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~ 6 Jahre zuvor ~
Feuer... genau danach roch es schon den ganzen Tag. Als würde etwas verbrennen, der Rauch das Zimmer füllen und dabei das letzte bisschen Sauerstoff ausbrennen. Aber dennoch war es nicht so. Es gab keinen Rauch und mit der Luft war auch alles in Ordnung... komisch. Ich lief mehrmals im Zimmer herum um vielleicht den Auslöser dafür zu finden, konnte aber nirgendwo was sehen. Sowas bildete man sich doch nicht einfach ein, oder? Ich war so sehr von dem Geruch abgelenkt, dass ich nicht mal hörte als Derek mein Zimmer betrat.
„Ness, solltest du nicht schon längst auf dem Weg in die Schule sein?", fragte er mich und lehnte dabei lässig im Türrahmen. Bevor ich antworten konnte fügte er noch schelmisch grinsend hinzu „Oder hast du doch Angst alleine hinzulaufen?"
Auf einen Schlag war der Rauchgeruch nicht mehr wichtig und ich hob hochmütig das Kinn während ich sagte „Ich habe bestimmt keine Angst. Ich bin schon zehn Jahre alt und werde bald sogar elf. Das weißt du ganz genau!"
Derek verdrehte nur die Augen und versuchte nicht darüber zu lachen. ‚Sie hatte es mit so viel stolz in der Stimme gesagt, dass man meinen könnte sie hätte tatsächlich eine unglaubliche Leistung hervorgebracht, dabei war das eins der normalsten Dinge der Welt. Diese leichte Arroganz hatte sie bestimmt von ihrem Onkel', dachte er nur.
Einen Moment überlegte ich ihn zu fragen ob er auch etwas komisch bemerkte, aber er würde mich dann sicher nur auslachen und sagen dass ich doch nur ein kleines Kind war, das sich Sachen einbildete.
Dieser Verdacht wurde bestätigt als er lachend „Was, du bist zehn! Für mich siehst du so aus als wärst du höchstens sieben", sagte. „Und meistens benimmst du dich auch so", fügte er hinzu weil er wusste wie sehr es das junge Mädchen aufstacheln würde.
Wütend streckte ich ihm die Zunge raus worauf ich nur „Sag ich doch, höchstens sieben Jahre alt", als Antwort bekam. Wütend griff ich nach meiner Schultasche und lief an ihm vorbei aus der Tür raus, während ich versucht sein überlegenes Grinsen zu ignorieren.
„Und meistens benimmst du dich auch so", äffte ich ihn leise nach, was aber nicht ungehört blieb, denn kurz danach ertönte Gelächter. Was meine Wut noch weiter steigerte. Einfach unfassbar! Nur weil er schon sechzehn war, hieß es noch lange nicht, dass er so viel klüger und mir überlegen war.
„Du weißt, dass er dich sehr liebt", ertönte die Stimme von Laura vor mir und ich sah zu ihr auf. Sie hatte ein sanftes Lächeln im Gesicht. Ich zuckte nur mit den Achseln und wollte an ihr vorbei. Sie versperrte mir aber den Weg und legte mir einer Hand auf die Schulter. „Ich glaube du bist alle mal in der Lage alleine zur Schule zu gehen", versicherte sie mir was mich etwas beruhigte und ein Lächeln in mein Gesicht zauberte. „Na siehst du, so ist es schon besser. Es ist nicht gut wenn du immer so die Stirnrunzelst. Immerhin willst du diese Falten nicht behalten wenn du Größer bist."
Erschrocken fuhr ich mit meiner Hand zu meiner Stirn und tastete sie nach Falten ab während ich auf ihre Aussage hin nickte. „Wusste ich es doch", meinte sie lächelnd. Dann griff sie in ihre Hosentasche und zog ein kleines Kästchen raus, bevor sie es mir reichte. Verwirrt blickte ich erst von dem Kästchen zu ihr, bevor ich annahm. „Was ist das?", fragte ich und wandte die Kiste in meiner Hand.
„Das ist ein Geschenk von mir an dich. Immerhin ist heute der erste Tag an dem du alleine, ohne einen von uns in die Schule gehst. Das ist ein großer Schritt zum erwachsenwerden und sollte gefeiert werden", erklärte sie mir während ich die Kiste immer noch musterte, ohne zu wissen was ich damit anfangen soll. „Dankeschön", sagte ich schließlich bevor ich sie in meine Tasche stecken wollte wurde aber von Laura gestoppt. „Das Geschenk ist in der Kiste du Knallkopf nicht die Kiste selbst."
Ohhh, das machte Sinn. „Äh, das wusste ich wollte es nur später auf machen", log ich einfach, wusste aber das mein Herzschlag mich verriet. „Ja sicher", murmelte die ältere Hale belustigt.
Vorsichtig öffnete ich die Holzkiste und machte große Augen als ich sah was sich darin befand. Es war ein silbernes funkelndes Armband. Daran waren verschiedene kleine Anhänger rangemacht, wie ein kleiner Wolf, ein Triskelenzeichen, kleine Edelsteine und auch ein dunkelblaues kleines V.
Beinahe ehrfürchtig strich ich mit dem Finger darüber und murmelte „Und das ist wirklich für mich?"
„Ich kenne in diesem Haus sonst keinen der mit dem Buchstaben V anfängt. Also kannst du sichergehen, dass es für dich ist", erklärte sie mir und lächelte bei dem Anblick des Mädchens, dass voller Bewunderung darauf herabschaute.
Mit ein paar schnellen Handgriffen nahm sie es aus der kleinen Box und machte es mir um. Als ich endlich fertig war es anzuschauen warf ich eine Arme um Laura und murmelte freudig „Danke! Das ist das aller aller aller aller beste Geschenk das ich je bekommen habe."
Ich spürte wie zwei Arme sich kurz um mich legten und Laura antworte „Bitte", bevor sie einen Schritt zurück trat und meinte „Aber jetzt schnell, wir wollen doch nicht das du zu spät kommst oder?"
Nickend rannte ich an ihr vorbei die Treppen runter und schließlich mit einem kurzem aber lauten „Ich gehe jetzt los!", damit alle wusste das ich los war, aus der Tür.
Ich saß gerade in der letzten Stunde die ich an dem Tag hatte, als der Geruch wieder kam. Es war nur noch intensiver und dieses Mal fühlte es sich an als würde es anfangen meine Lunge zu verätzen. Ein weiterer Zusatz waren die Schreie die leise aus allen Ecken des Klassenzimmers kamen. Erschrocken blickte ich in der Klasse umher, erblickte aber keine Veränderung der anderen. Sie saßen immer noch gelangweilt in ihren Stühlen und sahen zu dem Lehrer auf, der gerade erklärte wie man mit Brüchen rechnete.
Leicht zittrig hob ich eine Hand und fragte „Darf ich aufs Klo gehen?". Der Lehrer blickte erst zu mir und dann zur Ihr bevor er meinte „Ich es so dringend? Es sind nur noch 10 Minuten?"
Ich nickte nur und versuchte die nun immer lauter werdenden Schrei auszublenden. Der Lehrer seufzte nur und bevor er sein „Dann geh", fertig gesagt hatte war ich schon aus der Tür raus und rannte schon beinahe in Richtung Mädchentoiletten.
Ich war erleichtert als ich bemerkte, dass ich alleine dort war. Mit schnellen Schritten lief ich vor ein Waschbecken, stütze mich daran ab und beugte mich so nach vorne, um eine bessere Sicht auf mein Gesicht im Spiegel zu haben. Meine sonst blauen Augen leuchteten jetzt in einem intensiven Lila auf, die sonst keiner in der Familie hatte. Langsam spürte ich auch wie die Zähne ausfuhren und meine Nägel länger wurden.
Daran gab es keine Veränderung, ich sah genauso aus wie davor. Also konnte es nichts mit einer vollen Verwandlung zu tun haben. Immerhin war ich auch noch viel zu Jung dafür und hatte sonst von keinem Werwolf gehört, er hätte Schreie gehört und komische Gerüche gerochen. Schnell verwandelte ich mich wieder in meine normale Form zurück. Was war nur los mit mir?
Wie aufs Stichwort kamen bei diesem Gedanken die Schreie wieder, nur dieses Mal viel stärker und schmerzvoller. Ich rannte in eine der Kabinen, setzte mich auf den Klodeckel und steckte mir Kopfhörer in die Ohren, aber es half nicht um die Musik auszublenden. Je lauter ich die Musik machte desto lauter wurden die markerschütternden Schreie. Ich zog meine Beine an mich heran und vergrub den Kopf in meinen Knien. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, in der ich da saß und den Schreien zuhörte, unfähig etwas dagegen zu tun oder meinen Körper zu bewegen. Als wäre ich gar nicht mehr im Stande irgendetwas zu tun außer den Schreien zu lauschen. Ich halte das nicht mehr aus, das war einfach so schrecklich. Ich spürte wie etwas in mir sich aufbaute. Eine Macht die mit jeder Sekunde in der ich die Schreie hörte stärker wurde und seinen Weg nach oben bahnte. Gerade als es schien als würde sie aus mir ausbrechen verstummte alles. Keine Schreie, kein Geflüster, nicht einmal der leichte Rauch Geruch war da.
Das konnte nicht normal sein. Ich musste es jemandem aus meiner Familie und zwar sofort. Als ich aus der Mädchentoilette rauskam und gerade zum Ausgang der Schule rief stoppte mich die Stimme von Mr. Brown. Meinem Lehrer „Warte Vanessa, ich habe dich schon überall gesucht."
Als ich mich zu ihm umdrehte bemerkte ich meine Tasche in seiner Hand und ratterte schnell runter „Es tut mir leid, dass ich nicht mehr in den Unterricht gekommen bin. Ich hatte starke Bauchschmerzen und habe die Zeit vergessen. Danke, dass sie mir meine Tasche bringen."
Dann griff ich nach meiner Tasche und wollte gehen als er mich wieder aufhielt. „Das ist nicht mehr wichtig", meinte er mit einem traurigen Unterton in der Stimme. „Sie sollten mir zum Schulleiter folgen... es ... es ist etwas passiert", erklärte er mir nur vage. Verwirrt runzelte ich die Stirn und lief im hinterher.
Im Büro des Schulleiters angekommen wurde ich mit dem gleichen traurigen Blick begrüßt. Was war den los? Was meinte Mr. Brown vorhin, mit ‚es ist etwas passiert'. Irgendwie machte mir das wirklich Angst.
„Es gab einen schrecklichen Vorfall in ihrem Haus. Ein Feuer hat das Haus niedergebrannt..."
Niedergebrannt... das war doch nur ein schlechter Witz. Noch immer fassungslos sah ich von dem Schulleiter zu Mr. Brown, erkannte aber das keiner von ihnen noch was sagte.
Jetzt realisierte erst was das bedeutete und es fing an in meinen Ohren zu rauschen. Fast hätte ich nicht gehört wie er sagte „... und es nach derzeitigen Erkenntnissen keine Überlebenden."
Es konnte nicht sein, dass es etwas mit dem Feuergeruch zu tun hatte... und den Schreien. Meine Sicht wurde immer verschwommener und dicke Tränen kullerten heiß meine Wange runter. Meinen Atem kam immer Stockender und es fühlte sich an als würde ich Hyperventilieren. Ich spürte wie jemand seine Hand auf meinen Arm legte und was sagte, konnte aber nichts verstehen.
Alle waren jetzt daheim... meine ganze Familie nur ich nicht. Es war meine Schuld... den ganzen Tag hatte ich diese komischen Vorahnungen, hatte aber zu große Angst es jemandem zu sagen. Wieso hatte ich nur Angst davor gehabt? Ich hätte Laura und Talia alles erzählen können. Sie wüssten sich was zu tun war. Das war alles meine Schuld, nur meine. Derek, Laura, Peter, Talia, Cora.... Ich würde sie alle nie wieder sehen.
Ein stechender Schmerz machte sich in meiner Brust breit und es fühlte sich an als könnte ich nicht atmen. Dann gaben meine Knie unter mir nach und alles vor meinen Augen wurde Schwarz.
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