11. Kapitel:
„Du siehst heiß aus!", lobte mich Clary, als ich mich fertig für die Halloweenparty gemacht hatte. Skeptisch betrachtete ich mich nochmal im Spiegel. Ich hatte mich für heute Abend sogar ausnahmsweise mal geschminkt. Allerdings war ich mir immer noch unsicher, ob ich so auch wirklich gehen konnte. „Glaubst du, ich kann wirklich so gehen? Ist das nicht etwas zu gewagt?", fragte ich Clary nervös. Sie winkte ab und richtete sich ihr türkises Feenkostüm, das sogar noch etwas freizügiger war als meins. „So ein Quatsch. Du siehst wirklich gut aus. Wie schon gesagt, brauchst du dich kein bisschen verstecken, ok?" Ich nickte und umarmte Clary. Ohne sie hätte ich das Kostüm bestimmt sofort wieder in die Ecke geworfen und mich darüber geärgert, wie blöd ich nur gewesen war so etwas gekauft zu haben.
River trafen wir diesmal direkt am Verbindungshaus und er hatte sich als Zorro verkleidet. Das Kostüm sah echt witzig an ihm aus, aber er fühlte sich damit wie ein Held. Ich zog die ganze Zeit an meinem Hexenkostüm herum, weil ich ständig das Gefühl hatte, dass es zu kurz war. Dabei war es von der Länge eigentlich schon ok. Das kam halt davon, wenn man nie so etwas trug. „Du siehst toll aus Sam", lobte mich nun auch River. Er wollte eindeutig helfen, dass ich mich entspannte. Clary nickte zustimmend. „Das sage ich auch schon die ganze Zeit." Ich lächelte die Beiden dankend an und dann gingen wir ins Haus. Es sah nicht viel anders aus, als ich das letzte Mal hier gewesen war, außer dass sie versucht hatten etwas für Halloween zu dekorieren. Die Leute trugen teilweise die seltsamsten Kostüme und ich fragte mich immer mehr, warum ich mich so verrückt gemacht hatte, ob mein Kostüm ok war. Ich sollte wirklich mal selbstbewusster an die Sache ran gehen. Ich konnte sein, wie ich wollte und ich konnte auch anziehen, was ich wollte. Ich war schließlich alt genug. River kam jonglierend mit drei Bechern wieder auf Clary und mich zu. Clary nahm ihm einen sofort ab und gab ihrem Freund dankend schnell einen Kuss. Danach hielt mir River ebenfalls einen Becher entgegen, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein danke, ich trinke nicht." „Deswegen ist es auch nur Wasser", entgegnete River und grinste schief. Ok, das war in Ordnung. „Achso, na dann danke", bedankte ich mich und nahm den Becher an.
Kaum hatten Clary und River ihre Becher geleert, zog Clary ihren Freund auch schon mit sich zum Tanzen. Lächelnd beobachtete ich die Beiden. Wie sehr wünschte ich mir, ich wäre hier nicht alleine. Es tat weh Clary und River so verliebt zu sehen, auch wenn ich mich für die Beiden freute. Ich wollte das auch wieder fühlen. Vielleicht hätte ich Logan fragen sollen, ober er nicht auch Lust gehabt hätte. Aber die Antwort hätte ich schon vorher gewusst. Partys waren nicht sein Ding. Mein Ding waren sie auch nicht, aber ich versuchte mich dem Studentenleben anzupassen, auch wenn ich wahrscheinlich meistens daran scheiterte. Ich trank von meinem Wasser und sah mich um. Bis jetzt hatte ich noch nichts von Nick gesehen. Ruby war allerdings natürlich da. Sie trug ein sexy Cheerleader Outfit und sprach mit zwei Mädchen, die sie eindeutig anhimmelten. Wenn sie Ruby als Vorbild sahen, dann hatten sie aber eine verdammte schlecht Wahl getroffen.
„Wow, und siehe da sie wurde ein Schwan", hörte ich plötzlich seine Stimme neben mir. Auch wenn ich ihn bis jetzt nicht gesehen hatte, hätte es mir doch eindeutig klar sein müssen, dass Nick auch nie eine Party versäumte. Ich drehte mich zu ihm und mustere ihn. Er trug die Klamotten, die er auch sonst immer trug, zusammen mit seiner schwarzen Lederjacke. „Dein Kostüm ist wirklich scharf. Ich wusste gar nicht, dass du so etwas besitzt", sagte Nick anerkennend und verschlang mich förmlich mit seinem Blick. Ich konnte es nicht ändern. Ich empfand eine gewisse Genugtuung durch Nicks Worte. Ich hatte ihn doch tatsächlich mal beeindruckt. Wieso interessierte es mich überhaupt, ob ich für Nick gut aussah? Er war immer noch ein unsensibler Arsch. Trotzdem wollte ich das Kompliment annehmen. Logan hatte mich noch nie scharf, sexy oder heiß genannt. Nicks Worte hingegen verliehen mir Selbstvertrauen. „Wow, mal keine Beleidigung, dankeschön. Was sollst du eigentlich darstellen? Ich kann dein Kostüm nicht wirklich erkennen", entgegnete ich. Nick zuckte mit den Schultern. „Ich stelle mich selbst dar", antwortete er monoton. Ich nickte und lachte leicht, woraufhin Nick ebenfalls mit einem leichten Lachen einstimmte. Er hatte wirklich ein schönes Lachen und bekam dabei auch ein kleines Grübchen in der rechten Backe, was echt süß aussah. Ich hätte nicht gedacht, das er so lachen konnte. „Das ist ein sehr interessantes Kostüm", sagte ich schließlich. Nick grinste schief. „Tja, nicht jedem steht die sexy Hexe", erwiderte Nick amüsiert. „Wie wahr", prostete ich ihm zu und nippte wieder an meinem Wasser. Sag mal, flirtete ich da gerade wirklich mit Nick? „Nein jetzt mal ernsthaft. Wie kommt es, dass du so ein Kostüm trägst? Dein Kleidungsstil ist doch sonst immer ganz anders", erkundigte sich Nick neugierig. Ganz erstaunt sah ich ihn an. Er achtete darauf, was ich anzog? Und war er gerade wirklich mal nett zu mir? Verarschte er mich gerade? „Ja das stimmt schon, aber ich dachte, ich probiere mal etwas Neues", antwortete ich ihm und er nickte. „Steht dir. Du solltest öfters so etwas tragen. Dein Körper ist viel zu schön, um ihn zu verstecken." Ganz baff sah ich ihn an. Wieso machte Nick mir ein Kompliment nach dem anderen? War er etwas betrunken? „Was?", entfuhr es Nick, als ich ihn immer noch irritiert anstarrte. Ich war es nicht gewöhnt, dass er auch eine nette Seite hatte. „Sag mal bist du betrunken, dass du so nett zu mir bist?" Nick lachte leicht und fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. Mir war inzwischen aufgefallen, dass das wie eine Angewohnheit von ihm wirkte. „Ich möchte nicht mehr so viel trinken und ich bin heute Abend vollkommen nüchtern. Fällt es dir so schwer zu glauben, dass ich durchaus auch nett sein kann?" Ich konnte ein kleines Kichern nicht unterdrücken. „Ja, das ist tatsächlich schwer zu glauben. Aber so gefällst du mir besser." Nicks verschmitztes Grinsen wurde noch breiter und er rückte näher an mich heran. Wir hielten Augenkontakt und wieder fielen mir seine wunderschönen blaugrünen Augen auf. „Ach ist das so", entgegnete er leise und kam langsam meinem Gesicht näher. Ich spürte schon seinen warmen Atem auf meinem Mund. Fast lagen seine Lippen auf meinen.
Moment, was tat ich hier? Dachte Nick wirklich, wenn er einmal nett zu mir war, dass ich ihm sofort verfiel? Oh nein, das würde ich nicht zulassen. Ich hatte Logan! Er war mein Freund nicht Nick! „Nein!", sagte ich zu Nick, doch überzeugend klang das nicht gerade. Insgeheim wollte ich sogar, dass er mich küsste. Ich wollte wissen, wie es war seine Lippen auf meinen zu spüren. Ich wollte ihm nahe sein und das er meinen Körper berührte. Doch solche Gedanken durfte ich nicht haben. „Wieso nicht Sam? Du willst es doch auch, also wehr dich nicht dagegen. Vergiss doch einmal deinen langweiligen Freund und gib dich dem hin, was du wirklich willst", flüsterte Nick verführerisch. Das hatte er also die ganze Zeit über nur versucht. Und ich Idiotin hatte doch tatsächlich gedacht, er wäre ohne Hintergedanken einfach mal nett zu mir gewesen. Wieso war ich nur so naiv? Ich ließ mich nicht wieder von ihm verarschen. Ich zog mich von ihm zurück und verpasste ihm eine ordentliche Ohrfeige. „Fuck! Was zum Teufel sollte das?", ging Nick mich nun ebenfalls wütend an und rieb sich kurz seine nur ganz leicht gerötete Wange. Alle starrten uns interessiert an, doch das war mir egal. Ich war so unendlich wütend auf Nick, weil er scheinbar immer nur mit mir spielen konnte. „Du hast nur auf nett getan, damit ich mich von dir einlullen lasse", warf ich ihm verletzt an den Kopf. „Sam, das", fing er an, doch ich unterbrach ihn. „Nein, spar es dir Nick. Ich bin es leid. Wenn du nicht normal mit mir umgehen kannst, dann lass mich bitte in Ruhe." Nicks blaugrüne Augen funkelten wütend. „Ich verstehe nicht, was du jetzt schon wieder hier für eine Show abziehst", motzte er mich an. Das brachte nun das Fass zum Überlaufen und aus dem Impuls raus, kippte ich ihm mein restliches Wasser ins Gesicht. „Geht es noch! Fuck!", beschwerte er sich und wischte sich das Wasser aus seinem Gesicht. Nick sollte froh sein, dass es nur Wasser war. „Du bist ein unsensibler Arsch Nick und das wirst du auch immer bleiben!" Und mit diesen Worten ließ ich ihn stehen und ging nach draußen, um mich etwas zu beruhigen. Hinter mir hörte ich noch Gelächter, das aber nach Nicks aufgebrachten Fluchen wieder verstummte.
Erst draußen an der frischen Luft registrierte ich, was gerade passiert war. Vielleicht hatte ich wirklich etwas überzogen gehandelt, aber seit ich Nick kannte, brachte er mich immer wieder zu solchen impulsiven Handlungen. Eine einzelne Träne rann mir über die Wange, doch ich wischte sie mir gleich wieder weg. Wieso versuchte ich es überhaupt immer wieder hier hinein zu passen? Ich passte einfach nicht hierher und das sollte ich endlich akzeptieren. Ich atmete tief die frische Abendluft ein. Vielleicht war es am besten, wenn ich nach Hause ging. Die Lust zu feiern, war mir gänzlich vergangen. Doch davor musste ich noch Clary und River Bescheid geben. So, wie ich Clary kannte, würde sie sowieso wieder bei River übernachten. Wie gerne wäre ich jetzt auch einfach bei Logan. Er würde mich trösten und wieder zum Lachen bringen. Aber leider war er nun mal nicht da. Entschieden nach Hause zu gehen, bahnte ich mir wieder meinen Weg nach drinnen, als sich mir dort Ruby demonstrativ in den Weg stellte. Was wollte sie jetzt auch noch? War heute der Macht-Sam-Fertig-Tag? Ich wusste, dass Ruby mich nicht ausstehen konnte. Daraus machte sie auch kein großes Geheimnis. Warum auch? Allerdings beruhte das auf Gegenseitigkeit. Ich hatte jetzt wirklich keinen Nerv für sie. Ich hatte gerade zum ersten Mal in meinem Leben einem Jungen oder überhaupt irgendwem eine Ohrfeige verpasst. Das musste ich erstmal sacken lassen.
„Kannst du mich bitte durchlassen Ruby?", bat ich sie ganz freundlich. Ich hatte keine Lust auf einen weiteren Streit. Doch sie dachte erst gar nicht daran mich einfach in Ruhe zu lassen und stemmte demonstrativ ihre Hände in die Hüfte. Wäre ja auch zu schön gewesen. „Was findet Nick nur an dir? Du bist so unendlich langweilig?", rätselte sie. Ich lachte auf. Als würde Nick tatsächlich etwas an mir finden. „Keine Ahnung, was du damit meinst. Du scheinst doch sowieso deinen Spaß mit Nick zu haben." Ruby funkelte mich an. Was hatte ich ihr denn bitte getan? Das fragte ich mich schon seit unserer ersten Begegnung auf der Lagerfeuerparty. „Machst du dich an Nick ran, weil es dir dein Freund nicht richtig besorgen kann?" Ich riss die Augen auf. Wieso wollte Ruby unbedingt einen Streit provozieren? Brauchte sie so sehr dies Aufmerksamkeit? „Ich mache mich kein bisschen an Nick ran. Was kann ich bitte dafür, wenn er dich verschmäht?! Er kommt immer zu mir, nicht umgekehrt." Das hatte gesessen und Ruby wirkte kurz so, als würde sie nach den richtigen Worten suchen. Ruby kniff die Augen zusammen und musterte mich eingehend. Ein selbstgefälliges Grinsen trat auf ihr Gesicht. „Du bist noch Jungfrau, stimmts?", sagte sie gerade aus. Ich spürte, wie ich leicht rot anlief. Woher sollte sie das wissen? „Was?", entgegnete ich ganz verdattert. Ruby lachte zufrieden. „Wusste ich es doch, dass du noch Jungfrau bist und deswegen stehst du auch so auf Nick", sagte Ruby nun triumphierend mit erhobener Stimme. Einigen Leuten um uns herum ging es am Arsch vorbei, was hier abging, doch manche, darunter auch Nick wurden hellhörig. Das war mir so unendlich peinlich. Ich wollte nur noch hier weg und das so schnell wie möglich.
„Na, wenn das so ist. Das Jungfrauenproblem können wir ganz schnell lösen, Baby", sagte irgendein betrunkener Typ zu mir und kam auf mich zu. Angewidert wich ich einen Schritt zurück, doch das brachte mir nicht viel, da sich die Wand hinter mir befand. „Lass sie in Ruhe!", hörte ich plötzlich Nicks Stimme rufen und der widerliche Typ drehte sich genervt zu ihm um. „Was willst du Alter? Das ist mein Mädchen. Such dir eine Andere!", gluckste er Nick verärgert an. Ich konnte förmlich sehen, wie bei Nick die Sicherungen durchbrannten. „Sie hat NEIN gesagt, also verpiss dich gefälligst!", warnte Nick ihn ein letztes Mal. Wieso verteidigte mich Nick plötzlich? Eigentlich könnte es ihm doch vollkommen egal sein. Der Typ lachte auf und daraufhin schlug Nick mit seiner Faust zu und das mitten in sein Gesicht. Erschrocken hielt ich mir die Hand vor dem Mund. Ich hatte nie gewollt, dass es wegen mir zu einer Prügelei kam. Ich sah mit an, wie auch Nick einige Schläge kassierte, aber es war eindeutig zu sehen, dass er trotz allem die Oberhand hatte. Auf einmal spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und sah Clary und River. „Komm, wir gehen", sagte Clary und zog mich sanft mit sich. Im Augenwinkel konnte ich noch sehen, wie Nick und der andere Typ auseinandergezogen worden. Das war alles nur meine Schuld gewesen.
Erst vor dem Verbindungshaus konnte ich wieder normal atmen. Mir war gar nicht aufgefallen, wie stickig es in dem Haus gewesen war. Ein kalter Windzug umhüllte mich und ich schlang fröstelnd die Arme um meinen Körper. Es war inzwischen ganz schön frisch geworden. „Soll ich euch noch bis zum Wohnheim begleiten?", bot River an und riss mich endlich aus meinen Gedanken. Jetzt hatte ich River und Clary auch noch den Abend verdorben. Echt super gemacht Sam! Ich hätte einfach zu Hause bleiben sollen. Das hier war nicht meine Welt. Ich hatte nicht vor auf eine weitere Party zu gehen. Clary schüttelte den Kopf. „Sam und ich schaffen das schon", versicherte ihm Clary. River nickte und umarmte jede von uns, bevor Clary und ich uns auf den Weg machten. Ich hatte kein Wort mehr gesagt und war schon wieder in meine Gedanken versunken. Erst als wir im Wohnheim waren, entschuldigte ich mich bei Clary, dass ich ihr und River die Party und den Abend verdorben hatte. Sie winkte ab und zog mich in eine feste Umarmung. Sie und River hatten genauso, wie die Anderen das ganze Drama mitbekommen. Wahrscheinlich wusste jetzt dank Ruby bald jeder, dass ich noch Jungfrau war und noch schlimmer Nick wusste es. Aber ich war froh, dass Clary für mich da war und mich tröstete.
_____________________________
Die Halloweenparty war ja ganz schön turbulent gewesen 😉 Fast kam es zwischen Nick und Sam zu einem Kuss 😘 Warum glaubt ihr, hat er sich für Sam eingesetzt? 🤔
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro