Kapitel 17
Minho Pov:
Es war nun viel Zeit vergangen und lange dürfte es nicht mehr dauern, bis Jisung seine Antwort vom JYP Entertainment erhalten sollte. Ob negativ oder positiv wussten wir nicht. Es war wieder einer dieser Nachmittage, in welchen Jisung Nachmittags mit zu mir nach Hause gekommen war, einfach nur, um in Ruhe kuscheln zu können.
Meine Mom störte das nicht großartig, da sie Jisung bereits bei der ersten Begegnung in ihr Herz geschlossen hatte und mich seitdem jeden Tag fragte, wie es doch meinem ,,Freund" ginge. Ganz besonders betonte sie jedesmal das Wort ,,Freund".
Langsam fuhr ich immer wieder mit meinen Fingern durch Jisungs Haare, während dieser ein paar Lyrics auf seine Seiten schrieb und seinen Kopf auf meinem Schoß platziert hatte. Ab und zu kaute er nachdenklich auf seinem Stift herum, ehe seine Hand wieder, fast wie magisch, über das Papier schwebte und ein paar Lyrics niederschrieb.
Auch diesmal waren diese nicht weniger von Bedeutung, als die anderen. Mir war schon oft aufgefallen, dass Jisungs Lyrics nie einfach so da standen. Sie erzählten immer eine Geschichte, meist eher eine traurige, basierend auf die harte Realität voller Problemen und Gedanken.
Ich bewunderte seine Kreativität und Art zu schreiben, doch zeitgleich beängstigte es mich auch ein wenig, zu wissen, dass sein hübscher Kopf oft solch traurige Geschichten und Lieder niederschreiben konnte. Sowas schrieb man nicht mal eben. Ich hatte das starke Gefühl, dass Jisung einen großen Teil seiner eigenen Gefühle in diese Zeilen brachte. Er erzählte ein wenig seine eigene Geschichte, um dem Gewirr in seinem Kopf entkommen zu können, oder eben dieses ein wenig zu ordnen.
Mir entging nie, wie ab und zu seine Gesichtszüge etwas entgleisten, selbst obwohl er versuchte diese unter Kontrolle zu halten. Und ich bewunderte ihn für diese Stärke, aber es besorgte mich zu wissen, dass ihn offenbar etwas sehr schwer auf der Seele lag, von dem er nie berichtete.
Auch jetzt laß ich die Lyrics mit, an welchen er seit knapp einer Stunde schrieb. Ich hatte mir es schon zu Angewohnheit gemacht, einfach mitzulesen und er schien nichts dagegen zu haben, da er wusste, wie sehr ich seine Arbeit zu schätzen wusste. Auch wusste er, dass ich mich durchaus geehrt fühlte, jedes mal, wenn ich einer der ersten sein durfte, der seine Lieder zu sehen bekam. Er wusste, dass ich sie verstand und auch über den Rand hinaus laß.
Er hatte dem Song sogar schon einen Titel gegeben, obwohl er nicht mal vollständig mit den Lyrics fertig war.
3rd Eye
Ich laß mir die Lyrics Stück für Stück durch und wurde mit jedem Wort beunruhigter. Hinter diesen Worten steckte so viel Gefühl, so viel Verständnis für die Situation und so viel Schmerz, dass es mir schon fast wehtat.
,,Ji?" fragte ich ihn leise, um die beruhigende Stimmung nicht zu ruinieren. Der kleinere in meinen Armen antwortete mit einem leicht melodischen Summen.
,,Was siehst du, wenn du in den Spiegel siehst?"
Die Hand, welche vorher so seicht über das Blatt geflogen war, stoppte abrupt. ,,Wie meinst du das?" ,,Was siehst du, wenn du in den Spiegel siehst, Jisung?" ,,Ich sehe mich." ,,Sicher?"
,,Jedenfalls dass, was ich mal war."
,,I just wish I could see me." Laß ich leise die Lyrics von seinem Papier und unterstützte diese mit einer leichten Melodie.
Jisung verschränkte seine Hand vorsichtig mit meiner. ,,Erinnerst du dich daran, wer du mal warst? Wer du warst, bevor die Welt dir sagte, wer du sein sollst?" Fragte er mich leise.
Seufzend rutschte der kleinere mehr in meine Rückenumarmung, in welche wir im laufe der Zeit gerutscht waren.
,,Wann zeigst du mir endlich, was in deinem Kopf vor sich geht?" Flüsterte ich ihm leise ins Ohr. ,,Vermutlich nie, Minho." Antwortete er mir leise, mit geschlossenen Augen. ,,Du wärst zu überfordert von dem inneren, als das du damit klar kommen könntest. Ich komme ja selbst nicht einmal mit." Grinste er leicht.
,,Ich möchte es nur verstehen. Dich verstehen. Du bist mir ein einzelnes Mysterium, Jisung." Ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen. ,,Alles, was du verstehen musst, ist, dass du nicht immer auf deine Augen vertrauen solltest. Sie können dir einen wunderschönen Regenbogen zeigen, doch wenn du näher heran gehst, gibt es nurnoch dich und den Regen."
Ich sah zu dem jüngeren in meinen Armen hinab.
,,Ich mag den Regen."
,,Nicht meinen." Antwortete er mir und verschränkte unsere Hände ineinander. ,,Egal wie einfach ich im Äußeren erscheine, umso chaotischer ist mein inneres. Ich habe mit den Jahren gelernt, dass dir das keiner abnimmt."
,,Und das meinst du damit, wenn du sagst, dass das was du siehst, nicht du bist?" Fragte ich ihn aufmerksam. ,,Das was ich im äußeren habe, ist ein Gegensatz zu meinen Gedanken, meinen Gefühlen und meinen Erfahrungen." ,,Ich fürchte, ich verstehe das nicht." Gab ich zu.
,,The mask I put on today..." Summte er leise den Teil eines Liedes, welches er schon vor einiger Zeit geschrieben hatte.
,,Das was du im äußeren trägst, spiegelt nicht dein inneres wieder, wie eine Maske, die du trägst?" Versuchte ich ihn zu lesen.
Er kicherte leise. ,,So ähnlich. Es ist nicht so, dass mein Lachen, mein Lächeln oder meine Freude nicht echt ist." ,,Aber?"
,,Aber ein Mensch kann noch so glücklich sein und dennoch tief im inneren eine unendliche Traurigkeit besitzen."
Ich spürte, wie Jisung sich leicht in meine Umarmung schmiegte und schlang meine Arme noch etwas fester um seine Taille. ,,Das tut mir Leid." Brachte ich ungeschickt heraus. ,,Muss es nicht. Ich habe gelernt damit zu leben. Einigermaßen."
,,Du musst das jemandem erzählen, Ji. Außer mir. Du kannst das nicht alles mit dir rumtragen." Der Kleine schüttelte den Kopf. ,,Nein. Meine Probleme sind meine Probleme. Die haben bei niemand anderen etwas verloren. Ich kann von den anderen nicht erwarten meine Lasten zu tragen. Es sind meine Probleme und mit diesen muss ich klar kommen und kein anderer."
Leise lachte er auf. ,,Also fühl dich geehrt. Du bist der erste, der mich darauf angesprochen hat, der erste, der es erkannt hat und der erste, dem ich gestehe, dass ich ein wenig gebrochen bin."
,,Ich bin der erste?" Er nickte sanft. ,,Wieso?" Leise seufzte der schwarzhaarige, ehe der die Augen langsam wieder öffnete. ,,Es wird dir vielleicht schwer fallen, mir zu folgen, in diesem Punkt. Weißt du, mein Vertrauen ist nicht grade das beste. Natürlich vertraue ich meinen Freunden. Ihr seid wie eine Familie für mich. Aber zeitgleich...kann ich euch einfach nicht alles zumuten, was in meinem Leben vorgeht. Ich hatte wegen so etwas schon viel zu oft ins Fettnäpfchen getreten. Ich hab es mir zur Angewohnheit gemacht, dass die einzige Person der ich zu hundert Prozent trauen kann, ich selbst bin. Und niemand anderes."
Beruhigend spielte ich mit Jisungs Fingern. ,,Und deswegen zeigst du in unserer Gegenwart nie deine Trauer oder deinen Schmerz?" Fragte ich ihn und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Schläfe, um ihm zu zeigen, dass ich ihm nicht böse war und dass ich ihn verstand.
,,Unter anderem. Aber ich hab es mir irgendwann auch selbst verboten." ,,Warum?" ,,Spätestens dann, als es einfach nicht mehr ging und ich schon wieder in meinem Zimmer in Tränen ausgebrochen war. Ich hab mir verboten zu weinen. Es würde an der Gesamtsituation doch eh nichts ändern."
,,Tränen sind dafür da, um den Schmerz herauszuspülen. Bist du dir sicher, dass das zurückhalten die weiseste Entscheidung ist?" Fragte ich ihn leise. Jisung verzog das Gesicht. Es sind die seltenen Augenblicke, in welchen Jisungs Augen diesen schmerzhaften Schimmer bekamen.
,,Weißt du, Minho. Ich hab mittlerweile schon so lange nicht mehr geweint...ich weiß gar nicht mehr, ob ich das überhaupt noch kann."
,,Das ist...grausam..." Murmelte ich leise. Doch auf Jisungs Lippen breitete sich langsam ein Lächeln aus. ,,Ist es nicht." Daraufhin sah er aus warmen Augen zu mir hoch.
,,Denn so langsam sehe ich immer mehr mich. Ich fange wieder an jemandem zu vertrauen. Ich fange an wieder zu sehen, wer ich mal war. Ich denke, langsam aber sicher heile ich."
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