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22. Die Königin von Port Rodriguez

 So come take a drink and drown your sorrows,

and all of our fears will be gone till tomorrow.

Have no regrets and live for the day,

in Nancy's harbour café.

- Alestorm, Nancy the Tavern Wench


Als Madrid erwachte, lag er nackt inmitten eines Massakers aus Blut, Fleischfetzen und Dreck. Dem Kadaver des toten Zentauren neben ihm fehlte ein Arm und zwei Beine, die verstreut um ihn herum lagen. Große Bissen des dunklen Fleisches waren aus dem Bauch entfernt worden und entblößten die Innereien.

  Sein gesamter Körper schmerzte, und als er sich grollend aufrichtete, klebte sein Körper vor dem Blut des Toten. Fast wie damals, als ich zum ersten Mal zum Wolf wurde. Er erinnerte sich nur zu gut an seine Kindheit in Santaca.

  Er war noch ein Junge gewesen, kaum elf Jahre alt, eins von tausenden Straßenkindern in Bashur. Eines Nachts war er durch die schlafende Stadt gegangen, müde und erschöpft von den ständigen Territoriumskämpfen und Schlägereien mit den anderen Kindern. Er war ein Teil einer Bande gewesen, eine der kleinsten, deren Gebiete ständig verkleinert wurden durch die großen Gruppen. Doch an diesem Abend änderte sich alles.

  In einer dunklen Gasse kam er auf ihn zu, ein gigantischer Wolf mit schmutzigem, staubgrauem Fell, die Zähne gebleckt und tropfend vom Geifer, beschienen vom Licht des vollen Mondes. Er wich zurück, doch mit wenigen Schritten war die Bestie bei ihm und schloss seine messergleichen Fänge um seinen Brustkorb. Der Schmerz war beinahe unerträglich gewesen, und er schrie, in der Hoffnung, jemand würde ihn hören und retten vor diesem Dämon. Als der Wolf ihn wieder fallen ließ, um ihn dieses Mal in die Kehle zu beißen und das kleine Kinderleben aus ihm herauszureißen, griff der Junge nach seinem Messer. Es war kaum mehr die abgebrochene Spitze eines rostigen Schwerts, der Griff aus einem Stock und ein paar Stoffetzen, doch es rettete ihm das Leben. Der Wolf stürmte auf ihn zu, Mordlust blitzte in seinen Augen, und der Junge hob seine Waffe. Mühelos war das rostige Stück Metall durch das Auge geglitten, und mit einem schrecklichen Laut brach die Bestie in der Gasse zusammen.

  Madrid hatte das Bewusstsein verloren, und fand sich am Morgengrauen in dem Keller wieder, sein Oberkörper verbunden und sein Kopf brüllend vor Schmerzen. Als seine Freunde ihm erzählten, dass sie ihn neben einem toten Mann mit einem Messer im Auge gefunden hatten, sagte er ihnen leichthin, dass der Mann nachts ein Wolf gewesen war. Sie hatten sich angesehen, und kurz nachdem Madrid wieder genesen war, hatten sie ihn vertrieben.

  Verletzt und voll Angst vor den großen Banden war er durch die Straßen Bashurs gerannt, ein Monat nach seinem Kampf mit dem Wolfsmann, und war prompt auf einen Spähtrupp einer Bande gestoßen. Madrid hatte schreckliche Angst gehabt, dazu wurde er stets gepeinigt von den ungewöhnlichen Schmerzen, die der verheilte Biss des Wolfes auslöste. Er konnte sich kaum erinnern, was danach geschehen war, doch er war inmitten von toten Kinder erwacht, die Bissspuren eines Wolfes aufwiesen. Er fragte unverfänglich ein paar Penner nach Menschen, die sich bei Vollmond in Wölfe verwandeln konnten, und stieß auf den Begriff Fenriswolf.

  Als er erkannte, was er war, war er zunächst verzweifelt. Er war eine Bestie, die jeden Monat gewissenlos tötete und dabei nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden konnte. Monatelang fürchtete er Vollmondnächte und seine schmerzhaften Verwandlungen. Jedes Mal, wenn sich der Mond dem vollkommenen Kreis näherte, war er kurz davor, sich die Pulsadern aufzuschneiden und seinem Leben ein Ende zu bereiten.

  Doch eines Nachts beobachtete er, wie ein paar Jungen Madrids frühere Bande bedrohten und eines der Kinder töteten, und er schwor Rache. Als sich der Vollmond näherte, suchte er sich ein Versteck in der Nähe des Hauptquartiers der feindlichen Gruppe, und wartete auf die Verwandlung. Als der Mond wieder abnahm, waren zwei Drittel der Bande tot, und Madrid spürte eine seltsame Art der Genugtuung.

  Er lernte, seine Verwandlungen zu akzeptieren und als Druckmittel einzusetzen. Er begann, eine eigene Bande aufzubauen und sie mit Angst und Versprechungen gefügig zu machen. Alle anderen Straßenkinder begannen, ihn zu fürchten und erschrocken den Kopf einzuziehen, wenn er die Straßen entlangschlenderte. Er, ein magerer blonder Zwölfjähriger, wurde zum ungekrönten König der Kinder von Bashur. Sie gaben ihm den Namen Madrid Yarrow, nach Yarrow, dem Anführer der Meute des Geistes der Jagd. Fürchtet Madrid Yarrow, oder ihr fürchtet bald den Vollmond, hieß es unter den Kindern.

  Dann begannen die Stadtherren, etwas gegen die zunehmende Gewalt in den Straßen zu unternehmen und ordneten Säuberungen an. Kinder wurden eingefangen und dazu verdammt, auf den Plantagen der Drogenlords in Crusadia und Santaca zu schuften, oder wurden als Sklaven verkauft.

  Doch Madrid Yarrow hatte das Unheil geahnt, und sich unauffällig aus dem Staub gemacht. Kurz bevor die ersten Säuberungen begannen, schmuggelte er sich auf ein Schiff nach Norden und wurde nie wieder in Bashur gesehen.

  So viele Jahre ist das her... Kurz schloss er die Augen, und das blitzartige Bild eines vor Todesangst tobenden Zentauren erschien, der wild mit den Hufen nach ihm, dem fast pferdegroßen Wolf, trat. Die üblichen Erinnerungsblitze. Er öffnete die Augen wieder und schüttelte sich die Benommenheit aus dem Kopf, dann trat er auf den Toten zu und warf einen Blick auf sein Handgelenk und seine Flanke. Auch den abgerissenen Arm zierte kein Brandzeichen und auch keine Tätowierung.

  Erleichtert atmete er auf. Ich habe ein unverschämtes Glück, an einen Zentauren ohne Herde zu gelangen. Damit reduziert sich die Menge der Zentauren, die sich an mir rächen könnten, drastisch. Er wusste um die Bräuche der Herden. Wenn einer von ihnen starb, würde der Rest den Mörder hetzen und töten. Und nebenbei würden sie ihrem Gott huldigen. Reizende Kreaturen.

  Müde schälte er den Zentauren aus seinem blutigen, zerrissenem Hemd und wickelte es um seine Hüften. Zwar würde es Aufsehen erregen, wenn man ihm mit einem blutverschmierten Fetzen fand, aber es war immer noch besser, als einem Zentauren nackt gegenüberzutreten. Dann schlug er die Richtung ein, in der er Osten und das Meer vermutete, wo er seinen Drachen am Strand zurückgelassen hatte.

  Während er durch den Wald stapfte und sich bemühte, nicht jedes Mal, wenn er sich eine Kiefernnadel oder ein Zweig in seinen nackten Fußsohlen bohrte, zusammenzuzucken, überdachte er seine Lage. Er hatte sich selbst in einem Anfall von Wut und Entsetzen aus Darnoveys Diensten entlassen, selbst wenn dieser Auftrag der lukrativste in seinem ganzen Leben sein sollte. Mittlerweile verfluchte er sich für seine schnelle Flucht.

  Nachdem er das Haus der Rhymers verlassen hatte, war er zur Leviathan zurückgekehrt, wo er mit seinem Drachen das Schiff verlassen hatte. Bei dem Gedanke an das zufriedene Gesicht des Kapitän drehte es ihm fast den Magen um. Aus Trotz gegen Ravans Befehle, und weil er ihnen nicht mehr gehorchen musste, ging er schließlich in ein Bordell im Rhymer Quarter, doch er konnte das Liebesspiel nicht wirklich genießen. Seine Gedanken schwirrten um Komarov, Ravans Vorhaben und das Versprechen für endlosen Reichtum wie Motten um eine Fackel.

  Schließlich war er aufgebrochen, nach Norden, wo er an einem Strand gelandet war. Dort hatte er den Rest der Nacht und den Tag danach ausgeharrt, bis der Wolf ihn in der Vollmondnacht eingeholt hatte. Er hatte keine Erinnerungen an die Nacht, sie würden mit seinen Träumen kommen. Bei dem Gedanken lächelte er. Damals hatte ich eine solche Angst vor den Träumen voll Tod, Mord und Blut. Aber jetzt fürchte ich mich fast, wenn ich von Kätzchen träume, so sehr habe ich mich an die Wolfsträume gewöhnt.

  Die Morgensonne fiel durch die Zweige und stacheligen Blätter des Waldes, die Zikaden summten kreischend. Es roch nach Harz und nach anbahnender, erdrückender Wärme, diese Art von Hitze, in der Waldbrände ausbrechen und gestandene Männer bei der Arbeit einfach umfallen. Hoffentlich bin ich nicht zu tief in den Wald gelaufen, und erreiche das Meer, bevor es Mittag ist.

  Wenn er den Strand erreichte, was sollte er dann tun? Einfach in Hiron bleiben? Nach Eckoyr reisen, Ravans Geld verprassen, warten, bis die Fuchsbrüder dort auftauchten und wieder ihnen beitreten? Nach Süden zurückkehren, wo Roxane auf ihn wartete? Mit einem Schnauben verwarf er all diese Optionen. Der Gedanke an das Gold der Krieger und der Lykaner kratzte beständig in seinem Hinterkopf. Aber wenn ich wieder in Ravans Dienste treten will, muss ich Komarov befreien. Seine Gefangennahme haben neunzehn meiner Kameraden mit dem Leben bezahlt. Er ist der gefährlichste Mann in ganz Sundarsquir, und man kann ihm nicht trauen. Ihn soll ich jetzt befreien? Einfach so?

  Er dachte an das, was er Ravan gesagt hatte. Wenn er seinen Bruder befreien müsste? Seinen gehassten Bruder, den er getötet hat, damit er Anführer werden kann? Wenn er mir in dieser Hinsicht die Wahrheit gesagt hat. Ravan hatte ihm schon vor langer Zeit erzählt, dass er seinen Bruder umgebracht hatte, und von dem Hass, der ihn dazu getrieben hatte. Es hatte sich wahr angehört, doch Ravan war betrunken gewesen. Vielleicht hat er auch nur angegeben. Vielleicht hat er noch nie jemanden umgebracht. Aber das konnte er sich nicht vorstellen. Ravan kam ihm skrupellos genug vor, um hunderte Leben auszulöschen. Aber hat er auch die Kaltblütigkeit, seinen eigenen Bruder zu töten?

  Er musste nicht lange überlegen. Jedes Mal, wenn der Name seines Bruders gefallen war, hatte Ravans Stimme einen Unterton gehabt, den Madrid einst bei Komarov gehört hatte: reuelosen, eisigen Stolz auf seine eigene Tat. Er würde es tun, und ja, er würde seinen Bruder auch wieder zu Leben erwecken. Und wenn Dante seine Aufgabe erledigt hätte, würde Ravan ihn ohne zu zögern töten.

  Ein grimmiges Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er erkannte, welche Möglichkeiten er hatte. Wenn ich Ravan helfe... Wenn wir Komarov, diesen elenden Hurensohn, befreien, lassen wir ihn den König töten. Und nachdem er es erledigt hat und alle Morde ausgeführt hat, um die Ravan ihn bittet, dann bringe ich ihn höchstpersönlich um.

  Für eine Sekunde blieb er stehen, als er seinen Entschluss fasste. Ich werde Ravan weiterhin helfen. Ich bekomme meine Rache an Komarov und genug Gold, dass ich darin ertrinken kann. Was möchte ich mehr? Ohne mich kommt er so oder so nicht weiter als bis Lichtenturm, dachte er mit einem Anflug von Arroganz.

  Als er den Strand erreichte, sah er seinen Drachen schon vom Weitem. Sie entdeckte ihn ebenfalls und stieß ein mürrisches Knurren aus, gedämpft durch die geschlossenen Kiefer. Madrid kletterte auf ihren Rücken und suchte seine Kleidung zusammen. Er legte Hemd, Hose und Brustpanzer an und schnallte sich seine Waffen um, der blutige Fetzen landete in feuchten Sand. Bei dem Geruch des Blutes weitete die Drachin die Nüstern und stemmte sich auf die muskulösen Beine.

  „Wir jagen später, wenn wir über dem Meer sind, Mädchen", versprach er ihr. Sie hatte keinen Namen. Er hatte viele Drachen bei Kämpfen verloren, manche hatte er selbst getötet, um sie von Wunden zu erlösen, wie zuletzt vor zwei Jahren, als er gegen die Jé-Rouges hatte kämpfen müssen. Ein namenloser Drache war einfacher zu verlieren als einer mit einem Namen. Bis auf die Tatsache, dass ein gut ausgebildeter Drache ein Höllengeld kostet.

  Er hatte in seinem Leben schon viele Drachen besessen. Der weibliche Königsdrache, den er jetzt ritt, war der Nachfolger eines Wüstendrachen, und davor hatte er einst einen Sturmdrachen gehabt. Es war eine Schande, als er gestorben ist. Habe ihn für über fünfhundert Kreuzer einem Gryff abgekauft, und einen schnelleren Drachen als ihn hatte ich nie wieder.

  Madrid kontrollierte die Schnallen der Zügel und Ketten, ob sie richtig fest saßen, saß ab und nahm ihr die Ketten um Beine und Schwingen ab. Raschelnd breitete sie die Flügel aus und pflügte mit den Krallen durch den Sand. Er saß auf, schnallte sich die Beine fest, um bei Sturzflügen nicht aus dem Sattel zu fallen und lockerte die Ketten und Riemen, die den Hals in eine gebeugte Haltung zwangen, und die um das Maul des Drachen. Sofort spannten sie sich, als sie das Maul so weit wie möglich aufriss und den Hals streckte. Er löste die Zügel, hielt sie locker in den Händen, dann rammte er ihr die sporenbewehrten Hacken in die Haut.

  Mit einem Ruck stürmte sie nach vorn, im Galopp den Strand entlang. Der Sand spritzte unter ihren Krallen, während er die Zügel wieder annahm, um wieder etwas Kontrolle zu erhalten. Er riss einmal kurz an den Ketten, sie schlug ein paar Mal mit den Flügeln und schwang sich mit kräftigen Bewegungen in den Himmel.

  Madrid fühlte, wie sein Herz einen Sprung machte, und spürte die Abenteuerlust durch seinen Körper strömen. Das ist das Leben. Das, und nicht die Gefangenschaft durch die Arme einer Frau. Er lenkte seinen Drachen in einen Sturzflug, auf das Meer zu, das im Sonnenlicht glitzerte wie eine Decke aus Saphir. Bevor sie die Oberfläche durchbrachen, riss er die Bestie wieder hoch, und sie schossen wieder dem Himmel entgegen.

  Von oben beobachtete er Alpha Centauri, einen graubraunen Fleck zwischen dem dunklen Grün des Waldes und dem tiefen Blau des Meeres. Schiffe segelten in alle Richtungen davon, und Madrid versuchte zu identifizieren, welches von ihnen die Leviathan war. Doch er konnte nichts erkennen, er konnte nicht einmal die einzelnen Schiffstypen auseinander halten. Er fluchte laut, die Worte verhallten im tosenden Flugwind.

  Plötzlich traf ihn eine Erkenntnis wie ein Peitschenhieb. Ravan wird verfolgt. Während unser Schiff neu beladen wurde, hat das Blondchen aufgeholt, und sitzt ihnen nun im Nacken. Fieberhaft überlegte er, wie einen Vorsprung für Ravan und die Leviathan erreichen konnte. Er könnte einen Angriff auf das Schiff fliegen, doch wenn die Mannschaft ihn entdecken würde, könnten sie ihn mit ein paar Pistolenkugeln an die richtigen Stellen vom Himmel schießen. Schon als er die Kroneneinhorn am Anfang der Reise überflogen hatte, hatte er danach vier Kugeln aus dem Fleisch des Drachen schneiden müssen.

  Dann erinnerte er sich an jemanden. Sie. Sie hat Einfluss, Macht, Feuerkraft und hunderte Schiffe unter ihrem Befehl. Und sie hat noch ein paar Schulden bei mir.

  Victoire de Lascare. Die Königin von Port Rodriguez.

  Entschlossen drückte er dem Drachen die Hacken in die Seiten und lenkte ihn nach Nordosten.

Er landete in Port Rodriguez am späten Nachmittag. Die Sonne stand schon tief und warf gigantische Schatten auf das Straßenpflaster, die der Masten der Schiffe, der Häuser und die der Bewohner der Stadt, der Pegai.

  Die Pegai hatten die Körper und Farben der Kriegerpferde, Braune, Rappen, Schimmel, Schecken, ein paar vereinzelte Falben. Doch etwas unterschied sie von ihren Ahnen: die Flügel, die ihren Rücken entsprangen, kräftig genug, um schnell und weit zu fliegen.

  Ebenso wie Madrids Drache, der schwer atmend auf dem Hafenplatz landete. Madrid, ebenfalls erschöpft vom langen Flug und dem ewigen Wind, der ihm den Atem nahm, ließ sich vom Rücken seines Reittiers rutschen und stolperte beinahe, als seine Füße auf den Steinen aufkamen. Verdammt, ich muss schlafen. Aber das kann ich erst, wenn der Mond wieder abnimmt.

  Er führte den Drachen zu einem Ring in einer Wand neben dem Büro des Hafenmeisters und band ihn dort fest. Zu Sicherheit legte er ihr wieder die Ketten an, dann betrat er das Gebäude.

  Kaum hatte er es betreten, hörte er die Stimme der Königin von Port Rodriguez, laut und befehlsgewohnt. „...Mr Carstens, erklärt dem Kapitän die Lage. Und wärst du wohl so freundlich und sagst Roberto, dass der fette Minotaurus von der Meerjungfrau nach Romily verlangt hat? Sie sollte sich etwas zurecht machen, der Fettsack ist ein guter Kunde und bezahlt eine Menge Geld für die gehörnte Schönheit."

  „Ay, Madame de Lascare", antwortete der Gehilfe und eilte an Madrid vorbei hinaus.

  Madrid machte mit einem freundlichen Lächeln Platz und trat durch die Tür in das Büro der Pegai-Frau. Sie hat sich nicht verändert, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Außer, dass sie fetter geworden ist. Victoires schon früher gut gefülltes Mieder schien nun bis zu den Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit besetzt zu sein. Sie trug ein dunkelrotes Kleid aus Seide, das ihr milchweißes Fell gut zur Geltung brachte. Ihre schwarze Mähne ringelte sich in sanften Wellen um ihre Schultern, und ihrem Rücken entsprossen ihre gefiederten Flügel, die die Farbe der Abenddämmerung hatten. In der Mähne hinter ihrem Ohr war ein Haarschmuck aus roten und violetten Federn befestigt. Ihre besten Jahre waren bereits vorbei, was sie nun versuchte, mit Puder und Lidschatten zu vertuschen. Die Schminke und ihre recht weit ausgeschnittene Kleidung gaben ihr das Aussehen einer abgehalfterten Straßenhure. So vergisst sie wenigstens nie, wer sie einmal war, wenn sie einmal in den Spiegel schaut, dachte Madrid belustigt und nur mit leichter Bosheit. Eine fette Pegai-Hure.

  „Bastard!", rief Victoire, als er das Zimmer betrat, und erhob sich von dem hohen Stuhl hinter dem chaotischen Schreibtisch. Auf ihm türmten sich Papiere, Schreibfedern und Tintenfässchen, ein paar Flaschen Rum standen nebst Bechern gefährlich auf einer Ecke. „Achtzehn Höllen, wie nett es ist, dich mal wieder zu sehen. Wie kommt es, dass es dich in diese von allen Göttern und Geistern verlassene Ecke der Welt verschlägt?"

  „Madame de Lascare, die Freude ist ganz meinerseits. Ihr seid schön wie eh und je", sagte Madrid mit einer angedeuteten Verbeugung und küsste ihr die Hand.

  Sie schlug ihm leicht mit der Hand ins Gesicht. „Oh, du elender Bastard, steck dir deine süßen Worte sonst wohin!" Kichernd bot sie ihm einen Stuhl an und schenkte ihm einen Becher Rum ein. „Sag mir, was führt dich hier hin? Ist es nur die Lust nach einem Plausch, bevor du den Mädchen einen Besuch abstattest oder geht es um etwas Geschäftliches? Wenn es ersteres ist, muss ich dich leider mitsamt deinem Getränk wieder rausschmeißen. Ich habe leider eine Menge zu tun, und es warten noch ein Haufen Kapitäne auf eine Audienz bei mir."

  „Ich fürchte, es geht ums Geschäft, Madame de Lascare."

  „Bei allen achtzehn Höllen, hör auf, mich so zu nennen!", rief sie übertrieben entsetzt. „Ich kenne dich, seit du noch ein Kind warst, und wenn du mich so nennst wie all die anderen, die vor mir buckeln, dann komme ich mir alt vor."

  „Ich war kein Kind mehr, Victoire. Ich war schon fünfundzwanzig Jahre alt, als ich das erste Mal hier war." Madrid war das erste Mal mit den Fuchsbrüdern auf Salita gewesen. Victoire war Eric Fox' Lieblingshure gewesen, bis ihr Besitzer gestorben und sie zur Mistress des Bordells aufgestiegen war. Danach hatte sie viele Jahre damit verbracht, ihren Wohlstand auszuweiten, hatte sich weitere Bordelle, Gasthäuser und Schiffe gekauft, und besaß nun den Großteil der Insel. Hunderte Männer gehorchten ihr. Sie selber ging ihrem alten Geschäft kaum mehr nach, nur alte Freunde wie Eric ließ sie angeblich noch in ihr Bett. Manche nannten sie auch die Miss Rhymer der Pegai, und angesichts dieses bemerkenswerten Aufstiegs von einer einfachen Hure zur ungekrönten Königin von Port Rodriguez war dieser Spitzname mehr als berechtigt.

  Sie schnalzte mit der Zunge und schenkte sich ebenfalls einen Becher Rum ein. „Das ist eine Ewigkeit her, und für mich warst du damals noch ein Kind. Aber Spaß beiseite, das soll ja kein Plausch werden. Was willst du also?"

  Madrid stellte den Becher auf die Kante des Schreibtisches. „Es geht um die Kleinigkeit zwischen uns, die du begleichen sollst."

  Victoire prustete in ihren Becher. „Damit kommst du jetzt an? Heilige Höllen, das ist Jahrhunderte her!"

  Madrid machte eine wegwerfende Geste. „Du musst alt sein, wenn du acht Jahre als mehrere Jahrhunderte auffasst."

  Sie schlug ihn mit einer Schriftrolle. „Pass auf deine Zunge auf, du kleiner Mistkerl!", lachte sie. „Nun gut, du rettest mich vor acht Meuchelmördern und ich muss gestehen, dass ich selten einen besseren Schwertkämpfer als dich gesehen habe, und du willst im Gegenzug, dass...?"

  „...du ein Schiff findest, es fängst und für vier Tage in deinem Hafen festhältst, bis meine Freunde genug Vorsprung herausgeholt haben."

  „Natürlich. Man fängt Schiffe ja auch wie Schmetterlinge, oder?", spottete sie.

  Er verdrehte die Augen. „Du weißt, was ich meine."

  Sie nickte langsam. „Ja. Aber wenn ich fragen darf, warum das ganze?"

  Er lächelte. „Nur so viel: wir segeln nach Norden, und die, die du gefangen nehmen sollst, wollen uns aufhalten. Das kommt uns aber schrecklich ungelegen, deswegen bitte ich dich jetzt darum."

  Sie seufzte schicksalsergeben. „Nun gut. Ich glaube, mehr will ich auch gar nicht wissen, wenn man bedenkt, worin du schon alles verwickelt warst. Welches Schiff ist es?"

  „Es heißt Kroneneinhorn, unter...", er dachte kurz nach, um sich an den Namen des Kapitäns zu erinnern, „Captain Silver?"

  „Ja, natürlich. Miss Silver. Ihre Männer werden es mir danken, wenn ich sie hier festhalte", sagte sie und lachte wiehernd. „Sie werden mir die Bude einrennen, und meine Mädchen laufen tagelang breitbeinig durch die Gegend, während ihnen das Silber durch die Finger rinnt wie Wasser. Ihr Schiff kenne ich. Was soll ich als Vorwand nehmen, um sie festzunehmen?"

  Madrid winkte ab. „Du brauchst keinen. Sie kann sich nirgendwo beschweren. Du hast hunderte Schiffe unter deinem Kommando, die beiden größten Seemächte westlich der Racheinseln reißen sich um deine Gunst und überschütten dich mit Geschenken und sie hat nichts im Rücken außer ein paar kümmerliche Wolflords im Süden, tausende Meilen von hier entfernt. Die würden nicht einmal im Traum wagen, die kleine Prinzessin der Minotauren und Kriegerpferden auch nur schief anzuschauen, wenn sie nicht die geballte Streitmacht von Shyreon und Ilron auf ihren Inseln sitzen haben wollen."

  „Wo du recht hast, hast du recht." Sie legte skeptisch den Kopf schief. „Geht es bei deinen Freunden zufällig um die Machtverhältnisse der besagen Wolfslords?"

  Madrid hob zu einer Antwort an, doch wurde sofort von Victoire unterbrochen. „Nein, ich glaube, ich will es doch nicht wissen. Dawlish!"

  Ein muskulöser grauer Pegai betrat das Zimmer und nahm Haltung an. „Madame."

  Victoire verdrehte die Augen in Madrids Richtung. Er gestattete sich ein flüchtiges Grinsen, während sie dem Pegai seinen Befehl erteilte. „Dawlish, du, Merry und Jeyce nehmt eure Schiffe und findet die Kroneneinhorn, eine Fregatte, die bald salitanische Gewässer erreichen sollte. Nehmt das Schiff und die Crew in Gewahrsam und eskortiert sie hierher. Verstanden?"

  „Ay, Madame", knurrte der Pegai und marschierte wieder davon.

  Victoire sah ihm hinterher. „Er ist so gutaussehend, nicht wahr? Er war Gladiator in Jafar, hast du von der Stadt mal gehört? Ein Rattenloch, und im Sommer gibt es schreckliche Kampfspiele. Vor ein paar Jahren gab es eine Rebellion dort. Er hat die Gunst der Stunde genutzt und ist abgehauen, während die Kämpfe in vollem Gang waren. Jetzt ist er einer meiner besten Kapitäne." Sie schwieg für einen Moment, dann sah sie Madrid an. „Einen Ritt bei den Mädchen gefällig?"

  Madrid grinste. „Gerne doch."

  „Dann seist du entlassen."

  Er erhob sich und wollte sich bedanken, als sie ihm ins Wort fiel.

  „Aber. Es ist Vollmond. Du bist vor Einbruch der Dunkelheit hier, haben wir uns verstanden? In der Festung wartet eine reizende kleine Zelle auf dich, da wirst du deine Nacht verbringen. Ich lasse nicht zu, dass du jemanden umbringst." Ihre Stimme war neckisch, doch mit einem stählernen Unterton. Mit einem Blick aus dem Fenster und die tiefstehende Sonne fügte sie hinzu: „Du musst dich wohl etwas beeilen."

  „Ja, muss ich wohl. Schnell und dreckig. Victoire, danke für den Rum und deine Hilfe, und einen schönen Abend noch." Er nickte ihr zu und wollte gehen, als sie sich erhob und ihn in eine knochenzermalmende Umarmung zog. Ihr Parfüm kratzte unangenehm in seiner Nase, und ihre Mähne kitzelte an seinem Gesicht. Zögernd tappte er ihr auf den Rücken.

  „Madrid, es war wirklich nett, dass du mal wieder in der Stadt warst. Ich sollte öfters eine Schuld bei dir haben, nur damit du hierher kommen musst, um sie zu begleichen." Sie löste sich von ihm und schlug ihm auf den Hintern. „Und jetzt raus mit dir."

  Madrid rang sich ein gequältes Grinsen ab und verließ erleichtert das Zimmer. So gerne er Victoire mochte, sie war manchmal doch sehr aufdringlich.

  Ihr Ruf „Vergiss deinen Drachen nicht!" begleitete ihn in die Abendsonne. Gedankenversunken knotete er die Zügel los und stürzte sich in das Gewirr der Straßen von Port Rodriguez, auf der Suche nach einer Frau, die für eine Nacht zu haben war.

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