Kapitel 12
An diesem Abend roch es im Hausflur nicht nach Alkohol sondern nach Kürbis. Manuel ertappte sich dabei, kurz stehen zu bleiben und sehnsüchtig einzuatmen.
Die Vorstellung, dass Patrick für ihn gekocht hatte, war zu schön um wahr zu sein.
Ein paar Momente verweilte Manuel auf der Treppe, bevor er sich zum Weitergehen zwingen konnte. Stufe um Stufe stieg er hoch und mit jedem weiteren Schritt wuchs das Gefühlschaos in ihm.
Vor seiner Wohnung traf er seine Nachbarin; die, die immer alles sah und hörte.
"Hallo Manuel." Sagte sie. Er nickte ihr zu und strich sich die feuchten Haare aus der Stirn. Nachdem auf der Arbeit ein Malheur passiert war, das im wahrsten Sinne des Wortes Scheiße gewesen war, hatte er sich direkt vor Ort kurz abgeduscht. Die langen Haare waren immer noch nicht ganz trocken.
"Guten Abend." Er lächelte müde und überlegte zugleich, ob er wohl vergessen hatte seine Zeitung reinzutragen oder schmutzige Abdrücke im Treppenhaus hinterlassen hatte. Ein anderer Grund, warum sie ihn hier abpasste, wollte ihm beim besten Willen nicht einfallen.
"Ihr neuer Mitbewohner, wer ist das?" Wollte sie argwöhnisch wissen. Manuel unterdrückte ein Seufzen und versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was zum Thema Untermieter und Mitbewohner im Mietvertrag stand.
"Er ist nicht mein Mitbewohner, sondern nur ein alter Freund, der ein paar Tage zu Besuch ist." Versuchte er sich dann aus der Situation in eine rechtliche Grauzone zu retten. Die alte Dame rümpfte die Nase. "Wie dem auch sei, er ist ziemlich oft betrunken."
"Er macht grad eine schwierige Zeit durch." Antwortete Manuel und ärgerte sich gleichzeitig über sich, seine Nachbarin und Patrick. "War es das?" Fragte er, etwas schnippischer als nötig. Sie nickte und trippelte zurück in ihre Wohnung.
Manuel stand noch einige Sekunden lang da, dann ging er zu seiner eigenen Tür und klopfte angespannt dagegen.
"Patrick?" Fragte er und kramte zugleich in seiner Hosentasche. Falls Patrick wieder so betrunken war, wie am Vortag, dann würde er schneller den Schlüssel finden, als Patrick zur Tür.
Die Tür öffnet sich gerade, als Manuels Finger sich um den Schlüssel schlossen. Ihm gegenüber stand Patrick.
Patrick sah gut aus. Sein Blick war klar und seine Haare waren ordentlich. Er schien geduscht zu haben und trug ein sauberes T-Shirt. Patrick roch nicht nach Alkohol und als er sprach, lallte er nicht.
"Hallo Manu." Er trat zur Seite, so dass Manuel in die Wohnung kommen konnte. "Hallo Patrick."
Patrick lächelte unsicher. "Ich habe gekocht. Möchtest du dich aufs Sofa setzen? Es gibt gebratenen Kürbis." Manuels Lieblingsessen. Aber heute hatte er keinen Hunger darauf. Er wollte sich auch nicht aufs Sofa setzen.
"Ich hab schon Doctor House startklar gemacht. Du musst dich nur noch hinsetzen und dann geht es los." Manuel biss sich auf die Unterlippe und sah zu Patrick. Der hatte sich mal wieder Mühe für ihn gegeben. Manuel fühlte sich gerade nicht in der Lage, das zu würdigen.
"Kann ich vorher noch kurz pinkeln gehen?" Fragte er, um keine Antwort geben zu müssen. Patrick nickte hastig und Manuel floh mühsam beherrscht ins Bad. Er schloss die Tür hinter sich ab und tastete sich zum Waschbecken, um sich daran fest zu halten.
Jetzt sollte plötzlich alles wieder gut zwischen ihnen sein. Patrick war nicht betrunken und er versuchte gerade, alles wieder gut zu machen. Manuel wusste, dass jetzt wirklich der falsche Zeitpunkt war, um sauer zu sein, doch er war sauer.
Sauer auf Patrick, sauer auf sich selbst, sauer auf die ganze Welt. Und warum war er sauer? Das wusste er selbst nicht genau. Manuel wusste nur, dass er sich nicht in der Lage fühlt, da jetzt raus zu gehen und auf heile Welt zu machen.
Er wusste mittlerweile, dass das nicht die Realität war. Bereits wenn er aus dem Bad raus kam und sich Patrick stellte oder morgen früh, konnte sein bester Freund wieder an der Flasche hängen. Vielleicht war es auch erst morgen Abend oder übermorgen soweit, aber es würde mit Sicherheit wieder passieren.
"Manu? Ist alles in Ordnung?" Ein zaghaftes Klopfen an der Tür ließ Manuel aus seinen Gedanken aufschrecken. Ein Blick zur Uhr und er wusste, dass Patricks Sorgen begründet waren.
"Alles in Ordnung." Gab er zurück und übte im Spiegel kurz ein möglichst überzeugendes Lächeln, bevor er zur Tür ging und diese wieder aufschloss.
In der Wohnung roch es nach Kürbis und Kaffee.
"Na komm." Patrick legte ihm die Hand auf den Rücken und führte ihn ins Wohnzimmer. Auf dem kleinen Tisch vor der Couch standen bereits zwei Teller und eine dampfende Tasse Kaffee.
Manuel setzte sich brav hin und wartete darauf, dass Patrick sich neben ihn setzte und den Fernseher startete.
"Na? Wie war die Arbeit?" Startete Patrick ein unverfängliches Gesprächsthema. Manuel zuckte mit den Schultern und sah nicht zu ihm. "Beschissen, im wahrsten Sinne des Wortes. Ansonsten war es ganz okay. Wie war dein Tag?"
"Auch ganz gut." Sagte Patrick leise und lehnte sich an Manuel. Der fand das nicht so angenehm, ließ es aber zu. "Und wie geht es dir?"
Manuel schwieg lange, bevor er mit den Schultern zuckte und Patrick damit von sich schubste.
"Meinetwegen?" Fragte Patrick leise weiter. Manuel zuckte erneut mit den Schultern und weigerte, sich zu seinem Freund zu gucken.
"Du..." Patrick seufzte leise und setzte sich bequemer hin. "Ich hab mich die letzten Tage echt asozial dir gegenüber verhalten. Wirklich."
Dem konnte Manuel nur zustimmen. Aber er sagte nichts dazu.
"Ich habe mich gehen lassen und das war nicht okay. Ich hab Scheiße gebaut. Es ist ein Wunder, dass du es solange mit mir ausgehalten hast und dafür muss ich mich bedanken."
Um Patrick nicht zu kränken, wich Manuel dem Kuss auf seine Wange nicht aus, sondern hielt ganz still.
"Wenn ich irgendetwas für dich machen kann..." Manuel nickte, um das Thema abzuwürgen. "Wenn mir etwas einfällt, dann sag ich dir Bescheid."
Patrick lächelte und wirkte erleichtert. "Danke. Ich verspreche dir, dass ich mich jetzt ändern werde. Ich will nicht mehr trinken. Ich will jetzt wieder nüchtern sein und dich nicht ständig enttäuschen. Ich will mit dir gemeinsam glücklich sein."
Patrick griff Manuels Hand, der ließ es kurz zu, bevor er nach seiner Gabel griff und etwas Kürbis probierte. Es schmeckte gut. Aber Patricks Worte versauten das Essen.
"Bist du sauer?" Manuel schüttelte den Kopf und zwang sich erneut zu einem Lächeln. "Nein, ich bin nur müde." log er. Patrick legte ihm die Hand auf den Oberschenkel und streichelte ihn sanft.
"Wenn du willst, dann bring ich dich ins Bett." Obwohl Manuel wollte, schüttelte er den Kopf. Die Angst, dass Patrick betrunken war, wenn er aufwachte, war zu groß.
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