• Z A C H A R Y •
Vor der Schule warte ich auf die Jungs, während andere Schüler das Gebäude verlassen und über den Schulhof laufen.
Ich hatte schon vor einer Stunde Schluss gehabt, wir wollten allerdings etwas zusammen unternehmen, dass ich mich wartend in die Bibliothek gesetzt habe.
Jonah konnte mir leider keine Gesellschaft leisten, da er selbst noch Unterricht hatte.
Als ich an den jungen Lehrer denke, schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. Wahrscheinlich sollte ich darüber enttäuscht sein, dass er mir nicht vertraut und die Sache mit seiner durchgeknallten Mutter für sich behalten hat. Aber ich kann einfach nicht anders, als glücklich zu sein, dass zwischen uns beiden nun alles gut ist.
Auch wenn ich immer noch nicht ganz fassen kann, dass meine Väter ihn hinter meinen Rücken aufgesucht haben. Von ihrer Seite aus können wir zum Glück aber auch mit Unterstützung rechnen. Ich bin wahnsinnig froh darüber.
Nur der Gedanke, dass Jonah ernsthaft darüber nachdenkt, die Schule zu wechseln, bereitet mir Bauchschmerzen. Natürlich wäre es vernünftiger, es würde vieles vereinfachen. Aber ihn nicht mehr so oft um mich herum zu haben? Ein schrecklicher Gedanke.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als mein Telefon klingelt. Es ist die Praxis von Dr. Hall. Augenblicklich werde ich von der Aufregung gepackt.
Dass mich in letzter Zeit immer wieder ein ungutes Gefühl beschleicht, wollte ich nochmal mit dem Herzspezialisten reden.
Ich nehme den Anruf an und gehe ein paar Schritte zur Seite, um ungestört telefonieren zu können. Die schrille Stimme der Sprechstundenhilfe lässt mich zusammenfahren. "Herzzentrum Westfay, Praxis von Dr. Hall. Schwester Allison am Apparat. Sie haben um einen Rückruf gebeten."
"Zachary Walsh. Ich wollte fragen, ob demnächst ein Termin bei Dr. Hall frei wäre. Es wäre dringend."
"Mr. Walsh, einen Moment bitte." Sie scheint auf den Tastaturen am Computer herum zu tippen. Ich warte geduldig, bis sie wieder am Telefon ist. "In einer Woche..."
"Ginge es nicht ein wenig früher? Entschuldigen Sie, aber es ist mir wirklich wichtig, den Arzt zu sprechen", bitte ich sie, werde im nächsten Moment aber enttäuscht. "Mr. Walsh, Sie müssen verstehen, dass er auch andere Patie..."
Im Hintergrund höre ich eine männliche Stimme, die mir durchaus bekannt ist. Die Frau scheint mit ihm zu sprechen, ich kann nichts anderes tun, als nochmals zu warten.
Als allerdings nicht wie erwartet Schwester Allison, sondern der Arzt höchstpersönlich am Apparat ist, atme ich erleichtert auf. "Mr. Walsh? Dr. Hall hier. Wie geht es Zachary? Hat er noch immer Probleme mit seinem Herzen?"
"Ja, habe ich", antworte ich wahrheitsgemäß und beiße mir sogleich auf die Lippe, als ich ihn überrascht nach Luft schnappen höre.
"Zach! Mit dir habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Was ist denn los?"
"Sagen Sie es mir bitte! Ich habe Angst, Dr. Hall. Irgendwas stimmt nicht. Seit heute morgen habe ich eine Art Engegefühl und ein schon schmerzhaftes Ziehen im Brustbereich."
"Nimmst du deine Medikamente ordnungsgemäß? Machst Sport, wie ich es dir gesagt habe?" Ich nicke, obwohl er es nicht sehen kann, und bestätige es ihm nochmals mit Worten. Er seufzt. "Nun, wir wollten deine Besuche sowieso regelmäßiger in kürzeren Abständen halten." Ich höre ihn in irgendwelchen Unterlagen blättern, dann redet er kurz mit seiner Arzthelferin. "Zach, ich könnte dich übermorgen noch rein quetschen. Gegen 17 Uhr. Denkst du, deinen Eltern würde es passen?"
"Dr. Hall, mir wäre es lieber, wenn sie nichts davon erfahren. Sie sollen sich nicht unnötig Sorgen machen."
"Und wenn es ernst ist? Zach, ich kann es nicht genau einschätzen, bis ich Werte habe, aber sonderlich wohl fühle ich mich gerade nicht, wenn ich ehrlich sein soll."
"Bitte, Dr. Hall. Tun Sie mir den Gefallen. Ich bin doch auch schon volljährig und..."
"Schon gut", gibt er schweren Herzens nach. Ich weiß, dass ihm das wirklich nicht leicht fällt. Aber ich möchte meine Väter nicht beunruhigen. Nicht jetzt. Sie haben doch erst von Jonah und mir erfahren. Eine weitere Hiobsbotschaft möchte ich den beiden vorerst ersparen.
"Würden Sie mir persönlich die Terminbestätigung zusenden?", bitte ich ihn weiterhin.
"Ich sage meiner Arzthelferin Bescheid. Ich muss jetzt auch Schluss machen. Eine Patientin wartet auf mich."
"Natürlich. Vielen Dank, Dr. Hall."
"Wir sehen uns am Freitag, Zach", verabschiedet er sich und schon höre ich den bekannten Piepton nach dem Auflegen.
Erleichterung durchflutet mich. Auch wenn ich nicht weiß, was zurzeit mit meinem Herzen los ist, hoffentlich werde ich in zwei Tagen schlauer sein. Es bereitet mir selbst Sorge, denn ich weiß einfach, dass irgendwas nicht stimmt. Es zu ignorieren wäre nicht möglich.
Vielleicht liegt es lediglich an den Stress der letzten Zeit. Das kann es ja wirklich sein.
Ich habe mein ganzes Leben lang schon mit diesem Herzfehler zu kämpfen. Er wäre ein richtiges Arschloch, wenn gerade jetzt, wenn ich am glücklichsten bin, es zu Komplikationen kommen würde.
Denn jeder kann sich das denken, dass je älter ein Spenderorgan wird, desto mehr Komplikationen können auftreten. Dieses Risiko kenne ich. Aber bis vor kurzem war es mir recht egal.
Jetzt aber gibt es Jonah.
"Zach?"
Ich schrecke zusammen, als ich meine Freunde neben mir bemerke. Sie mustern mich besorgt. "Alles in Ordnung?"
"Ähm, klar. Was soll denn nicht stimmen?"
"Du bist ziemlich blass und", Landon tastet meine Stirn ab, "Schwitzen tust du auch. Sollen wir dich lieber nach Hause bringen?"
"Was? Quatsch, macht euch keine Gedanken darüber. Los, gehen wir!" Ich lege meine Arme auf die Schultern der beiden. "Ich habe schon lange genug auf euch gewartet. Also, was wollen wir machen?"
Henry zuckt mit den Achseln, während wir auf dem Weg zum Wagen an dem von Jonah vorbeigehen. Warum auch immer betrachte ich ihn, noch dazu länger als nötig, dass die Jungs auch aufmerksam auf ihn werden.
"Wem gehört der Wagen?"
"Ich glaube, Mr. Campbell", sage ich so beiläufig wie möglich, während ich meinen Rucksack von meiner Schulter gleiten lasse. Landon hebt skeptisch seine Augenbraue und öffnet den Kofferraum. "Du glaubst?"
"Warum sollte es mich interessieren, welcher Lehrer welches Auto fährt?"
Schnell verstaue ich den Rucksack hinten und öffne die Tür zur Rückbank, auf der ich es mir schließlich bequem mache. Als die beiden mir ins Innere des Autos folgen, habe ich mich schon längst angeschnallt.
Doch anstatt sich ebenfalls den Gurt anzulegen, drehen sie sich beinahe zeitgleich zu mir um. Fragend sehe ich zwischen ihnen hin und her. Als keiner der beiden Anstalten macht, etwas zu sagen, verdrehe ich die Augen. "Was habt ihr denn?"
Landon schaut kurz zu Henry, dieser nickt ihm nur zu, dann sehen sie mich wieder an. "Wir werden dich jetzt etwas fragen und...du solltest sie wahrheitsgemäß beantworten."
"Okay?"
"Hast du etwas mit Mr. Campbell am laufen?", fragt Landon sogleich, der anscheinend nervös mit dem Autoschlüssel in seiner Hand spielt.
"Wow", das war direkt, "Ähm, wie...wie kommt ihr auf sowas?"
"Weil du, seit er an unserer Schule bist, wie ausgewechselt wirkst", meint Henry sogleich. "Erst dachten wir, du hättest dich vielleicht in ihn verguckt. Aber, naja..."
"Er sieht dich anders an", hilft unser Freund ihm auf die Sprünge. "Das fiel uns auch schon teilweise im Unterricht auf. Wie er dich manchmal beobachtet hat, wenn keiner hingesehen hat."
Das ist mir neu. Deutlich überrascht darüber weiten sich meine Augen. Doch bevor ich etwas darauf erwidern kann, setzt Landon fort: "Aber erst in der Schauspielgruppe wurde es sehr auffallend. Zach, die Blicke, die ihr einander austauscht, sind nicht ansatzweise so unscheinbar, wie ihr vielleicht glaubt."
Sie wissen es also. Es sind keine Vermutungen mehr, sondern Gewissheit. Ich könnte mir jetzt etwas ausdenken, um sie auf eine falsche Fährte zu locken. Aber was sollte das bringen?
Spätestens wenn Jonah die Schule wechselt, könnten sie wieder misstrauisch werden. Und dann müssten er und ich uns auch nicht mehr verstecken, wenn man uns also zusammen sieht, wäre das Geheimnis sowieso raus.
"Wir sind ein Paar."
Als hätten sie noch die kleinsten Zweifel, scheinen sie damit nun auch verschwunden zu sein. "Wie konnte das passieren, Zach? Ich meine, klar, er ist nur ein paar Jahre älter als wir. Aber er ist dennoch unser Lehrer."
"Genau!", stimmt Henry Landon zu. "Wenn das jemand rauskommt, kann es zu einem richtigen Drama entwickeln."
Achselzuckend lächle ich meine Freunde an. "Er ist halt etwas Besonderes." Sie wirken nicht sonderlich begeisterter davon. "Leute, wir sind vorsichtig, okay? Jonah will auch...seine Versetzung beantragen."
"Aber er ist doch erst wenige Monate bei uns!"
"So können wir aber zusammen sein", entgegne ich. "Ich weiß, dass das eine deutlich beschissene Situation ist, in der wir uns befinden. Aber, naja, er macht mich glücklich. Sollte nicht das das einzige sein, das zählt?"
Die beiden tauschen einen Blick aus, den ich nicht deuten kann. Dann fragt Henry: "Was, wenn deine Eltern davon Wind bekommen? Dein Dad ist Polizi..."
"Sie wissen von unserer Beziehung", mache ich ihnen klar, was sie ebenso überrascht nach Luft schnappen lässt. " Und...sie haben bisher nichts unternommen?"
Ein ehrliches Lächeln umspielt meine Lippen und eine gewisse Wärme breitet sich in mir aus, als ich erwidere: "Sie stehen hinter uns. Seht ihr also, wir haben eine gemeinsame Chance. Zumindest...wenn ihr uns nicht verpfeift."
Und mein Herz mitspielt.
Kurz ist es still im Wagen. Selbst das nervige, leise Klimpern der Autoschlüssel hat aufgehört. "Du glaubst, wir würden dir gegenüber einen Verrat begehen?", meint Henry dann ehrlich vor den Kopf gestoßen. "Denkst du wirklich so von uns? Zach, wie lang sind wir nun befreundet?"
Wenn ich jetzt die Möglichkeit hätte, die beiden zu umarmen, würde ich sie wahrscheinlich nicht mehr loslassen. So gefühlsduselig kennt man mich normalerweise nicht.
"Ihr seid die Besten, wisst ihr das eigentlich? Ich bin so froh, euch als Freunde zu haben", sage ich stattdessen zu ihnen, woraufhin beide sich grinsend von mir abwenden und nach vorne schauen.
Landon startet endlich den Wagen und fährt vom Parkplatz herunter. "Dass ausgerechnet du mal etwas mit nem Lehrer haben wirst. Unfassbar", höre ich von ihm. "Ich dachte immer, es wäre vielleicht Henry. Lehrerinnen haben diesen Wunsch, sich um dumme Menschen besonders kümmern zu wollen."
"Ey!"
"Was denn?", lacht er und weicht dem Ellbogen seines Nachbars aus. "Das hättest du doch gut für dich ausnutzen können!"
Amüsiert beobachte, wie die beiden vor mir streiten, schaue dann nach einiger Zeit aus dem Fenster und denke darüber nach, dass nun alles gut werden könnte.
Zach hat wunderbare Freunde, die ihm den Rücken stärken 😍 Er war sich allerdings auch sicher, dass er auf die beiden zählen kann...
Nun muss er aber noch warten, was die Untersuchung sagt. Da heißt es noch ein wenig zu zittern 😣
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