Kapitel 5
Ich saß auf dem Boden, an der kalten, rauen Wand lehnend. Der beißende Geruch von Whiskey stieg mir unaufhörlich in die Nase und leise drang das Schaben des Engelsschwert, mit welchem ich ohne Pause über das Pakett fuhr, an meine Ohren.
»Es tut mir leid, Cat«, hörte ich Cas' Stimme in meinem Kopf flüstern, und ich schloss die Augen, während stumme Tränen über meine Wangen rannen.
Ich hatte das Gefühl, als wäre ein Teil mit Cas gestorben, der Teil, der über ein Jahr gebraucht hatte, zum Leben erweckt zu werden - der himmlische Teil. An seiner Stelle klaffte ein großes schwarzes Loch, welches gefüllt werden wollte, aber doch nicht konnte.
»Ich bin für dich verantwortlich gewesen. Das war ich schon immer.«
Ich hatte versucht, den Schmerz um den Tod meines Freundes zu verdrängen. Ich hatte versucht, ihn zu hassen, für das, was er mir angetan hat, dass er mich benutzt und betrogen hatte. Aber ich konnte nicht. Ich konnte meine wahren Gefühle nicht verbergen, und nun saß ich hier, auf dem Boden meines Hauses, zugedröhnt mit Whiskey, der meine Sicht und meinen Verstand zusammen mit den Tränen vernebeln ließ, und dem Engelsschwert in der Hand, welches mich an alles erinnerte, wofür ich in letzten zwei Jahren gekämpft und gelebt hatte.
Aber der Whiskey wirkte. Es gab keine himmlische Kraft mehr, die mich vor dem Alkohol schützte. Der Teil von mir war mit Castiel gestorben.
Mein Handy klingelte. Ich rührte mich nicht. Es war mir egal, alles war mir momentan egal - die Leviathane, meine Trunkenheit, sogar Sams Halluzinationen. Was mir nicht egal war, war Cas' Tod. Ich wollte, dass er zurückkam. Ich wollte ihn anschreien, ich wollte ihn schlagen, für das, was er mir angetan hatte, und ich wollte ihn berühren, wollte ihn küssen und seinen Geruch einatmen, nur um zu wissen, dass er da war. Doch das war er nicht. Er war tot.
Schritte erklangen, doch bemühte ich mich nicht, aufzublicken. Vielleicht würde derjenige, der kam, all dem ein Ende setzen, vielleicht würde er mich erlösen, von meinem Leid. Zwei starke Arme packten mich und auf einmal wurde ich hochgezogen. Vor mir stand ein Mann, der mich mit einem festen Griff festhielt, da ich sonst umfallen würde.
»Wenn ich jedes Mal hierherfahren würde, wenn du in Schwierigkeiten steckst, wäre die Welt schon von den Leviathanen zerstört«, meinte Dean. »Komm, ich bring dich hier weg.«
»Töte mich«, flehte ich mit zitternder Stimme und versuchte gegen das Ziehen des Mannes anzukämpfen.
Dean blieb nicht stehen, sondern zog mich mühenlos weiter. »Das ist der Alkohol, der aus dir spricht.«
»Ich hab' Cas umgebracht«, sagte ich. Wir verließen das Haus und ich torkelte über den Fußweg zum Impala.
»Nein, Cas hat sich selbst umgebracht. Niemand von uns hat Schuld.«
»Ich hab' ihn verstoßen«, erklärte ich. »Wär' ich bei ihm geblieben, wär' das alles nicht passiert.«
Abrupt blieb Dean stehen. Er packte mich an den Schultern und zwang mir mit einem festen Blick in seine Augen zu sehen. »Cas sich all das selbst zuzuschreiben. Er war so versessen darauf, Raphael zu töten, dass er auf keinen von uns gehört hätte.«
Ich starrte ihn nur an.
»Ich bin nicht dein Babysitter. Zurzeit haben wir schon genug um die Ohren - Sam, die Leviathane. Ich will nicht auch noch doch beschatten müssen, klar?«
»Klar«, murmelte ich und nickte schwach.
»Gut.« Der Winchester setzte mich auf den Beifahrersitz, und das Letzte, woran ich mich erinnerte, bevor ich einschlief, war, wie er losfuhr.
Der Geruch von Rauch stieg in meine Nase und langsam wachte ich auf. Mein Schädel brummte, der Alkohol war noch nicht vollständig aus meinem Körper verschwunden, und verwundert sah ich mich um. Ich lag in meinem Bett in Bobbys Haus. Der Geruch von Rauch wurde stärker, je wacher ich wurde.
Langsam erhob ich mich und lief zur Tür. Schwankend betrat ich den Flur. Ich musste die Augen zusammenkneifen, als der Rauch mir entgegenkam, und es dauerte eine Weile, bis ich die Situation realisierte - Bobbys Haus stand in Flammen.
»Verdammt«, fluchte ich, und auch wenn der Alkohol mich langsam denken ließ und ich die genaue Gefahr nicht genauso schlimm aufnahm, wie sie wirklich war, stolperte ich die Treppe hinunter in die Rauchwolke hinein. Augenblicklich begann ich zu husten, was zur Folge hatte, dass ich noch mehr von dem giftigen Rauch einatmete.
Ich konnte mich nicht erinnern, wie ich das Haus verlassen hatte, doch ich hatte es irgendwie geschafft, so dass ich letztendlich vor dem brennenden Haus auf der kalten Erde kniete, die Hände aufgestützt, hustend und röchelnd.
Was, verdammt, war hier los?
Ich hoffte sehr, dass weder Dean, noch Sam, noch Bobby in dem Haus gewesen waren. Doch ich bezweifelte es, da sie mir sonst sicher geholfen und den Brand schon viel früher bemerkt hätten. Natürlich stellte ich mir die Frage, wie es sein konnte, dass das Haus in Flammen stand, doch kämpfte ich gerade eher um mein Leben. Und ich kam nicht gegen den Drang der Bewusstlosigkeit an, so dass ich ohnmächtig zu Boden sank.
Drei Wochen später:
Whitefish, Montana
Dean saß mit seinem Gibsbein vor dem Fernseher, in welchem er seine merkwürdige spanische Serie sah - ein gewöhnliches Bild und das seit bereits drei Wochen. Jody Mills, der Sheriff von Sioux Falls, die wir schon bei einem früheren Fall kennengelernt hatte, hatte mich vor Bobbys verbranntem Haus gefunden. Ich hatte eine Rauchvergiftung und war vollkommen verwirrt, doch ansonsten ging es mir gut. Die Frau rief Bobby an, der uns in einem Krankenwagen abholte. Um es kurz zu fassen:
Jody Mills war wegen irgendeiner OP im örtlichen Krankenhaus gewesen, wo sie dann gesehen hatte, wie irgendwelche Monster die Patienten aßen. Bobby ist dann zu ihr gefahren, um sie da rauszubringen, doch obwohl er dies bereits erledigt hatte, blieb er noch im Krankenhaus, um die Lage zu untersuchen. Durch einen Angriff eines weiteren Monsters, welches zudem Bobbys Haus angezündet hatte, wurden Sam und Dean verletzt, so dass im besagten Krankenhaus festsaßen und Bobby sie aus diesem rettete.
Das Ende der Geschichte war, dass Bobby Jody beauftragte, nach mir zu sehen, da er wusste, dass Dean mich bei ihm »abgeladen« hatte. Weil wir alle gesuchte Flüchtende waren, verschanzten wir uns in einer abgeschiedenen Hütte, die einst Rufus gehört hatte, in Whitefish, Montana.
Da Dean nicht laufen konnte, Sam eine Kopferschütterung hatte und ich generell in allem unbrauchbar war, blieben uns nur die Hausarbeiten beziehungsweise häuslichen Recherchen - bis auf Bobby, der außerdienstlich, jedoch unter äußerster Vorsicht, immer unterwegs gewesen war.
Bobby kam nach längerer Zeit wieder und schmiss Dean die Autoschlüssel seines Impalas in den Schoß - er hatte ihn anscheinend von South Dakota geholt.
»Mein Baby«, sagte Dean glücklich, und somit war seine Serie Geschichte. »Und wenn ich dieses bescheuerte Ding los bin, kann ich auch wieder fahren.« Er schlug gegen seinen Gibs.
»Was ist da draußen so los?«, fragte Sam Bobby.
»Es geschehen eigenartige Dinge, und die sind sehr blutig«, meinte der Mann. »Ich hab' mit ein paar Jägern gesprochen. Die sind demselben Ding begegnet, dass sich da im Krankenhaus eingenistet hat.«
»Es wollte uns ja schon in deinem Haus umbringen«, sagte Dean.
Bobby nickte. »Ja. Fakt ist, sie verhalten sich wie Formwandler, nur dass sie einfach viel, viel mehr fressen. Und nichts kann sie töten.« Er trank einen Schluck von seinem Kaffee.
»Klingt nach Spaß«, meinte Dean. »Sonst noch was?«
»Ja, sie bluten eine schwarze Schmiere.«
»Dasselbe Zeug kam aus Cas raus wie bei diesen Dingern aus dem Fegefeuer. Leviathanen«, bemerkte Sam und bei diesem Namen sah ich auf. Der Winchester bemerkte dies und sofort ließ ein »'tschuldige« von sich.
»Nach allem, was ich von euch höre, glaube ich, dass das die Leviathane sind«, meinte ich mit leiser, kratziger Stimme, ohne auf Sams Entschuldigung einzugehen. Ich hockte auf einem Stuhl, die Knie an den Körper gezogen und von einer Decke umwickelt.
»Was meinst du, Sammy?«, fragte Dean daraufhin seinen Bruder. Dieser reagierte nicht, sondern blickte stattdessen starr nach vorn. »Sammy? Hey, Bodenstation. Sam? Sam?«
Der jüngere Winchester schüttelte den Kopf. »Ja, ich bin ... Ich bin da.«
Misstrauisch verzog sein Bruder das Gesicht. »Alles in Ordnung?«
»Ja. Mir geht's gut.«
Bobby musterte ihn eine Weile prüfend, dann nickte er. »Gut.« Er schob die Tasse von sich. »Alles, was ich an Infomaterial hatte, ist verbrannt, also ...«
»Hat Rufus was zurückgelassen?«, wollte Dean wissen. »Hast du im Keller nachgesehen?«
»'n paar Notrationen und Staub. Ich glaube, er ist seit Jahren nicht mehr hier gewesen. Ich muss also meine alte Bibliothek neu zusammemtragen.«
»Sagtest du nicht, diese Bücher wären einzigartig?«, fragte Sam.
»Ja. Deshalb hab' ich ja überall Kopien versteckt.«
»Okay, gut, ähm ...« Dean wandte sich an Sam. »Hey, Zweibeiner, wir haben nichts mehr zu essen. Fährst du kurz los?«
»Ja, klar.« Der Winchester erhob sich, ließ sich von seinem Bruder die Autoschlüssel geben und nahm sich seine Jacke.
»Fahr vorsichtig, ja? Und Sam?«
»Ja?«
»Alles klar.«
Kaum hatte sich hinter Sam die Tür geschlossen, wandte Dean sich an Bobby. »Und?«
»Und was?«
»Bevor du dich wieder für unseren Psycho ins Zeug legst, was denkst du?«
»Ich glaube, es geht ihm besser«, meinte Bobby.
»Besser?«, wiederholte Dean fassungslos. »Und was war das gerade?«
»Ich hab' ihn zum ersten Mal rausgehen sehen, das ist ein Fortschritt.«
»Soll das 'n Witz sein?«
»Hör zu, ich hab' den Eindruck, dass sich Sams Kopf nicht von deinem Bein unterscheidet. Menschen machen einen Heilungsprozess.«
»Bobby, ich krieg' dieses Ding in fünf Tagen runter, dann bin ich gesund. Sam dagegen ist eine verdammte Zeitbombe.«
»Du übertreibst«, meinte ich, genervt von Deans ständigem Kontrollwahn.
»Das Gerüst wird zusammenstürzen«, entgegnete Dean. »Ist nur 'ne Frage der Zeit.«
»Okay, aber erst mal sollten wir uns um die aktuellen Probleme kümmern, und das heißt, wir brauchen Informationen«, warf Bobby ein und ging zur Tür. »Ich werde gehen und du bleibst hier und schmorst weiter vor dich hin. Ich melde mich.«
»Ich komm mit.« Ich startete einen langsamen und unbeholfenen Versuch, mich ebenfalls zu erheben, wurde jedoch sofort zurückgehalten.
»Bei Sam sieht man, dass er Fortschritte macht, du hingegen stürzt den Berg hinunter«, sagte Bobby. »Wenn ich sehe, dass es dir besser geht, kannst du gerne diese Hütte verlassen, doch solange das nicht der Punkt ist, wirst du an keinen Fall außerorts arbeiten.« Mir blieb nicht einmal Zeit darauf zu reagieren, denn da hatte der alte Mann bereits die Hütte verlassen.
Dean wandte seinen Kopf mir zu. »Du siehst aus wie 'nen Engel mit Schlafmangel, um das noch schön auszudrücken«, bemerkte er.
»Der Engel ist schon lange tot«, murmelte ich. Ich schmiss die Decke mit einem Mal zur Seite und wankte dann zum Bad. Mit Wucht fiel die Tür ins Schloss. Ich trat vor den Spiegel, und Dean hatte recht, zumindest mit der Sache mit dem Schlafmangel.
Ich schlief nicht, nur ein paar Stunden pro Nacht, wenn es hinkam. Essen konnte ich auch nicht - ich hatte einfach kein Hungergefühl. Doch anders als damals, als ich meine himmlische Seite noch aktiv genutzt hatte, schwächte das nicht meine Fähigkeiten, nein, es schwächte mich wie einen gewöhnlichen Menschen.
Die Trauer um Cas' Tod war noch nicht vollends verklungen, und diese Trauer hatte den Engel in mir zugrunde gerissen. Ich hatte meine himmlische Seite nirgends mehr angewandt, war nicht mehr darauf eingegangen, hatte sie ignoriert.
Und nun sah ich das hässliche Abbild meiner Selbst vor mir in dem Spiegel. Meine Wangen waren eingefallen, unter meinen Augen zeichneten sich dicke Augenringe. Ich hatte abgenommen und ich war schwach. Schwach und zerbrechlich.
Das war es also - das Ich, welches ich seit über einem Jahr versucht hatte, zu verschließen. Und nun war es wieder da, und ich wusste, tief im Innern, dass es niemals vollends verschwunden gewesen war.
1926 Wörter
Und Cat zerbricht daran ... Wie findet ihr es bisher? Ist ja noch nicht so spannend, aber ja ...
Ich hab das Lied am Anfang gewählt, weil es die ganze Sache 'nen bissl humoristisch untermalen sollte xD ja, ich weiß, dass das nicht witzig ist ...
Erinnert ihr euch an diese Szene? Bestimmt nicht xD aber trotzdem: Cas sagt, dass er ihre Gedanken manipulieren kann! Ich find das zu geil 😅 Wenn Dinge auf einmal zusammenpassen, ohne dass man es geplant hat.
Okay, genug Eigenlob 😅
Hättet ihr eigentlich irgendwelche Fragen an mich bezüglich Cats Vergangenheit etc?
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