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Kapitel 6 ~ Quaestio honoris

Obwohl es beinahe Mittag war, drang kaum Licht durch das dichte Blätterdach auf den Waldboden. Mittlerweile zuckte er nicht mehr zusammen, wenn er ein seltsames Geräusch hörte. Seine Kundschafter hätten ihn gewarnt, wenn Feinde in der Nähe wären. Aber dennoch spielte das Licht seinem Geist Streiche und Britannicus war zu lange in Rom aufgewachsen, als dass ihn der Wald kalt lassen konnte. Auch er hatte von den schaurigen Geschichten über die wilden Völker auf dieser Seite des Rheins gehört und ja, er hatte Angst. Aber noch größer als seine Angst war seine Neugierde auf diese fremden Völker, die sich nicht nur von seinem Volk, sondern auch untereinander so stark unterschieden.
Die vergangenen Monate hatten ihm viel Kraft abverlangt. Jeden Augenblick rechnete er mit einem Hinterhalt und auch wenn er versuchte seine Identität geheim zu halten, so hatte in Germanien dennoch das Gerücht die Runde gemacht, dass eine Gruppe Römer den Rhein überquert hatte.
Nachdem Britannicus die gefälschte Nachricht gelesen hatte, hatte er seine Haare wachsen lassen und seitdem hingen sie ihm ständig in die Augen. Seine Freunde waren seinem Beispiel gefolgt und da sie alle die Sprache dieser Völker gelernt hatten, fielen sie kaum auf. Doch sie blieben Fremde, die durch fremdes Gebiet zogen und so blieb Britannicus wachsam.
Plötzlich registrierte er etwas auf dem Boden, das seine gesamte Aufmerksamkeit fesselte. Ein Stein. Mit einem Handzeichen signalisierte Britannicus seinen Männern anzuhalten. Rasch glitt er aus dem Sattel und begutachtete den Stein, der mitten im Wald lag. Gedankenverloren hockte er sich nieder und strich über die glatte Fläche. Langsam wanderte sein Blick weiter und er entdeckte ungefähr zehn weiterer dieser Steine, die sich im Wald verloren oder schon fast vollkommen von der Natur überwuchert waren.
„Ist es das, wonach es aussieht?", wollte Titus leise wissen, als er neben ihm in die Hocke ging. Stumm nickte Britannicus, weil er seiner eigenen Stimme nicht vertraute. Seine Fingerspitzen fuhren gerade über den Beweis, dass sie nicht die ersten Römer in dieser Gegend waren. Auch wenn die Steine verwittert und ungenutzt im Wald herumlagen, bestand kein Zweifel. Dies waren die Überreste einer von Römern angelegten Straße.
„Ich habe nie glauben können, dass dein Urgroßvater wirklich so weit vorgedrungen ist", murmelte Marcus und legte den Kopf schief. Titus schüttelte nur geistesabwesend den Kopf.
„Bis an den Albis bedeutet bis an den Albis", lächelte Britannicus und richtete sich langsam auf. Gerade als er wieder auf sein Pferd steigen wollte, hörte er ihn, den durchdringenden Schrei einer Frau. Sein Denken setzte aus. Ihre Stimme war voller Angst und Britannicus konnte nicht anders, als ihrem Ruf zu folgen. Bevor er wusste, was er eigentlich tat, rannte er in die Richtung des Schreis. Marcus und Titus riefen leise seinen Namen, aber er hörte sie nicht. Sein ganzes Denken drehte sich darum, dass er so schnell wie möglich zu dieser Frau gelangen musste.
Keuchend blieb er stehen und spitzte die Ohren. Hatte er sich ihre Stimme nur eingebildet? War dies wieder nur ein Streich seiner Fantasie? Als Britannicus schon umkehren wollte, hörte er sie erneut. Sie war so nah.
Wenige Augenblicke später preschte er zwischen den Bäumen hervor und fand sich auf einer Lichtung wieder. Nur am Rande nahm er den betörenden Duft der Wildblumen um sich herum wahr. Denn nur wenige Schritte von ihm entfernt war ein Wilder gerade dabei ein junges Mädchen zu schänden. Das Mädchen versuchte sich verzweifelt gegen ihn zu wehren, aber sie war nicht stark genug. Dennoch gab sie nicht auf, obwohl ihre Miene verriet, dass sie die Ausweglosigkeit ihrer Situation erkannt hatte. Ihr Anblick brach sein Herz.
Der Wilde war zu sehr damit beschäftigt das Mädchen in Schach zu halten und sich zeitgleich seine Hose herunterzuziehen, dass er Britannicus gar nicht bemerkte. Diana sei Dank hatte der Barbar sich ihr noch nicht aufzwingen können. Geräuschlos glitt Britannicus aus dem Schutz der Bäume und erst als er die Spitze seines Schwertes an die Kehle des Barbaren legte, erstarrte der Wilde und drehte sich langsam zu ihm um. Auch das Mädchen unter ihm hörte auf sich zu winden.
Den gelassenen und höflichen Befehlston seines Vaters imitierend wies Britannicus den Wilden an sich von ihr zurückzuziehen. Langsam richtete sich der Wilde auf. Das Mädchen unter ihm war splitterfasernackt. Die halb geöffneten Schnüre seiner Hose hielt er immer noch mit der einen Hand fest. Obwohl seine Hose nun lockerer um seine Hüften hing, war sie nicht weit genug geöffnet, um ein Mädchen zu vergewaltigen. Die Augen des Germanen schielten beunruhigt auf Britannicus' Schwert.
Bestimmt trat Britannicus zwischen den Wilden und das Mädchen. Mit seinem Schwert sorgte er dafür, dass der Germane Abstand zu ihnen hielt. Gelassen löste Britannicus mit seiner freien Hand den Verschluss seines Mantels und ließ ihn neben dem Mädchen zu Boden fallen. In wenigen Augenblicken würden Marcus und Titus zu ihm stoßen und er wollte nicht, dass sie irgendjemanden - und davon schloss er sich selbst nicht aus - ablenkte.
Der herabfallende Stoff sorgte dafür, dass der Germane seine Überraschung überwinden konnte und so begann er auch schon sich zu rechtfertigen. Angewidert verstärkte Britannicus den Griff um sein Schwert. Schon nach wenigen Worten konnte er diesen scheinheiligen Mann nicht länger ertragen.
„Schweig!", befahl Britannicus kalt und gestattete dem Germanen einen Herzschlag hinter seine Maske zu blicken. Die Abscheu in seinen Augen ließen den Wilden ängstlich zurückweichen. Aus dem Augenwinkel registrierte er schräg neben sich eine Bewegung. Das Mädchen wollte allen Ernstes jetzt aufstehen. Mit einer kleinen Handbewegung signalisierte ihr Britannicus zu bleiben, wo sie war. Erleichterung durchströmte ihn, als sie auf ihn hörte. Sofort konzentrierte er sich wieder vollkommen auf den Wilden und belehrte ihn über die Rechte einer Frau. Die Reaktion des anderen Mannes brachte das Fass beinahe zum Überlaufen. Dieser Wilde lachte ihm allen Ernstes schamlos ins Gesicht. Während er lachte, begann er unauffällig langsam weiter vor ihm zu seinem Pferd zurückzuweichen. Offensichtlich war der Germane Mann genug sich unbewaffnet über ein Mädchen herzumachen.
Bevor Britannicus etwas sagen konnte, drang das Knacken dünner Zweige im Wald in seinem Rücken zu ihnen auf die Lichtung und im nächsten Augenblick blieb der Germane stehen. Seine Freunde hatten ihn erreicht und nach dem Gesicht des Germanen zu schließen hatten auch sie ihre Waffen gezückt. In den Augen des Wilden flackerte etwas auf und Britannicus verdrehte innerlich die Augen. Wenn bis jetzt keine Verstärkung an Wilden eingetroffen waren, dann mussten die Begleiter des Wilden zu weit weg sein.
„Denk nicht einmal daran", meinte Britannicus scharf und legte den Kopf schief. Mit sanfter Stimme klärte er den Germanen über seine Situation auf und welche Möglichkeiten er ihm anbieten konnte.
„Du hast keine Ahnung, mit wem du sprichst", tönte der Barbar großspurig und Britannicus konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wenn der Germane wüsste, wer Britannicus wirklich war, dann würde er sich wahrscheinlich vor Angst um die Konsequenzen einnässen. Obwohl Britannicus nie ein Freund von Kreuzen gewesen war, erschien ihm die Vorstellung diesen Wicht dieser quälend langsamen, römischen Bestrafung zu unterziehen sehr verlockend. Aber sie waren nicht in Rom und Britannicus würde sich mit dem zufrieden geben, was ihm zur Verfügung stand. Er brauchte niemanden, der für ihn die Drecksarbeit erledigte.
„Nein, du hast keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast", erwiderte er und wartete eine Weile, damit der Wilde sich sammeln und eine Entscheidung treffen konnte. Aber als Titus und Marcus langsam unruhig wurden, begann Britannicus laut zu zählen. Die Augen des Germanen weiteten sich erschrocken und er rannte zu seinem Pferd. Mit einem Ruck riss er sein Schwert aus der Scheide und als er sich zu ihm umdrehte, grinste er ihn siegesgewiss an. Aber Britannicus durschaute das Gehabe des Wilden.
Sobald seine Zeit abgelaufen war, sprang Britannicus nach vorn und wie er erwartet hatte, war der Germane zu langsam. In letzter Sekunde riss er seinen Arm hoch und ihre Schwerter kreuzten sich. Die Wucht seines Schlages schlug dem Wilden beinahe das Schwert aus der Hand. In Britannicus' Kopf formte sich ein Plan. Ein freudloses Lächeln formte sich wie von selbst auf seinen Lippen, dann begann das vertraute Spiel. Dieser Kampf war anders als alle, die Britannicus jemals in seinem Leben geführt hatte. Dies war kein Übungskampf mit den Prätorianern seines Vaters, um seine Sinne und seinen Körper zu schärfen. Mit diesem Kampf setzte er nicht nur sein Leben aufs Spiel, sondern auch das des fremden Mädchens. Aber wenn er sich nicht für sie einsetzte und sie vor diesem stinkenden Widerling beschützte, wer dann?
Abwartend umkreiste er seinen Gegner und versuchte ihn aus der Reserve zu locken. Er machte es ihm schon fast zu einfach. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte ihn das Ganze vermutlich amüsiert. Aber dies war nicht das unbeholfene Spiel eines verwöhnten Jünglings, der sich von der Eintönigkeit seines privilegierten Lebens ablenken wollte. Als ihre Schwerter sich erneut kreuzten, änderte Britannicus seine Taktik.
„Überlass mir das Mädchen und ich werde dich unbehelligt ziehen lassen", bot Britannicus dem schnaufenden Wilden ruhig an. Wütend funkelte der Barbar zu ihm auf und spukte ihm vor die Füße. Grinsend konzentrierte sich Britannicus wieder auf ihre beiden Schwerter und verlor sich in den vertrauten, fließenden Bewegungen. Sein Gegner wurde langsamer. Eine Weile spielte Britannicus mit ihm, damit er müde wurde. Dann packte er die Gelegenheit beim Schopf, täuschte mit den Beinen eine Finte an, auf die der Germane sofort hereinfiel und schlug mit seinem Schwert so gegen das Schwert des Wilden, dass dieses ihm aus der Hand geschleudert wurde. Voller Unglauben blickte der Germane auf das Schwert, welches Britannicus mit einem Tritt außer Reichweite beförderte. Langsam trat er auf den Germanen zu, der ihn offen und zum ersten Mal an diesem Tag vollkommen gelassen entgegenblickte. So sah kein Mann aus, der den Tod fürchtete und der Wilde hatte während des ganzen Kampfes immer wieder bewiesen, dass er auf Erden nichts mehr fürchtete als diese Welt zu verlassen.
Ihr warnender Schrei war das letzte Puzzleteil, das Britannicus zum Handeln trieb. Noch bevor der Dolch im warmen Sonnenlicht aufblitze, war Britannicus bereit und reagierte sofort, als der Germane erneut angriff. Mit einem gedämpften Geräusch schlug der Dolch auf dem Boden auf und verschwand in dem Blumenmeer.
Bedrohlich langsam näherte sich Britannicus dem Wilden und ignorierte den Gestank. In den Augen des Fremden blitzte Angst auf, aber die Zeit der Milde war vorbei. Britannicus hatte ihm mehrfach die Wahl gelassen. Jetzt hatte er sich für den Tod entschieden und nichts anderes würde Britannicus ihm geben.
Mit einem warmen Lächeln beugte sich Britannicus an das Ohr des Germanen und flüsterte ruhig: „Abschaum wie dich braucht dein Wodan nicht in seiner Armee. Ich hoffe, Hela wird einen besonders düsteren Flecken in ihrem Reich für dich finden."
Der Germane begann zu hyperventilieren und bevor er seine Freunde mit einem Schrei alarmieren konnte, rammte Britannicus ihm seine Klinge mitten ins Herz. Ängstlich schaute der Germane zu ihm auf. Langsam zog Britannicus sein Schwert aus dem Germanen und trat zurück. Für einen Augenblick erwiderte der Wilde seinen Blick, dann kippte er nach vorn und schlug mit einer niederschmetternden Endgültigkeit auf dem Boden auf. Sein Herz schlug ein letztes Mal, ehe es für immer zum Stehen kam.
Was hatte er getan? Gespielt ruhig wischte Britannicus sein blutiges Schwert an der Jacke des Toten ab und steckte es zurück in die Scheide. Die fragenden Blicke seiner Freunde ignorierend drehte er sich um und fixierte das zitternde Mädchen.
Mit großen Augen blickte sie voller Bewunderung zu ihm auf und sein Herz setzte einen Schlag aus. Ihre Haare waren verfilzt und schmutzig. Ihr ganzer Körper starrte vor Dreck, als hätte sie sich wochenlang nicht richtig waschen können. Doch ihre Augen waren klar und so unbeschreiblich. Obwohl er sonst um Worte nicht verlegen war, konnte er die Farbe ihrer Augen einfach nicht in Worte fassen. Sie waren weder blau noch grau, sie waren wie frisch poliertes Silber. Glänzend, aber zugleich unbeschreiblich warm.
Langsam trat er auf sie zu und ging vor ihr in die Hocke. Instinktiv lehnte sie sich ihm entgegen und er versuchte seine Verwunderung über ihre Reaktion zu verbergen. Immerhin hatte er gerade ihren Verlobten umgebracht. Gut, dieser Verlobte hatte zuvor versucht sie gewaltsam zu nehmen, aber was wusste Britannicus schon über die Sitten dieser Barbaren. Vielleicht war ein solches Verhalten in Germanien ja normal. Allerdings hätte sie ihn dann wohl kaum vorgewarnt, als ihr Verlobter den Dolch gezückt hatte.
Auf ihrer Wange bildete sich langsam ein roter Fleck. Dieser Mistkerl hatte sie geschlagen. Zögerlich nahm Britannicus ihr Gesicht in seine Hände und fuhr behutsam über ihre anschwellende Wange. Augenblicklich bildeten sich Tränen in ihren Augen und er sah, wie sie die Lippen aufeinanderpresste, um nicht vor ihm zurückzuschrecken.
„Hast du noch weitere Verletzungen?", fragte er besorgt und sie schüttelte träge ihren Kopf.
„Kannst du gehen?", bohrte er lächelnd nach und sie nickte. Anscheinend hatte er ihr die Sprache verschlagen, stellte er belustigt fest und reichte ihr seine Hand. Langsam zog er sie mit sich nach oben, doch als er sie losließ, sackte sie in sich zusammen. Sofort sprang er nach vorn und fing sie auf. Ihr kleiner Körper bebte in seinen Armen und er spürte das unbändige Verlangen sie zu beschützen. Das Mädchen stand vollkommen unter Schock. Doch sie konnten nicht noch mehr Zeit verlieren.
Stumm gab Britannicus seinen Freunden ein Zeichen ihre Kleider aufzusammeln, dann hob er sie hoch und war überrascht, wie leicht sie war. Ohne sich noch einmal umzudrehen eilte er von der Lichtung und er atmete erst auf, als er sein Pferd erreichte. Das Mädchen war noch immer zu sehr in ihrer eigenen Welt gefangen, als dass sie selbst reiten konnten.
Ein Stöhnen unterdrückend nickte Britannicus seinen Männern zu und wollte sie an Marcus übergeben, damit er aufsitzen konnte. Doch sie presste sich zitternd an ihn und vergrub das Gesicht an seiner Brust. Mit gerunzelter Stirn legte Marcus den Kopf schief und zuckte mit den Schultern.
Etwas umständlich stieg Britannicus auf sein Pferd und versuchte eine Position zu finden, dass auch sie halbwegs bequem saß. Sein Mantel verrutschte ein kleines Stück und offenbarten ihm zwei perfekte, wenn auch etwas verdreckte Brüste. Nur mit Mühe schluckte Britannicus sein aufkeimendes Verlangen hinunter und zupfte seinen Mantel zurecht.
Suchend blickte er sich nach Titus um. Sein Freund saß bereits auf seinem Pferd und wartete auf seinen Befehl. Rasch wollte Britannicus wissen, in welchem Zustand ihre Kleider waren.
„Der Mistkerl hat nur ein paar Fetzen zurückgelassen", erwiderte Titus und deutete auf ein Knäul, welches aus seiner Satteltasche hervorlugte. „Nur ihr Mantel ist noch einigermaßen zu gebrauchen, aber im Moment ist es ratsamer, wenn sie deinen anbehält."
Britannicus warf seinem Freund einen mahnenden Blick zu, dann gab er seinem Pferd die Sporen und das Mädchen klammerte sich an ihm fest. Beruhigend strich er ihr über den Rücken, dann konzentrierte er sich vollkommen auf das Reiten. Als er das nächste Mal auf sie herabsah, schlief sie eng an ihn gekuschelt und seltsamerweise erinnerte sie ihn an Tonilla. Als seine Schwester klein gewesen war, war sie nach einem Alptraum immer zu ihm gekommen.

Einen Tag später entschied Britannicus, dass sie nun weit genug entfernt waren. Seine Späher hatten ihm keine Verfolger gemeldet. Entweder war der Germane nicht so wichtig, wie er behauptet hatte oder seine Männer mussten sich erst einmal um sein Begräbnis kümmern. An einem kleinen See hielten sie an und gestatteten ihren treuen Pferden ihre wohlverdiente Pause.
Behutsam löste sich Britannicus von dem Mädchen und glitt aus dem Sattel. Unsicher blickte sie zu ihm herab und zog seinen Mantel enger um sich. Vorsichtig griff er nach ihrer Taille und half ihr von dem Rücken seines treuen Pferdes. Sie war ihm so nah gewesen und irgendwann hatte er einen frischen Hauch von Kräutern an ihrem dreckigen Körper wahrgenommen. Seitdem konnte er an nichts anderes mehr denken.
Sobald ihre Füße den Boden berührten, ließ er sie los und drehte sich zu Titus um, der gerade die Überreste ihrer Kleider hervorholte. Britannicus kannte sich mit der Mode germanischer Frauen nicht aus, aber der Ausdruck auf ihrem Gesicht verriet ihm sofort, dass ihre Kleider nur noch Fetzen waren.
Suchend ließ Britannicus seinen Blick über seine Männer schweifen. Die meisten von ihnen waren entweder zu groß oder zu klein. Frustriert konzentrierte er sich wieder auf Titus und erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ungefähr so groß wie sein Freund war.
„Hast du noch eine zweite Garnitur dabei?", wollte Britannicus wissen. Entgeistert starrten das Mädchen und Titus ihn an. Anscheinend war es ihr vollkommen zuwider Hosen zu tragen. Das konnte Britannicus nun wirklich nur zu gut nachvollziehen. Er vermisste die Freiheiten seiner Toga oder wenigstens die seiner Uniform mehr, als er sich jemals hätte vorstellen können.
„Ich bin doch kein Barbar", zischte Titus ihn auf Latein entrüstet an, machte auf dem Absatz kehrt und holte eine frische Garnitur Kleidung hervor. Bestimmt drückte er sie dem Mädchen in die Hand und fügte in ihrer Sprache freundlich hinzu: „Du kannst sie haben, wenn du mir versprichst dich vorher gründlich dort im See zu waschen. Da drüben macht der See eine Biegung, dort müsstest du ungestört sein."
Unsicher blickte das Mädchen zwischen Titus und ihm hin und her. Erst als Britannicus ihr bestätigend zunickte, nahm sie die Kleidung entgegen und eilte zu der Stelle, auf die Titus gedeutet hatte.
Mit einem Seufzen schält sich Britannicus aus der fremden Kleidung und folgte dem Beispiel seiner Männer, die sich bereits in dem klaren Wasser wuschen. Obwohl die meisten von ihnen einer Auxiliartruppe angehörten, hatten sie sich zu sehr an die Sitten der Römer gewöhnt, als dass sie unnötig lange dreckig sein konnten.
„Hast du ihr diese germanische Erfindung mitgegeben?", fragte Marcus um einen beiläufigen Ton bemüht und warf Britannicus dieses germanische Zeug über. Die Germanen nannten es Seife und es sorgte dafür, dass man wirklich sauber wurde. Fragend wandte sich Britannicus an Titus, der nur den Kopf schüttelte. Mit einem Seufzen wusch sich Britannicus in Windeseile die Haare, dann eilte er aus dem See und nahm sich gerade noch die Zeit sich ein Handtuch um die Hüften zu wickeln. Danach machte er sich auf die Suche nach ihr.
Als er nach ihr rufen wollte, fiel ihm ein, dass er ihren Namen gar nicht kannte. Belustigt über sich selbst schüttelte er den Kopf und bog um die Ecke des Sees. Sofort hörte er ein Platschen und beobachtete, wie sie im Wasser des Sees versank. Augenblicklich schoss ihm das Blut ins Gesicht und zum ersten Mal war er froh über seinen neuen Bart.
Rasch drehte er ihr den Rücken zu und hob das Stück Seife hoch.
„Kannst du die gebrauchen?", fragte er und war überrascht, wie ruhig seine Stimme klang. Vater wäre stolz auf ihn, weil er sich nichts anmerken ließ. Das vertraute Plätschern von Wasser verriet ihm, dass das Mädchen langsam auf ihn zukam.
Als ihre warmen Finger seine Hände berührten, um ihm die Seife abzunehmen, fuhr ein Blitz durch seinen Körper und er konnte nur mit Mühe die Kontrolle über sich selbst behalten. Bevor er etwas Dummes tun konnte, marschierte er davon. Ihr leises Danke hörte er nicht. Dafür rauschte das Blut viel zu sehr in seinen Ohren.
Schon von Weitem rief ihm Titus etwas entgegen, aber Britannicus brachte seinen Freund mit einem Blick zum Schweigen. Lachend ließ sich Marcus in das Wasser des Sees fallen und zog Titus mit sich. Wütend stapfte Britannicus zu seinem Pferd und schlüpfte in eine frische Garnitur Barbarenkleidung. Seine vorherige Garnitur war bereits von einem Sklaven gewaschen und zum Trocknen aufgehängt worden.
Noch immer aufgewühlt setzte sich Britannicus zu einem umgestürzten Baumstamm mit Blick auf den See, zog ein Notizbuch hervor und versuchte krampfhaft zu überlegen, was er über die Ereignisse des Tages zu berichten hatte. Ungeduldig spielte er mit dem Stilus in seiner Hand und schlug gegen den Holzrahmen der aneinander gebundenen Wachstäfelchen. Nachdenklich beobachtete er die anderen Männer, die sich langsam zu ihm gesellten und ihren Aufgaben nachgingen. Nur Titus und Marcus alberten noch im See herum und Britannicus wünschte, er könnte sich zu ihnen gesellen und für einen Augenblick vergessen. Doch zuvor musste er diesen Bericht vervollständigen.
Mit einem Seufzen richtete er seinen Blick auf die leere Wachstafel und begann zu schreiben. Als er an die Stelle kam, an der das Mädchen auftauchen musste, stoppte er. Wie sollte er sein Eingreifen nur erklären? Was würde sein Vater schreiben?
„Sind Lesen und Schreiben nicht eher Tätigkeiten, die Sklaven verrichten?", zog ihn eine weibliche Stimme auf und er klappte entschieden das Buch zu.
„Manche Dinge erledige ich einfach gern selbst", erwiderte er und als er den Blick hob, verlor er sich in den Tiefen ihrer merkwürdigen Augen. Ihr Gesicht war schön, sehr schön sogar ohne den ganzen Schmutz. Die Züge ihres Gesichtes waren edel und ebenmäßig. Ihre Haare waren noch feucht vom Bad, aber einige Strähnen hatten bereits zu Trocknen angefangen und nahmen einen Ton an, der ihn an Getreide erinnerte. Doch es waren ihre Augen, die ihn faszinierten. So eine Farbe hatte er noch nie gesehen. Groß und unschuldig blickten sie auf ihn herab. Dennoch loderte in ihnen bereits ein wildes Feuer und er ertappte sich bei dem Wunsch, dass es niemals erlöschen möge. Ihre Augenbrauen waren einen Hauch zu breit und verliehen ihrem Aussehen etwas Wildes, Unzivilisiertes, aber dies würde jeder gute Sklave in wenigen Augenblicken beheben können. Unwillkürlich fuhr er sich durch das ungewohnt lange Haar und machte ihr Platz, damit sie sich neben ihn auf den Baumstamm setzen konnte. Sofort verzogen sich ihre einladenden Lippen zu einem so warmen Lächeln, dass sein Herz heftig zu schlagen begann. Gerade als er etwas sagen wollte, trat Marcus zu ihm und fragte leise, ob sie die Nacht hier verbringen würden. Überrascht stellte er fest, wie tief die Sonne bereits über den Baumwipfeln des dichten Waldes stand und er entschied, dass sie unmöglich eine weitere Nacht durchreiten konnten. Tier und Mensch brauchten diese Pause gleichermaßen. Am liebsten hätte Britannicus Marcus aufgetragen ein Lager errichten lassen. Denn dafür stand ihnen eigentlich genug Zeit zur Verfügung. Aber wenn er hier überleben wollte, dann musste seine Gruppe wie ein Haufen Barbaren wirken und Barbaren schliefen nicht in römischen Lagern.
Sobald Marcus fortgegangen war, um den Männern ihre neuen Befehle zu erteilen, bedankte sie sich leise bei ihm für die Kleidung. Nachdenklich musterte er sie von Kopf bis Fuß. Diese Kleider wirkten seltsam deplatziert an ihr, irgendwie falsch. Während die Hose eine Spur zu kurz war, waren die Ärmel des Hemdes viel zu lang und verdeckten ihre Handgelenke.
„Bedank dich lieber bei meinem Freund oder den Göttern, dass ihr beide ungefähr die gleiche Größe habt", erwiderte Britannicus und streckte die Hand nach ihr aus. Automatisch wich sie ein Stück von ihm ab und entspannte sich erst, als er bestimmt den Stoff ihres linken Ärmels ergriff und behutsam umkrempelte, bis sie ihre Hände ungestört benutzen konnte. Nun drang zum ersten Mal ihr wahrer Duft in seine Nase und berauschte ihn so sehr, dass er beinahe die Male an ihren Handgelenken übersehen hätte. Wut durchströmte seinen Körper. Während er sich äußerlich vollkommen gelassen um ihren anderen Ärmel kümmerte, widersprach sie leise: „Hätte er sie mir gegeben, wenn Ihr es ihm nicht befohlen hätte?"
Grinsend blickte er zu ihr auf und zuckte mit den Achseln. Im selben Augenblick ertrank er in ihren seltsamen Augen. Spielte es noch eine Rolle, wessen Kleider sie trug und wer den Befehl dazu erteilt hatte sie ihr zu überreichen? Benommen schüttelte er den Kopf und begann ihre Handgelenke zu begutachten. Nun wusste er ganz genau, dass dieses Schwein sie gegen ihren Willen mit sich genommen hatte. Aus dem Nichts erschien neben ihm ein Sklave und gab ihm eine kleine Dose. Vorsichtig hob er ihren Deckel ab und tupfte die darin gelagerte Salbe großzügig auf die wunden Stellen an ihren Handgelenken. Ein kleines, wohliges Seufzen entwich ihren Lippen und dieses kleine, unschuldige Geräusch brachte ihn innerlich vollkommen aus der Fassung. Nur seine jahrelang antrainierte Kontrolle bewahrte ihn davor, dass irgendjemand seine wahren Gefühle auch nur erraten könnte. Wer hätte gedacht, dass ihm ausgerechnet diese römische Fähigkeit im wilden Germanien so gute Dienste leisten würde? Sobald er sie verarztet hatte, schloss er eilig die Dose und gab sie dem wartenden Sklaven zurück.
Als sich ihre Blicke das nächste Mal kreuzten, hatte er das Gefühl, als würde sie in sein tiefstes Inneres blicken wollen. Instinktiv verschloss er sich noch mehr und ein frustrierter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Noch nie in seinem Leben war er einem Menschen begegnet, der seine Gefühle so unverhohlen nach Außen trug.
„Wie heißt du?", fragte er sie neugierig. Lächelnd hielt sie ihm ihren Arm entgegen, doch bevor er ihren Unterarm zu passen bekam, griff sie nach seiner Hand. Überrascht stellte er fest, wie winzig und warm zugleich ihre Hand war. Sie passte perfekt in die Seine und er wünschte sich, dass sie ihn nie wieder loslassen würde.
„Ich heiße Tyra, Tochter des ersten Schwertträgers der Suevi", stellte sie sich förmlich vor und verstärkte mit ihren Fingern den Druck um seine Hand. Automatisch erwiderte er ihren Händedruck wie sein germanischer Lehrer Bror ihn in Rom gelehrt hatte.
„Und wer ist mein edler Retter?", fragte sie neugierig und sein Inneres gefror zu Eis. Im gleichen Augenblick spürte er, wie sich intuitiv seine Maske über seine Züge legte und seine wahren Gefühle vor ihr verbarg.
„Brunold, aber alle nennen mich nur Brun. Außerdem bin ich ebenso wenig edel wie du", antwortete er gelassen und hielt ihrem prüfenden Blick stand. „Mein Stamm lebt sehr weit südwestlich von hier. Ich bin der Sohn des Schmieds und mein Vater hat mich geschickt, um neue Handelswege zu erschließen."
Einen Herzschlag blinzelte sie zu ihm auf und er war sich sicher, dass sie ihn durchschaut hatte. Doch dann kehrte dieses bezaubernde, unschuldige Lächeln auf ihr Gesicht zurück und vertrieb seine Sorgen. Eine gefühlte Ewigkeit verharrten sie so, die Köpfe nah beieinander, die Hände ineinander verschlungen. Erst ein nervöses Husten vermochte es ihn zurück in die Realität zu holen. Rasch wandte er den Blick von ihr ab und zog seine Hand zurück. Sofort vermisste er ihre Wärme auf seiner Haut. Vor ihnen standen Titus und Marcus. Schnell stellte Britannicus Tyra seine Freunde als Tato und Marbod vor. Auf diese Namen hatten sie sich geeinigt, falls sie ihre echten Namen nicht verwenden konnten und seine Freunde spielten sofort mit. Nachdem er ihnen nun auch den Namen des Mädchens verraten hatte, baten seine Freunde darum, dass sie sich mit zu den anderen ans Feuer gesellten. Sofort verstand Britannicus diesen Wink, erhob sich und bot Tyra seine Hand an. Lächelnd ließ sie sich von ihm aufhelfen und ans Feuer geleiten.
Die Wärme des Feuers ließ ihre Haare trocknen und fasziniert stellte Britannicus fest, wie einzigartig ihre Haarfarbe war. Ihre Haare waren im trockenen Zustand so hell wie das Licht des Vollmondes. Im Gegensatz zu den Haaren seiner Mutter fehlte der warme, goldene Glanz. Nachdenklich strich sich Britannicus eine Haarsträhne aus dem Gesicht und in diesem Augenblick fiel ihm auf, dass er all die Jahre in dem Irrglauben gelebt hatte, er habe die Haarfarbe seines Vaters geerbt. Doch hier in den Tiefen Germaniens musste er erkennen, dass auch seine Haare einen goldenen Schimmer besaßen.
Während er ihrer Erzählung lauschte und sich immer wieder ermahnen musste, dass er diesen widerlichen Kerl bereits getötet hatte und kein weiteres Mal umbringen konnte, fiel ihm auf, wie der Wind mit ihren Haaren spielte und sie beim Reden zunehmend störte. Als sie seinen Blick bemerkte, strich sie sich zum wiederholten Mal ihre langen Haare aus ihrem schönen Gesicht. Gerade war sie an der Stelle angekommen, an der Britannicus aufgetaucht war und sie vor ihrem Räuber gerettet hatte.
„Kann ich einen Kamm haben? Meine Haare sind so einfach nur unpraktisch", flüsterte sie ihm leise ins Ohr. Mit einem Wink rief Britannicus einen Sklaven herbei und befahl einen Kamm zu besorgen. Kurze Zeit später drückte ihm der Sklave einen Kamm in die Hand. Wortlos reichte er ihn an sie weiter.
„Hast du ihn gemacht?", wollte sie wissen und drehte den kunstvoll gearbeiteten Kamm in den Händen. Britannicus schüttelte nur den Kopf und antwortete schnell, dass es ein Erbstück seiner Mutter sei und er keine Ahnung habe, woher es stammte. Dass er den Kamm vor seiner Abreise heimlich aus dem Schlafzimmer seiner Eltern entwendet hatte, ließ er bewusst unter den Tisch fallen. Seine Mutter besaß so viele Kämme, dass sie sein Fehlen bestimmt noch nicht einmal bemerkt hatte. Aber für Britannicus war es tröstlich und durch seine mittlerweile längeren Haare sehr nützlich diese Erinnerung an sie bei sich zu haben.
Dankbar fuhr sie sich mit dem kunstvoll gearbeiteten Kamm durch ihre wilde Mähne und begann sie zu bändigen. Mit einem Lächeln auf den Lippen gab sie ihm seinen Kamm zurück und begann sich die Haare zu kleinen Zöpfen zu flechten.
„Ist er dir zuvor schon einmal zu nah gekommen?", fragte er beiläufig und sie erstarrte mitten in der Bewegung. Wie hypnotisiert starrte sie ihn an und am liebsten hätte er die Distanz zwischen ihnen überbrückt, um von ihren Lippen zu kosten, die ihn förmlich darum anschrien. Aber jetzt war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, wenn es diesen jemals für sie beide geben würde. Langsam schüttelte sie den Kopf und ihre Miene wurde seltsam verschlossen.
„Nein und auch sonst kein anderer Mann, wenn du darauf anspielst, Brun", fauchte sie und wandte trotzig den Kopf von ihm ab. Noch einen Herzschlag musterte er ihr schönes Gesicht, dann drehte er sich von ihr weg und entdeckte die große Sorge, in den Gesichtern seiner besten Freunde. Ihre Sorge übertrug sich auf seine Männer und Britannicus unterdrückte nur mit Mühe ein Seufzen.
„Wir sind auf dem Weg nach Westen", erklärte er Tyra, ohne sie dabei direkt anzusehen. Aber aus dem Augenwinkel registrierte er, wie sie ihn von der Seite musterte. Ungerührt fuhr er fort: „Vielleicht sind sie uns noch nicht auf der Spur, weil sie sich bereits auf dem Weg nach Süden befinden. Wir werden also einen großen Umweg machen müssen, aber ich werde dich zu deinem Stamm zurückbringen."
„Warum hilfst du mir?", fragte sie und weil er sich selbst nicht traute, stand er auf und wandte ihr den Rücken zu. Über das Feuer hinweg blickte er geradewegs in Marcus' dunkle Augen.
„Ich habe drei kleine Schwestern und ich bete jeden Tag, dass keine von ihnen jemals in so eine Situation geraten wird wie du", erklärte er mit belegter Stimme. „Aber wenn meine Gebete ungehört bleiben, dann hoffe ich, dass sich jemand für sie einsetzt und sie davor bewahrt. Wer wäre ich so etwas zu fordern und bei einer Fremden anders zu handeln?"
Zitternd rang er um Atem und er fühlte sich seltsam nackt. Alle Anwesenden verstanden die Sprache dieser Wälder und er hatte das Gefühl, als hätte er sich durch dieses Geständnis verwundbarer gemacht. Doch in den Gesichtern seiner Männer las er nichts als Respekt.
Bevor sich sein rasendes Herz beruhigen konnte, machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand in den Tiefen des Waldes. Sobald er die anderen weder sehen noch hören konnte, hielt er inne und lehnte sich gegen den Stamm eines Baumes. Der Mond war mittlerweile aufgegangen und der Wald war gespenstig still. Erschöpft schloss Britannicus die Augen und versuchte die in ihm durcheinander wirbelnden Gefühle zu sortieren und unter Kontrolle zu bringen.
Plötzlich hörte er sich nähernde Schritte und automatisch griff er nach seinem Dolch. Er konnte es nicht riskieren Aufsehen zu erregen, indem er sein Schwert zog. Aufmerksam spitze er die Ohren, aber die Näherkommenden machten zu viel Krach. Erst als die Stimmen seiner Freunde leise nach ihm rief, löste er seine Hand, schlug die Augen auf und ging geräuschlos auf sie zu. Diese Nacht war Vollmond und obwohl nur wenig Licht zu ihnen drang, entdeckten sie ihn sofort. Mit schnellen Schritten gesellten sie sich zu ihm.
„Bist du von Sinnen ihr so etwas anzubieten?", zischte Marcus ihn an und Titus fügte aufgebracht hinzu: „Wenn wir uns nicht jetzt auf den Weg nach Westen machen, schaffen wir es niemals vor Einbruch des Winters über den Rhein. Monatelang werden wir auf dieser Seite festsitzen! Glaubst du wirklich, wir werden so lange mit unseren Lügen durchkommen?"
Schon seit er Tyras kleinen Körper auf dem Rücken seines Pferdes gegen seine Brust gepresst gespürt hatte, beschäftigten ihn diese Fragen. Beschwichtigend versuchte er ihnen zu erklären, dass sie das Mädchen unmöglich hierlassen konnten.
„Wir kennen dich besser als du glaubst, Britannicus", meinte Marcus leise. „Ich verstehe, dass du dich für sie verantwortlich fühlst. Aber wir sind nicht ohne Grund hierhergekommen. Wir haben eine Aufgabe und sie zu ihrem Stamm zu schaffen, hindert uns daran Rom so zu dienen, wie wir verpflichtet sind."
Heißer, alles verzehrender Zorn loderte in ihm auf. Niemand wusste besser, was es bedeutete Rom mit Haut und Haaren zu dienen. Auch darüber hatte er sich in den vergangenen Stunden den Kopf zerbrochen und Marcus hatte seinen wunden Punkt getroffen. Britannicus fürchtete nichts mehr als seiner Pflicht nicht nachzukommen. Doch statt seinen Freund anzuschreien, wurde er vollkommen ruhig. Keine einzige Faser seines Körpers verriet seinen inneren Aufruhr. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog Britannicus sein Schwert und hielt es so ins Licht des Mondes, dass seine Freunde die Inschrift lesen konnten. Pietas, virtus, honos. Pflicht, Tugend, Ehre - diese Prinzipien sollten dieses Schwert führen und ihnen hatte sich Britannicus zum Wohle Roms verschrieben. Dieses Schwert hatte der göttliche Augustus für seinen Urgroßvater Drusus schmieden lassen, damit es Frieden in Germanien stiften würde. Nun lag es bei ihm die Bestimmung dieses Schwertes zu erfüllen.
„Unsere Aufgabe ist es diese Menschen kennenzulernen", antwortete Britannicus mit fester Stimme. „Dieses Mädchen ist der Schlüssel zu einem römischen Germanien. So und nicht anders bin ich verpflichtet Rom zu dienen."
Tief blickte er seinen Freunden in die Augen und konnte sich selbst nicht eingestehen, dass weit mehr dahintersteckte. Aber die Gefühle, die dieses germanische Mädchen in ihm weckte, machten ihm mehr Angst als die schaurigen Wälder, die ihr Land bedeckten.

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