Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

12. Roxanes Plan

As long as the road's clear

A song is in my ear

And I will kiss this place goodbye

- Abney Park, Wanderlust


„Und du bist dir sicher, dass das funktioniert?", fragte Marie zweifelnd und rekelte sich auf Roxanes Bett.

  Roxane nickte heftig. „Ich werde mich auf ein Schiff schmuggeln, das nach Norden segelt, und ihn verfolgen. Und wenn ich ihn habe, stelle ich ihn zur Rede, und quetsche die Wahrheit aus ihm raus."

  Seit sie am frühen Mittag zur Obsidianfestung zurückgekehrt war, schmiedete sie an ihrem Plan, der ihr Weg zu Madrids Verfolgung sein sollte. Mittlerweile, am frühen Abend, hatte sie den Pan mehrmals mit Marie durchgesprochen, doch überzeugt war Roxanes beste Freundin nicht.

  „Und wann möchtest du dich auf ein Schiff schleichen?"

  „Heute Abend gehe ich zum Hafen und frage mich durch. Es fahren immer Schiffe nach Norden."

  Marie schnaubte. „Im Süden gibt es ja auch nicht viel." Dann änderte sich ihr scherzhafter Tonfall. „Darling, ich mache mir Sorgen um dich. Es kann dir so viel passieren, und eine Frau auf See, ungeschützt als einziges Loch unter all den Männern... Da endest du schneller als Schiffshure, als du um Hilfe schreien kannst."

  Roxane griff unter ihr Kopfkissen und förderte einen Säbel in einer schlichten Lederscheide zutage. „Ich weiß mich zu wehren. Die ganzen Kampfstunden auf der Dunkelwacht müssen zu etwas gut gewesen sein."

  Vollständig überzeugt schien Marie aber nicht. „Darling, die beste Fechterin warst du nie, das war immer Morgaine, wenn du dich recht erinnern kannst. Und wenn du von vielen Männern überrascht wirst, hast du keine Chance." Dann hellte sich ihr Gesicht auf. „Ich hab's. Wir verkleiden dich einfach als Mann. Oder eher als Jungen, wenn man deine Statur so ansieht."

  Roxane sah an ihrem schlanken, kleinen Körper herunter. „Ja, das wäre eine Idee", gab sie zögerlich zu.

  Begeistert sprang Marie vom Bett auf. „Los, raus aus deinem Kleid! Wir machen einen Kerl aus dir!"

  Folgsam schnürte Roxane ihr Kleid auf, während Marie ihre Kleidung durchsuchte, und ihr eine weite Leinenhose, ihre alten abgewetzten Reitstiefel und ein schwarzes Hemd hinhielt. „Da, zieh das an. Aber warte mit dem Hemd, wir müssen deine Titten abbinden." Marie musterte Roxane. „Nicht, dass da viel zum Abbinden wäre. Aber das hilft bei der Tarnung. Mich könnte man nicht in einen Mann verwandeln", stellte sie mit einem Blick auf ihr eigenes beeindruckendes Dekolleté fest.

  Roxane entledigte sich ihres Kleides und des Unterrockes und schlüpfte in Hose und Stiefel, während Marie ihr Mieder aufschnürte und einen roten Seidenschal eng um ihre nackten Brüste band. Darüber legte sie ein gröberes graues Baumwolltuch.

  „Reicht eigentlich nicht ein Band?", fragte Roxane zweifelnd.

  Marie nickte, während sie die Schals um ihren Körper band. „Eigentlich schon, aber der graue Schal ist zu rau, das kann mit der Zeit unangenehm werden, und Seidenschals sind einfach zu auffällig. Wenn du einen Mann mimen willst, noch dazu einen einfachen Jungen, musst du so farblose Kleidung wie nur möglich tragen. Deswegen zwei Schals."

  „Was ist, wenn jemand merkt, dass ich meine Brust verbunden ist?", fragte Roxane ein wenig ängstlich.

  Marie lächelte. „Das ist noch am einfachsten zu erklären. Du könntest sagen, dass du dich verletzt hast, und deswegen einen Verband tragen musst. Schwer wird es erst, wenn du erklären musst, warum du nicht über die Reling pisst wie jeder andere Seemann auch. Und jetzt zieh dein Hemd an."

  Roxane zog sich das Hemd über und betrachtete sich im Spiegel. Ich sehe so anders aus. Aber... „Was passiert mit meinen Haaren?", fragte sie und griff sich in die schwarzen Wellen.

  Ihre Freundin verzog das Gesicht. „Es gibt zwei Möglichkeiten. Erstens, wir schneiden sie ab. Oder wir verstecken sie unter einem Tuch."

  „Wir verstecken sie", beschloss Roxane. Zu sehr liebte sie ihre Mähne.

  „Dann setz dich auf den Stuhl da, und ich regle das", befahl Marie.

  Marie flocht ihre Haare zu einem lockeren Zopf und steckte sie zu einem Knoten zusammen. Mit einem weiteren Schal, ein blaues Band aus grobem Stoff, bedeckte sie die Frisur. „Nimm das Tuch nie ab, möglichst auch nachts nicht."

  Roxane zerbrach auf Maries Idee hin etwas Kohle aus dem Kamin und schmierte sich damit ein paar dreckige Schlieren auf Oberkörper, Gesicht und Arme. Vollkommen verwandelt, bewunderte sie ihr und Maries Werk.

  „Du siehst niedlich aus", bemerkte Marie.

  Roxane schnallte sich den Säbel um, zog ihn aus der Scheide und schnitt eine wilde Grimasse. „Nicht mehr ganz so niedlich, oder?"

  „Naja. Aber immerhin siehst du nicht mehr allzu weiblich aus und bist nicht in unmittelbarer Gefahr. Was wirst du mitnehmen?"

  Roxane sah sich in ihrem Zimmer um. „Nicht viel", sagte sie vage. „Eine Jacke, ein zweites Hemd, Geld, vielleicht ein kleines Messer."

  Marie nickte. „Gutes Mädchen. Du hast das Spiel verstanden."

  Die nächsten Stunden verbrachte Roxane damit, ihre Habseligkeiten für die Reise zusammenzusuchen, und mit Warten. Warten darauf, dass die Dämmerung anbrach, und darauf, dass die Maskerade begann.

  Als die Sonne rotglühend über dem fernen Gebirge unterging, zog sie sich die Jacke an, die sie für die Reise ausgewählt hatte, unauffällig, aus verblichenem rotbraunem Stoff. Roxane erinnerte sich, woher diese Jacke kam. Sie war ein Erinnerungsstück von ihrem Ziehvater Ben gewesen, den Roxane mit nach Amostown genommen hatte, damals, vor acht Jahren. Ben war um einiges größer als sie, weswegen die Jacke nun locker um ihren schmalen Körper schlackerte, doch das störte sie nicht.

  Leise schlichen Roxane und Marie durch die Festung, bis sie den Dienstboteneingang erreichten. Dort, vor der kleinen, unauffälligen Tür, blieben sie stehen, als Roxane etwas einfiel. Ich egoistisches Miststück. Ich hätte daran denken sollen, dass in allem, was ich getan habe, Marie auch involviert ist. Ich bin so dumm!, verfluchte sie sich selbst.

  „Marie", begann sie, „ich bin so dämlich. Die Bruderschaft wird nach mir suchen, ich darf eigentlich das Land nicht verlassen. Und wenn sie merken, dass ich weg bin, werden sie wissen, dass du mir geholfen hast. Komm mit mir!"

  Marie biss sich auf die Lippe. „Ich kann nicht. Mich kann man nicht als Mann verkleiden und als einzige Frau auf einem Schiff wäre ich für die Männer ein gefundenes Fressen. Ich werde so schnell wie möglich verschwinden, nach Süden oder nach Osten. Da bin ich hoffentlich sicher."

  „Aber sie werden dich jagen!", flüsterte Roxane voll Sorge um ihre Freundin.

  „Ich weiß. Sobald sie merken, dass du weg bist, wird mir etwas zustoßen, da bin ich sicher. Aber mein Glück ist, dass ich dem mächtigsten Kartell angehöre, und mein Bruder ein guter Freund von Mackerel Stanraer ist, also werde ich wahrscheinlich nicht draufgehen. Und jetzt geh, bevor uns jemand sieht!"

  Roxane schluckte ihre Tränen herunter und umarmte Marie fest. „Dass du dich nicht erwischen lässt, hörst du?",wisperte sie.

  „Du auch nicht. Und viel Glück", erwiderte Marie. „Und jetzt lauf, verdammt!"

  Roxane wandte sich um und rannte in die Nacht hinaus.

  Erst, als sie die unmittelbare Nähe der Festung verlassen hatte, verlangsamte sie ihren Schritt. Ihr Herz schlug so laut und kräftig, dass sie ihre Halsschlagadern pulsieren spürte. Sie versuchte, ein Tempo anzuschlagen, das gleichzeitig zügig und unverdächtig wirkte, und durchquerte so das Viertel, bis sie den Hafen erreichte.

  Anders als am Tag herrschte abends eine eigenartige Stille. Sie war nicht erdrückend, sondern eher verheißungsvoll, und Roxane verspürte eine seltsame Abenteuerlust. Leise schwappte das Wasser gegen die Steine der Docks, Seile, Takelage und Holz knarrten im leichten Wind, der die Fransen an Roxanes Kopftuch flattern ließ. Im Dämmerlicht sahen die hoch aufragenden Masten aus wie gigantische skelettierte Finger. Der Platz war menschenleer, ein paar Möwen pickten Essensreste vom Boden auf und ein paar Katzen stritten sich kreischend um einen Fischkopf. Gesäumt wurde der Hafen von Tavernen und Bars, aus denen Musik von Geigen und Gitarren, Gelächter, Geschrei und das Gekicher der Frauen drangen. Ihre Eingänge wurden erhellt von Fackeln, die flackernd im Wind tanzten, und der Geruch nach Essen, Salz, Fisch und alkoholischen Getränken wehte über die Docks.

  Roxane stand ein wenig verloren in einer Gasse, die auf den Hafen führte, und umklammerte den Griff ihres Säbels. Sobald sie auf den Platz trat, musste sie auf ihre Verkleidung vertrauen. Schnell überlegte sie sich einen Namen für ihre Rolle. Mein Name ist Ben Heart, beschloss sie mit dem Gedanken ihren Ziehvater und den letzten Teil ihres Nachnamens. Ich bin fünfzehn Jahre alt, komme aus Amostown und suche einen Weg nach Norden, um mir dort ein besseres Leben zu ermöglichen. Ich kann als Schiffsjunge arbeiten. Dann straffte sie die Schultern und ging an den Tavernen entlang, bis sie vor einer Bar stehenblieb. Die Leute die davorstanden, sahen nicht allzu übel aus, und bevor sie sich dagegen entscheiden konnte, betrat sie den Pub.

  Der Lärm schlug über ihr zusammen wie eine Welle. Das Gebrüll der Seeleute und Huren war nicht mehr gedämpft wie zuvor auf dem Platz, sondern drangen laut und schonungslos auf ihre Ohren ein. Die Instrumente der Musiker kreischten und das Donnern der Becher, die im Takt auf die Tisch geschlagen wurden, verstärkten den Lärm zusätzlich.

  Roxane drängte sich durch die Massen an Menschen zur Bar. Die Reaktionen der Männer um sie herum verblüfften sie. Ist meine Täuschung wirklich so gut?, fragte sie sich. Wenn ein Mann sie überhaupt wahrnahm, knurrte er höchstens etwas wie „Verschwinde, Kleiner, steh mir nicht im Weg". Niemand rief nach ihr, indem er sie Süße oder Kleine nannte oder griff ihr gar an die Brüste.

  Eingeklemmt zwischen einer Hure, deren Brüste selbst Maries in den Schatten stellten, und einem in einer Pfütze Rum schlafenden Mann, gelangte Roxane an die Bar und bestellte sich einen Becher Met. Während sie trank, sah sie sich um. Die dickbrüstige Hure wurde von einem betrunkenen Seemann abgeschleppt, und ein schlanker, gutaussehender Kerl mit einer komplizierten Tätowierung am Oberarm rutschte auf ihren Platz. Nichts und niemand wies darauf hin, dass irgendein Schiff bald nach Norden auslaufen würde, und zum Gespräche belauschen war es einfach zu laut. Kurz wurde sie von Panik ergriffen. Ich schaffe das nie. Es war eine vollkommen irrsinnige Idee, mich auf ein Schiff zu schmuggeln, dachte sie niedergeschlagen, als sie sich ein Herz fasste und den Mann neben sich fragte.

  „Entschuldigung, Mister? Wisst Ihr, ob ein Schiff in der nächsten Zeit nach Norden segelt?" Innerlich verfluchte Roxane ihre Stimme dafür, dass sie so zaghaft klang.

  Doch der Mann schien nichts zu bemerken. „Wir segeln nach Norden. Schon morgen. Warum?"

  „Ich würde gern nach Norden, um mir dort ein neues Leben aufzubauen. In Amostown, mit der Bruderschaft im Nacken, ist es mir einfach zu gefährlich. Mein Bruder wurde schon erwischt", log Roxane.

  Der Mann zuckte mit den Schultern. „Ich kann niemanden einfach so einstellen, aber wenn du morgen bei der Kroneneinhorn erscheinst, kannst du vielleicht mit in Norden segeln. Wie alt bist du?"

  „Fünfzehn."

  „Aaah, fünfzehn also, hm?", sagte eine lüsterne Frauenstimme hinter ihr. Roxane sah sich um und erblickte eine Frau in den freizügigen Kleidern einer Hure. Ihre braunen Haare waren zerrauft und unordentlich, und ihre Schminke war übertrieben und verschmiert. „Dann hast du bestimmt noch nie eine Frau gehabt, oder?", schnurrte sie und fuhr mit dem Finger den Schwung ihres Kinns nach.

  Roxane wurde gleichzeitig heiß und kalt, fieberhaft überlegte sie, was nun zu tun war. „Ich...verzichte dankend", brachte sie schließlich hervor.

  Sie schürzte gespielt beleidigt die Lippen. „Ach, komm schon. So was Gutes wie mich findest du auf der ganzen Welt nicht wieder", flüsterte sie verführerisch, ihre Finger tasteten sich von Roxanes Knie langsam zu ihrem Schritt hinauf.

  „Nein, ehrlich nicht", wehrte Roxane ab. „Vielleicht...an einem anderen Tag? Aber nicht jetzt", setzte sie hinzu, um die Illusion aufrecht zu erhalten.

  „Warum machst du so ein Spiel?", fragte sie und küsste sanft ihren Nacken. „Du willst es doch auch. Und dein kleiner Freund will es erst recht."

  Bevor ihre Hand ihren Schritt erreichen konnte und ihre Lüge offenbaren konnte, nahm Roxane ihre Hand und führte sie von ihren Beinen weg. „Nur, wenn ich es auch will", sagte Roxane und schaffte es, etwas Schärfe in ihre Stimme zu bringen.

  Die Hure wollte weiterflirten, doch der Mann neben Roxane rettete sie. „Cora, ich glaube, der junge Mann möchte wirklich nicht. Du kannst mich stattdessen haben", sagte er mit einem charmanten Lächeln.

  Cora warf Roxane einen enttäuschten Blick zu und wandte sich dann an den Mann. „Fair Johnny, du hattest deinen Ritt heute schon, und wann kriegt jemand wie ich schon mal so einen süßen unerfahren Jungen in die Finger?", seufzte sie traurig und strich Roxane übers Gesicht, die etwas vor ihr zurückwich. „Ich musste mich an ihn ranmachen, sonst kommt die Rote Leila und reißt ihn sich unter den Nagel. Aber wehe, du sitzt nachher mit der Roten in einem der Separees und bringst die Wände zum Beben, hörst du?", setzte sie an Roxane gewandt hinzu, dann verschwand sie im Gewühl der Menschen.

  Roxane nahm verwirrt einen Schluck Met. „Danke", sagte sie zu dem Mann.

  „Kein Problem. Ich bin Johnny Fairwell, allgemein bekannt als Fair Johnny. Und du bist...?"

  „Ben Heart." Sie schüttelte dem Mann die Hand. „Ist...Cora...immer so anhänglich?", fragte sie, um das Gespräch aufrecht zu erhalten.

  „Nur, wenn sie Jungs unter zwanzig sieht. Ich habe mal von der Roten Leila gehört, dass sie und Cora eine Wette am Laufen haben, wer den jüngsten Mann verführen kann. Die Untergrenze ist fünfzehn Jahre, und da kommt ein hübscher junger Kerl wie du gerade recht."

  Roxane sah in ihren Becher und verkniff sich ein Grinsen. Wenn diese Hure gewusst hätte, dass sie in aller Größe mit einer Frau flirtet... Marie, diese Verkleidung ist absolut göttlich.

  Den Rest des Abends redete und trank Roxane mit Fair Johnny und merkte, wie einfach das Leben als Mann war. Niemand belästige sie, bis auf eine Hure mit hochtoupierten roten Haaren, die Johnny ihr als die Rote Leila vorstellte. Nachdem Roxane klarstellte, dass sie nicht der Teil einer Wette sein wollte, ließ aber auch sie sie in Ruhe.

  Am nächsten Morgen erwachte sie auf einer unbequemen Bank und sah sich verwirrt um. Wo zur Hölle in ich? Dann erinnerte sie sich an die Nacht, und an das Gespräch mit Fair Johnny. Er wollte mich vor dem Pub abholen, damit ich mit ihnen nach Norden segeln kann! Sofort war sie hellwach, nahm ihre Sachen und stürmte aus der Taverne.

  Die Morgensonne blendete sie, für einige Sekunden war sie blind und ihre Augen begannen zu tränen. Aufgeregt sah sie sich um und entdeckte Johnny neben der Tür.

  Er hob die Hand zum Gruß, stieß sich von der Wand ab und schlenderte auf sie zu. „Guten Morgen, Ben. Ich habe mit dem Kapitän geredet, und du darfst auf unser Schiff. Der Koch hätte dich gern als Gehilfen."

  Sie nickte zufrieden. „Gut." Sie folgte Johnny über den Hof auf das Schiff, eine stattliche Fregatte mit einem geschnitzten, sich aufbäumenden Kroneneinhorn als Galionsfigur.

  Kaum hatte sie einen Schritt an Deck gesetzt, versperrte ihr ein Minotaurus mit hellbraunem Fell und gewaltigen Oberarmmuskeln den Weg. Roxane erstarrte, als er die Nüstern weitete und prüfend Luft einsog. Riechen Männer anders als Frauen? Kann meine Tarnung auch einen Minotaurus täuschen?, fragte sie sich beklommen.

  „Darf ich vorstellen", sagte Johnny fröhlich, „Sir, das ist Ben Heart, der Schiffsjunge, der Rockeys Unterstützung werden soll. Ben, das ist Master Murdoch, erster Offizier und rechte Hand von Captain Silver."

  Roxane schluckte ihre Angst herunter, so gut es ging, und würgte ein ängstliches „Guten Morgen" hervor.

  Murdoch musterte sie prüfend, dann sah er zu Johnny. „Fairwell, der Captain will mit dir reden, wegen den beiden Kerlen. Du weißt schon, welche ich meine. Levasque und de Oro."

  „De Oro?", rutschte es Roxane heraus. Sofort biss sie sich auf die Zunge und verfluchte sich innerlich.

  Murdoch fuhr zu ihr herum. „Wolltest du etwas sagen, Junge?", grollte er. Das letzte Wort spuckte er mit einem winzigen Anteil an Unglaube aus.

  „Nein, verzeiht, ich wollte nichts sagen...Sir", stammelte Roxane und sah zu Boden. Mein loses Mundwerk bringt mich irgendwann um. Aber was macht Nicolas de Oro auf diesem Schiff? Es muss ja Nicolas sein. Seine Mutter kann es nicht sein, es war von Männern die Rede.

  Der Minotaurus verengte prüfend die Augen. „Gut", sagte er gedehnt. „Fairwell, bring ihn zu Rockey und melde dich dann beim Captain."

  „Ay, Sir", sagte Johnny und legte Roxane den Arm um die Schultern.

  Roxane ließ sich beklommen mitziehen. Murdoch sollte ich am besten nicht so schnell wieder unter die Augen treten. Ich glaube, er ahnt etwas, dachte sie.

  Rockey war ein muskulöser Mann mittleren Alters. Seine kurzen, struppigen Haare zeugten von einer Militärkarriere in den Vereinigten Königreichen. Er roch unangenehm nach Speck und Bier, und als er sich vor Roxane aufbaute, überragte er sie um fast drei Köpfe.

  „Rockey, das ist Ben, er soll dir in der nächsten Zeit etwas unter die Arme greifen", stellte Johnny die beiden einander vor.

  Rockey kratzte sich seine blonden Bartstoppeln. „Kann er etwas?", fragte er.

  Johnny zuckte amüsiert mit den Schultern. „Zwiebeln schneiden kann ja wohl jeder, oder?"

  Rockey nickte. „Danke, Fair Johnny. Und jetzt verschwinde aus meiner Kombüse." Johnny wünschte Roxane viel Glück und schlenderte davon.

  Der Koch wandte sich zu Roxane um. „Du bist also Ben. Nun, Ben, bist du in der Lage, Kartoffeln und andere Dinge zu schneiden, Vorräte zu holen, und mir zu gehorchen? Denn mein verfluchtes Wort ist hier drin Gesetz, und was ich sage, wird von dir ohne Widerspruch und Protest ausgeführt. Wenn ich also sage, Ben, geh in den Laderaum und hol die Ziege, die da unten angebunden ist..."

  „...gehe ich in den Laderaum und hole die Ziege?", beendete Roxane die Frage, bemüht, etwas jugendlichen Elan und Aufregung in ihre Stimme zu legen. Nicht, dass es ihr sehr schwer fiel, ihr Herz galoppierte vor Nervosität und ihre Nerven vibrierten vor Abenteuerlust.

  Rockey schien milde erfreut. „Guter Junge. Genau. Gegessen wird hier das, was wir im Laderaum haben, und wenn jemand etwas Großes beim Angeln erbeutet, einen großen Fisch oder einen Drachen, wird es unter uns allen aufgeteilt. Die Männer bringen uns das Fleisch und wir verarbeiten es. Verstanden?"

  Roxane nickte. „Ja, Sir."

  „Gut. Dann lass dir eins gesagt sein, auf diesem Schiff bekommt jeder die gleiche Ration. Du kleine Ratte bekommst genauso viel wie der Kapitän und Murdoch, ich bekomme gleich viel wie Dalton, der Bootsmann, und Dimas, unser Steuermann, bekommt die gleiche Menge an Essen wie unsere verehrten Gäste, die Herren Levasque und De Oro. Alle sind gleich in dieser Hinsicht. Selbst wenn einer von ihnen dir ein Messer an die Kehle hält und mehr verlangt, kannst du ihm ins Gesicht spucken und sagen, dass er sich verdammt noch mal verpissen soll. Hast du das verstanden?"

  Roxane nickte wieder. „Ja, Sir." Sie wusste nicht, ob sie es ich zutrauen würde, einem der Seemänner ins Gesicht zu spucken, schließlich sahen sie allesamt ziemlich furchteinflößend aus, und sie hoffte, dass sie genug Autorität aufbringen konnte, um einen der Männer zu verscheuchen.

  Rockey fuhr mit seiner Rede fort. „Zweitens, wenn du irgendeine Sorte von Dreck mit hierher bringen solltest, und auch nur ein einziger der Mannschaft wird durchs Essen krank, dann verspreche ich dir, dass du den Seedrachen vorgeworfen wirst. Krankheiten auf Schiffen breiten sich schneller aus als die Hurenseuche in einem Bordell, und wenn man nicht aufpasst, ist man auf einem Totenschiff, dessen Besatzung sich nicht einmal mehr an den eigenen Namen erinnern kann." Der Koch vollführte eine Geste, die wohl Unheil abwehren sollte. „Hast du das auch verstanden?"

  „Ja, Sir." Roxane trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Sie fürchtete sich etwas vor Rockey. Hoffentlich mache ich nichts falsch.

  „Hervorragend. Dann lauf, wasch dir diesen Dreck mit Meerwasser ab", Rockey machte eine vage Handbewegung, mit der er Roxanes ganzen Körper einschloss, „und hol einen Sack Süßkartoffeln." Als Roxane langsam zur Tür ging, machte er einen harten Schritt in ihre Richtung. „Los, Junge, etwas plötzlich!", fuhr er sie an.

  Roxane wandte sich um und lief aus der Kombüse, während das Schiff wendete und mit geblähten Segeln nach Norden fuhr, immer der Fregatte hinterher, deren Umriss vage am Horizont erkennbar war.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro