𝟐𝟎. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 | Zerbrochener Glauben
Julien kam schnell wieder und warf mir ein weißes Kleid zu. Dieses Kleid hatte ich noch nie gesehen, aber ich tippte stark darauf, dass es sich um ein Nachthemd handelte, so schlicht wie es aussah.
„Ich komme morgen wieder. Ruh dich aus. Die nächste Aufgabe kommt erst, wenn deine Wunden verheilt sind." Fast schon fürsorglich musterte er meine aufgeschürften Beine und die Handgelenke.
Ich sah ihn nicht an, was er mit einem unzufriedenen Knurren bedachte. Doch dann verließ er den Raum wieder und ich war alleine.
Langsam stellte ich mich hin und ließ das Handtuch achtlos auf den Boden fallen. Dann schnappte ich mir das Kleid und zog es an. Ich fühlte mich unwohl, weil ich keine Unterwäsche trug.
Mein Körper war schwach und ich legte mich wieder hin. Erst lag ich auf der Decke, dann verkroch ich mich aber darunter und zog die Knie so hoch es ging.
Ich machte mich so klein wie möglich und fühlte mich trotzdem noch beobachtet. In meinem Kopf spielte sich immer wieder dieser komische Tagtraum ab, den ich gerade in der Badewanne gehabt hatte.
Irgendwie sagte mein Unterbewusstsein mir, dass es kein Traum gewesen war. Es hatte sich alles so real und irgendwie auch vertraut angefühlt.
Wenn es stimmte, was ich geträumt hatte, dann war ich eine Prostituierte gewesen. Schließlich hatte Julien mich dafür bezahlt, dass ich mit ihm ins Bett ging.
Eigentlich sollte dieser Gedanke befremdlich sein, doch das war er nicht.
Ich kniff meine Augen zusammen. Wie lange hielt er mich jetzt schon hier gefangen? Ich wusste es nicht. Ich hatte keinen Anhaltspunkt mehr, an dem ich mich orientieren konnte. Ich wusste nicht, wie lange ich ohnmächtig gewesen war. Wie lange er mich betäubt hatte. Waren es nur ein paar Stunden gewesen? Oder war es viel länger?
───•✧•───
Grob schob er sich zwischen meine Beine. Ich verkrampfte mich und biss die Zähne fest aufeinander. „Entspann dich, Süße", säuselte Julien nah am meinem Ohr, was nur dazu führte, dass ich mich noch mehr anspannte. Ich wollte das nicht, es war genug. Ich war fertig, er hatte nur für eine Runde bezahlt. Nur für eine verdammte Runde und keine Orgie!
Ich stöhnte vor Schmerz auf, als er in mich eindrang. Ich war trocken und als er anfing seine Hüfte zu bewegen und immer tiefer in mich stieß, brannte es wie die Hölle. Den Tränen nahe krallte ich meine Finger in den Bezug des Sofas. Ich schloss meine Augen und versuchte, dem Schmerz und dieser Demütigung zu entkommen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit zog er sich aus mir zurück. Er rollte sich erschöpft von dem Sofa und meine Beine fielen kraftlos zur Seite. Julien zog sich an und ich sah ihm dabei zu. Als er seinen Gürtel zumachte, schaffte ich es, mich leicht aufzusetzen.
„Mein Geld", verlangte ich und er hielt mitten in der Bewegung inne. Langsam hob er den Blick und sah mich an. Ich erwiderte seinen Blick, bis er in schallendes Gelächter ausbrach. Vor Schreck zuckte ich zurück.
„Du glaubst wirklich, dass du für das da gerade Geld bekommst?" Seine Worte waren kalt und trafen mich hart.
Hektisch sah ich mich um, schnappte mir eine Decke und hielt sie vor meinen Körper, während ich langsam und auf zitternden Beinen aufstand.
„Ja, dafür sollte ich Geld bekommen." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber ich sah ihn wütend an. Meine Haare waren ein reinstes Chaos, aber das war mir egal, schließlich stand ich jetzt nicht mehr ganz nackt vor ihm. Julien wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und trat auf mich zu. Ich wollte zurück weichen, aber ich prallte nur gegen das Sofa.
„Nein, Leyla-Schätzchen. Für so etwas bekommt man kein Geld. Ich sollte Geld dafür bekommen, ich habe schließlich mehr gemacht als du und du bist hier die Nutte." Ich keuchte auf und wollte seitlich weg gehen, aber er packte mich an den Armen und hielt mich fest.
„Du bekommst die Chance, es nochmal besser zu machen. Aber reiß dich dann gefälligst am Riemen!", schrie er mich an und schubste mich von sich weg. Ich taumelte und fiel auf die Knie. Er packte meinen Hinterkopf und drückte mein Gesicht kurz in die Sitzfläche des Sofas.
„UND MACH DIE SCHEIß SAUEREI WEG!" Er ließ meinen Kopf los und ich hörte an den energischen Schritten, dass er aus dem Zimmer verschwand. Lautlos weinend richtete ich mich auf und sah, dass er mich mit dem Gesicht in einen Blutfleck auf dem Sofa gedrückt hatte.
„Du bist ja schließlich keine Jungfrau mehr", hörte ich ihn erneut hinter mir sagen und brach nun völlig in Tränen aus. Plötzlich kniete er hinter mir und riss mir die Decke vom Körper.
„Dafür haben schließlich schon zu viele ihren Schwanz in dir gehabt." Von hinten umfasste er meine Brüste, und ich schrie gedemütigt auf.
───•✧•───
Schreiend setzte ich mich in meinem Bett auf. Das Kleid klebte klatschnass an meinem Körper, meine Wunden brannten, als der Schweiß hinein lief. Panisch sah ich mich um, aber ich war alleine.
Mein Herz schlug so laut, dass ich es hören konnte und das Blut rauschte mir in den Ohren.
Langsam setzten sich die einzelnen Puzzleteile zusammen. Langsam konnte ich zwischen Träumen und Erinnerungen unterscheiden. Viele Sachen überschnitten sich mittlerweile. Und es waren schreckliche Sachen.
Mir wurde schlecht, als ich an den Traum von gerade dachte. Dieses Schwein hatte mich eiskalt vergewaltigt. Und das nicht zum ersten Mal.
Mein Magen drehte sich einmal um sich selbst und ich erbrach seinen Inhalt geräuschvoll über der Bettkante. Meine eigene Kotze platschte auf den Steinboden und spritzte mir wieder ins Gesicht.
Angewidert wischte ich mir mit den Händen das Gesicht sauber und schaffte es gerade noch, mir die Haare nach hinten zu halten, als auch der letzte Rest meinen Mageninhalts den Weg auf den Boden fand.
Mein Körper zitterte und ich drehte mich kraftlos auf den Rücken. Vor meinen Augen drehte sich alles.
Eigentlich müsste ich ins Bad gehen und mich sauber machen. Ich ekelte mich selbst. Aber ich schaffte es nicht. Ich schaffte es nicht, mich zu bewegen, ohne zu zittern. Ich war mir sehr sicher, dass ich nicht zwei Schritte weit kommen würde, ohne zusammenzubrechen.
Deswegen reichte es mir, als ich mich mit dem Handtuch, was noch neben dem Bett lag, grob säuberte. Aber der ekelige Geschmack in meinem Mund blieb, mein Hals brannte und ich hatte kein Wasser, um diesen Geschmack herunter zu spülen. Also legte ich mich entkräftet wieder hin.
Nun wusste ich immerhin, was Julien früher mit mir angestellt hatte. Allerdings fragte ich mich, ob ich überhaupt wissen wollte, was noch alles geschehen war.
Ein kleiner Teil von mir wollte es immer noch wissen, aber ein immer größer werdender Teil bekam Angst davor, noch weiter in der Vergangenheit zu graben. Ich wusste nicht, was ich noch alles erfahren würde. Ich wusste nur, dass es mich immer weiter zerbrechen würde.
Ich war nicht stark genug, damit umzugehen. Nicht umsonst hatte mein Gehirn schließlich dafür gesorgt, dass ich diese Erlebnisse verdrängt hatte.
Manchmal sollte man es einfach dabei belassen und sich damit abfinden, keine Erinnerungen mehr zu besitzen.
Die Zeit, in der ich nicht wusste, wer ich war, kam mir plötzlich einfach nur schön vor. Ich konnte mir vorstellen, dass alles gut gewesen war, dass ich ein schönes Leben gehabt hatte.
Dass ich weiter in diesem Café hätte arbeiten können und den Leuten morgens ihren Kaffee kochen könnte, ohne den sie nicht den Tag überstehen würden. Mein Gott, wie klein mir ihre Probleme auf einmal vorkamen!
Sie dachten nur an Abgabetermine von Projekten, wie sie ihrem Chef am besten die Füße lutschen könnten, um besseres Ansehen und vielleicht auch mehr Geld zu bekommen.
Andere in meinem Alter würden sich darüber aufregen, wenn sie auf Instagram zu wenig Follower hätten.
Oder wenn ihre Bilder nicht so viele Likes wie die der Freundin bekämen. Das waren die normalen Probleme von Menschen, denen es gut ging. Weil erst dann wurden solche Dinge zu Problemen. Warum konnte ich nicht einfach auch diese beschissen kleinen Probleme haben? Warum musste ausgerechnet ich diejenige sein, die ein total verkorkstes Leben hatte? Die wie Dreck behandelt wurde? Und die sich nicht dagegen wehren konnte?
Auf diese Fragen fand ich keine Antwort. Mir kam es nur unheimlich ungerecht vor. Es war nicht fair, die ganze Welt war nicht fair.
In diesem Moment verstand ich, das es genau zwei Arten von Menschen gab.
Es gab die, die sich in meiner Situation in ihren Glauben flüchten würden. Schließlich stand in der Bibel, dass Gott immer für einen da wäre.
Er konnte Schicksalsschläge nicht verhindern, aber einem helfen, diese zu überstehen.
Und dann gab es die andere Art. Das waren die Menschen, die ihren Glauben verloren.
Die, die nicht mehr daran glaubten, das eine höhere Macht existierte, die von oben auf einen herab sah und allem einen Sinn gab.
Ich war nie sonderlich gläubig gewesen. Aber jetzt, genau in diesem Moment, merkte ich, dass ich zu der letzten Gruppe gehörte.
Zu den Menschen, die ihren Glauben verloren hatten.
Und ihre Hoffnung noch dazu.
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