10. Abschied
Kiss me hard before you go
- Lana del Rey, Summertime Sadness
Roxane drückte ihren nackten Körper enger an Madrid. Feine Schweißtropfen glänzten im Schein der Kerzen auf seiner muskulösen Brust, während er über ihre Haare strich und träge und schläfrig auf die schwere, metallbeschlagene Kiste gegenüber seines Bettes blickte.
Das kleine Zimmer im Toten König war Roxanes Lieblingsort. Es war bescheiden eingerichtet, verglichen mit dem Prunk und den edlen Möbeln, die sie gewohnt war. Die Matratze des grob gezimmerten Bettes war mit Stroh und Lumpen statt mit Federn gefüllt, die Decke war aus dünnen Leinen und nicht aus schwerem, bestickten Brokat, statt einem geschnitzten Schrank mit Einlegearbeiten aus Perlmutt gab es die Kiste, die mit mehreren Schlössern und Stahlbändern gesichert war, der Wein, der in einer Karaffe auf dem Tisch stand, war sauer und machte eher betrunken, als dass er zum Genießen taugte, und die Polstermöbelgruppe in Roxanes Räumen in der Obsidianfestung wurde in dem Gasthaus mit einem wackeligen Tisch und einem Stuhl mit zerbrochener Lehne ersetzt. Trotzdem mochte sie das Zimmer, hier konnte sie mit dem zusammen sein, das sie auf der ganzen Welt am meisten liebte: Madrid.
Schweigend lauschte sie auf die Geräusche um sie herum: das gedämpfte Gebrüll der Männer unter ihnen im Schankraum, die Musik der Spielleute, den angetrunkenen Gesang der Schankmädchen und Madrids ruhigen Atem. Durch die leicht geöffneten Fensterläden drangen die üblichen Laute der Stadt, ferne Schüsse, das Rauschen des Meeres in der Nähe, das laute, hohe Kichern einer Hure, das grölende Gelächter eines betrunkenen Mannes, das Klappern von Pferdehufen und die knirschenden Räder eines Fuhrwerkes.
Vorsichtig befreite Madrid sich aus ihrer Umklammerung, und sie beobachtete, wie er nackt zu dem Tisch ging und einen Schluck Wein direkt aus dem Krug nahm. Roxane lächelte glücklich. Nie hatte er sich um Manieren geschert, er hatte immer genau das getan, was er wollte. Mit dem Krug in der Hand drehte er sich zu ihr um, und sie bewunderte seinen Körper, seine unzähligen Narben auf seiner Haut, vor allem die wulstige Bissnarbe über den Rippen an seiner rechten Seite. Ein Drache in Abisyala, der ihn umbringen wollte. Die Geschichte hat er mir hunderte Male erzählt, erinnerte sie sich über die Herkunft des Mals.
„Meine Königin, ich muss dir etwas sagen", sagte Madrid leise.
Sofort verpufften ihre guten Gedanken und sie erinnerte sich Roxane an ihr Gespräch mit Marie. Hat er mich betrogen? Nein, das würde er niemals tun, nicht mich. Wir kennen uns, seit ich ein Kind war. Trotzdem flammten plötzliche Zweifel in ihr auf. Was ist, wenn Marie recht hat und er mir jetzt ein Leben voller Betrug auftischt? Sie wappnete sich gegen das, was nun kommen würde. „Was ist?", fragte sie setzte sich auf und wickelte sich in die Decke.
„Ich werde fortgehen", erklärte er schlicht.
Eisige Panik übermannte sie. Warum? Wie lange? Mit wem? Ich habe ihm immer das Geld gezahlt, also braucht er eigentlich keins... Aus welchem Grund sollte er die Stadt verlassen? Was gibt es anderswo, was ich ihm hier nicht bieten kann? Sie schüttelte die sich überschlagenen Gedanken ab und stellte die dringendste Frage. „Warum? Ich habe dir immer das Geld gezahlt, du musst nicht gehen. Bitte bleib."
Er setzte sich neben sie auf den Bettrand. „Ich gehe, weil ein guter Freund von mir mich darum gebeten hat. Er hat mir Geld dafür geboten, und jetzt... ich bin schon zu lange in dieser Stadt, ich brauche Abwechslung."
Roxanes Herz beschleunigte. „Bitte, geh nicht. Ich biete dir doppelt so viel Geld wie er. Aber bitte bleib! Ich ertrage es nicht, getrennt von dir zu sein." Verschämt und ängstlich sah sie zu Boden. Der letzte Satz war ein versehentlich laut ausgesprochener Gedanke gewesen, den sie so nie hatte sagen wollen.
Er strich ihr übers Haar und sah ihr fest in die Augen. „Ich bin wie der Wind, man sperrt mich nicht ein. Ich werde gehen."
Roxane spürte, wie eine Träne über ihre Wange rollte. Tapfer versuchte sie, sie zurückzudrängen. „Wann gehst du?"
„Morgen."
„Also ist das unsere letzte Nacht?", flüsterte Roxane tränenerstickt.
Er nickte bedächtig. „Ich werde zurückkommen, das verspreche ich dir."
„Wann? Wie lange wirst du fort sein?"
Mit langsamen, geschmeidigen Bewegungen schlüpfte er neben ihr ins Bett. „Ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen. Nicht lange."
Roxane legte sich wieder hin und drückte ihn an sich, versuchte zu vergessen, dass es nur noch wenige Stunden bis zum nächsten Tag waren. „Komm bald zurück", wisperte sie.
„Das werde ich", antwortete er ebenso leise.
Sie schmiegte sich noch enger an ihn, und er malte mit seinem Finger Muster auf ihre Schulter, seine Berührungen schickten ein prickelndes, angenehmes Gefühl durch ihren Körper. Niemals soll dieser Moment zu Ende gehen, dachte sie und genoss jede Sekunde, sog ihre Zeit mit ihm in sich auf, sodass sie etwas hatte, an das sie in dunklen Stunden denken konnte.
Und dunkle Stunden sollte es bald zuhauf geben.
Einige Stunden später erwachte Roxane durch Madrids Küsse. Gierig wanderten sie ihren Bauch hinunter, sein Bart kratzte über ihre nackte Haut, sie atmete zitternd ein und fuhr mit ihren Fingern durch seine schulterlangen blonden Haare.
Plötzlich klopfte es an der Tür. „Mr Yarrow, ich entschuldige mich vielmals für diese Störung, aber da ist jemand, der mit euch sprechen möchte", sagte eine zaghafte Stimme.
Jegliche Spannung wich aus Madrids Körper, er sank auf seine Ellenbogen über Roxanes Körper zusammen und senkte genervt den Kopf. „Bei allen Geister und Göttern, Danny. Verpiss dich, und sag dem Kerl, dass ich gerade sehr beschäftigt bin", bellte er durch die geschlossene Tür.
Roxane kicherte leise. Sehr beschäftigt, das trifft es am besten. Und jetzt verschwinde, und stör uns nicht weiter.
Danny hüstelte entschuldigend. „Es tut mir wirklich leid, er sagt, Ihr sollt Euch nicht so haben und sofort Euer Zimmer verlassen."
„Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt? Du sollst dich verpissen, und ihn kannst du gleich mitnehmen!", versuchte Madrid den Mann zu verscheuchen.
Danny ließ nicht locker. „Er sagt, es sei dringend."
„Dann soll er sich dringend verpissen! Und jetzt lass mich in Ruhe!"
„Er will aber unbedingt mit Euch reden!"
Madrid stieß ein wütendes Knurren aus. „Wer will mich jetzt, kaum eine Stunde nach Sonnenaufgang, so fürchterlich dringend sprechen?"
Kurz herrschte Stille, Danny schien mit jemanden zu sprechen. Dann rief er: „Er sagt, sein Name sei Mr Bane!"
Madrid zog die Augenbrauen zusammen. „Kenne ich nicht. Und jetzt verpiss dich endlich! Lass dir Eier wachsen und schmeiß den Hurensohn aus dem Gasthaus, damit er mich nicht mehr nervt, oder ich nehme dich zu Warrens Ställen mit!"
„Was ist bei Warrens Ställen?", fragte Roxane leise. Sie hatte das Gespräch mit einer Mischung aus Belustigung und Ungeduld mitverfolgt, in der Hoffnung, Danny und der unbekannte Mr Bane würden schnell verschwinden.
„Bei Warren habe ich meinen Drachen untergestellt, und Danny hat Angst vor Drachen", antwortete Madrid ebenso leise.
Danny schien wieder mit jemanden zu reden. Dann ertönten heftige Schritte auf dem Holzboden, ein gedämpftes „Unfähiger kleiner Penner", und jemand hämmerte mit aller Kraft gegen die Tür, sodass sie in den Angeln klapperte. „Mach sofort diese Tür auf, du mieser, elender Bastard, und beweg deinen hässlichen Arsch aus diesem Zimmer! Wen auch immer du noch da drin hast, besorg's der kleinen Schlampe anständig und komm raus! Raybeau wartet nicht gern, und ich noch weniger!"
Während sich auf Madrids Gesicht ein breites Grinsen ausbreitete und sein Körper bebte von seinem unterdrückten Gelächter, erstarrte Roxane zu einer Statue. Ravan Darnovey! Es war Ravan Darnovey, der Madrid dazu überredet hat, die Stadt zu verlassen! Er darf mich nicht sehen, nicht mit Madrid hier! Panik breitete sich in ihr aus. „Madrid", flüsterte sie hektisch, „das ist nicht Mr Bane, sondern Ravan Darnovey! Der Anführer des Virrey-Kartells!"
Er starrte sie an, als hätte sie den Intellekt eines Fisches. „Natürlich ist er das." Nach einem Moment fragte er erstaunt: „Du kennst ihn?"
Sie verzog das Gesicht. „Mehr oder weniger. Er ist mit manchmal in der Festung begegnet. Hör zu, er darf mich nicht sehen! Nicht hier! Sonst würde er es allen verraten, und die Kartell-Oberhäupter würden dich gefangen nehmen und mich erpressen!"
Madrid schien sie zu ignorieren, als er Ravan antwortete. „Ay, Ravan, ich bin auf dem Weg!", rief er, rollte sich vom Bett und begann, seine Kleidung zusammenzusuchen.
Roxane kam es vor, als wäre die Tür durchsichtig, so sehr konnte sie sich Ravans amüsiertes Grinsen vorstellen, und es drehte ihr dem Magen um. „Hast du mich verstanden, Madrid?", zischte sie eindringlich. „Er darf mich nicht sehen! Und sei vorsichtig. Bei Darnovey kann man sich nie sicher sein, was er genau plant." Das hatte sie zumindest von Marie gehört. Ravan Darnovey hatte einen höchst zwielichtigen Ruf, was auch mit seiner Vergangenheit zusammenhing.
Madrids Gesicht erschien im Ausschnitt seines Hemdes, über das er einen ledernen Brustpanzer zog. „Oh, meine Königin, deine Sorge ist rührend, aber ich allein suche mir meine Freunde aus, und entscheide selbst, wem ich traue und wem nicht." Mit einem arroganten Lächeln schlüpfte er in seine Stiefel und zog die Schnüre fest, die sie an ihren Plätzen hielten.
Roxane wickelte die Decke um ihren Körper und sprang aus dem Bett. „Bitte, pass auf dich auf. Ich will dich nicht verlieren."
Er antwortete nicht sofort, sondern schloss die schwere, metallbeschlagene Kiste auf und holte einen Seesack heraus, den er sich um die Schulter hängte. „Das werde ich. Ich passe immer auf mich auf." Er lächelte, verschloss die Kiste wieder und drückte ihr den Schlüssel in die Hand. „Aber nur, wenn du in der Zeit, in der ich auf Reisen bin, auf mein Hab und Gut aufpasst, das ich hier lasse. Sobald ich weg bin, schließt du dich ein. Warte eine Stunde, dann kannst du sichergehen, dass niemand von Ravans Männern vor deiner Tür wartet und unsere Beziehung aufdeckt."
Er drehte sich um und wollte gehen, als Roxane mit erstickter Stimme flüsterte: „Madrid..."
„Was ist?", fragte er, als er sich umwandte. Im selben Moment ließ Roxane die Decke fallen und warf sich ihm in die Arme. Er hielt sie fest umschlungen und küsste sie heftig auf den Mund, während sie sich wünschte, dass diese Sekunden niemals enden würden.
„Ich liebe dich", flüsterte sie zwischen zwei Küssen.
„Ich liebe dich auch", antwortete er leise. Er löste sich von ihr und packte die Klinke. „Stell dich hinter die Tür", wies er sie leise an.
Roxane drückte sich gegen die grobe Wand. Ein schlechter Ersatz für ihm. „Ich warte auf dich", wisperte sie.
Mit einem letzten lässigen Grinsen öffnete er die Tür, schlüpfte hinaus und zog sie hinter sich zu.
„Na, du Bastard? Ging ja schneller als gedacht", sagte Ravan amüsiert, dann polterten die Schritte der beiden Männer die Treppe hinunter.
Roxane drehte den Schlüssel für die Tür zweimal im Schloss um, dann wickelte sie sich in die Decke, setzte sich im Schneidersitz aufs Bett und starrte nachdenklich aus dem Fenster.
Ich vermisse ihn jetzt schon. Marie hatte recht, ich bin so gut wie abhängig von ihm. Aber wie sie schon sagte, ich muss lernen, ohne ihn zu leben. Doch in ihrem Herzen wusste sie, dass sie das nicht wollte. Sie wollte bis in alle Ewigkeit mit ihm zusammen sein, er war ihre wahre Liebe, und sie war willens, ihr gesamtes Leben dafür fortzuwerfen.
Wenn man es denn ein Leben nennen kann. Seit ihrer Geburt war sie überwacht worden, aus Angst, sie könnte die alten Allianzen wieder aufleben lassen. Die Kartell-Oberhäupter hatten ihr verboten, das Land zu verlassen, damit sie auch im Exil keine neue Rebellion starten konnte. Auf der Reise, die sie durch Santaca unternommen hatte, die, auf der sie Madrid wiedergefunden hatte, war sie immer wieder auf Mitglieder der Bruderschaft getroffen, rein zufällig, wie es scheinen sollte. Reisen in den Norden waren ausgeschlossen.
In Gedanken versunken ließ sie sich nach hinten aufs Bett fallen und blickte auf die unbehandelten Balken der Zimmerdecke. Kleine Scharten verrieten die Stellen, an denen Madrid seine Messer in das Holz geworfen hatte. Zwei hatte er immer. Einen langen schmalen Dolch, fast ein Schwert, verziert mit Gold in einer emaillierten Scheide, und ein grobes Jagdmesser. Aber den Dolch mochte er viel lieber, erinnerte sie sich. Sie selbst hatte nie viel für Waffen über gehabt, und sie war immer eine bessere Tänzerin als eine Fechterin gewesen, aber sie wusste, dass Madrid mit seinen Messern und seinem eineinhalbhändigen Schwert besser umgehen konnte als alle Soldaten, die sie je gekannt hatte. Er hatte sie auf den Straßen von Amostown des öfteren vor den gierigen Händen Betrunkener und Räuber verteidigen müssen, und seitdem er eine achtköpfige Gruppe Männer abgewehrt hatte, alle bewaffnet mit Säbeln und anderen Klingen, ohne dass auch nur ein einziger von ihnen mit dem Leben davongekommen war, wusste sie, dass mit ihrem Geliebten nicht zu spaßen war.
Sie erinnerte sich, dass sie versucht hatte, sich schlecht zu fühlen, schließlich waren soeben acht Männer gestorben, vielleicht hatten sie eine Familie oder Freunde gehabt, die um sie trauerten, doch eine kleines Hochgefühl war geblieben. Es gab jemanden, der bereit war, für sie zu töten, und das machte ihr Mut. Versunken in ihre Erinnerungen schloss sie die Augen.
Sie musste wohl eingenickt sein, denn als sie einige Zeit später die Augen wieder öffnete, war die Sonne bereits höher gestiegen und eine goldener Strahl Licht fiel durch das Fenster auf ihre Decke und ließ das schmutzige Leinen glühen. Verschlafen entwirrte sie das Gewühl ihrer Gliedmaßen um den Stoff, tappte zu ihrem Kleid, das zerknüllt auf dem Boden lag und schlüpfte hinein. Als sie das Zimmer verlassen wollte, hielt sie inne.
Ich brauche etwas, das mich an ihn erinnert, bevor ich gehe. Allein, jede Nacht, Woche für Woche, bis er wieder da ist... Das halte ich nicht aus. Zielstrebig ging sie zu seiner Truhe, schloss sie auf und sah hinein, in der Hoffnung, dass wenigstens eins seiner Hemden zurückgeblieben war, das sie mitnehmen konnte.
Doch es gähnte Leere in der Truhe, nur eine Spinne krabbelte schnell aus dem plötzlichen Lichtschein. Madrid hatte alles mitgenommen. Sie zuckte zurück. Was hat das jetzt zu bedeuten? Erst bittet er mich, auf seine Besitztümer aufzupassen, und dann hat er nichts zurückgelassen? Ein Verdacht keimte in ihr auf. Was ist, wenn er mich verlassen will? Wenn er gar nicht vorhat, zu mir zurückzukehren?
Nervös sah sie sich im Zimmer um, auf der Suche nach etwas, das ihm gehörte, doch bis auf die Möbel und den leeren Weinkrug auf dem Tisch war das Zimmer leer. Hastig schnürte sie ihr Mieder richtig fest, nahm ihre Schuhe und lief barfuß in den Schankraum hinab.
Unten herrschte reger Betrieb, und Roxane kämpfte sich durch ein Gewirr von grapschenden, gierigen Händen und stinkenden, schwitzenden Körpern, immer darauf bedacht, nicht aufzufallen. So schutzlos wie sie war, umgeben von Männern, die sich von einem Moment zum anderen von lachenden Trinkern in lüsterne Ungeheuer verwandeln konnten, wollte sie nicht wie ein Opfer aussehen. Sie erreichte die Tresen der Bar und rief nach dem Wirt.
Mit mürrischem Blick und einem unfreundlichen Schnauben baute er sich vor ihr auf, ein beleibter Mann mittleren Alters und einem ungepflegten Bart. „Was willste, Kleine?"
„Ich habe eine Frage", sagte Roxane mit klopfenden Herzen und wurde sich plötzlich der Gegenwart des betrunkenen Mannes neben ihr bewusst, der sich unauffällig immer näher an sie heranschob.
„Was?", knurrte der Wirt.
Sie beschloss, nicht länger um den heißen Brei herumzureden, sondern direkt ihre Frage zu stellen. Alles in ihr befahl ihr, sich sofort aus dem Toten König zu bewegen, doch sie zwang sich zur Ruhe. „Hat Madrid Yarrow sein Zimmer hier gekündigt?"
Der Wirt zog die buschigen Augenbrauen zusammen. „Wer will das wissen?"
„Seine Geliebte."
„Welche von seinen Weibern? Frühstück, Mittagessen, Abendessen oder Nacht?", grunzte er, nun milde interessiert.
Roxane überlief es eiskalt und ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle. „Wie meint Ihr das? Er...er hatte mehrere Geliebte?"
Der Wirt riss die Augen auf, so sehr, als wollten sie seine Augenhöhlen verlassen. „Du wusstest das nich'? Auf welchen verdammten Kontinent lebst du denn? Der fickt alles, was nich' bei drei auf'm Baum is'. Meine Laeka hat er auch gevögelt, und sie is' ganz niedergeschlagen, weil er jetz' weg is'. Verdammter Bastard. Dauert jetzt wieder ewig, bis ich sie wieder anständig zum Arbeiten krieg."
„Aber...er hat mir gesagt, dass er mich liebt!", protestierte Roxane gegen die Worte des Wirts an. Das kann nicht sein. Er würde mich niemals betrügen. Er hat gesagt, er liebt mich, und dass er zurückkommt!
Der Wirt zuckte mit den Schultern. „Da kann ich nichts machen, Kleine. Und ja, er hat sein Zimmer gekündigt, mit den Worten, ich zitiere, Jetzt bin ich frei und is' mit diesem jungen dunkelhaarigen Lykaner abgehauen."
„Wohin ist er gegangen?"
„Zum Hafen, der Lykaner hat irgendetwas von einem Schiff nach Norden gefaselt."
Roxanes Körper begann zu zittern. „Wann war das?" Wenn sie Glück hatte, könnte sie ihn noch einholen.
„Vor zwei Stunden, vielleicht auch drei."
Zu spät. Die Gefühle schlugen über ihr zusammen wie eine Welle, ihr gebrochenes Herz schrie über den Verlust, Angst, Zorn, ein bohrendes Gefühl der Einsamkeit und ein seltsames Ziehen in der Magengrube, als hätte man ihr etwas Lebenswichtiges geraubt. Aufgewühlt umklammerte sie die Tresen, während in ihrem Körper eine Schlacht um die Vorherrschaft gefochten wurde.
Eine Emotion gewann, eine, die sie all die Jahre ihres Lebens unterdrückt hatte. Eine, die sie noch nie so stark verspürt hatte. Der Zorn schlug alle anderen Gefühle zurück, und ein wütender Plan trat mit ihm in den Vordergrund.
Ich werde ihm folgen, in den Norden, und wenn ich dabei die gesamte Bruderschaft umbringen muss, dann sei es so. Aber ich werde ihn folgen und zur Rede stellen. Ich schmuggle mich auf das nächste Schiff nach Norden und jage ihn, bis ich ihn finde. Doch zur Umsetzung ihrer Idee brauchte sie eine Person, der einzigen, der sie jetzt noch vertraute, nachdem ihre große Liebe sie und ihr Vertrauen betrogen hatte.
Marie!
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