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Kapitel 8 ~ Signa

In den dichten Baumwipfeln zwitscherten fröhlich die Vögel ihre Lieder. Für einen Augenblick verharrte Britannicus und schloss die Augen. Als Kind hatte er gern die Metamorphose der lykischen Bauern gehört, weil Ovid in diesem einen Vers, in dem sie in Frösche verwandelt werden, auf so kunstvolle Weise ihr Quaken nachahmt. Vater hatte diese Stelle immer so witzig betont, dass Britannicus sich jedes Mal den Bauch halten musste vor Lachen. Doch nun fiel ihm beim besten Willen keine Lautmalerei ein, mit der man diese wunderschöne Symphonie der unterschiedlichen Vögel für alle Ewigkeit in Worte einfangen und Kinder damit zum Träumen bringen konnte.
Mit einem Seufzen schlug er die Augen auf und setzte seinen Weg fort. Titus musterte ihn aufmerksam von der Seite und sofort wurde Britannicus wachsam. Unauffällig blickte er über seine Schulter, doch von Tyra und Marcus fehlte jede Spur.
„Ich weiß, du willst es nicht hören", fing Titus ernst an. „Aber du musst vorsichtig sein und damit meine ich nicht, dass wir unsere wahre Identität geheim halten müssen. Sieh uns an, nicht einmal meine eigene Mutter würde mich mit diesen Haaren und diesem Bart wiedererkennen! Doch auch wenn wir aussehen, sprechen und uns verhalten wie Barbaren, Britannicus, wir werden immer Römer sein!"
„Ich weiß und ich bin stolz darauf ein Sohn Roms zu sein", erwiderte Britannicus und schlug seinem Freund sacht auf die Schulter. Lange beobachtete Titus ihn von der Seite, doch er blieb den Rest des kurzen Weges stumm.
Als Tyra wenig später aus dem Schutz der Bäume trat, wusste Britannicus sofort, dass etwas nicht stimmte. Zum ersten Mal konnte er aus ihrem Gesicht nicht lesen, was sie dachte. Ihr Gesicht war so verschlossen, als hätte sie sich sehr weit in die Tiefen ihres Geistes zurückgezogen. Ihr Anblick besorgte ihn so sehr, dass er beinahe die Blicke übersehen hätte, die sich seine besten Freunde zuwarfen. Es war also wirklich keine Absicht gewesen, dass Marcus und Tyra plötzlich nicht mehr direkt hinter ihnen gewesen waren. Britannicus wusste nicht, ob ihm die Sorge seiner Freunde um ihn rührend oder ob ihm ihre ungefragte Einmischung als sehr lästig erschien.
Als er sich nach einem stillen Frühstück auf den Rücken seines Pferdes schwang, beschäftigte ihn noch immer diese Frage. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung zu seiner Rechten wahr und drehte automatisch den Kopf. Still musterte er das Mädchen, welches ihn mit undurchdringlicher Miene gekonnt ignorierte. Was hatte Marcus nur zu ihr gesagt? Hatte er ihr vielleicht mehr verraten, als ihm zustand? Ahnte sie nun, wer sie wirklich waren?
Bevor er sie ansprechen konnte, trat ein Sklave zu ihm und ermahnte ihn, dass es nun an der Zeit sei aufzubrechen. Mit gerunzelter Stirn legte Britannicus den Kopf in den Nacken und versuchte durch das dichte Blätterdach zu erahnen, wie spät es war. Vermutlich war es irgendwann zwischen der zweiten und vierten Stunde nach Sonnenaufgang. Aber wie sollte sich das sicher sagen lassen, wenn man die Sonne nicht sehen konnte?
Schnell drehte er sich zu seinen Männern um. Sie waren bereits alle seinem Beispiel gefolgt und warteten nur darauf, dass er das Signal zum Losreiten gab. Unmerklich nickte Britannicus seinen Freunden zu, dann trieb er sein Pferd an.
Einen Herzschlag später musste er feststellen, dass Tyra nicht wie üblich an seiner Seite ritt und er musste all seine Selbstbeherrschung aufwinden, um sich nicht nach ihr umzudrehen oder auf die Luft zu seiner Rechten zu starren. Doch ein Teil von ihm vermisste sie, obwohl sie sich nur wenige Armlängen hinter ihm befand. Aber in diesem Augenblick erschien es ihm, als würde eine ganze Welt zwischen ihnen liegen.

Nachdem sie ungefähr eine Stunde geritten waren, veränderten sich die Geräusche ihrer kleinen Reitereieinheit. Ein Schnalzen ertönte und eines der Pferde beschleunigte seinen Schritt. Erwartungsvoll verlangsamte Britannicus seine Stute. Das angetriebene Tier schloss zu ihm auf. Wenige Augenblicke später lenkte Tyra ihr Pferd näher an seins und zum ersten Mal, nachdem sie mit Marcus aus dem Wald zurückgekehrt war, schaute sie ihm in die Augen.
„Nicht weit von hier wohnt die Seherin meines Dorfes", erklärte sie mit gesenkter Stimme und deutete mit dem Kopf in die Richtung. „Ich muss sie aufsuchen, bevor ich in mein Dorf zurückkehren kann."
Für eine Weile blieb er stumm und hielt dem durchdringenden Blick ihrer silbrig schimmernden Augen stand. Selbst in Rom hatte ihm sein Lehrer Bror mit solchem Respekt von den Menschen erzählt, die in seiner Heimat so stark mit den Göttern verbunden sind. Aus reiner Neugierde hatte er daraufhin vor einigen Jahren bereits in Rom eine germanische Seherin aufgesucht. Auch wenn es eher zufällig geschehen war. Damals war er gerade einmal dreizehn Jahre alt gewesen und es war ihm gelungen mit seiner Schwester Tonilla ihren Kindermädchen aus der Loge ihrer Eltern im Zirkus zu entwischen. Obwohl Britannicus ein großer Freund des Wagenrennens war, reizte ihn seine Stadt einmal ohne den Schutz seiner Familie zu erleben. Also war er seiner Schwester gefolgt und irgendwann hatten sie sich Hand in Hand in einem merkwürdigen Laden voller Kräuter und Knochen wiedergefunden. Bevor sie sich näher umsehen konnten, trat eine Frau zu ihnen, die abgesehen von ihrer Schminke sich nicht sonderlich von einer gewöhnlichen Bürgerin Roms unterschied. Die Germanin hatte ihn angelächelt und etwas in ihrer Sprache gemurmelt, dass Britannicus damals noch nicht hatte verstehen können.
„So kann ich meinem Vater nicht unter die Augen treten", erwiderte sie leise und riss ihn aus seiner Erinnerung. Unmerklich schüttelte Britannicus den Kopf und seine Gedanken klärten sich. Neben ihm ritt Tyra und spielte nervös mit dem Saum ihres Hemdes. Mit einem Schlag verstand Britannicus ihr Dilemma. Sein Vater wäre alles andere als begeistert, wenn seine Töchter in Togen durch Rom spazierten.
„Natürlich", erwiderte Britannicus und beobachtete entsetzt, wie sie sich von ihm abwand. Schnell fügte er hinzu: „Aber nur unter der Bedingung, dass ich dich begleite. Wir befinden uns zwar auf dem Gebiet deines Stammes, aber wir müssen davon ausgehen, dass die Sachsen einige Männer in diese Wälder geschickt haben, um dich gefangen zu nehmen."
Überrascht drehte sie sich wieder zu ihm um und gestand leise, dass sie diese Sache gar nicht bedacht hatte. Obwohl er innerlich über ihre Reaktion schmunzeln musste, verzog er nach Außen keine Miene. Knapp nickte er ihr zu, dann drehte er sich zu Marcus und Titus um und gab seinen Freunden ein Zeichen. Keine drei Herzschläge später waren sie zu ihnen aufgeschlossen und lauschten Britannicus' Worten, in denen er ihnen das weitere Vorgehen und die dafür nötigen Befehle erteilte.
„Findest du es nicht ratsamer, wenn wir dich begleiten?", fragte Marcus und ließ seinen Blick nervös über die Bäume streifen. Keinem einzigen Römer waren die Wälder Germaniens nach der Schlacht im Teutoburger Wald noch geheuer, aber Britannicus hatte seine Entscheidung getroffen. Plötzlich stoppte Tyra ihr Pferd und erst jetzt fiel Britannicus ein schmaler Pfad auf, der noch tiefer in den Wald hineinführte.
„Nein", erwiderte er gelassen und brachte sein Pferd neben Tyras zum Stehen. „Zu zweit kommen wir schneller voran und fallen weniger auf. Außerdem haben unsere Späher keine Feinde gemeldet."
Seine Freunde sahen aus, als würden sie am liebsten widersprechen wollen. Aber sie blieben stumm und gaben seine Befehle auf Latein weiter. Während Marcus ihm noch für einen Herzschlag tief in die Augen blickte, trieb Titus sein Pferd an und steuerte an den Kopf der kleinen Kolonne. Augenblicklich veränderte sich die Dynamik ihrer Gruppe. Seine Männer nickten Britannicus zum Abschied knapp zu, dann ritten sie an ihm vorbei und folgten Titus. Marcus' Blick huschte zu Tyra, dann nickte er Britannicus knapp zu und schloss sich den anderen Römern an.
Einen Augenblick sah Britannicus ihnen nach, dann schaute er zu Tyra hinüber, die mit undurchdringlicher Miene seinen Blick erwiderte. Am liebsten wäre er abgestiegen und hätte sie hier und jetzt überredet ihm von ihrem Gespräch mit Marcus zu erzählen. Aber sie durften keine weitere Zeit verlieren.
„Du kennst den Weg?", fragte er, während das Hufgeklapper seiner Männer immer leiser wurde. Stumm nickte Tyra, trieb ihr Pferd an und ritt auf den schmalen Pfad. Mit einem kleinen Seufzen schüttelte Britannicus frustriert den Kopf, dann lenkte er sein Pferd in die Richtung, die sie ihm vorgab.

Ungefähr eine Stunde ritten sie in absolutem Schweigen. Den ganzen Weg überlegte Britannicus, wie er sie ansprechen sollte. Doch er fürchtete sich davor ein Gespräch ins Rollen zu bringen, für welches er noch nicht bereit war. Eines Tages würde er Tyra die Wahrheit über sich erzählen. Aber dieser Tag war noch nicht heute. So versuchte er sich abzulenken, indem er mehr auf ihre Umgebung achtete. Solange er sich selbst einredete wachsam sein zu müssen, weil hinter jedem Stamm ein neuer Feind lauern konnte, gelang es ihm beinahe ihr seltsames Verhalten zu vergessen.
Plötzlich ritten sie aus dem Schutz der Bäume auf eine Lichtung und vor ihnen ragte ein kleiner Hügel auf. Wortlos hielt Britannicus sein Pferd neben Tyra an. Aufmerksam musterte er den Hügel und sofort fiel ihm eine kleine Unstimmigkeit auf. Bevor er sie näher betrachten konnte, sprang Tyra vom Rücken ihres Pferdes und stapfte auf den Hügel zu. Mit einem Seufzen glitt Britannicus aus dem Sattel und folgte ihr.
Nachdem sie keine zehn Schritte gegangen waren, tauchten zwei Hände aus der kleinen Unstimmigkeit des Gewächses auf und schoben die Ranken beiseite. Aus dem Inneren des Hügels trat eine kleine Frau, die keine zehn Jahre älter sein konnte als Tyra. Wie Tyra trug sie ihre lange, wilde, rote Lockenmähne offen, doch einzelne Strähnen hatte sie zu kleinen Zöpfchen gebunden, an deren Enden kleine Knöchelchen eingeflochten waren. Obwohl sie mitten im Wald zu leben schien, war ihr Gesicht frei von Schmutz. Irgendwie hatte Britannicus sich die Seherin anders vorgestellt. Irgendwie älter und mit barbarischer Bemalung auf dem Gesicht wie die Germanin in Rom. Abgesehen von ihrer barbarischen Kleidung und den wilden Haaren, wirkte sie vollkommen normal auf ihn.
„Die Geister des Waldes haben mir gesagt, dass ihr beide den Weg zu mir finden würdet", grüßte die Seherin. Auf ihren Lippen lag ein geheimnisvolles Lächeln. Mit offenen Armen lief sie auf Tyra zu und umarmte sie erleichtert. Die Seherin flüsterte Tyra etwas ins Ohr, dass Britannicus nicht verstand. Lachend löste sich Tyra von ihr und drehte sich zu ihm. Forschend musterte sie ihn von Kopf bis Fuß, als müsste sie sich erst ein Bild von ihm machen. Dann stellte sie ihn der Seherin so knapp wie möglich vor. Langsam drehte die Frau ihm den Kopf zu und ihre taubengrauen Augen wirkten seltsam verträumt, als sie seinem Blick begegneten. Doch im nächsten Moment waren sie so klar und durchdringend, als würden sie Britannicus' tiefste Abgründe ergründen wollen.
„Ich habe dir bereits ein Kleid herausgelegt", sagte die Seherin zu Tyra, ohne den Blick von ihm abzuwenden. „Du weißt ja, wo ich meine Kleidung aufbewahre."
Tyra nickte stumm, schob die Ranken beiseite und verschwand im Inneren des Hügels. Langsam trat die Seherin näher zu ihm und legte den Kopf schief. Auf ihrer Stirn bildete sich eine tiefe Furche. Frustriert kniff sie die Augen zusammen, doch sie schwieg vehement. Erst als die Ranken nach einer Weile mit einem leisen Rascheln erneut beiseitegeschoben worden und Tyra vollkommen neu eingekleidet aus dem Hügel trat, kehrte das Lächeln auf das Gesicht der Seherin zurück.
Sofort blickte er das germanische Mädchen an und ihre Schönheit verschlug ihm den Atem. Das dunkelbraune Kleid unterstrich den hellen Ton ihrer makellosen Haut, während der einfache Gürtel ihre schmale Taille betonte. Sie wirkte in der traditionellen Kleidung ihres Volkes so zerbrechlich und stark zugleich. Doch Britannicus versank in ihren mysteriösen Augen, die wie zwei silbrig schimmernde Seen zu ihm aufblickten. Sie hatte sich nicht nur neu eingekleidet, sondern auch frisch frisiert. Ihre Haare schienen im matten Sonnenlicht zu leuchten. Sie hatte nie schöner und fremder zugleich gewirkt. Ihr Aussehen betonte nur, was ihm seit ihrer ersten Begegnung bewusst gewesen war: Tyra war eine Barbarin, eine Tochter Germaniens. Für sie würde er im günstigsten Fall nie mehr als ein guter Freund sein können. Denn Rom würde sie niemals an seiner Seite akzeptieren. Aber was dachte er da. Er hörte sich an wie der dumme Junge, der sich von seinem Cousin in einer billigen Taverne zum größten Fehler seines Lebens provozieren ließ. Tyra gehörte hierher. Daran würde sich niemals etwas ändern. Auch wenn er tief im Inneren seines Herzens sich möglicherweise danach sehnte, dass es einen anderen Weg gab.
Britannicus war so sehr von ihrem Anblick verzaubert, dass er die Worte nicht hörte, welche die Seherin an Tyra richtete. Erst als Tyra den Kopf drehte und somit ihren Blickkontakt unterbrach, kam Britannicus zur Besinnung.
„Nein, ich habe nichts dagegen, Alwina", versicherte Tyra und bevor Britannicus wusste, wie ihm geschah, packte die Seherin seinen Arm und zog ihn durch die Pflanzenranken in das Hügelinnere. Sie war stärker, als ihr zarter Körper vermuten ließ. Im Inneren der Höhle war das Licht so spärlich, dass Britannicus einen Wimpernschlag benötigte, um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Die Germanin zog ihn unerbittlich weiter in das Innere der Höhle.
„Wir müssen weiter", erklärte sie ihm leise über ihre Schulter. „Ich kenne meine Cousine. Tyra wird versuchen eine Möglichkeit zu finden unser Gespräch zu belauschen. Aber manche Dinge müssen im Dunkeln bleiben, bis die Zeit reif ist."
Ihr wissender Blick entwaffnete ihn. Überfordert nickte Britannicus und folgte der Seherin in die Dunkelheit. Nach einer Weile blieb sie stehen und lauschte angestrengt in die schmalen Gänge ihrer Behausung. Dann zog sie ihn nach Links und Britannicus befand sich in einem kleinen Raum, in dessen Mitten ein schwaches Feuer träge züngelte. Die Seherin ließ seinen Arm los, lief um das schwache Feuer herum und setzte sich auf den Boden. Fordernd blickte sie zu ihm auf. Zögerlich trat Britannicus näher an die Feuerstelle und setzte sich ihr gegenüber. Vollkommen gelassen hielt er ihren analysierenden Blick stand und wartete auf eine Erklärung. Nachdenklich griff die Seherin an ihren Gürtel und erst jetzt fiel Britannicus auf, dass dort eine ganze Menge kleiner Beutel baumelten. Leise vor sich hin murmelnd löste sie einen Beutel und hielt ihn ihm auffordernd hin.
„Zieh einfach einen und wirf ihn in die Flammen", wies sie ihn ruhig an. Langsam steckte Britannicus seine Hand in den Beutel und tastete. Seine Fingerspitzen trafen auf kleine, glatte Gegenstände. Ohne die Miene zu verziehen, angelte er sich einen dieser kleinen Gegenstände, zog ihn hervor und musterte ihn neugierig. Es war ein kleiner Knochen. Vermutlich von irgendeinem Tier. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie sich die Seherin aufmerksam vorbeugte. Augenblicklich warf er den Knochen in das kleine Feuer. Sobald der Knochen die Flammen berührte, stoben gewaltige Flammen hervor. Hitze schlug ihm entgegen. Instinktiv hielt sich Britannicus schützend seine Hand vor die Augen und drehte seinen Körper vom Feuer weg. Als das Knistern leiser und die Hitze geringer wurden, zog Britannicus seine Hand zurück und drehte sich wieder zu der Seherin. Mit gerunzelter Stirn musterte sie die Überreste des Knochens. Eine Ewigkeit blieb sie stumm.
„Ich hatte den Geschichten der Geister des Waldes nicht vollkommen glauben können", murmelte sie mehr zu sich selbst. Als sie den Kopf hob und sich ihre Blicke kreuzten, schien es, als würde sie aus einem Traum erwachen und sich erst jetzt wieder daran erinnern, dass sie nicht allein war. Mit ernster Miene deutete sie auf die Knochenüberreste und erklärte ihm, dass dieses Zeichen eindeutig war. Britannicus hob nur unmerklich die Augenbraue. Für ihn war gar nichts eindeutig. Er glaubte nicht daran, dass die Götter Menschen Zeichen durch Knochen, Vögel oder Opfertiere sandten. Zu oft hatte er erlebt, wie die Auspizien manipuliert worden waren, damit sie genau das prophezeiten, was die Menschen prophezeit haben wollten. Aber nur weil römische Götter schwiegen oder sein Volk zu ignorant für die Wünsche der Götter geworden war, musste dies noch lange nicht bedeuten, dass die germanischen Götter hier im Herzen des Waldes verstummt waren. Vielleicht war die Frau auf der anderen Seite des Feuers keine Hochstaplerin, sondern stand tatsächlich mit den Göttern in Kontakt.
„Du bist ein blinder Fleck oder wie dein Volk es nennt: ein unbeschriebenes Blatt", erklärte sie und lächelte ihn sanft an. „Deine Existenz hat das Muster durcheinandergebracht, welches die Nornen seit Äonen zu stricken versuchen. Für dein Schicksal bin ich vollkommen blind, weil nur du es bestimmen kannst. Schon sehr bald wirst du wichtige Entscheidungen über die Zukunft unserer beider Völker fällen und erst dann werden die Nornen anfangen dein Leben weiterzuspinnen."
Irritiert versuchte Britannicus ihren Worten einen Sinn zu entnehmen. Wie sollte er kein Schicksal besitzen? War es nicht sein Schicksal Rom zu dienen? Schon vor Jahren hatte er sich dem Dienst für Rom gewidmet. Welche andere Entscheidung musste er dann noch fällen, die eine noch gravierendere Auswirkung auf sein Leben haben sollte als diese?
Die Seherin schien seine inneren Zweifel zu spüren und ergänzte rasch: „Deine Eltern haben dir nie die ganze Wahrheit über deine Mutter erzählt, oder? Nun, deine Familie war dazu verdammt mit deinem Cousin Lucius unterzugehen. Vierhundert Jahre später sollte dein Reich untergehen. Aber durch deine Mutter ist nichts mehr so, wie es sein sollte. Sie gehört nicht in diese Zeit und sie hat so gravierende Veränderungen hervorgebracht, dass sie nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Alle Götter sind blind für die Zukunft, weil einfach alles durcheinandergeraten ist. Ein einziger Mensch hat dafür gesorgt, dass auf einmal wieder alles möglich ist. Allein, dass du vor mir sitzt, ist Beweis genug. Doch nichts währt ewig. Nicht du, nicht deine Familie, nicht Rom, nicht diese Welt."
Eine Weile starrte Britannicus in die nun sanft vor sich hin züngelnden Flammen und versuchte ihren Worten einen Sinn zu entnehmen. Aber er konnte es nicht. Denn ihm fehlten wichtige Steine, um das schillernde Mosaik zu vervollständigen und so sah er nichts als ein unvollendetes, grotesk verzerrtes Bild. Langsam hob er den Kopf und erwiderte ihren ruhigen Blick.
„Was hat das alles mit mir zu tun?", wollte er mit ruhiger Stimme wissen. „Warum erzählst du mir all diese Dinge, die für mich absolut unvorstellbar sind? Wozu soll mir dieses Wissen hier in deiner Welt nützen?"
Ihre schmalen Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln. Bedächtig beugte sie sich über die Flammen, sodass ihr Licht tanzend ihre Züge betonte. In ihre Augen trat ein neuer Glanz, als sie mit feierlichem Ernst verkündete: „Die Nornen mögen vielleicht festlegen, wann wir sterben werden. Aber was wir in unserem Leben erreichen und wie groß unsere Bedeutung sein kann, bestimmen allein unsere Entscheidungen. Schon bald wirst du deine erste Entscheidung fällen müssen und mit ihr wird sich allmählich dein Schicksal entfalten. Deshalb haben die Geister dieses Waldes mir aufgetragen mein Wissen mit dir zu teilen, damit du ihrem Rat folgen kannst. Wofür auch immer du dich entscheiden wirst, handle klug oder du verdammst zwei Völker zum Untergang."
Ihr Blick war so intensiv, dass Britannicus wegschauen musste. Eine kleine Ewigkeit starrte er in die Flammen und versuchte ihre Worte zu verarbeiten. Bisher war er so darauf bedacht gewesen nicht aufzufallen und seine Identität zu verbergen, dass ihm gar nicht in den Sinn gekommen war, welche Auswirkungen seine Anwesenheit auf dieser Seite des Rheins haben konnte. Seine Eltern hätten sofort gewusst, was zu tun wäre. Aber sie waren immer noch in Rom und Britannicus hatte keine Möglichkeit sie um Rat zu fragen.
„Was haben die Götter für Tyra vorherbestimmt?", fragte er und war selbst überrascht, wie leicht ihm diese Worte über die Lippen kamen. Denn danach hatte er gar nicht fragen wollen. Gespielt selbstbewusst hob er den Kopf und schaute der Seherin in die Augen. Berechnend musterte sie ihn, ehe sie antwortete: „Tyra war schon immer dazu bestimmt eines Tages zu herrschen. Die interessante Frage ist nur: Worüber?"

Eine Stunde später trat Britannicus aus der Höhle und sofort blendete ihn das Licht der Sonne. Schützend hielt er sich die Hand vors Gesicht und blinzelte gegen das grelle Licht an. Sobald sich seine Augen an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, stellte er bestürzt fest, wie tief die Sonne bereits am Himmel stand. Weit in der Ferne sah er Rauch aufsteigen. Er musste von den Feuern seiner Männer stammen. Niemals würden sie vor Einbruch der Dunkelheit das Lager erreichen können. Unbehaglich verharrte Britannicus einen Wimpernschlag und versuchte das ungute Gefühl, welches in ihm aufstieg, niederzuringen.
Plötzlich legte sich eine kleine Hand auf seinen Arm. Ihre Wärme vertrieb die Kälte aus seinem Körper und klärte seine Gedanken. Langsam drehte er den Kopf in ihre Richtung und blickte in Tyras mysteriöse Silberaugen.
„Ist alles in Ordnung?", fragte sie und klang so aufrichtig besorgt, dass sein Herz ganz warm wurde. Automatisch verzogen sich seine Lippen zu einem breiten Lächeln. Sanft legte er seine Hand auf ihre und nickte. Für einen Herzschlag verweilten sie in dieser Position, dann zog Tyra ihre Hand zurück und trat einen Schritt zurück. Am liebsten hätte Britannicus sie wieder an sich gezogen, aber er hielt sich im letzten Augenblick zurück.
Still folgte er ihr den Hügel hinab und als sie dessen Fuß erreicht hatten, drehte er sich ein letztes Mal um. Vor dem Eingang zu ihrer Höhle stand die Seherin und schaute ihnen mit ernster Miene nach.
Ein kleines Kreischen ließ ihn nach oben blicken. Über ihnen kreiste ein Vogel. Sofort beschleunigte sich sein Herzschlag. Dies war kein normaler Vogel. Über ihnen flog mit weit ausgebreiteten, schwarzen Schwingen ein Rabe, denn auch wenn sein Schutzgott Apollo die Federn des Vogels zur Strafe schwarz gefärbt hatte, so war das Tier dennoch sein heiliges Tier. Augenblicklich bildete sich ein Kloß in Britannicus' Hals und sein Herz wurde schwer in seiner Brust. Auch wenn er sich in den vergangenen Wochen in schwachen Momenten erlaubt hatte zu glauben, dass sie sich kaum voneinander unterschieden, so erinnerte ihn der Rabe nun daran, wie falsch diese Gedanken waren. Rasch huschte sein Blick zu dem Mädchen an seiner Seite, welches den Kopf in den Nacken gelegt hatte und mit gerunzelter Stirn das prächtige Tier beobachtete. Auf ihren Zügen lag ein verträumter Ausdruck. Sofort versuchte Britannicus sich in Erinnerung zu rufen, was sein Lehrer Bror ihm über die Bedeutung von Raben in der germanischen Mythologie erzählt hatte. Aber Britannicus bekam diese Erinnerung einfach nicht zu fassen und so tappte er im Dunkeln. Dennoch hatte er durch das Auftauchen des Raben eine weitere, wichtige Erkenntnis gewonnen. Sein Schutzgott setzte so große Hoffnungen in ihn, dass er ihm selbst in die finsteren Wälder Germaniens folgte.
Als der Rabe aus ihrem Sichtfeld verschwand, drehte sich Tyra zu ihm und lächelte ihn aus ganzem Herzen an. Sofort vergaß Britannicus, wer er war. Lächelnd ergriff er ihre Hand und zog sie mit sich zu den wartenden Pferden.

Sie ritten so lange durch den dichten Wald, bis die Dämmerung einbrach. Mit einem Seufzen stoppte Britannicus sein Pferd und drehte sich zu ihr um. Fragend erwiderten ihre Silberaugen seinen Blick und nur mit Mühe konnte er ein weiteres Seufzen unterdrücken.
„Wir sind zu weit von den anderen entfernt", erklärte er und seine Stimme war im Gegensatz zu seinen aufgepeitschten Gefühlen vollkommen ruhig. „Lass uns lieber für die Nacht hier unser Lager aufschlagen und bei Tag weiterreiten, wenn wir schneller vorankommen können."
Unbehaglich musterte Tyra die Bäume und schüttelte den Kopf. Dann deutete sie auf einen Punkt über seiner Schulter und meinte, dass sich dort eine kleine Höhle an einem Bach befinden würde. Wortlos trieb Britannicus sein Pferd wieder an und steuerte es in die Richtung, in die Tyra gedeutet hatte.
Kurz darauf tauchte vor ihnen der schmale Bach zwischen den Bäumen auf und Britannicus hob automatisch den Kopf, um den Stand der Sonne zu überprüfen. Doch er sah nichts als grün schimmernde Baumkronen. Schon bald entdeckte er die kleine Höhle, von der sie gesprochen hatte und er sah ein, dass dies ein weit besserer Nachtplatz war als der Ort, den er ausgesucht hatte. Dieser Ort war geschützt, während der andere nur sicher war, wenn man genügend Männer zur Verfügung hatte. Männer, die Britannicus vorausgeschickt hatte. Vielleicht war sein Denken bereits mehr vom römischen Militär geprägt worden, als er sich selbst eingestehen wollte.
Britannicus stoppte sein Pferd und glitt langsam aus dem Sattel. Tyra tat es ihm gleich. An den Zügeln führte er seinee schwarze Stute näher an den Bach und wartete geduldig, bis ihr Durst gestillt war. Nur am Rande nahm er wahr, dass Tyras Pferd eher aufhörte zu trinken. Danach befestigte er die Zügel an dem gleichen Baum, den Tyra für ihren Hengst ausgesucht hatte und drehte sich zu ihr um. Das Mädchen sammelte bereits Zweige und Äste für ein Feuer. Schnell half Britannicus ihr dabei und kurz darauf erleuchteten die Flammen des Feuers die kleine Höhle.
Nachdenklich lehnte Britannicus an der Höhlenwand und blickte hinaus in den Wald. Die Dunkelheit der Nacht begann die Bäume einzuhüllen. In seiner Hand hielt er gedankenverloren einen Becher Wasser.
„Was hat Alwina zu dir gesagt?", fragte eine Stimme sanft und riss ihn aus seinen Gedanken. Blinzelnd blickte Britannicus zu ihr und legte den Kopf schief. Nervös erklärte Tyra, dass dies der Name der Seherin war, die sie heute besucht hatten. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Ein Teil von ihm hätte ihr am liebsten auf der Stelle die ganze Wahrheit über sich erzählt. Aber sofort tauchte das Bild des Raben in seinen Gedanken auf und er blieb stumm. Wahrscheinlich würde sie ihn hassen, wenn sie die Wahrheit erfuhr und den Gedanken, dass eines Tages die Wärme aus ihren Augen verschwand, wenn sie ihn ansah, ertrug er nicht.
„Nicht viel", meinte er leise und spielte unbewusst mit dem Knauf seines Schwertes. „Zumindest nicht viel, woran ich glauben kann. Warum besitzt sie diese Verbindung zu den Göttern, dass sie meint über solche Dinge Bescheid zu wissen?"
Eine Weile blickten sie einander stumm an. Erst jetzt fiel Britannicus auf, dass sie seine Position spiegelte. Ihre Füße waren den Spitzen seiner Stiefel so nah, dass sie sich beinahe berührten.
„Alwina ist meine Halbschwester", gestand Tyra schließlich und strich sich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ihre Mutter, Gerda war die Geliebte meines Vaters, bevor er meine Mutter heiratete. Doch als sie bemerkte, dass sie von ihm schwanger war, war mein Vater bereits auf dem Weg, um meine Mutter zu heiraten. Also hat Gerda in ihrer Verzweiflung versucht ihr Kind loszuwerden, aber Alwina war stärker als das Gift und nach ihrer Geburt haben die Male auf ihrer Haut verraten, dass sie sehr hoch in der Gunst der Götter steht. Mein Vater nahm Alwina ihrer Mutter weg und übergab sie unserer Dorfältesten, die ebenfalls mit den Göttern in Kontakt stand. Nun, Alwinas Mutter verfluchte meinen Vater daraufhin, dass er niemals einen Erben zeugen würde. Es hat fast zehn Jahre gedauert, ehe meine Mutter mich empfing. Du kannst dir vorstellen, dass weder meine Mutter noch mein Vater sonderlich gut auf Gerda zu sprechen ist. Sie ist vor ungefähr drei Wintern gestorben und seitdem lebt Alwina in ihrer Höhle. Für sie ist es leichter, weil sie sich so den Geistern des Waldes nah fühlt."
Widerwillig empfand Britannicus Mitleid mit der Seherin. Obwohl sie vollkommen zufrieden auf ihn gewirkt hatte, konnte er sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlen musste, als Kind ohne die Liebe seiner Eltern aufzuwachsen. Automatisch tauchte das Bild seines Cousins Lucius vor seinem inneren Auge auf. Als Kind hatte Britannicus seine Eltern tuscheln hören, dass Agrippina Lucius' Vater Domitius beseitigt hatte. Irgendwie konnte Britannicus sich kaum vorstellen, dass seine Tante genug Gefühl aufbringen konnte, damit sie ihren Sohn so behandelte wie Britannicus von seinen eigenen Eltern behandelt wurde. Wäre er mehr wie sein Cousin, wenn er wie er aufgewachsen wäre?
„Als ich noch sehr jung war, hat meine Tante versucht meiner Mutter ein ähnliches Gift zu verabreichen, damit sie meine Schwester verliert", hörte Britannicus sich selbst sagen und biss sich auf die Zunge. Sofort schmeckte er Blut und er schloss für einen Augenblick die Augen. Er hatte bereits zu viel gesagt.
Als er die Lider aufschlug, blickte er direkt in Tyras silberne Augen. In ihnen schimmerten Tränen.
„Vielleicht sind unsere Familien einander ähnlicher, als wir im Moment glauben", erwiderte sie mit belegter Stimme und eine Träne stahl sich aus ihren Augen. Langsam stieß sich Britannicus von der Wand ab und hockte im nächsten Moment vor ihr. Ihre Gesichter waren einander nun so nah, dass er ihren warmen Atem auf seiner Haut spürte. Behutsam fing er die Träne auf, die über ihre Wange glitt. Fasziniert musterte er den im Flammenschein glitzernden Tropfen.
„Vielleicht", gab er zurück, auch wenn er ganz genau wusste, dass dieses dahingehauchte Wort nicht stimmte. Ihre Blicke kreuzten sich und ihr Lächeln verschlug ihm den Atem.

Als er am nächsten Morgen erwachte, kitzelte etwas an seiner Wange. Träge schlug er die Augen auf und blickte auf einen hellen Schopf. Entsetzt stellte er fest, dass sich ein kleiner, warmer, weicher Frauenkörper an ihn schmiegte. Sein Herz begann zu rasen. Doch dann fielen ihm die Ereignisse der letzten Nacht wieder ein und er beruhigte sich. Stundenlang hatten sie sich unterhalten und irgendwann hatte Tyra vor Kälte so stark gezittert, dass er nach langem Ringen mit sich selbst doch die Arme um sie geschlungen und sie an sich gezogen hatte. Irgendwann waren sie so eingeschlafen.
Für einen Herzschlag schloss Britannicus die Augen und genoss, wie perfekt sie sich in seinen Armen anfühlte. Sofort spürte er, wie sein Körper auf ihre Nähe reagierte. Behutsam löste er sich von ihr und huschte auf Zehenspitzen aus der Höhle. Sein Pferd wieherte ihm zur Begrüßung fröhlich entgegen, doch in seinen Ohren klang es, als würde sich die Stute über ihn lustig machen.
Von sich selbst genervt verdrehte Britannicus die Augen, kniete sich an das Ufer des Baches und tauchte den Kopf unter Wasser. Sofort vertrieb die eisige Kälte jegliche Gefühle aus seinem Körper. Mit klarem Geist zog er seinen Kopf aus dem Wasser und inhalierte die frische Luft des Waldes. Zitternd wischte sich Britannicus die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und blickte über seine Schulter auf den Eingang der Höhle. Dort schlief Tyra noch immer tief und fest. Noch nie hatte sie friedlicher ausgesehen. Wehmütig betrachtete er sie und bevor ein neuer Gedanke seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, krächzte neben ihm ein Vogel. Erschrocken drehte Britannicus seinen Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und blickte direkt in die schwarzen Augen eines Raben. Mahnend legte der Rabe seinen Kopf schief, dann breitete er seine Flügel aus und flog davon. Still blickte Britannicus dem Tier nach und fühlte sich seltsam leer.
„Brun?", rief eine Stimme leise und sein Herz wurde unendlich schwer. Langsam stand er auf und drehte sich zu ihr um. Das falsche Lächeln auf seinen Lippen war so breit, dass es schmerzte.

Ungefähr vier Stunden später erreichten sie nach einem stillen Ritt das Lager seiner Männer und sofort hatte Britannicus das Gefühl freier zu atmen. Augenblicklich fühlte er sich sicherer. Seine Männer sprangen von ihren Tätigkeiten auf und jubelten ihm zu. Nur Marcus und Titus konnten ihre Sorge nicht ganz verbergen.
Kurz darauf befanden sich seine Männer auf den Rücken ihrer Pferde und folgten ihm. An seiner Seite ritt Tyra und sprach nur, um ihm den Weg zu zeigen. In seinem Inneren klaffte eine bodenlose Leere.

Sie erreichten ihr Dorf, als die Dämmerung gerade hereinbrach. Vom Lärm der näherkommenden Reiter aufgeschreckt, kamen die Männer mit gezückten Waffen aus ihren Häusern und Britannicus ertappte sich bei der Frage, was dies nützen sollte. Wenn er mit seinen Männern als Feind zu ihnen gekommen wäre, wären die Bewohner dieses Dorfes noch vor Einbruch der Nacht tot. Britannicus blickte über seine Schulter und schrie Titus einen Befehl zu. Sofort blieb sein Freund mit einem Großteil der Männer zurück.
Als die Dorfbewohner Tyra erkannten, senkten sie ihre Waffen und riefen nach ihren Frauen. Schon bald erinnerte die Szene Britannicus auf bizarre Art und Weise an den Triumphzug seines Vaters, den ihm der Senat für die Eroberung Britanniens gewährt hatte. Wie damals jubelten und weinten die Menschen bei ihrem Anblick. Unmerklich schüttelte Britannicus den Kopf und ermahnte sich, dass man diese Ereignisse nun wirklich nicht miteinander vergleichen konnte. Vater war als siegreicher Feldherr nach Hause gekehrt, Tyra als verlorene Tochter.
Auf einem kleinen Platz, von dem Britannicus annahm, dass er die Funktion eines Forums übernahm, hielt Tyra an und stieg ab. Nervös blickte Britannicus sich um und versuchte die Situation einzuschätzen. Sein gehetzter Blick blieb an Tyra hängen und sie lächelte ihn beruhigend zu. Sofort gab sich Britannicus innerlich einen Tritt und glitt aus dem Sattel.
Im gleichen Augenblick trat aus der größten Lehmhütte ein großer Mann mit dichtem Graubart. Unsicher blieb Britannicus neben seinem Pferd stehen. Hinter ihm lief mit schnellen Schritten eine Frau, die ungefähr im Alter seiner Mutter sein musste und versuchte ihren Mann einzuholen. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sofort begann Tyra zu rennen und warf sich in die weit ausgebreiteten Arme der Frau. Die Frau musste ihre Mutter sein. Der Mann, der demzufolge ihr Vater sein musste, strich seiner Tochter zur Begrüßung sanft über den Kopf. Dann näherte er sich mit stolzer Miene Britannicus. Dank seiner jahrelangen Übung verriet keine Faser seines Körpers Britannicus' wahren Gefühle.
Als der Mann direkt vor ihm zum Stehen kam, bemerkte Britannicus, dass der Mann ungefähr so groß war wie sein eigener Vater. Forschend blickte Tyras Vater ihm ins Gesicht.
„Willkommen in meinem Dorf, Fremder", begrüßte der Suever ihn. „Ich bin Ariald, Stammesfürst der Suever und ich kann es kaum erwarten zu erfahren, warum du mit meiner Tochter hierhergekommen bist."
Mit einem kalten Lächeln bohrte Ariald seine Finger in Britannicus' Arm und zog ihn mit sich in das Innere der Hütte. Betäubt setzte sich Britannicus in Bewegung. Allmählich sickerte die Erkenntnis zu ihm durch und traf ihn schließlich mit voller Wucht: Tyra hatte ihn belogen. Sie war nicht die Tochter des ersten Schwertträgers, sie war die Tochter des Stammesfürsten der Suevi.

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