Kapitel 46
• J O N A H •
Erleichtert atme ich auf, als meine Kollegin zur Pause ausruft.
Als ich meine Wasserflasche nehmen will, rutscht meine Tasche vom Stuhl und landet rumpelnd auf dem Boden. Alle drehen sich zu mir um. Ich höre ein tiefes Lachen und knirsche wütend mit den Zähnen.
Fick dich, Zach. Ich werde dich bestimmt nicht anschauen.
Auch wenn er am anderen Ende des Raumes ist, geht mir seine Stimme durch Mark und Bein.
Ich hebe die Tasche auf und lege sie zurück auf den Stuhl. Es kichert wieder, und ich schwöre mir insgeheim tausendfach, dass ich ihn mit bloßen Händen erwürgen werde, wenn er mich weiterhin provoziert.
Ich brauche dringend eine Zigarette!
Kurz schiele ich zu Eva rüber, die ein schickes Halstuch trägt und dabei ist, mit ausladenden Gesten die nächste Szene zu beschreiben. Es ist alles ihre Schuld. Sie war es, die Zachary in diese AG schleppte und ihm dann auch noch die Hauptrolle geben musste.
Und nun kann dieser Kindskopf da hinten in der Ecke nicht aufhören, über mich zu lachen. Mit Sicherheit werde ich gleich Amok laufen und den Kerl eigenhändig umbringen, wofür ich dann den Rest meines Lebens eingebuchtet werde.
Warum ich gerade nicht so gut auf ihn zu sprechen bin? Weil er mir allen Ernstes vorhin Vorwürfe gemacht hat, weil er der Meinung war, dass irgendwelche Zehntklässlerinnen sich an mich rangeschmissen haben.
Ich soll nicht zu jedem so nett sein. Er spinnt ja wohl.
Dass wir ernsthaft über so etwas Bescheuertes streiten würden, hätte ich nicht gedacht, aber tatsächlich kann ich seinen Anblick gerade nicht ertragen. So kommt die heutige Probe echt ungünstig, denn jetzt würde ich lieber zuhause sein und Zach einfach ignorieren, bis er zur Besinnung kommt und merkt, wie kindisch er sich aufgeführt hat.
Der Abend, den er bei mir letzte Woche verbracht hatte, war wunderschön. Und ich habe mich wohl gefühlt, neben ihm einzuschlafen. Seine Arme um mich zu spüren. Seinen Herzschlag zu hören. Es hat mich beruhigt und einfach glücklich gemacht.
Doch die nächsten Tage hat er mich dann teilweise wirklich zur Weißglut gebracht. Ich weiß nicht, was mit ihm los war, aber er litt wohl ziemlich unter Stimmungsschwankungen, die er ausgerechnet an mir auslassen musste.
Glücklicherweise hört das alberne Kichern endlich auf, aber ich kann seinen Blick weiterhin im Nacken spüren. Ich versuche, ihn zu ignorieren und wühle weiter in meiner Tasche. Zigaretten habe ich schnell gefunden, aber mein Feuerzeug ist weg. Ich muss diesen Saustall von einer Tasche wirklich mal aufräumen.
Seufzend stehe ich auf und gehe auf meine Kollegin zu, die ratlos auf die Bühne starrt. "Eva, hast du ein Feuerzeug für mich?" Überrascht wendet sie sich mir zu. "Ich dachte, du rauchst nicht?" "Der Stress", gebe ich zurück. "In meiner Tasche. Beeile dich aber, ich brauche dich hier." Ich nicke und bin heilfroh, dieser Hölle für einen kurzen Moment entfliehen zu können.
In der Ecke bemerke ich eine dunkle Silhouette, die an der Wand lehnt. Ausgerechnet neben ihr steht Evas Tasche auf einem Klapptisch. Energisch straffe ich die Schultern und stolziere auf diese zu. Ihn ignorierend suche ich in der Tasche nach dem Feuerzeug.
"Was tust du?" Seine Stimme löst in mir Gefühle aus, die ich durchaus zu unterdrücken versuchen sollte. "Jonah."
Ohne auf ihn zu achten, gehe ich. Sein Blick folgt mir zum Hinterausgang. Die Treppen sind steil und dunkel und führen hoch zu der kleinen Gasse hinter der Schule. Noch bevor die Tür hinter mir zugefallen ist, habe ich eine angezündete Kippe zwischen den Lippen. Ich lehne mich an die Backsteinmauer, nehme einen tiefen Zug und betrachte den blauen Himmel. Das Nikotin beruhigt meine Nerven leider nicht so, wie es sollte.
Also drücke ich die Zigarette wieder aus und will wieder hinuntergehen, doch in dem Moment geht die Tür auf und die Ursache meiner Unruhe tritt hinaus.
Seine Augen wirken leuchtender als sonst. Hellblau, hypnotisierend und eingerahmt von dunklen, dichten Wimpern. Ein intensiver, stechender Blick. Dichte, dunkle Augenbrauen. Ausgeprägte Kinnpartie. Volle Lippen, die im Gesamtbild seines Gesichts aber sehr männlich wirken.
Ich hasse es, dass er so extrem gut aussieht.
Die dunklen Haare trägt er kürzer als sonst, was ihn reifer wirken lässt. War er beim Friseur?
"Du hast geraucht." Er klingt vorwurfsvoll, beinahe wütend. "Das hat dich nicht zu interessieren", antworte ich knapp und mache Anstalten, an ihm vorbeizugehen, als er mich nach hinten drängt. Ich finde mich an die Wand gepresst wieder. "Merke dir eines, Jonah. Alles, was mit dir zu tun hat, geht mich etwas an. Und ich hasse Raucher."
Mein Körper spannt sich an, als er meine Taschen nach meiner Zigarettenpackung absucht. "Lass das! Zachary, ich meine es ern..."
Ich halte seinen Blick stand, als er sie in der Hand hält und schließlich auf den Boden wirft. Doch nicht genug, er tritt drauf, bis nur noch Reste bestehen. "Bist du jetzt zufrieden?"
"Du ignorierst mich."
"Das kommt dir nur so vor. Aber ich muss mich nun mal auch auf andere Schüler konzentrieren. Keine Sorge, das hat nichts damit zu tun, dass ich mir ein neues Opfer suchen möchte, das sich in mich verlieben soll."
Zach macht einen Schritt auf mich zu und ich hasse es, wie er mich anschaut. "Wir wissen beide, dass ich kein gewöhnlicher Schüler für dich bin."
"Stimmt, noch dazu bist du ein eingebildetes Arschloch, das gerne Grenzen überschreitet!", zische ich, was ihn zum Schmunzeln bringt. "Das ist nicht lustig, Zachary."
"Wenn ich mich für heute Mittag entschuldige, können wir dann wieder normal miteinander umgehen?"
"Keine Ahnung, können wir das? Hör mal, ich bin für dich da, wenn es dir schlecht gehen sollte, aber deshalb bin ich kein Fußabtreter."
"Es tut mir leid, Jonah", sagt er und legt seine Arme um mich.
"Es geht doch nicht nur um deine Eifersuchtsszene heute. Du warst die ganze letzte Woche so komisch drauf gewesen", mache ich ihn darauf aufmerksam. "Warum redest du nicht mit mir?"
"Ich...kann nichts anderes tun, als mich für mein Verhalten zu entschuldigen, okay? Die Sitzungen bei Dr. Huxley haben mir einige Kopfschmerzen bereitet, ich wollte dich damit nicht nerven."
Wenn er wüsste, dass ich den Rat seiner Eltern befolgt habe und den Therapeuten ebenfalls aufgesucht habe. Letzten Mittwoch saß ich für zweieinhalb Stunden in seinem Büro und wir haben über einige meiner Sorgen und Gedanken gesprochen. Es fühlte sich befreiend an, gleichzeitig war ich doch ein wenig erschüttert darüber, was mir so alles auf der Seele brannte.
"Du nervst mich nicht, kapiert? Du bist mir wichtig, Zach. Ich möchte über alles Bescheid wissen, das dich betrifft."
"Okay", er deutet mit einer Kopfbewegung auf den Boden, wo meine zerquetschte Zigarettenschachtel liegt, "ich kann Raucher wirklich nicht leiden. Es ist schädlich und außerdem riechst du dann nicht mehr so gut, wie ich es mag", meint er und schmiegt sich an mich.
Ehe ich es mir verkneifen kann, schmunzle ich. Sein Atem kitzelt meines Hals. "Ich kann dich manchmal echt nicht leiden", entgegne ich und hauche ihm einen Kuss aufs Haar.
Als mir aber wieder bewusstwird, wo wir uns befinden, drücke ich ihn widerwillig von mir. "Wir sollten zurückgehen. Die Pause ist sicherlich gleich vorbei."
Doch er hält mich auf, bevor ich an ihm vorbeigehen kann. Fragend schaue ich ihm in die Augen. "Hast du es dir überlegt? Der Trip in die Berge?"
Da war ja noch was.
Ich konnte mich die letzte Woche um eine Antwort drücken. Jetzt aber muss ich ihm wohl eine Entscheidung geben.
"Wenn ich zustimmen sollte..." Seine Augen leuchten bei meinen Augen sofort auf. "Dann sollten wir trotzdem mit deinen Eltern darüber reden." Sein Mund verzieht sich zu einem Schmollmund. Er scheint weniger begeistert davon zu sein. "Zach, das ist meine Bedingung. Ich möchte ihr Einverständnis dafür haben."
Er möchte etwas sagen, doch ich komme ihm zuvor. "Wenn du schon wieder sagen willst, dass ich wie ein Lehrer klinge, lass ich dich hier stehen und sperre dich aus", drohe ich ihm, was ihn offensichtlich amüsiert.
"Wir fahren also zusammen weg, wenn sie es in Ordnung finden?"
"Vielleicht können wir zusammen mit ihnen reden. Ich hoffe bloß, sie reißen mir nicht den Kopf ab."
"Es war doch meine Idee."
"Ja, aber ich rede es dir nicht aus", entgegne ich und schiebe ihn Richtung Tür. "Versprich mir, damit zu warten, bis wir es ihnen gemeinsam vorschlagen."
Zach verdreht die Augen, was mich dazu verführt, ihn einen Klaps gegen den Arm zu geben. Beleidigt schnappt er nach Luft. "Hast du mich etwa gerade geschlagen?"
"Das musst du dir eingebildet haben", erwidere ich grinsend und gehe die Treppen nach unten, um zurück in den Proberaum zu gelangen. Der Teenager folgt mir und hält meine Hand, soweit wir außer Sichtweite sind.
Sie streiten also über sowas 😯 Wer hätte geglaubt, dass Zach ein eifersüchtiger Typ ist? 😂
Nun ja, manchmal ziehen auch mal dunkle Wolken über die schönsten Beziehungen...
Wie werden wohl Elijah und Ben reagieren, wenn sie von den Plänen ihres Sohnes erfahren? 🤔
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro