𝟏𝟏. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 | Die dritte Aufgabe
Der Hunger brachte mich noch um. Zusammengekauert lag ich auf dem Bett, mein Magen knurrte und schmerzte. Meine Kehle war so ausgetrocknet, dass ich kaum noch schlucken konnte. Es war eine doofe Idee gewesen, die zweite Aufgabe zu verweigern. Jetzt bereute ich es es zutiefst. Aber jetzt ließ es sich nicht mehr ändern.
Ich rechnete damit, dass Julien auftauchen würde, um mir zu verkünden, was dieses Nachspiel sein würde, welches er mir angedroht hatte. Aber er kam nicht.
Stundenlang lag ich in diesem Bett, bis ich irgendwann vor Erschöpfung einschlief. Mein Körper hatte keine Energie mehr. Als ich wieder wach wurde, fehlte mir sogar die Kraft, mich umzudrehen. Egal was die nächste Aufgabe wäre, ich würde sie machen. Ich musste bei Kräften bleiben, um hier irgendwie wieder rauszukommen. Ich wollte leben, nicht hier sterben.
Mein Kampfgeist war zurückgekehrt, ob das gut oder schlecht war, wusste ich nicht. Ich wusste gar nichts mehr, ich wartete nur darauf, dass Julien wiederkommen würde. Aber er ließ sich Zeit.
Als ich beinahe schon verrückt geworden war vom langen Warten, öffnete sich endlich die Tür und er kam herein. Ich sah ihn nicht, ich lag mit dem Gesicht zur Wand, hörte aber seine Schritte näher kommen.
„Na, bereust du es?", wollte er wissen, als er an dem Bett angekommen war. Ich gab keine Antwort und rührte mich auch nicht. Seufzend packte er mich an der Schulter und drehte mich auf den Rücken, sodass ich ihn anschauen musste. Er hatte eine große Schere in der Hand. Gar nicht gut.
„Also, ich schlage dir einen Deal vor. Du machst die dritte Aufgabe, ohne mir zu widersprechen und ich vergesse das, was ich mit dieser Schere vorhabe." Er hielt die Schere hoch und ich willigte sofort ein. Das schien seine Laune merklich zu bessern, da er anfing zu grinsen und direkt freundlicher aussah.
Wenn man außer Acht ließ, dass er mich hier festhielt, sah er gar nicht so schlecht aus mit den Grübchen, die sich bildeten, wenn er lächelte. Aber seine Augen wirkten kalt und gefährlich, was mich wieder auf den Boden der Tatsachen beförderte.
„Die dritte Aufgabe ist eigentlich ganz schön. Für dich. Du darf in der Badewanne baden, dann fühlst du dich bestimmt schon besser." Er klang richtig besorgt auf einmal und ich fand die Idee ausnahmsweise gar nicht mal so schlecht, da ich wirklich stank und mich ekelig fühlte.
Meine fettigen Haare müssten auch mal gewaschen werden, ich wollte mich nicht für ihn hübsch machen, sondern für mich. Dann fühlte ich mich stärker und selbstbewusster.
„Und wo ist der Haken?" Ich erkannte meine Stimme kaum wieder, als ich ihm diese wichtige Frage stellte. Wahrscheinlich wollte er mir beim Baden zugucken. Meinen nackten Körper sehen. Mir wurde bei diesem Gedanken schlecht.
„Ich werde dann später dazukommen und dir deine Haare waschen." Okaaay, der hatte wirklich ein Rad ab. Er wollte mir die Haare waschen?! War das wirklich sein Ernst? Mit offenem Mund sah ich ihn an.
„Ich bin nicht immer ein grausames Monster, falls du das denkst." Er tippte sich mit zwei Fingern an eine imaginäre Mütze und ich musste anfangen zu lachen. Das verwunderte ihn und er runzelte die Stirn.
„Also, machst du die Aufgabe? Wenn nicht, weißt du ja..." Er wackelte mit der Schere herum und ich nickte schnell.
„Ja, ich mache diese Aufgabe. Kriege ich dann auch etwas zu Essen und zu Trinken?"
„Natürlich."
Damit hatten wir alles geklärt und er schloss die Kette auf, mit der er mich an das Bett gefesselt hatte. Ich rieb mir mein wundes Handgelenk und er stütze mich am Oberarm, während er mit mir zu dem kleinen Badezimmer lief.
Er öffnete die Tür und ließ Wasser in die Badewanne laufen. Ich stand daneben und sah ihm dabei zu. Kurz fiel mein Blick auf die Toilette und ich beschloss, sie zu benutzen, wenn er gegangen war.
Das Plätschern des Wassers beruhigte mich und er kippte sogar irgendwas hinein, sodass auf der Wasseroberfläche viel Schaum entstand.
„Leg deine Sachen einfach neben die Badewanne. Ich werde sie dann später waschen und du bekommst auch ein frisch bezogenes Bett."
Halleluja, was war denn mit dem los? War er immer so nett, wenn man seine Spielchen mitspielte?
„Ich lasse dich dann jetzt alleine. Ruf nach mir, wenn du so weit bist." Ich nickte und er verließ den Raum, schloss sogar die Tür hinter sich.
Ich wusste, dass er hinter der Tür wartete und zuhörte, was ich machte. Und darauf achtete, dass ich diesen Raum nicht verließ.
Ich entleerte als erstes meine Blase, dann zog ich mich schnell aus. Ich fühlte mich beobachtet, so als ob hier irgendwo eine Kamera hängen würde, mit der er mich beobachtete.
Aber in den Ecken konnte ich nichts erkennen. Trotzdem fühlte ich mich erst wieder besser, als ich mich in die Wanne legte.
Das warme Wasser umspülte meinen Körper und ich schloss meine Augen. Das tat wirklich gut. In meiner Reichweite entdeckte ich einen sauberen Schwamm und schrubbte damit meinen Körper ab.
Die Stelle an meinem Handgelenk brannte, weil die Haut dort an einigen Stellen offen war. Aber sonst tat mir in diesem Augenblick nichts weh, selbst der Hunger war ein bisschen vergessen.
Einmal tauchte ich unter Wasser. Die Stille umfing mich und ich fühlte mich schwerelos. Eigentlich dumm von Julien, mich hier alleine zu lassen.
Schließlich könnte ich hier drinnen ertrinken. Aber scheinbar schien er zu wissen, dass ich mich nicht umbringen wollte. Zumindest noch nicht.
Prustend tauchte ich wieder auf und beschloss, dass es an der Zeit war, die dritte Aufgabe hinter mich zu bringen. Ich achtete darauf, dass genug Schaum über meinen intimen Stellen war, bis ich laut verkündete, dass ich fertig wäre.
Prompt wurde die Tür geöffnet und Julien erschien. Er hatte sich die dicke Jacke ausgezogen. Darunter trug er nur ein weißes, armloses Shirt, was seine Muskeln ziemlich gut betonte. Aber nicht nur seine Muskeln waren deutlich zu sehen, sondern auch seine zahlreichen Tätowierungen.
Jetzt konnte ich sie das erste Mal aus der Nähe betrachten. Irgendwie faszinierten mich die vielen kleinen Bilder, die seinen gesamten Körper zu einem einzigen Kunstwerk werden ließen.
Mir war vorher gar nicht aufgefallen, wie muskulös seine Oberarme waren und auch seine Schultern. Andererseits hatte ich seine Arme auch noch nie so lange anschauen können.
Und trotz seiner Muskeln war er ein Idiot.
Dieser Idiot setzte sich hinter mich auf einen Hocker, der wohl dort stand und ich schluckte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich zweifelte daran, ob diese Aufgabe wirklich so harmlos war, wie sie sich anhörte. Vorsichtshalber legte ich einen Arm über meine Brüste, auch wenn sie sich einigermaßen tief im Wasser befanden.
„Keine Angst, genieß es einfach." Fast hätte ich aufgeschnaubt. Wie sollte ich denn hier etwas genießen?
Plötzlich spürte ich seine Finger in meinen Haaren und wie er vorsichtig versuchte, sie zu entwirren. Ich war an den Rand der Wanne angelehnt und da ich lange Haare hatte, kam er an die Spitzen nicht dran, da sie zwischen meinem Rücken und dem Wannenrand eingeklemmt waren.
Ich beugte mich vor und zog die Knie an, sodass mein Rücken aus dem Wasser ragte. Ich fühlte mich sehr nackt, redete mir aber ein, dass er nichts sehen würde, da er ja nur meinen Rücken zu sehen bekam und ja auch noch genug Schaum vorhanden war.
Er bedankte sich sogar, weil er leichter die Knoten entwirren konnte. Ich rechnete in jeder Sekunde damit, seine Hand plötzlich an einer anderen Stelle zu spüren, aber das geschah nicht.
Wie es abgemacht war, wusch er mir nur die Haare. Als er sie mit Shampoo einschäumte, schloss ich meine Augen, da er mir gleichzeitig die angespannte Kopfhaut massierte.
Das passte so gar nicht zu dem Bild, was ich mir von ihm gemacht hatte. Jetzt war er wieder der Mann, der mich am Anfang so fasziniert hatte, zu dem ich mich hingezogen gefühlt hatte.
Aber ich beschloss, mich nicht blenden zu lassen. Schließlich hatte er mir nichts zu Essen und zu Trinken gegeben gestern. Ein bisschen umständlich entfernte er den Schaum aus meinen Haaren und reichte mir denn ein Handtuch, was ich mir darum wickeln konnte.
Ich warte damit aber, bis er sich umgedreht hatte, nicht dass er etwas zu viel von meinem entblößten Körper sehen konnte.
Ein weißer Bademantel hing neben der Tür und er hob meine dreckigen Sachen auf.
Außerdem konnte ich sogar ein Paar Flip-Flops neben der Wanne erkennen.
Er schien an alles gedacht zu haben. Aber ich würde diese Wanne garantiert nicht verlassen, wenn er daneben stand.
„Ich bin drüben, komm raus, wenn du hier fertig bist." Mit der Hand deute er auf eine Bürste, die neben dem Waschbecken lag. Das alles war mir gar nicht aufgefallen, als ich das Bad betreten hatte. Ich nickte und er verschwand und machte die Tür wieder hinter sich zu.
Erleichtert atmete ich auf. Diese Aufgabe war wirklich nicht allzu schlimm gewesen und ich fragte mich, warum er sie gestellt hatte. Leicht verwirrt kletterte ich aus der Wanne, trocknete mich ab und schlüpfte in den Bademantel. Er war schön weich, flauschig und wärmte mich.
Mit den Füßen in den Flip-Flops schlappte ich zu dem Waschbecken, kämmte mir die Haare noch einmal selbst und betrachtete mein Spiegelbild.
Ich sah nicht mehr ganz so schrecklich aus wie vorher, aber gut immer noch nicht. Die Stelle an der Wange, an der ich mich geschlagen hatte, war gerötet und hatte einen bläulichen Schimmer, außerdem waren meine Wangen viel zu blass, die Augenringe dafür viel zu stark.
Seufzend verließ ich das Badezimmer und sah Julien dabei zu, wie er mir das Bett frisch bezog. Er schien wirklich sein Wort zu halten, das konnte gut und schlecht sein.
Als er fertig war, knubbelte er die Bettwäsche zusammen und klemmte sie sich unter den Arm. Dann hob er mit der freien Hand meine dreckigen Klamotten auf und bedeutete mir mit dem Kopf, dass ich mich auf das Bett setzen sollte.
„Essen kommt gleich." Mit diesen Worten verschwand er und ich war wieder alleine. Und sehr zu meiner Freude stellte ich fest, dass ich nicht gefesselt war.
Ich könnte zu der Tür gehen, durch die er verschwunden war und versuchen, ihn zu überwältigen. Adrenalin schoss durch meinen Körper, verflog aber schnell wieder, da ich mich kraftlos auf das Bett fallen ließ. Ich war einfach zu schwach.
Er müsste nur mit dem Finger schnippen und ich würde rückwärts umfallen. Das wusste er.
Wahrscheinlich wollte er auch austesten, wie weit ich gehen würde und wie sehr er mit vertrauen konnte. Es war keine dumme Idee, zu versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen. Dann würde ich vermutlich schneller hier rauskommen, als wenn ich gegen ihn rebellierte.
Julien fand mich immer noch auf dem Bett sitzend wieder, als er mein Gefängnis wieder betrat. Das Essen war auf dem Tablett gestapelt und mir lief das Wasser im Mund zusammen.
„Als Belohnung sozusagen." Seine Augen blitzen amüsiert auf, als er meinen gierigen Blick auffing.
Noch bevor er das Tablett neben mich auf das Bett stellen konnte, hatte ich mir schon ein Brötchen gekrallt und biss herzhaft einen großen Bissen davon ab. Herrlich.
Einerseits freute ich mich, dass er mich heute gut behandelte, andererseits machte es mich auch skeptisch. Er war schon fast zu nett. Aber andererseits, er studierte Psychologie und testete hier aus, wie Menschen auf bestimmten Situationen reagierten.
Ich verschluckte mich an meinem Brötchen. Woher wusste ich das auf einmal?
„Ist was?" Aufmerksam sah Julien mich an, aber ich schüttelte schnell mit dem Kopf. Das schien er zu glauben, da er mich wieder alleine ließ. Mein Puls schoss in die Höhe.
Endlich konnte ich mich wieder an etwas erinnern.
Der Damm schien langsam zu brechen.
Mit Juliens Hilfe, so wie er versprochen hatte.
Dennoch schwor ich mir, ihm nie zu sagen, wenn ich mich an etwas erinnerte. Das würde immer mein Geheimnis bleiben. Ich spülte das Stück Brötchen mit Wasser hinunter, welches mir im Hals stecken geblieben war.
Ich war zuversichtlich und fühlte mich gut. Er hatte mich nicht mehr gefesselt. Er hielt seine Versprechen, schließlich hatte er mir versprochen, dass ich mich eines Tages hier frei bewegen dürfte. Dieser Tag war heute gekommen.
Aber wird er auch sein Versprechen halten, dass ich diesen Raum nicht mehr lebend verlasse?
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