𝟐. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 | Die Verabredung
„Einen Kaffee. Schwarz", sagte er mit einer tiefen, rauen Stimme, die mir eine Gänsehaut über den Körper jagte. Ich erwachte aus meiner Starre und drehte mich zu dem Kaffeeautomaten um. Während der Kaffee durchlief, spürte ich seinen Blick stechend in meinem Rücken. Mit nervösen Fingern machte ich den Deckel auf den Kaffeebecher und atmete kurz tief durch, bevor ich mich wieder zu ihm umdrehte.
„Sonst noch einen Wu-"
„Alles", schnitt er mir das Wort ab, was mich verärgerte, da meine Stimme so schön fest geklungen hatte, obwohl ich alles andere als ruhig war. Der Kerl war mir unheimlich. Er sah zum Verlieben gut aus, aber er hatte auch etwas an sich, was mir Angst einjagte. Ich wusste nur nicht, was es war.
„Dann kostet das-"
„Hier. Den Rest können Sie behalten", unterbrach er mich zum zweiten Mal und jetzt musste ich tief durchatmen, um ihm nicht das Geld, welches er mir hinhielt, aus seiner tätowierten Hand zu schlagen. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er an seinem restlichen Körper auch so viele Tätowierungen trug.
Seine Kleidung versteckten diese, aber irgendwie war ich mir sicher, dass sich auch unter dem Stoff viele weitere, bunte Bilder befanden, welche für immer ein seine Haut eingraviert waren. Langsam streckte ich ihm meine Hand entgegen und er ließ die Geldstücke hineinfallen.
Einen Dollar Trinkgeld...für nichts. Der hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Aus Höflichkeit hätte ich ihm sagen sollen, dass ich das nicht annehmen kann. Aber da er mich nie einen Satz zu Ende aussprechen ließ, behielt ich es. Aus Rache.
Ich griff mit der anderen Hand nach dem Kaffeebecher und reichte ihm diesen über die Theke hinweg. Dabei berührten sich unsere Finger für einen kurzen Moment und ich zuckte zusammen, als ob ich in eine Steckdose gefasst hätte.
Mit einem wissenden Grinsen auf den Lippen drehte er sich um und verließ den Laden. Die Geldmünzen in meiner Hand waren das Einzige, was an seine Anwesenheit erinnerte, aber trotzdem fühlte ich mich komisch. So benutzt.
Als ob er mich für irgendwas bezahlt hätte, was ich gar nicht gemacht hatte. Ich steckte das Geld in die Kasse, aber das Trinkgeld behielt ich, auch wenn ich ein beunruhigendes Gefühl dabei hatte.
Die nächsten Kunden bediente ich wie in Trance und war froh, als die Berufstätigen und Schüler alle durch waren. Die größte Arbeit war geschafft und wir bestückten die Auslage neu. Ein älterer Mann saß an einem Tisch und las Zeitung wie jeden Tag, sonst war niemand mehr in dem Café.
Seufzend verschwand ich hinten in dem Mitarbeiterzimmer und ließ mich dort auf einen Stuhl fallen. Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und band sie grummelnd zu einem neuen Pferdeschwanz zusammen. Heute war nicht mein Tag. Definitiv nicht.
„Hier", sagte auf einmal jemand neben mir und ich keuchte erschrocken auf, schüttelte dann aber nur grinsend mit dem Kopf, als ich nur Katy in der Tür stehen sah, die mir einen Zettel hinhielt. „Den hat dein Verehrer gerade abgegeben."
„Mein was?", fragte ich und sah sie strafend an, aber sie zog nur amüsiert ihre Augenbrauen hoch.
„Der Kerl mit den grünen Augen! So nervös warst du lange nicht mehr bei einem Kunden. Um genau zu sein, noch nie...", überlegte sie und ich riss ihr schnaubend den Zettel aus der Hand.
„Nach Feierabend", stand dort mit blauer Tinte geschrieben. Verwirrt las ich diese zwei Wörter noch einmal durch, bis es mir endlich dämmerte. Der Zettel war ein Werbeflyer von dem Club hier in dem Kaff. Der einzige weit und breit. Ich schmiss den Zettel auf den Tisch. Der hatte definitiv nicht mehr alle Tassen im Schrank!
„Na?" Katy sah mich zufrieden an und ich hob meinen Blick, um sie anzusehen.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich da hingehe, oder?"
„Doch, das glaube ich. Du musst mal raus, Leyla. So kann es doch nicht weitergehen!" Bevor ich darauf etwas erwidern konnte, saß sie mir gegenüber an dem kleinen Tisch, der hier stand und legte ihre Hand auf meine.
„Du gehst da hin, okay? Er hat einen ziemlich netten Eindruck gemacht. Und er sah gut aus", fügte sie mit leuchtenden Augen hinzu. Ich entzog ihr meine Hand, als ich die Glocke über der Eingangstür hörte und schnell aufsprang, um diesem Gespräch zu entfliehen. Bevor ich jedoch den Verkaufsraum erreichte, hörte ich Katys Stimme hinter mir.
„Also gehst du hin?" Ich sah ihren hoffnungsvollen Blick, als ich mich zu ihr umdrehte.
„Nein." Enttäuschung breitete sich auf ihrem Gesicht aus und ich musste schlucken.
Eigentlich hatte sie recht. Ich ging nie aus. Mit ihr war ich ein paar Mal in diesem Club gewesen, aber nur, weil sie jede Diskussion gewann und äußerst hartnäckig blieb, auch wenn ich ihr schon dreißig Mal abgesagt hatte.
Aber dieser Kerl war...mysteriös. Er schien ein Geheimnis zu haben und leider hatte ich eine Schwäche: Ich war ziemlich neugierig und wollte hinter die Masken der Menschen schauen, ihr wirkliches Ich kennenlernen und nicht die Person, die sie vorgaben zu sein, um in dieser Welt nicht ausgegrenzt oder ausgenutzt zu werden.
Dieser Typ hatte eine dicke Maske auf, das hatte ich gemerkt. Er spielte ein Spiel. Und sehr zu meiner eigenen Verärgerung wollte ich wissen, was für ein Spiel er spielte.
„Na?" fragte Katy noch einmal und riss mich somit aus meinen Gedanken. Da ich nicht antwortete, sondern mich umdrehte und im Verkaufsraum verschwand, hörte ich sie kurz jubeln. Mir waren keine Argumente mehr eingefallen, nicht zu dieser eigenartigen Verabredung zu gehen, was für sie hieß, dass ich sie annehmen würde. Und damit hatte sie auch recht.
───•✧•───
Nach Feierabend zog ich das Haargummi aus meinen Haaren, warf mir die Jacke über den Arm und meine Tasche über die Schulter. Ich verließ das Café und kalte Luft schlug mir entgegen. Na gut, vielleicht sollte ich meine Jacke doch anziehen...
Als ich das erledigt hatte, lief ich zurück zu meiner Wohnung, da ich mich noch umziehen wollte, schließlich wollte ich nicht nach Kaffee und warmen Gebäck duftend in einem Club auftauchen.
Während ich mich zuhause nach dem Duschen neu schminkte, fragte ich mich, ob ich nicht zu alt für einen Club war. Andererseits war es der einzige hier in der Nähe. Und der Kerl war älter als ich...
Ich föhnte meine Haare und steckte sie mit einer Klammer hoch, ließ vorne aber ein paar Strähnen heraushängen, die mir leicht bis auf die Schultern fielen. Als ich in meinen Kleiderschrank sah, bekam ich einen kurzen Herzinfarkt, als ich nichts Passendes zum Anziehen fand. Ich hatte eigentlich nur Jeans, T-Shirts oder gemütliche Pullis, da ich wie schon einmal erwähnt nie ausging.
Seufzend tauchte ich noch einmal in dem Kleiderschrank ein und entdeckte ein schwarzes Kleid. Der Ausschnitt war ziemlich gewagt, aber ich hatte nichts anderes. So richtig wohl fühlte ich mich in dem Kleid nicht, stellte ich fest, als ich es angezogen hatte. Also suchte ich nach einem Tuch, was ich mir um den Hals wickeln konnte, aber als ich dann vor dem Spiegel stand, nahm ich das Tuch schnell wieder ab und warf es auf das Bett. Das ging ja gar nicht.
In meinem Nachttisch fand ich eine silberne Kette, die ich mir entschlossen um den Hals legte. Nicht perfekt, aber besser als gar nichts. Vielleicht würde sie seinen Blick von meinem Busen ablenken, hoffte ich und machte mir noch das passende Armband um. Jetzt sah ich zwar eher so aus, als ob ich zu einem feinen Abendessen gehen würde, aber es war besser als in Jeans und Schlabberpulli aufzukreuzen.
Die Schuhsuche war deutlich erfolgreicher, weil ich schwarze, hochhackige Schuhe besaß, da ich sie gerne anzog und sie peppten meinen sonst so schlichten Style wenigstens ein bisschen auf. In einer kleinen Handtasche nahm ich die wichtigsten Sachen mit und verließ mit gemischten Gefühlen die Wohnung. Meine Absätze klackten und hallten an den hohen Hauswänden wider, als ich den Weg zum Club einschlug.
Der Zeitpunkt „Nach Feierabend" war zwar schon lange vorbei, aber ich ging mal davon aus, dass er damit gerechnet hatte, dass ich mich noch frisch machen würde. Dass ich mich so herausputzen würde, hatte allerdings noch nicht mal ich selbst erwartet. Einen Häuserblock von dem Club entfernt, sah ich eine Gestalt an der Hauswand lehnen, einen Fuß lässig gegen die Hauswand gestellt. Als ich näher kam, erkannte ich, wer dort stand. Er. Meine Verabredung.
„Wow", kam es erstaunt über seine Lippen, als er mich im Licht der Straßenlaterne erkannte. Seine Augen musterten mich von Kopf bis Fuß und ich biss mir auf die Lippe, als ich seinen brennenden Blick auf meinem Busen spürte. Hatte ich das nicht schon erwartet...?
So gefällst du mir schon besser als mit Mehl im Gesicht", meinte er grinsend, bevor er einen Schritt auf mich zu ging. Empört schnappte ich nach Luft. „Erstens hatte ich kein Mehl im Gesicht und zweitens brauche ich dir gar nicht zu gefallen!", schnauzte ich ihn an.
„Oh, die Krallen ausfahren kannst du also auch... komm wir gehen." Und damit ließ er mich stehen und lief mit leichtem Schritt auf den Eingang des Clubs zu. Na das fing ja super an...
Resigniert folgte ich ihm und es wunderte mich irgendwie gar nicht, dass wir ganz ohne Probleme in den Club hereinkamen. Drinnen wummerten die Bässe, aber das störte mich nicht.
„Ich wusste, dass du kommst, Leyla", sagte er und blieb so abrupt stehen, dass ich mit dem Gesicht in seinen Rücken hineinlief. Schnell trat ich einen Schritt zurück und fing seinen lächelnden Blick auf.
„Du gehst ja ganz schön ran. Das gefällt mir", grinste er und ich funkelte ihn wütend an. Das konnte ja noch ein interessanter Abend werden, dachte ich mir, bevor mir plötzlich heiß und kalt zugleich wurde.
Woher kannte der Kerl meinen Namen?
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