bis sie die Personen an Bord erkennen konnten. Doch nie war Darnovey darunter. Nicolas wurde beinahe wahnsinnig vor Wut und Verzweiflung, wenn man ihn auf die Möglichkeit ansprach, sie könnten ihn schlicht und einfach übersehen haben. „Er wird da sein. Er wird kommen", sagte er dann immer, und wandte sich nervös ab.

Auch jetzt stand er auf dem Achterdeck und beobachtete missmutig die lachenden Männer. Sein Verhältnis mit Levasque schien wieder etwas aus dem Ruder zu sein, seit er sich mit Morgaine gestritten hatte. Auch seine langsam heilenden Verletzungen schienen nicht zu seiner guten Laune beizutragen. Sein Misserfolg bei der Jagd nach Darnovey verstärkte es noch.

Morgaine dagegen saß grinsend auf der Reling über ihrer Kajüte und ließ die Beine baumeln. Sie schloss sich dem fröhlichen Treiben an. „Wenn wir nach übermorgen immer noch niemanden gefunden haben, fahren wir für eine Nacht nach Arare zurück. Ein paar Weiber, Rum, und einen Grund zum feiern, was haltet ihr davon?"

Die Männer jubelten. „Was ist der Grund zum feiern, Captain?", fragte Jamie Blakk.

Sie zuckte mit den Schultern und stellte sich auf die Reling. „Sucht euch etwas aus! Wir legen ein paar Tage Ruhe ein, bevor wir weiter sinnlos durch die abisyalischen Gewässer jagen!"

„Von wegen sinnlos!", unterbrach Nicolas sie plötzlich. „Dort drüben ist ein Schiff!"

Morgaine fluchte leise. „Götter und Geister, wieder ein Handelsschiff. Lass es gut sein, er wird nicht an Bord sein", schnaubte sie entnervt.

Nicolas machte drei lange Schritte auf sie zu und blieb dich vor ihr stehen. „Was, wenn doch? Wenn wir nicht nachsehen, wissen wir es nicht!"

Morgaine spuckte aus, der Batzen traf Nicolas' abgewetzten Stiefel. „Männer, ich weiß was wir zu feiern haben. Einen Tag, an dem der große Nicolas de Oro uns nicht herumkommandieren wird!" Sie lachte, die Männer stimmten mit ein.

Roxane beobachtete, wie Morgaine ihr Fernrohr ans Auge setzte und angestrengt hindurchsah. Plötzlich fuhr sie zurück. „Männer, beidrehen. Kurs Nordost, auf das Schiff zu. Sofort!"

Murdoch trieb die Männer zur Arbeit an, und die fröhliche Stimmung zerfloss. Roxane und Johnny bahnten sich einen Weg aus Achterdeck, wo Morgaine wieder das Schiff beobachtete.

„Was ist, Morgaine? Ist es Darnoveys Schiff?", fragte Roxane besorgt, und zum ersten Mal, seit sie Fair Johnny zum ersten Mal geküsst hatte, dachte sie an Madrid Yarrow, und dass sie mit ihm eine Rechnung zu begleichen hatte. Mittlerweile hatte sie sich tausende Male verflucht, dass sie Morgaine dazu getrieben hatte, die Jagd weiterzuführen, denn sie wollte nur noch zurück nach Amostown. Was kümmert mich Madrid Yarrow noch? Er wird nicht zu mir zurückkehren, und ich nicht zu ihm. Warum jage ich ihn noch? Zwar wollte sie immer noch ein Geständnis, dass er sie betrogen hatte, doch es erschien ihr nun unbedeutend und kindisch.

Morgaine schüttelte abwesend den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber was dieses Schiff so besonders macht, ist, dass es ein Nordfahrer ist. Ein verdammtes Nordfahrerschiff, in der Gegend von Arare."

Nicolas hatte ihr zugehört. „Das muss Darnoveys neues Schiff sein. Sicher hat er sich einen Nordfahrer als Ersatz für die Leviathan gekauft."

Morgaine sah ihn beunruhigt an. „Wenn das so ist, und sie uns erkennen, sind wir geliefert. Die Kanonen haben genug Durchschlagskraft, um mein Schiff in Stücke zu reißen." Sie wandte sich an Murdoch. „Lass das Schiff gefechtsbereit machen. Nicht feuern!"

Murdoch gab die Befehle weiter, selbst seine gewaltige Stimme hatte einen Hauch von Angst darin. Nicolas war ebenfalls nervös, und beobachtete das gigantische Schiff, das mit bedrohlicher Geschwindigkeit näher kam. Roxane fühlte die Angst in sich toben und tastete nach Fair Johnnys Hand.

„Ich bin bei dir", flüsterte er ihr zu und küsste sie auf die Wange.

Aus der Nähe sah der Nordfahrer noch finsterer aus. Ein riesiges Schiff, von allen Seiten verziert mit Schnitzereien. Die Galionsfigur stellte eine Schneeleopardin mit erhobenem Hammer dar, erstarrt zu einem ewigen Brüllen. Die Zähne zeichneten sich schwarz vor dem glühenden Abendhimmel ab. Neben dem Schiff wirkte die Kroneneinhorn wie ein Spielzeug, obwohl sie über hundert Meter voneinander entfernt waren.

Morgaine starrte wieder durch ihr Fernrohr. „Ich sehe Menschen an Bord... ein paar Vintas, sie sind in einem furchtbaren Zustand... Das muss ihr Kapitän sein, der große Vintas neben der rothaarigen Frau. Und das Schiff ist ebenso gefechtsbereit wie wir. Mehr als doppelt so viele Kanonen, vier Reihen. Wenn die auf uns feuern..." Sie sah sich hastig zur rotglühenden Küste um. „Wenigstens müssen wir nicht allzu weit schwimmen."

„Werden sie denn auf uns feuern?", fragte Roxane. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.

„Ich hoffe nicht. Das halten wir keine Breitseite lang aus. Ich glaube, einige Kanonen sind so ausgelegt, dass sie uns unter Wasser treffen. Damit überleben wir nicht lange." Morgaines Nervosität war greifbar.

Still standen die Schiffe sich gegenüber, Breitseite an Breitseite. Niemand an Bord der Kroneneinhorn rührte sich, die Männer hielten den Atem an. Jemand murmelte ein Gebet.

Morgaine murmelte Murdoch etwas zu, und er brüllte ihre Worte über das Wasser. „Ist bei euch an Bord ein Master Ravan Bane Darnovey?"

Keine Antwort, der Vintaskapitän beobachtete sie stumm.

„Wenn ja, händigt ihn uns aus, und wir behelligen euch nicht weiter! Er ist ein Mörder und ein Straftäter, und wir werden ihn seiner gerechten Strafe zuführen!", brüllte Murdoch weiter.

Die Stille war ohrenbetäubend laut. Roxane merkte, wie sehr sie zitterte, nicht einmal Fair Johnnys Wärme in ihrem Rücken konnte sie zur Ruhe bringen.

„Wir wollen keine Auseinandersetzung mit euch! Übergebt ihn uns, und wir alle gehen unserer Wege!", donnerte der Minotaurus.

„Ist bei euch an Bord ein Master Nicolas de Oro?", fragte der Vintas. Seine Stimme war deutlich zu hören, lauter als die von Murdoch und donnernd wie eine Basstrommel.

Nicolas trat langsam vor und schwieg gespannt.

„Dann wird sich eine Auseinandersetzung nicht umgehen lassen!", rief der Vintas

Die Mannschaft regte sich nervös. „Verdammt, wir werden alle sterben!", jammerte Jamie Blakk.

„Maul halten, Blakk! Niemand stirbt! Bleibt ruhig! Betet zu den Göttern eurer Wahl, dass wir uns noch retten können!" Morgaines Stimme schwankte nicht.

„Denn", fuhr der Vintas fort, „an Bord der Windschnitter befindet sich tatsächlich Master Darnovey."

„Übergebt ihn uns, und niemand wird verletzt!", brüllte Nicolas. „Er hat vor, einen König zu töten und hat dafür einen Killer aus dem Norden angeheuert!"

„Das wissen wir. Sie sind längst auf dem Weg zu ihrem Ziel. Und bei all dem Gold, das Master Darnovey uns bezahlt, werden wir ihn auch nicht ausliefern!", brüllte der Vintas.

Gerade, als Nicolas zu einer weiteren Bitte anhob, wirbelte der Vintas zu seiner Crew herum.

„Feuer!"

Die Welt donnerte und explodierte. Roxane flog, wurde durch die Luft geschleudert und krachte gegen die Reling. Holzsplitter und Hitze peitschten ihr ins Gesicht, und sie spürte, wie Blut ihr über die Haut lief. Dicht neben ihr schlug einen Kugel ein, riss das Steuerrad und seine Bemannung mit sich und hinterließ zerbrochene Holzstücke und blutige Spritzer. Mit einem merkwürdigen Geräusch, wie brechende Knochen, barst der Großmast und riss die Takelage mit sich. Die Kroneneinhorn stöhnte auf und wand sich unter dem Beschuss wie ein Mensch unter Pistolenkugeln. Grollend und knarrend sackte sie in der Mitte zusammen.

Gelähmt und taub wandte Roxane den Kopf zum Mittelschiff, wo sich die Männer krümmten. Mehrere waren unter dem Großmast zerquetscht oder erschlagen worden. Einer hatte ein armlanges Holzstück in der Magengrube stecken, einem andern fehlten die Beine. Er starrte fassungslos schreiend auf seinen Körper, bis der Steinerne Joe, mit einer tiefen Wunde an der Stirn, sich aus seiner Starre löste und ihm die Kehle durchschnitt. Andere schienen wie durchsiebt von den feinen Splittern. Morgaine lag bewusstlos auf den Planken, Nicolas de Oro war verschwunden. Murdoch löste sich langsam aus seiner Benommenheit und brüllte etwas, was Roxane nur als gedämpftes Grollen verstand.

Fair Johnny. Wo ist er. Sie erhob sich taumelnd und sah sich suchend um. Sie schüttelte energisch den Kopf, bis ihr Gehör zurückkehrte. Sofort wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Das Geschrei der Männer war unerträglich. „Johnny!", rief sie und merkte, dass sie flüsterte. „Johnny!", schrie sie, so laut sie konnte.

Keine Antwort.

Panisch sah Roxane sich um, als ein Grollen das Klagen der Männer übertönte und das Schiff erneut von Eisen und Pulver zerfetzt wurde. Wie in Trance sah Roxane, wie die Mündungen der Kanonen aufflammten wie die Mäuler feuerspeiender Drachen, wie eine Kugel den Steinernen Joe in die Brust traf und er mit einem überraschten Gesichtsausdruck über Bord geschleudert wurde. Sie sah, wie jemand seine Hände erhob, um sich zu schützen, nur um zerrissen zu werden.

Das Schiff bäumte sich schreiend auf, und mit einem Brüllen zerbarst es in einer Explosion aus Feuer und Holz. Roxane wurde erneut rückwärts geschleudert, und keine Reling hielt sie diesmal an Bord.

Die Kälte des Wassers umfing sie wie ein Leichentuch. Panisch schnappte sie nach Luft, schluckte salziges Wasser und hustete. Luftblasen perlten an die Oberfläche. „Johnny!", schrie sie wieder, gedämpft durch das Meer. Weitere Blasen tanzten in der Abendsonne.

Neben ihr schlug ein Stück Holz ein und verfehlte sie nur um Haaresbreite. Sie sah nach oben, wo die Oberfläche glitzerte. Etwas entfernt sah sie einen dunklen Schemen, der langsam nach unten sank. Grollend zerbrach er, und kleine dunkle Flecken fielen der Tiefe entgegen.

Plötzlich realisierte sie, wie sehr ihre Lunge nach Luft lechzte. Sie schlug mit den Beinen und paddelte an die Oberfläche. Alles schmerzte, ihr gesamter Körper fühlte sich zerschlagen an. An der Luft schnappte sie gierig nach Atem, schluckte wieder Wasser und keuchte. Sie spürte, wie ihre schwere Kleidung sie nach unten drückte, und griff nach einer Holzplanke, um sich über Wasser zu halten. „Johnny!", schrie sie heiser. „Morgaine!"

Doch niemand antwortete.

Ermattet und verzweifelt ließ sie sich auf der Planke zusammensinken, und ihre Tränen vermischten sich mit dem salzigen Wasser der See.


~ ~ ~

Meiner Meinung nach eines meiner besten Kapitel. Es ist wunderbar. All diese Gefühle, diese Sehnsucht, diese Leidenschaft, hach, ist es nicht herzzerreißend? Das allerbeste für ein Kapitel nach Valentinstag.

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