22. Kapitel ✔
Sophie hatte gelogen, sie hatte weder mit Abby telefoniert noch irgendwelche anderen Informationen von ihr bekommen. Ich war wirklich so leichtgläubig gewesen und habe gedacht, dass Abby es ihr wirklich erzählt hatte. Ich würde ihr bei Gelegenheit erklären müssen, warum ich so abweisend zu ihr war. Wenn es dafür nicht zu spät wäre... Ich hatte sie einfach so von mir gestoßen. Eigentlich hatte ich gedacht, ich hätte aus meinen Fehlern gelernt. Trotzdem hatte ich Sophie einfach so vertraut, ohne weiter darüber nachzudenken.
Aber die eigentliche Frage war doch, woher Sophie es dann gewusst hatte...
Sie hatte in meinem Ranzen herumgewühlt, bis sie den Brief gefunden hatte, den ich an Lou geschrieben hatte. Ich hatte dort alles hineingeschrieben, was mich bedrückte. Genauso, wie meine ganzen Schuldgefühle und genau das hatte Sophie charmlos ausgenutzt. Sie hatte eine Chance von 50 % gehabt, dass ich Abby von Lou erzählt hatte und sie hatte Glück gehabt. Letztendlich verstand ich trotzdem nicht, warum sie es nicht dabei hatte belassen wollen, dass sie es von Abby erfahren hatte, schließlich war es ja anscheinend ihr Ziel gewesen uns auseinander zu bringen. Genauso wie, das Projekt abzubrechen, weshalb wir nun eine Sechs in Ethik bekommen hatten. Weshalb ich nun Schuldgefühle empfand.
Ich ging in den Raum, in dem ich nun Unterricht hatte.
Nachdem ich ganze 90 Minuten nur auf meinem Stuhl gesessen hatte und den Lehrervortrag nicht richtig folgen konnte, da ich mit meinen Gedanken wo ganz anders gewesen war, erhob ich mich von meinem Stuhl und ging in die Pause.
Ich schlenderte durch das Schulhaus, bis ich es schließlich durch den Haupteingang verließ, um in den Hof zu gehen.
Sofort fiel mein Blick wieder auf Abby. Sie stand neben ihren anderen drei Freunden und versuchte verzweifelt ihre langen Haare zu bändigen. Allerdings gelang ihr das nicht wirklich. Am liebsten würde ich ihr helfen. Als hätte sie meine Gedanken gelesen hielt sie inne und sah mich an. Doch als ich meinen Blick hob, um in ihre schönen Augen zu schauen, drehte sie sich weg. Geräuschvoll stieß ich die angehaltene Luft aus.
Ich spürte wie sich eine Hand auf meine Schulter legte und versteift mich etwas. Das ekelhaft aufdringliche Parfüm stieg mir in die Nase.
"Nimm deine Hand da weg, wir sind kein Paar mehr und waren es auch nie wirklich.", sagte ich und biss so fest die Zähne aufeinander, dass sie knirschten.
"Oh, das ist aber gar nicht nett von dir Pierce. Aber ich verzeihe dir, jeder hat mal schlechte Laune, nicht wahr?", sagte sie und lächelte mich katzenhaft an. Sie dachte ich würde darauf reagieren, doch dafür kannte sie mich zu schlecht.
"Du bist mir noch etwas schuldig.", flüsterte sie mir ins Ohr und leckte sich mit der Zunge über ihre roten Lippen.
Ich zog eine Augenbraue hoch und musterte sie spöttisch. Eine Antwort würde sie von mir nicht bekommen. Ich würde sie nicht küssen. Schon gar nicht, wenn das Risiko bestand, dass Abby es sehen könnte. Ich wusste, es würde sie verletzen, auch wenn dieser Kuss für mich keinerlei Bedeutung hätte. Sie würde es nicht wissen, genauso wenig, wie den Hintergrund.
Plötzlich stellte Sophie sich dicht vor mich.
Ehe ich bemerken konnte, was sie vorhatte, legte sie ihre Hand an mein Gesicht und zog es zu sich hinunter. Sie presste ihre mit knallroten
Lippen auf meine.
Ich war so überrumpelt, dass ich es zunächst zuließ. Ich spürte einen brennenden Blick auf mir. Sophie löste sich von meinen Lippen und strich mir mit ihren langen Fingernägeln über die Wange. Sie lächelte mich an.
"Jetzt zieh nicht so ein Gesicht, ich weiß, dass es dir gefallen hat." Sie wusste so einiges, was nicht stimmte.
Schließlich ging sie zu ihrer Gang zurück.
Am liebsten würde ich sie an den Haaren zurückzerren, ihre Extensions verausreisen und ihr klarmachen, was ich von ihr hielt.
Doch das war es nicht, was mir am wichtigsten schien, es war Abby. Ich drehte mich zu ihr.
Fassungslos schaute sie mich an und ich sah, wie sie mit dem Kopf schüttelte.
Sie hatte nicht sehen können, dass der Kuss nicht von mir ausgegangen war und ich ihn auch nicht erwidert hatte.
Am liebsten würde ich zu ihr hinrennen, sie in den Arm nehmen, küssen und sagen, dass sie diejenige war, die ich so sehr liebte, dass es weh tat. Ich wollte ihr erklären, warum Sophie mich geküsst hatte. Doch bevor ich überhaupt die Chance dazu bekam, verschwand sie in dem Gewusel der anderen Schüler, die sich am Eingang der Schule tummelten und nur darauf warteten wieder hineinzukommen, da es ziemlich kalt war.
Ich kniff die Augen zusammen, ich hatte es endgültig verbockt.
"Du hast da noch Lippenstift. Soll ich ihn dir wegmachen Bab?", vernahm ich Sophie's nervige Stimme neben mir.
Ich knurrte wütend und sah sie mit einem Blick an, der töten könnte. Etwas verängstigt wich sie zurück. Sie konnte froh sein, dass ich nicht mehr der Typ von früher war, der sich nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Gereizt wischte ich mir den roten Lippenstift weg.
Wütend ging ich zurück ins Schulgebäude, wo ich die nächste Stunde wahrscheinlich wieder über dieses wunderschöne Mädchen nachdenken würde, was mir den Kopf verdreht hatte. Ich musste ihr unbedingt erklären, was es mit Sophie auf sich hatte, bevor ich ging.
Pov. Abby
Sie hatten sich geküsst. Er hat sich vor meinen Augen getraut, Sophie zu küssen. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Heute früh erzählt er mir, dass er nicht zum Früher zurückkehren will und schaut mich an, als würde er mich lieben. Jetzt knutschte er mit Sophie rum, weil ich es nicht gewollt hatte. Ich war ihm nicht gut genug und nicht zu wichtig um für mich zu kämpfen.
Etwas war in mir zerrissen, als ich die beiden dort zusammen stehen gesehen hatte. Es war mein Herz gewesen, dass einen neuen Bruch bekommen hatte. Ich hatte es beschützen wollen, doch nicht geschafft. Es hätte nie so weit gehen dürfen mit Pierce und mir. Niemals hätte ich diese Gefühle zulassen dürfen, es war leichtsinnig und dumm gewesen.
Aber es war besser so, ich hatte selbst gesagt, ich hatte keine Lust mehr auf seine Spielchen und das hatte ich auch nicht.
Wir passten nicht zueinander, jeder von uns schleppte ein viel zu großes Päckchen mit sich herum. Bei der kleinsten falsche Bewegung würden sie ins Wanken geraten und wir müssten den Inhalt wieder aufsammeln.
Inzwischen war mir klar geworden, warum ich Pierce überhaupt so interessant gefunden hatte.
Für mich war ein Junge wie Pierce immer Tabu gewesen. Ein Typ mit Tattoos wie er sie hatte. Ein Freigeist, der versuchte alle Regeln zu brechen und seine eigenen aufzustellen. Der seine Meinung vertrat und sagte, wenn ihm etwas nicht schmeckte.
Genau das war es gewesen, was mein Vater immer so sehr verachtet hatte. Jemand der klug war und seine verbotenen Geschäfte hätte aufdecken können.
Dennoch konnte ich nicht verneinen, dass ich nicht nur wegen diesem Fakt Gefühle für ihn entwickelt hatte. Es war die Tatsache gewesen, dass er für mich da gewesen war, mir zugehört, mich verstanden und Trost gespendet hat. Er hat sich für mich interessiert, zumindest hatte ich den Eindruck gehabt. Um so schmerzhafter war es zu wissen, dass nur ich diese Gefühle entwickelt hatte. Ich hatte sie niemals zulassen wollen, doch aufhalten konnte ich sie nicht. Sie waren über mir zusammengebrochen und von Beginn an hatte ich gewusst, dass es nicht gut ausgehen würde. Ich wusste von Anfang an, dass ich in diesem Spiel der Verlierer sein würde.
Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare. Ich vermisste ihn, weil ich ihn liebte. Weil er dieses Feuer in mir entfachte und mir aus dem Nichts ein echtes Lächeln auf die Lippen zaubern konnte. Doch mit diesem hin und her kam ich nicht zurecht. Wir drehten uns im Kreis und kamen nicht davon ab. Ich wusste, dass daran auch ich schuld war.
Aber es wäre besser loszulassen, als immer und immer wieder enttäuscht und verletzt zu werden. Doch niemand redete davon, dass es einfacher wäre...
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