𝟐𝟏. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 | Täuschung
Schlaflos wälzte ich mich von einer Seite zur anderen. Selbst im Schlaf durchzuckte mich der Schmerz, wenn ich mit meinen Verletzungen versehentlich etwas berührte. Ich träumte zusammenhangloses Zeug, immer wenn ich aufwachte, konnte ich mich nicht mehr an meine Träume erinnern, was ich um ehrlich zu sein, gar nicht so schlimm fand.
Jeden Morgen betrat Julien den Raum, brachte mir etwas zu Essen und Trinken. Danach schaute er sich meine aufgeschürften Beine und die Handgelenke an. Er wartete darauf, dass die Wunden abheilten. Damit er seine nächste Aufgabe mit mir machen konnte. Glücklicherweise hatte ich eine Haut, die lange brauchte, um sich zu regenerieren.
Jeden Morgen betrat Julien den Raum, mit einem hoffnungsvollem Gesicht, was sich dann aber schnell in ein enttäuschtes verwandelte. Das rief in mir eine gewisse Genugtuung hervor. Es war mal eine Sache, die er nicht beeinflussen konnte.
Auch wenn er mir gegen die Schmerzen ab und zu eine Creme auf die Wunden schmierte. Das waren die schrecklichsten Minuten, ich hasste es, von ihm berührt zu werden. Aber ich durfte mir nichts anmerken lassen.
Ich durfte mir nicht anmerken lassen, dass ich mich langsam an meine Vergangenheit erinnerte. Schließlich hatte er mir ganz am Anfang gesagt, dass er mich so lange hier gefangen halten würde, bis ich meine Erinnerung wieder hätte. Dann würde er mich aber auch nicht frei lassen, sondern töten.
Ich würde diesen Raum nur noch einmal verlassen. Tod.
Dieser Satz von ihm hatte sich in mein Gehirn eingebrannt. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, seit der letzten Aufgabe könnte gut eine Woche vergangen sein. Vielleicht auch schon mehr. Aber mit jedem Tag, der heranrückte, steigerte sich meine Angst vor der nächsten Aufgabe. Schließlich musste ich mich bei der letzten in der Badewanne von ihm waschen lassen...
Ich lag auf dem Rücken ausgestreckt auf dem Bett und starrte die finstere Decke über mir an. Als ich an die letzte Aufgabe dachte, spürte ich auf einmal wieder Juliens Hand auf der Innenseite meines Oberschenkels.
Ich schüttelte mich vor Ekel, mein Magen rebellierte. Ich wollte nicht daran denken, aber ich konnte nicht anders. Diese Hilflosigkeit, die ich damals gespürt hatte, spürte ich auch jetzt.
Fast schon verzweifelt kniff ich meine Augen zusammen, um diese Erinnerung zu verdrängen. Aber es gelang mir nicht, stattdessen wurde mir richtig schlecht.
Ich rollte mich gerade rechtzeitig zur Seite, um über die Bettkante gebeugt zu brechen. In den letzten Tagen hatte ich dazu gelernt und mich rechtzeitig wieder zurück gelehnt, sodass ich nicht alles wieder ins Gesicht gespritzt bekam.
Es war auch irgendwie schön, Julien vom Bett aus dabei zuzusehen, wie er meine Kotze aufwischte. Das geschah ihm ganz recht, nach allem, was er mir angetan hatte.
Heute war er noch nicht gekommen, deswegen wartete ich in gewisser Weise nur auf sein Auftreten. Was dann leider auch nicht lange auf sich warten ließ.
„Guten Morgen", wünschte Julien und stellte das Tablett auf den kleinen Nachttisch neben mir. Dann sah er die Sauerei auf dem Boden und rümpfte die Nase.
„Vielleicht sollte ich dir mal was anderes zu essen bringen. Das da scheinst du ja nicht sonderlich gut zu vertragen." Ich nickte nur geistesabwesend. Natürlich. Es lag am Essen und nicht an seinen Spielchen, die er mit mir veranstaltete.
Seufzend machte Julien sich an die Arbeit, alles sauber zu machen. Ich blieb auf dem Rücken in dem Bett liegen und starrte weiter an die Decke.
Kurz sah ich Juliens leicht skeptisches Gesicht über mir, als er meine Beine musterte.
„Langsam wird es besser. Dann können wir die nächste Aufgabe ja in den nächsten Tagen angehen." Er sah zufrieden auf mich herab. Da ich aber keinerlei Reaktion zeigte, verließ er leicht schlurfend den Raum wieder. Ich hatte keinen Appetit, weswegen ich einfach so liegen blieb.
Ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich daran dachte, dass die verdammten Wunden langsam wirklich zu heilen schienen. Sie sollten nicht heilen! Dann würde ich die nächste Aufgabe noch weiter vor mir herschieben können.
Plötzlich saß ich senkrecht im Bett. Ja, wieso auch nicht? Wieso sollte ich die nächste Aufgabe nicht weiter vor mir herschieben? Was sprach dagegen, genau das zu tun?
Ich zog meine Beine an den Körper heran, an einigen Stellen war eine Kruste zu sehen. Aber noch nicht überall. Entschlossen griff ich zu dem Tablett. Es lag ein belegtes Brötchen auf einem Teller. Er gab mir kein Besteck, weil ich es ja als Waffe ihm gegenüber benutzen könnte. Aber der Teller, der war aus Porzellan. Wieso war mir das nicht schon eher aufgefallen?
Ich legte das Brötchen an die Seite und nahm den Teller in die Hand. Da Julien nur einmal am Tag kam, und er diesen Gang heute schon hinter sich hatte, ging ich davon aus, dass ich ihn erst morgen wieder sehen würde. Trotzdem wollte ich vorsichtig sein.
Deswegen wickelte ich ein Stück von meinem Bettzeug um den Teller, bevor ich ihn gegen die Steinmauer knallte. Es klirrte erstickt in dem Bettzeug, was mich leicht grinsen ließ. Ich faltete es vorsichtig auseinander und suchte mir eine spitze Scherbe heraus.
Die restlichen legte ich an die Stelle, an der noch vor kurzem mein Erbrochenes gewesen war.
Sollte er doch morgen denken, dass mir der Teller runtergefallen war... Er würde schon nicht nachzählen und feststellen, dass eine Scherbe fehlte.
Ich zog meine Beine wieder an mich heran und wählte auf dem Schienbein eine Stelle aus, die erst jetzt langsam anfing zu heilen.
Meine Hand zitterte leicht, aber ich war entschlossen, es wirklich zu tun. Kurz atmete ich noch einmal durch, dann schnitt ich mir mit der Scherbe die Haut auf, die gerade angefangen hatte zu heilen. Scharf sog ich die Luft zwischen den Zähnen ein, weil es so sehr brannte. Der Schnitt fing an zu bluten.
Mist, daran hatte ich jetzt nicht gedacht. Julien würde skeptisch werden, wenn er frisches Blut sah. Es sollte ja schließlich nur den Eindruck machen, als ob die Wunden nicht verheilen würden.
Provisorisch wischte ich mir das Blut mit den Fingern ab, als mir eine weitere Idee kam. Ich zog das Kleid hoch und schmierte es mir an die Innenseite meiner Oberschenkel. Ein Stückchen höher, als er mich angefasst hatte.
Diese Prozedur wiederholte ich einige Male, bis ich an den Beinen einige frische Schnitte aufweisen konnte, die ein bisschen länger zum heilen brauchen würden. An meinen Handgelenken hatte ich mir auch mit zusammengebissenen Zähnen ein bisschen Kruste entfernt.
Das musste fürs erste reichen.
Ich kniete mich hin, sodass das Blut schön mittig in den Bettbezug sickern konnte. Das Blut von meinen Handgelenken verteilte ich auf der Innenseite meines Kleides, auf der Höhe meines Hinterns.
Als die Schnitte aufgehört hatten zu bluten, stand ich vorsichtig auf. Ich zuckte zurück, als die Kälte des Bodens meine nackten Fußsohlen erfasste.
Auf Zehenspitzen ging ich ins Bad und schmiss die blutige Scherbe ins Klo. Ich zog ab und atmete erleichtert auf, als die Scherbe wirklich verschwand. Dann wusch ich mir die Hände und lief zurück zum Bett.
Ich setzte mich auf die Kante, achtete darauf, nicht in die Scherben zu treten und aß mein Brötchen. Danach trank ich noch das Wasser aus und legte mich wieder hin.
Ein bisschen stolz war ich auf mich, auch wenn die Wunden jetzt wieder brannten. Aber ich würde lieber weiter die Schmerzen ertragen, als mich noch einmal von Julien anfassen zu lassen. Das konnte er sich abschminken. Lieber würde ich mir weiter irgendwie die alten Wunden wieder aufschneiden. Das klang selbst in meinen eigenen Ohren bescheuert, aber es war so.
Ich wusste nicht, ob es schon Abend war, aber ich wurde müde. Deswegen machte ich es mir ein bisschen gemütlicher, legte mich seitlich hin und platzierte meinen Hintern direkt auf dem Blutfleck auf dem Laken.
Normalerweise hätte ich mich natürlich lieber daneben gelegt, aber falls Julien doch noch mal hereinkommen würde, sollte es glaubhaft wirken. So richtig sicher, ob es mir gelingen würde, ihn so zu täuschen, war ich mir jedoch trotzdem nicht.
Schließlich hatte ich noch nie meine Periode vorgetäuscht.
Aber anders konnte ich das frische Blut nicht entschuldigen.
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