Harry schnappte nach Luft und klammerte sich haltsuchend an Charlie fest, kaum dass er wieder festen Boden unter seinen Füßen spürte. Ihm war schlecht und schwindlig. Er rang um Luft und versuchte verzweifelt das wenige, dass er im Magen hatte, auch dortzubehalten, wo es war. Es war das gleiche Gefühl wie nach der Portschlüsselreise, das er auch schon in den Ferien vor seinem vierten Jahr in Hogwarts verspürte, als er mit den Weasleys zur Quidditsch-Weltmeisterschaft durfte.
Er hasste es!
Ein Schauer rieselte durch seinen Körper, während er langsam und tief einatmete, und dabei Charlies Geruch in seine Luge sog. Es beruhigte ihn und gab ihm die Sicherheit, die er so dringend brauchte. Erst als er sich sicher war, dass er seinen Mageninhalt nicht doch noch auf dem Boden verteilte, löste er langsam sein Gesicht von Charlies Oberteil, an das er sich beinahe verzweifelt klammerte und drehte leicht seinen Kopf. Nur damit er gleich den nächsten Schreck bekam, und in dem Armen seines neuen Gefährten zusammenzuckte, was sicherlich auch der Dunkelheit geschuldet war. Schließlich war es mitten in der Nacht. Harry stockte der Atem.
Vor ihm in mehr als hundert Metern Entfernung ragte ein gigantisches, bei Tag sicherlich herrschaftliches Anwesen in Richtung Himmel. Doch jetzt in diesem Moment, im Schein des nahezu vollen Mondes und der dunklen Wolken am Nachthimmel, sah es einfach nur furchteinflößend aus.
Es sah aus, wie ein quadratischer massiver Klotz, dessen Front mit großen Fenstern übersäht war. Hinter ein paar wenigen brannte sogar zu dieser späten Stunde noch Licht, doch das ließ es nicht weniger bedrohlich wirken. Auf der rechten und linken Seite ragten Türme in die Höhe, die sich auch auf der Rückseite des Manors wiederzufinden schienen, den dunklen Turmspitzen im Hintergrund nach zu urteilen. Zudem war der mittlere Teil des Anwesens ein wenig höher, was ihm den Eindruck eines Schlosses verlieh. Zumal der obere Rand der unverputzten Mauer wie bei einer alten Burg in rechteckiger Form gezackt war.
In diesem Augenblick standen sie auf einem einfachen gepflasterten Weg, eine hohe undurchdringlich anmutende Hecke zu beiden Seiten, mit Blick auf die enorme Flügeltüre am Ende einer Freitreppe. Hinter ihnen ein schmiedeeisernes alt aussehendes und geschlossenes Tor, wie Harry nach einem schnellen Blick über seine Schulter feststellte, bevor er ihn wieder auf das Anwesen vor sich richtete. Er schluckte schwer. Jetzt, in diesem Moment hatte dieser Ort etwas Gefährliches, Bedrückendes, was selbst der liebliche Rosenduft nicht vertreiben konnte. Welcher durch den nächtlichen Nebel nur noch intensiver in der Luft hing. Sie waren offensichtlich von einem Garten umgeben, der allerdings hinter der Hecke verborgen lag.
Doch selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, so war sich Harry sicher, hätte er sich nicht auf die Schönheit der Landschaft konzentrieren können, in der dieses Anwesen das Einzige weit und breit zu sein schien. Nicht, solange sein Herz vor Beklemmung wild in seiner Brust schlug und diese eng werden ließ.
„Wo sind wir?“ Harrys Griff festigte sich, während er sich noch fester gegen Charlie drückte. Ihm war definitiv nicht wohl, auch wenn sein Kopf ihm sagte, dass ihnen keine Gefahr drohte, wenn der Ältere sie mit voller Absicht hierher gebracht hatte.
„Malfoy Manor.“
„Was?“ Harry versteifte sich. Sein schreckgeweiteter Blick richtete sich nach oben, wo er dem gelassenen seines Gefährten begegnete, der ihm nur in einer saften Geste über die Wange strich. „Wir sind auf den Gründen des Malfoy-Anwesens. Das vor uns ist Malfoy Manor. Du brauchst keine Angst haben, uns passiert hier nichts. Auch dir nicht.
Wir müssen nur warten, bis uns eine von Malfoys‘ Hauselfen hier abholt. Der Portschlüssel hat uns zwar durch die Schutzschilde, auf das Gelände und damit in Sicherheit gebracht. Doch aus Sicherheitsgründen können wir trotzdem nicht einfach so ins Haus gelangen, sondern erst wenn es uns erlaubt wird.“
Harrys Herz schlug ihm bis hoch zum Hals. Malfoy ... nah super! Er konnte seine Panik regelrecht wachsen fühlen, die er sogleich versuchte, mit bewusstem und regelmäßigem Atmen niederzukämpfen. Als auch schon, nur Sekunden später, eine Hauselfe, in überraschend ordentlicher Kleidung vor ihnen auftauchte, ergeben den Kopf senkte und mit piepsiger Stimme sprach: „Tibby grüßt die Herrschaften und wünscht sie auf dem Anwesen von Tibbys Master willkommen. Tibby soll die Herrschaften zu ihrem Master bringen. Sie werden im grünen Salon erwartet. Wenn sie Tibby nun bitte folgen würden.“ Kaum hatte das kleine dürre Wesen mit den langen, spitz zulaufenden Ohren zu beiden Seiten des Kopfes, der länglichen Nase und den großen Runden blauen Kulleraugen ausgesprochen. Drehte es sich auch schon um und tappte mit schnellen Schritten zurück in Richtung Manor.
„Und du bist dir sicher?“ Harrys Stimme klang nicht einmal halb so feste und selbstsicher wie er es gerne gehabt hätte, als er sich an Charlies Seite schmiegte und schwer schluckend zu diesem aufsah, während sie dem kleinen Wesen folgten.
„Ja.“ Der Ältere lächelte zuversichtlich. „Mir wurde versichert, dass ich hier sicher bin ... und damit auch du. Du gehörst jetzt zu mir Harry. Ich lass nicht zu, dass dich jemand verletzt. Vertrau mir.“
Harry atmete tief durch und seufzte. Malfoy Manor war wirklich mit einer der letzten Orte, an die er gedacht hatte, das sie reisen würden. Direkt zum Haus seines Schulrivalen ... den er sich eigentlich nie als Rivalen gewünscht hatte. Bedeutete das, das Chalie auf der Seite der Todesser stand?
Wen hatte sein Gefährte auf den Treffen getroffen? Lucius Malfoy selber?
Allerdings hatte er soeben noch einmal betont, dass sie hier beide nichts zu befürchten hatten. Zumindest ging sein Gefährte davon aus. Was jedoch nicht verhinderte, das sein Herz gefühlt immer einen Takt schneller schlug, je näher sie der schweren Eingangstüre aus dunklem Holz kamen, bis es sich schließlich so anfühlte, als würde es ihm aus der Brust springen.
Mit gemischten Gefühlen, obwohl die negativen, wie Sorge und Beklemmung eindeutig überwogen, stieg er an Charlies Seite eine Stufe nach der anderen empor. Sie durchschritten das Eingangsportal, nachdem die Doppeltüre durch Elfenmagie leise aufgeschwungen war, und traten in die pompös wirkende Eingangshalle. Trotz des einengenden Gefühls in Harrys Brust konnte er sein Staunen nicht unterdrücken, welcher ihn durch die Nase ausatmen ließ, unterdessen sie den weiten Raum mit seiner mehrere Meter hohen Decke durchquerten.
Der Boden bestand aus hellem Marmor, auf dem ein dunkelgrüner Teppich ausgelegt war ... wie sollte es auch anders sein. Auf der rechten Raumseite führte eine geschwungene Treppe aus demselben hellen Stein empor in den ersten Stock. Die Wände waren mit riesigen Bildern behangen. Große grüne Pflanzen waren zu sehen und die ganze Atmosphäre wurde durch den warmen Schein eines gedimmten und tief, von der Decke hängenden Kerzenleuchters aufgelockert. Nicht zu vergessen die Schlangenmotive, die einem immer wieder ins Auge sprangen. Wie die Enden des Treppenhandlaufes, welche einen silbernen Schlangenkopf zeigte. Dennoch fühlte Harry sich augenblicklich wohl und geborgen, was definitiv seltsam war. Bevor er jedoch die Möglichkeit hatte, sich weiter umzusehen, führte Tibby sie auch schon unter den darüberliegenden Vorsprung des Ganges zu einer der weißen Flügeltüren. Klopfte nur Sekunden später und öffnete sie, nachdem eine tiefe Stimme ihnen erlaubt hatte, einzutreten.
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