Kapitel 37
• J O N A H •
"Reicht dir das?" Simon hält mir einen halb vollen Teller mit Nudeln hin. Ich habe keinen großen Hunger, nicke also und gehe zum Kühlschrank, um Käse zu holen.
"Wie läuft's in der Schule?", frage ich, woraufhin er sich seufzend an den Tisch setzt. "Ich hätte nichts dagegen, wenn morgen schon wieder Wochenende wäre. Versteh mich nicht falsch, es macht echt Spaß, den Kindern etwas beizubringen, aber manchmal machen sie es einem wirklich nicht einfach."
"Wem sagst du das", stimme ich ihm schmunzelnd zu und geselle mich dann zu ihm.
"Du scheinst aber ziemlich aufgeweckt zu sein", merkt er an, als wir zu essen beginnen. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, und zucke nur mit den Achseln. "Liegt es an der Theater AG?"
"Möglich. Mir ist es selbst nicht aufgefallen, ehrlich gesagt", lüge ich. "Aber die Teenies scheinen Spaß daran zu haben, auch wenn sie dafür lesen müssen", scherze ich weiter.
Gestern Abend hat mir Zach nochmal versichern wollen, dass seine Freunde ihre Vermutungen für sich behalten würden. Und ich kann nicht anders, als ihm dabei zu vertrauen. Er kennt die beiden schließlich besser als ich.
Und auch wenn ich ihn darum gebeten habe, ihnen nichts zu sagen, habe ich das dringende Bedürfnis, mit Simon darüber zu reden. Er ist mein bester Freund und die einzige Person, mit der ich darüber sprechen könnte.
Aber er würde mir wahrscheinlich auch die Hölle heiß machen, wenn er davon erfährt. Doch vielleicht sollte ich es tun. Er würde mich niemals verraten. Wir haben schon so vieles zusammen durchgemacht. Er war an meiner Seite, als Dad gestorben ist. Und ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, durch wie viele Trennungen ich ihm verholfen habe. Beziehungsweise wie oft ich mit seinen Exfreundinnen sprechen musste, damit sie ihn endgültig in Ruhe lassen. Mir gegenüber ist er zwar ein guter Freund, bei Frauen hat er aber kein so gutes Händchen.
"Simon?"
"Mhm?" Der Rothaarige hebt den Kopf. Seine Mundwinkel sind voll mit Tomatensoße, was ihn nicht zu stören scheint. Oder er hat es einfach nicht bemerkt.
"Ich muss dir etwas sagen."
"Okay." Er wischt sich mit einer Serviette über seinen Mund und nimmt sein Bier. "Was gibt's?"
Mein Mut schwindet augenblicklich und nervös spiele ich mit der Tischdecke herum. Ihn scheint das aufzufallen, denn er hebt fragend eine Augenbraue und beobachtet mich dabei. "Jonah, was ist los?"
"Ich...bnmitZacnzusmmn", kommt es schnell und undeutlich über meine Lippen.
"Sprich in ganzen Sätzen mit mir, Kumpel. Komm schon."
Ich atme tief ein, bevor ich ihn anschaue und meine Worte wiederhole: "Ich bin mit Zach zusammen."
Seine Augen weiten sich ein wenig, doch er schweigt. Ich warte darauf, dass er mir irgendwas an den Kopf wirft, aber stattdessen sieht er mich nur weiter an. Und irgendwann fühle ich mich sehr unwohl dabei. "Sag doch was."
"Was soll ich dazu sagen, Jonah? Du willst ganz offensichtlich das Risiko eingehen, deine berufliche Laufbahn in den Sand zu setzen."
"Aber wir..."
"Wenn das publik wird, würdest du mehr Ärger bekommen als er. Ist dir das bewusst?", fällt er mir ins Wort und stellt seine Bierflasche beiseite, ohne daran genippt zu haben. "Er wäre der Junge, der von seinem Lehrer verführt wurde. Und du bist es, der nicht mehr als solcher arbeiten könnte. Welche Schule würde dich dann noch aufnehmen?"
"Simon, mir ist durchaus bewusst, was passieren könnte", sage ich. "Aber genauso bin ich mir auch im Klaren darüber, wie ich für Zachary fühle. Meine Gefühle für ihn sind echt. Ich bilde mir nichts ein und ihm geht es genauso! Denkst du nicht, ich habe mich dagegen gesträubt? Ich habe verdammt nochmal Angst, dass es rauskommen könnte. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass ich schon lange nicht mehr so gefühlt habe, wie wenn ich mit Zach zusammen bin. Er lässt mich etwas fühlen, das mich...ich kann es gar nicht so wirklich beschreiben."
"Jonah, ich möchte auch nichts anderes, als dass du glücklich bist. Wirklich. Aber warum ausgerechnet er?"
Ich spieße ein paar Nudeln auf, führe die Gabel aber nicht zu meinem Mund. "Er ist besonders. Ich kann es nicht anders beschreiben, okay? Zach hat einfach etwas an sich, das mich fasziniert. Und er ist auch schon reifer als manch anderer in seinem Alter, weißt du."
Der Rothaarige seufzt. "Das ist trotzdem keine Ausflucht gegenüber dem Schuldirektor, der Ämter und, wow, wie würden seine Eltern darauf reagieren? Hattet ihr nicht ein recht gutes Verhältnis zueinander?", fragt er. "Sie würden sicherlich auch nicht sonderlich begeistert davon sein, dass ihr Sohn mit seinem Lehrer schläft."
"Jetzt mach aber mal halb lang!", stoppe ich ihn und schiebe meinen Teller von mir. Der Appetit ist nun ganz verflogen. "Egal, wie sich unsere Beziehung entwickelt, ich werde nicht mit Zach schlafen." Ich merke ihm sein Verdutzten an. "Nicht solange ich wüsste, ob es mit seinem Herzen vertretbar ist. Und außerdem...daran habe ich sowieso noch überhaupt nicht gedacht. Ich bin damit glücklich, was wir haben. Es genügt mir."
Diese Erkenntnis zaubert mir ein kleines Lächeln um die Lippen.
Er setzt zum Sprechen an, wird aber von der Klingel unterbrochen. "Erwartest du jemanden?", frage ich verwundert, als ich aufstehe. Doch er schüttelt den Kopf. "Es ist aber nicht zufällig dein kleiner Freund?" "Witzig. Zach würde nicht herkommen. Er weiß doch noch nicht einmal, wo ich wohne."
Als es nochmals klingelt, beeile ich mich, zur Tür zu gehen. Meine Kinnlade fällt herunter, als ich dann aber sehe, wer vor mir steht. Penelope grinst mich an, während sie sich die Sonnenbrille in die Haare schiebt. "Schätzchen, du siehst gut aus. Meine Gene scheinen dir gut zu tun."
"Was willst du hier?", zische ich und stelle mich ihr in den Weg, als sie Anstalten macht, die Wohnung zu betreten.
"Jonah, das weißt du doch. Warum also unsere Zeit mit sinnlosen Fragen vergeuden?"
"Ich habe dir schon letztens am Telefon gesagt, dass du keinen einzigen Cent von mir bekommst."
Wie ist sie überhaupt ins Haus gekommen? Ich könnte ihr durchaus zutrauen, bei jedem Anwohner im Haus geklingelt zu haben, bis jemand aufgemacht hat.
Hinter mir taucht Simon auf. "Was wollen Sie denn hier?"
"Ich habe etwas mit Jonah zu bereden. Wenn Sie also so freundlich wären..."
"Nein, ich lasse ihn nicht allein", entgegnet er und verschränkt seine Arme vor der Brust. In ihren Augen blitzt etwas auf, allerdings lässt sie sich ihren Ärger darüber nicht anmerken.
Ich bin gerade mehr als froh darüber, dass Simon bei mir ist. Nicht, dass ich nicht allein mit ihr zurechtkommen würde. Aber er gibt mir diesen Halt, den ich gerade sehr gut brauche.
"Nun denn...Wenn du unbedingt möchtest, dass er dabei ist." Sie zuckt beinahe gelangweilt mit den Achseln, während sie etwas in ihrer Handtasche sucht. "Du solltest lieber nochmal darüber nachdenken, mir meinen Wunsch zu erfüllen, Liebling."
"Warum? Sind Sie Aladdin und haben noch drei Wünsche frei?", kommt es wieder von meinem besten Freund, den sie aber zu ignorieren versucht.
"Jonah, es ist sehr einfach, etwas über dich herauszufinden, weißt du das eigentlich?"
"Was meinst du denn jetzt schon wieder damit?", frage ich augenverdrehend, würde am liebsten einfach die Tür vor ihrer Nase zuwerfen, allerdings hindert ihr Fuß mich daran. "Kannst du mich nicht in Ruhe lassen? Mein Leben war so viel entspannter als..."
"Ich wollte dich gestern schon an deinem Arbeitsplatz aufsuchen", unterbricht sie mich und hält ihr Smartphone in der Hand. "Ein sehr schönes Gebäude, das muss ich schon sagen. Ich konnte gar nicht anders, als ein paar nette Bilder zu machen." Sie tippt auf ihrem Handy herum und hält es uns einen Moment später hin. Meine Augen weiten sich. Zu sehen sind Zach und ich, wie wir nahe aneinander stehen und Händchen halten.
"Es ist schon interessant zu sehen, wie sich das Schulleben in den letzten Jahren entwickelt hat. Vor allem das Verhältnis von Lehrer und Schülern. Sind das deine Methoden, um die Beliebtheit bei den Teenagern zu gewinnen?"
"Penelope, du hast doch keine Ahnung..."
"Das glaube ich schon." Sie wischt mit ihrem Finger weiter und nach etwa fünf weiteren Bildern sind wir beide küssend abgebildet. "Ein wirklich süßes Paar, nicht wahr?", fragt sie nun an Simon gerichtet, der sich augenblicklich an mir vorbeischiebt und die Türklinke umfasst. "Verschwinden Sie sofort, sonst rufe ich die Polizei." "Tue das. Sie wären sicherlich hier dran intere..." Ihre Worte erloschen, als er die Tür zuknallt und sich dagegen lehnt.
Sein Blick liegt auf mir, doch er sagt nichts. Ein Kloß hat sich in meinem Hals gebildet. Tränen steigen mir in die Augen auf. Er drückt sich ab und zieht mich in eine Umarmung. Und ich presse mich dankbar an ihn.
"Es wird alles gut. Diese Frau kann nichts gegen euch tun, ohne sich selbst ins eigene Fleisch zu schneiden. Jonah, glaube mir, sie wird die Fotos nicht veröffentlichen", redet er immer wieder auf mich ein und führt mich irgendwann ins Wohnzimmer, wo ich weiterhin in seinen Armen liege und mir die schlimmsten Dinge ausmale.
Simon hat nicht sonderlich gut auf Jonahs Beziehung mit Zachary reagiert, steht aber hinter ihm, wenn er ihn braucht 🥰
Doch hat er Recht bezüglich dieser Schlange, Penelope? 😤
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