• Z A C H A R Y •
"Ich kann es irgendwie noch nicht ganz realisieren, dass wir tatsächlich fahren", murmle ich. Es gilt aber eher mir als Jonah, der grinsend neben mir sitzt und über die Autobahn fährt.
Vor etwa drei Stunden hat er mich von Zuhause abgeholt. Meine Eltern haben uns nicht nochmal davon abhalten wollen, sondern uns lediglich ein schönes Wochenende gewünscht.
Was auch immer Dr. Hall ihnen über meine Gesundheit gesagt hat, sie haben es sich nicht anmerken lassen.
"Hast du Hunger?", erkundige ich mich bei meinem Freund und drehe mich nach hinten, um nach dem Lunchpaket zu greifen, das Papa uns für die Fahrt gemacht hat.
"Solange dort nichts ist, was mich vergiften könnte."
"Jonah, denk doch mal nach", sage ich schmunzelnd und wühle in der Papiertüte. "Ben weiß, dass ich ebenfalls was davon esse. Das Risiko würde er nicht eingehen."
"Beruhigend", entgegnet er lachend und nimmt mir ein Sandwich ab, in das er dann herzhaft beißt.
"Wie lange fahren wir in etwa noch?"
Er nimmt sich die Zeit zu kauen, und schluckt dann herunter, bevor er mir antwortet: "Kommt ganz auf den Verkehr an. Wenn sich nirgends ein Stau bildet, dann sollten wir in etwa einer halben Stunde da sein."
Ich lehne meinen Kopf gegen das Fensterglas und genieße die Fahrt. Während es andere langweilig finden, lange zu fahren, und sich deshalb alles Mögliche an Beschäftigung mitnehmen, entspannt es mich.
Mein Handy erklingt leise. Ich sollte es über das Wochenende stumm schalten, so kann uns keiner stören.
Kopfschüttelnd lese ich die Nachricht, die Henry in unsere Gruppe geschrieben hat.
Henry [20:17 Uhr]: Wie sollen wir deinen Trip eigentlich nennen?
Henry [20:17 Uhr]: Ein Wandertag? Oder ein Studienausflug?
Henry [20:18 Uhr]: Nachhilfe mal anders? 😏
Ein Schmunzeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich zurückschreibe.
Zachary [20:19 Uhr]: Nenn es wie du willst. Damit kannst du mich nicht provozieren 😜
Landon [20:20 Uhr]: Es ist so krass, dass du tatsächlich mit unserem Lehrer wegfährst...
Henry [20:20 Uhr]: Zach sieht darin ein Wochenende mit sexy times 😏
Landon [20:21 Uhr]: Du bist echt krank
"Was gibt's?", fragt Jonah, der meine Belustigung bemerkt.
"Henry ist ein Idiot", murmle ich und lege das Smartphone beiseite. Mein Blick fällt auf Jonah, der sich weiterhin aufs Fahren konzentriert. "Habe ich eigentlich schon gesagt, wie glücklich ich bin?"
Er lächelt. "Ich kann mich nicht erinnern."
Ich beuge mich zu ihm herüber und küsse ihn auf die Wange. "Du machst mich wahnsinnig glücklich, Jonah."
*
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein. Jonah hatte mich geweckt, als wir vor einem kleinen Häuschen geparkt haben. Da schon die Sonne untergegangen war, konnten wir kaum etwas von der Umgebung erkennen. Doch dafür wollen wir morgen einen Spaziergang machen.
"Möchtest du wirklich den Kamin benutzen?", fragt mein Freund amüsiert, als ich Brennholz in den besagten Kamin stable. "Ist es dafür nicht ein wenig warm?"
"Darf ich es uns denn nicht gemütlich machen? Außerdem ist es so entspannend, das Knistern des Feuers zu hören. Vertrau mir."
Ich spüre ihn hinter mir. Dann legt er seine Arme um mich. "Lass mich das machen."
"Traust du mir nicht zu, ein Kaminfeuer zu machen?", entgegne ich schmunzelnd und lehne mich nach hinten. "Dafür musst du mich dann nachher so halten."
"Nichts lieber als das", er haucht mir einen Kuss auf die Wange. "Du kannst es dir gern auch schon auf der Couch bequem machen."
Seufzend richte ich mich auf und lasse ihn vor dem Kamin sitzen. Er macht sich sofort daran, das Feuer zu entfachen.
Ich gehe in die Küche und hole aus dem Ofen den Auflauf, den Papa vorgekocht hatte. Wir hätten uns ja auch etwas bestellt, aber er wollte uns rund um versorgt wissen.
Beschweren werde ich mich nicht. Er kocht bombastisch.
"Wo ist der Wein?", rufe ich ins Wohnzimmer und schaue mich um. Er ist bestimmt nicht im Kühlschrank, aber er steht auch nirgends.
"Ich habe ihn nach draußen gestellt."
"Nach draußen?"
"Warum denn nicht? Denkst du, der lockt wilde Tiere an?"
Obwohl er es nicht sehen kann, strecke ich ihm die Zunge heraus.
"Oder vielleicht doch eher Rotkäppchen?" Ohne ihn sehen zu müssen, weiß ich, dass er auf diesen Witz hin vor sich hin grinst.
"Du bist absolut nicht witzig, Idiot."
"Also ich fand den gut", höre ich ihn sagen, und suche in den Schränken nach Gläsern. Teller sind schnell gefunden, allerdings bleibt es erfolgslos bei den Weingläsern.
"Jonah, wo würdest du Gläser verstauen, wenn du eine alte Berghütte besitzen würdest?", rufe ich verwirrt und kratze mir an den Hinterkopf. "Ich finde die nicht. Haben wir hier überhaupt welche?"
"Komm schon, die gehören zur Grundausstattung", meint er, als er in die Küche kommt. Seine Augen weiten sich, als er den Auflauf sieht, den Benjamin gezaubert hat. "Wow, der sieht wahnsinnig gut aus!"
"Der schmeckt auch sehr gut. Noch besser mit Wein, den ich aber ungern aus normalen Gläsern oder, noch schlimmer, Tassen trinken will", brumme ich zuletzt und gehe an ihm vorbei, um wenigstens schon mal die Weinflasche zu holen. Jonah folgt mir, scheint dann aber im Wohnzimmer suchen zu wollen.
Als ich die Tür aufschließe, empfängt mich die angenehm kühle Abendluft. Vielleicht kann ich ihn nachher nochmal überreden, einen kleinen Spaziergang zu machen, denn es ist wirklich schön hier draußen. Ich werde von dem Summen der Grillen umgeben, welches einmal vom Heulen einer Eule unterbrochen wird.
"Ich hab sie!"
Ich schnappe mir die Weinflasche und verriegle wieder die Tür. Jonah hält mit einem stolzen Grinsen zwei Gläser in die Höhe. Hinter ihm ist das Kaminfeuer bereits entzündet. Es knistert beruhigend vor sich hin und wartet nur darauf, uns einen entspannten Abend zu bescheren.
"Öffnest du ihn schon mal? Dann richte ich das Abendessen an", bitte ich ihn und gebe ihm die Flasche. Mit diesen Worten verschwinde ich zurück in die Küche und gebe jeweils ungefähr dieselbe Menge vom Auflauf auf die Teller. Wir haben uns sogar einen Fertigsalat gekauft, aber den rühre ich hierfür nicht an. Er würde wahrscheinlich alles ein wenig unappetitlicher machen.
Zurück im Wohnzimmer stelle ich die Teller auf dem kleinen Beistelltisch ab und breite eine der Decken, die auf dem Sofa liegen, auf dem Boden aus. Jonah beobachtet mich bei meinem Tun neugierig. Um es gemütlicher zu machen, verteile ich auch alle Kissen irgendwie aus, um damit ein schönes Plätzchen für uns zu schaffen.
Als ich mich schließlich hinsetze, reicht er mir leise lachend ein Glas Wein. "Deshalb also das Feuer. Woher hätte ich denn auch wissen sollen, dass du den Boden bevorzugst."
"Ich finde es schön so."
"Ich sage gar nichts dagegen!", sagt er amüsiert und macht es sich neben mir bequem. Ich lehne mich zum Tisch vor, um unser Abendessen zu nehmen, und halte ihm einen Teller hin. Wir stoßen einander mit dem Wein an. "Auf uns." "Auf ein wunderschönes Wochenende."
Ich lasse ihn nicht aus den Augen, als er am Wein nippt. Tatsächlich trinkt er, ohne sich zu beschweren, den alkoholfreien Wein mit. Er nimmt so viel Rücksicht auf mich, dass ich mit jedem weiteren Moment mit ihm mehr für ihn empfinde.
Und das kommt mir ernsthaft in den Sinn, wenn ich ihn diesen blöden Rotwein trinken sehe.
Jonah lässt es zu, dass ich mich an ihn schmiege. Und obwohl es einiges erschwert, legt er seinen Arm um mich, nachdem er sein Glas beiseitegestellt hat. Zufrieden seufze ich und mache mich daran zu essen. Er tut es mir nach. Für einen langen Moment sitzen wir einfach beieinander, schweigend, und betrachten das Kaminfeuer.
So habe ich es mir vorgestellt. Dass wir beide die Zweisamkeit genießen können, ohne uns Gedanken machen zu müssen, ob jemand aus der Schule uns sehen könnte. Oder dass wir schief angeguckt werden, was zumindest mir eigentlich auch egal gewesen wäre. Hier sind aber auch keine Eltern oder Geschwister, die auf einmal die romantische Stimmung kaputt machen könnten.
Es gibt nur uns. Und das tut wahnsinnig gut.
"Jetzt, da wir hier sind, bin ich doch froh, hergefahren zu sein. Es ist schön, mit dir zusammen zu sein", spricht er meine Gedanken aus und ich spüre im nächsten Moment, wie er mich enger an sich drückt, was mir wiederum ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
"Mir geht es genauso, Jonah. Es fühlt sich einfach so gut an, bei dir zu sein."
Er betrachtet mich für einen Augenblick, bis er sich zu mir herüberbeugt und mich küsst. Es ruft das übliche Kribbeln hervor, was ich niemals missen möchte.
Wenn man sich vorstellt, dass sowas wie eine ernsthafte Beziehung oder gar Gefühle für jemanden vor einigen Monaten für mich noch undenkbar waren, kann man kaum fassen, dass ich mich jetzt in so einen Moment wiederfinde.
Selbst wenn nicht alles perfekt erscheint, könnte ich nicht glücklicher gerade sein.
Liebe muss nicht perfekt sein, sie muss nur echt sein. Bei Jonah fühlt sich auf einmal alles so einfach an. Es fiel mir plötzlich leichter, Gefühle zu haben. Durch ihn habe ich gelernt, sie zuzulassen. Wenn es auch ein etwas holpriger Weg bis hierhin war, bin ich doch froh, gekämpft zu haben.
Bei ihm habe ich nicht viel nachgedacht, sondern einfach gefühlt.
Bevor wir den Kuss vertiefen, lösen wir uns voneinander. Ich schmelze regelrecht dahin, als er mich schüchtern anlächelt. "Hör auf, mich so anzuschauen."
"Wie denn?"
"So eben."
"Zach..."
"Gott verdammt, ich bin so verliebt in dich", murmle ich und schnappe dann erschrocken nach Luft.
Habe ich das gerade wirklich laut gesagt?
Seinem überraschten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, habe ich es tatsächlich.
"Ähm..."
Seine Wangen erröten auf einmal, und er wendet den Blick ab. "Das kannst du doch nicht so sagen, Zach", meint er und wirkt plötzlich sehr schüchtern. "Damit machst du mich doch total verlegen."
"Das kam...jetzt einfach so über meine Lippen", ich knabbere an meiner Unterlippe herum. "Ähm, ich wollte dich jetzt auch nicht in Verlegenheit bringen."
Es ist ja nicht so, als hätte ich diese Worte zum ersten Mal zu ihm gesagt. Aber es kam doch unerwartet.
"Nein, also...ich finde es schön, wenn wir darüber reden."
"Wirklich?"
Er nickt. "Es ist für uns beide relativ neu. Aber ich fühle mich unglaublich wohl bei dir, dass mir plötzlich so vieles über meine Gefühlswelt bewusst wird..."
"Geht mir genauso", pflichte ich ihm bei und stochere im Essen herum. Ich schiebe mir die gefüllte Gabel in den Mund und kaue. Es schmeckt himmlisch. "Es ist nicht einfach, aber ich entdecke nun doch eine neue Seite an mir, seit ich dich kennengelernt habe, Jonah."
Mein Freund sieht mir in die Augen, als er fragt, wie diese wohl aussieht.
Und nun bin ich derjenige mit den geröteten Wangen. "Naja, also...Ich bin nicht perfekt. Ich meckere viel rum, bin stur, eifersüchtig, denke manchmal viel zu viel nach, aber was mich wohl am meisten ausmacht, ist, dass ich dich mehr liebe als jede andere Person auf der Welt", sage ich leise und möchte im nächsten Moment im Erdboden versinken.
Ich fühle mich jetzt so nackt, nachdem ich diese Worte von mir gegeben habe. So würde ich mit niemand anderes reden. Es fiel mir immer schwer, darüber zu sprechen, wie und was ich fühle.
Ob es um mein Herz ging, oder um jemanden, den ich vielleicht hätte mögen können. Jonah war der erste, der mir so unter die Haut ging, dass ich meine Prinzipien über Bord geworfen und tatsächlich jemanden an mich herangelassen habe.
Seine Augen werden glasig. Als er seine Stirn gegen meine lehnt, schließen wir beiden unsere Augen und atmen tief durch. Das Abendessen ist vergessen, es existiert nur noch so nebenbei auf einem Teller, der wiederrum auf meinem Schoß liegt.
"Perfekt ist langweilig, weißt du? Möchtest du wissen, was ich will?", haucht er und ich schaffe es gerade noch zu nicken. Das Besteck in unseren Händen lassen wir geräuschvoll auf unseren Tellern fallen, um unsere Finger ineinander zu verschränken. Sein Daumen streicht über meinen Handrücken, als er beginnt zu sprechen:
"Zach, hör mir genau zu, okay? Ich will kein Drama, aber ich will, dass es echt ist. Ich will mich streiten, um mich danach zu entschuldigen. Du sollst dann in meinem Arm liegen, lachend darüber, wie dumm es war, was wir gesagt und nie so gemeint haben. Ich will die Höhen und Tiefen. Ich will dich mit deinen Ecken und Kanten. Mit deinen Fehlern. Mit deinen Wutausbrüchen, deiner komplizierten Weise zu denken, die mich manchmal fast in den Wahnsinn treibt..."
"Ey!", bringe ich hervor, wovon er sich aber nicht beirren lässt.
"Ich will, dass wir auf einer Ebene sind. Gleich wichtig und gleich wertvoll. Dass wir lachen und weinen können. Voreinander, zusammen."
Der Druck um meine Hände wird stärker, als würde Jonah mit der Befürchtung kämpfen, dass ich jeden Moment verschwinden könnte. "Ich will nicht, dass alles immer gut ist. Ich will wissen, wenn dich etwas stört. Ich will, dass wir reden. Einander guttun und uns gegenseitig zu einem besseren Menschen machen. Ich will dich ganz und vollkommen. In all deinen Phasen und auf allen Ebenen. Traurig, glücklich, verrückt und wütend. Ich will dich auf jede erdenkliche Weise. Ich will, dass du mir von deinem Kummer berichtest und ich will, dass du mir sagst, wie glücklich dich einige Dinge machen. Ich will alles von dir wissen. Ich will, dass es nicht perfekt ist. Ich will, dass das, was wir haben, all dem standhält und, dass uns das nur noch enger zusammenbringt. Ich will dich. Verstanden?"
Meine Augen haben sich mittlerweile mit Tränen gefüllt, die nun über meine Wangen kullern. Er befreit eine meiner Hände, um mit dem Finger die Tränen aufzufangen.
"Das war schon verdammt kitschig", murmle ich und versuche, nicht laut zu schluchzen. Dass mich seine Worte auch so ergreifen, dass ich anfange zu weinen, ist echt unglaublich.
"Aber?"
"Es war auch wunderschön, Jonah. Danke."
Wir küssen uns noch einmal und geben uns damit ein Versprechen.
Das Versprechen, einander zu haben und den anderen so zu lieben, wie man es niemals nochmal könnte.
Jonah Campbell ist meine erste Liebe. Und er wird auch meine einzige große Liebe sein.
Das nenne ich mal einen gelungenen Abend. Und was für Liebeserklärungen! Darauf komme ich wirklich nicht ganz klar... 🤧
Sie können einmal vergessen und nur sie selbst sein 💕
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