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Kapitel 5 ~ Geraubt

Hartnäckig versuchten sich die ersten Strahlen der Morgensonne durch das dichte Blätterdach des Waldes zu kämpfen, doch die meisten von ihnen scheiterten. Am liebsten hätte Tyra für einen Augenblick in ihrer Arbeit innegehalten, um die Schönheit des Waldes zu bewundern. Aber sie musste diese Kräuter sammeln und so schnell wie möglich zur Heilerin ihres Dorfes bringen.
Schon vor Stunden hatte die Heilerin sie aus ihrem Schlaf gerissen, weil bei einer von Tyras Freundinnen, Lykke, die Wehen eingesetzt hatten und ihr Vorrat an Kräutern die Geburt womöglich nicht abdecken konnte. Im Gegensatz zu all ihren Freundinnen war Tyra noch unverheiratet, weshalb sie die einzige Tochter des Stammes war, an die sich die Heilerin in ihrer Bedrängnis wenden konnte. Sofort war Tyra von ihrem Strohlager aufgesprungen, hatte sich schnell einen Mantel umgeworfen und war hinaus in die Nacht geeilt. Ihre Sorge um ihre Freundin hielt sie gefangen.
Mit zitternden Fingern durchtrennte Tyra die Stängel der Kräuter und stopfte die abgeschnittenen Pflanzenteile in ihren Korb. Obwohl die Tiere aufgrund der Jahreszeit ausreichend Nahrungsquellen zur Verfügung standen, bevorzugten sie ausgerechnet diese Kräuter, die Lykke so dringend benötigte und so hatte sich Tyra weiter vom Dorf entfernt, als ihr lieb war. Nur das Messer in ihrer Hand beruhigte ihre Nerven.
„Wen haben wir denn da?", ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr und Tyra erstarrte. Langsam drehte sie sich zu dem Sprecher um und mit wachsendem Entsetzen musste sie feststellen, dass sie von fremden Männern umgeben war. Sie war so sehr in ihre Arbeit und ihre Sorgen vertieft gewesen, dass sie diese Bedrohung für sich selbst nicht wahrgenommen hatte. Nun war es zu spät. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Vor ihr stand Gunnar, der zweitälteste Sohn des Stammesfürsten der Sachsen. In den vergangenen Monaten hatte sein Stamm versucht mit ihrem Vater, dem Stammesfürsten der Suever, ein Bündnis gegen die Semnoner zu schließen, an deren Gebiet im Norden sein Stamm und im Süden ihrer grenzte. Vater hatte abgelehnt. Gunnar und seine Männer waren schon vor Tagen aufgebrochen. Zumindest waren sie davon ausgegangen.
Gunnar schenkte ihr ein hämisches Grinsen, als sie drohend ihr Messer hob. Im Vergleich zu dem Schwert, welches an seiner Hüfte lässig baumelte, wirkte ihre Waffe wie ein lächerliches Spielzeug. Aber etwas anderes trug sie nicht bei sich. Seine Augen funkelten vor Freude über seinen kleinen Triumph. Im Stillen verfluchte sie Loki, dass er ihren ganzen Stamm dermaßen in die Irre geführt hatte.
„Sei ein braves Mädchen, Tyra", neckte Gunnar sie und trat einen Schritt auf sie zu. „Leg das Ding weg und komm freiwillig mit mir, dann werde ich dir auch nicht wehtun müssen."
Berechnend musterte Tyra die grimmigen Mienen der Männer, die sie umzingelt hatten. Sie konnte nur eine Schwachstelle in ihrer Mauer finden. Eine Chance zur Flucht, mehr hatte sie nicht. Still sandte Tyra ein Stoßgebet an Donar, dann schleuderte sie ihr Messer auf Gunnar. Der Dolch bohrte sich so tief in seinen muskulösen Oberarm, dass es stecken blieb. Überrascht sank er auf die Knie und starrte ungläubig auf das Messer in seinem Arm. Aus der Wunde strömte sofort rubinrotes Blut. Tyra zögerte keinen Augenblick und begann zu rennen.
Wie sie durch die schmale Lücke der sächsischen Krieger gelangte, wusste sie nicht. Doch sie hatte es geschafft. Zu früh fing sich Gunnar in ihrem Rücken von seinem Schreck und schrie seinen Männern zu ihr zu folgen. Automatisch beschleunigte Tyra. Ihr Herz raste, aber ihre Gedanken waren klar. Sie musste es schaffen. Wenn sie Gunnar in die Hände fiel, war die Zukunft ihres Stammes besiegelt und sie musste die Menschen, die dem Urteil ihres Vaters so bedingungslos vertrauten, vor Gunnars Ehrgeiz beschützen.
Die schweren Körper ihrer Verfolger brachen Äste und sie hatte das Gefühl, dass jedes Knacken näher war als das vorherige. Keuchend und mit hämmerndem Herzen rannte sie durch den Wald.
Plötzlich stieß jemand von hinten gegen sie. Mit einem Schrei verlor sie das Gleichgewicht und fiel zu Boden, aber es nützte nichts. Sie war noch zu weit von ihrem Dorf entfernt. Ihr Stamm konnte sie nicht hören. Vollkommen allein war sie der Gnade dieses Fremden ausgeliefert, dessen Körper sie bäuchlings in das weiche Gras drückte. Sie konnte ihm nicht vertrauen. Instinktiv begann sie sich unter ihm zu winden. Sie war die Tochter des Stammesfürsten der Suever. Niemals würde sie kampflos untergehen oder sich ihrem Feind ergeben.
Die Hand, die sich im nächsten Moment auf ihren Mund legte und ihren Schrei erstickte, war blutig. Gunnar hatte sie eingeholt. Ein raues Tuch legte sich über ihre Nase und ihre Lippen. Dampf stieg von dem groben Stoff auf und Tyra versuchte verzweifelt die Kontrolle über ihren Körper zu behalten. Doch sie spürte, wie die Wirkung der Kräuter sich entfaltete und die Welt um sie herum begann zu verschwimmen.
„Du wirst mir gehören, Tyra. Dies und nichts anderes ist dein Schicksal", raunte er keuchend in ihr Ohr. Dann fiel sie ins bodenlose Nichts.

Schon bevor Tyra die Augen aufschlug, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Beständig wurde ihr Körper auf und ab geschüttelt. Doch ihr Geist arbeitete seltsam träge und so konnte sie sich keinen Reim aus dieser Bewegung machen. Die Geräusche ihrer Umgebung drangen nur gedämpft an ihr Ohr und sie schaffte es einfach nicht wirklich aufzuwachen.
Nach einer Weile fiel die Betäubung von ihr ab und sie nahm zum ersten Mal den Arm wahr, der um ihre Hüfte geschlungen war. Automatisch versuchte sie ihn von sich zu schieben, doch der Griff um ihre Taille verstärkte sich nur.
Wütend nahm sie all ihre Kraft zusammen und schlug die Augen auf. Dieser Anblick ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen. Ihre Hände waren mit einem Strick zusammengebunden und die raue Faser scheuerte auf ihrer zarten Haut. Unter ihr befand sich ein Pferd und nur der Arm um ihre Taille hinderte sie daran herunter auf den Waldboden zu fallen. Sofort stellte sie ihre Befreiungsversuche ein und bevor sie sich beruhigen konnte, brachen die Erinnerungen über sie herein. Panisch drehte Tyra den Kopf und blickte direkt in Gunnars Augen. Die Selbstzufriedenheit in ihnen widerten sie an.
„Ausgeschlafen, kleine Wildkatze?", flüsterte er ihr ins Ohr und sofort wandte sie den Blick ab. Dieser Spitzname war ihrem Vater vorbehalten und Gunnar hatte es sich nicht verdient sie so zu nennen. Sehnsüchtig dachte Tyra an ihr Zuhause und fragte sich, ob ihre Familie bereits nach ihr suchte. Ob es Lykke gut ging? Sofort fühlte sie sich schuldig, weil sie ihrer Freundin die Kräuter nicht rechtzeitig bringen konnte.
Trotzig starrte Tyra stur geradeaus und ignorierte jeden Versuch, den der Sachse unternahm, um ein Gespräch in Gang zu bringen. Sie hatte ihm nichts zu sagen. Wer eine Frau gegen ihren Willen entführte, war kein Mann. Schnell horchte Tyra in sich hinein, aber sie fühlte sich nur träge. Vermutlich eine Nachwirkung des Schlafmittels. Es musste sehr stark gewesen sein, denn es war bereits wieder tiefste Nacht und Tyra kannte die Gegend nicht mehr. Sie war noch nie so weit von Zuhause fortgewesen. Doch abgesehen von ihrer Trägheit fühlte sie sich vollkommen normal. Ihr Rücken und ihre Arme waren bestimmt von blauen Flecken überseht, aber ansonsten fühlte sie sich unbeschädigt.

Drei Tage schwebte Tyra zwischen Träumen und Wachen und sagte kein einziges Wort. Kein Laut drang über ihre Lippen. Außerdem hatte sie beschlossen ihren knurrenden Magen zu ignorieren und von den Männern kein Essen anzunehmen. Eigentlich hatte sie auch vorgehabt nichts zu trinken, aber Gunnar schaffte es immer wieder ihr den Trinkschlauch in den Mund zu stopfen und sie mit seinem widerlichen Bier bei Kräften zu halten. Seine Sorge kümmerte sie nicht. Hätte er sie nicht entführt, müsste er sich nicht um sie kümmern und sie hatte vor es ihm so schwer wie möglich zu machen.

In der vierten Nacht, nachdem sie auf dem Rücken seines Pferdes aufgewacht war, setzte sich Gunnar neben sie. Da ihre Hände immer noch gefesselt waren und er sie meist an einem Baum wie ein Pferd festband, war ihr Bewegungsradius sehr eingeschränkt. Dennoch saß sie so weit wie möglich von den Männern entfernt und ignorierte die abendliche Kälte. Ihr Mantel war warm genug. Zumindest redete sie sich das beharrlich ein.
„Ich will, dass wir Freunde sind, Tyra", meinte Gunnar so leise, dass seine Männer ihn nicht hören konnten. Belustigt schnaubte Tyra und schüttelte den Kopf.
„Solange du dich nicht wie ein Freund verhältst, werde ich dich immer als meinen Feind betrachten", entgegnete sie und hob vielsagend ihre gefesselten Hände. Überraschend sanft griff Gunnar nach ihren Handgelenken und begutachtete den Schaden, den die Seile auf ihrer Haut hinterließen. Mit einem Seufzen holte er eine kleine Dose aus seiner Hosentasche und strich behutsam über die wunden Stellen. Sofort fühlte Tyra sich besser.
„Was muss ich tun, damit du mir vertraust?", wollte er beiläufig wissen und sie starrte ihn ungläubig an. Nach einer Weile zog er seine Finger zurück und steckte seine Dose ein.
„Es ist ganz einfach, Tyra", erklärte der Sachse sachlich. „Weil mein ältester Bruder bereits verheiratet ist, erwartet mein Vater von mir, dass ich die Allianz mit deinem Vater sichere. Es ist mein Schicksal dich zu heiraten und im Gegensatz zu dir habe ich mich damit schon vor Wochen abgefunden. Die Nornen haben die Macht über uns, akzeptier das bitte."
Nachdenklich hob sie den Kopf und blickte hinauf zu den Sternen. Wie gern würde sie Heimdal anflehen, dass er ihr dieses Schicksal ersparen möge. Aber was kümmerte die Götter ihr Schicksal? Ob Loki wieder seine Finger im Spiel hatte? Oder waren es wirklich die Nornen? Wenn letzteres der Fall war, hatte sie keine Wahl. Einen Herzschlag versuchte sie sich ein Leben an der Seite Gunnars vorzustellen, aber sie konnte es einfach nicht.
„Es gibt nur eine Sache, die ich wissen muss", brachte Tyra mühsam hervor und erschrak selbst, wie heiser ihre Stimme klang. Sofort drückte Gunnar ihr einen Becher von seinem scheußlichen Bier in die Hand, aber dieses Mal leistete sie keinen Widerstand. Ihre rissigen Lippen legten sich um den Rand des Bechers und sie trank ihn behutsam leer. Als sich ihre Blicke kreuzte, funkelten seine Augen und ihr Ausdruck behagte ihr überhaupt nicht.
„Hast du... bin ich... haben wir... also als ich...", begann sie zu stammeln und die Frage war ihr so unangenehm, dass sie vor Scham den Blick abwenden musste. Bei Freya, sie konnte es einfach nicht aussprechen. Plötzlich kam ein Windhauch auf und begann neckend mit ihren Haaren zu spielen.
Lange schwieg der Sachse und ihr Unbehagen wuchs. Bestimmt hatte er ihr Gestammel nicht verstanden. Gerade als sie einen neuen Versuch starten wollte und sich bereits zu ihm umdrehte, beugte er sich näher zu ihr. Er war ihr mit einem Mal so nah. Zu nah.
„Du bist sehr schön, Tyra", flüsterte er und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Aber ich möchte, dass wir in Zukunft gut miteinander auskommen. Deshalb werde ich dich nicht anrühren, ehe alle Riten vollzogen sind und du unwiderruflich mir mit Haut und Haaren gehörst."
Seine Finger wanderten von ihrem Ohr über ihre Wange und begannen sie dort zu berühren. Bestimmt drehte sie ihr Gesicht von ihm weg, damit er ihre Wange nicht weiter liebkosen konnte. Sie mochte es einfach nicht, wie sich seine rauen Finger auf ihrer weichen Haut anfühlte. Vielleicht war es ihr Schicksal seine Frau zu werden. Sie wusste es nicht. Doch auch wenn ihm ihr Körper gehören würde, ihren Geist würde er niemals besitzen.
„Aber dafür erwarte ich eine Gegenleistung", fuhr er fort und ihr Inneres gefror zu Eis. „Ich werde dir versprechen zu warten, aber dafür brauche ich die Gewissheit, dass du nicht mehr vor deinem Schicksal fliehen wirst. Versprich mir, dass du keinen weiteren Versuch zur Flucht unternehmen wirst. Dann werde ich auch deine... Situation respektieren."
Lange schauten sie einander in die Augen und Tyra versuchte abzuwägen, ob sie ihm trauen konnte. Seine Augen waren so dunkel vor Verlangen, dass es sie wunderte, dass er noch immer so ruhig neben ihr saß und sich mit ihr unterhielt. Aber hatte sie eine andere Wahl? Früher oder später würde er sein Versprechen brechen. Sie musste nur dafür sorgen, dass sie ihres eher brach. Dann konnte sie nach Hause zurückkehren und wenn sie erst wieder im Gebiet ihres Stammes war, würde er ihr nie wieder zu nah kommen können. Dafür würde Vater sorgen.
„Ich verspreche es", antwortete sie und auf seinen Lippen breitete sich ein selbstgefälliges Grinsen aus. Er tätschelte anerkennend ihren Kopf wie den eines Hundes und sie musste stark an sich halten, damit sie ihm ihre Abscheu nicht ins Gesicht schleuderte. Sie brauchte sein Vertrauen und wenn Loki ihr gewogen war, würde sie ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen. Fordernd streckte sie ihm ihre Hand entgegen und er schlug ein. Dies war sein erster Fehler. Wenn er gewollt hätte, dass sie bei ihm blieb, hätte er ihr einen Schwur abgenommen. Vermutlich hätte Tyra schon in diesem Moment wissen müssen, dass er mit ihr nur spielte. Denn woher sollte sie wissen können, dass Gunnar ein leidenschaftlicher Jäger war und je mehr eine Beute sich ihm widersetzte, desto dringender musste er sie erlegen.

Die nächsten Wochen waren unerträglich. Zwar hatte Gunnar ihr ein paar Tage nach ihrem Gespräch die Handfesseln abgenommen. Aber ein eigenes Pferd gab er ihr nicht. Dumm war er leider nicht. Sie würde es ohne Pferd schaffen müssen.
Mit jedem weiteren Tagesritt entfernten sie sich weiter von ihrer Heimat. Dennoch gab sie niemals die Hoffnung auf bald heimzukehren.
Das einzig Gute an ihrer Situation war, dass Gunar sein Wort hielt und ihre Grenzen respektierte. Auch seine Männer hielten sich von ihr fern. In ihrem Kopf begann sich ein Plan zu formen.
Wirklich sicher fühlte sich Gunnar erst, als sie die Grenze zu seinem Land beinahe erreicht hatten. Sein Benehmen wurde noch selbstsicherer und überheblicher, dass Tyra am liebsten von seinem Pferd gesprungen wäre. Stattdessen hörte sie ihm geduldig zu und versuchte so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Wenn seine Behauptungen stimmten, würden sie am nächsten Tag das Gebiet seines Volkes erreichen und dann wäre ihre Chance zur Flucht endgültig vorbei.
Gegen Mittag des nächsten Tages legten sie wie immer eine Rast ein. Das Plätschern verriet, dass ganz in der Nähe ein Fluss war. Es musste die Grenze sein.
„Ich werde mich kurz erleichtern", erklärte Tyra und erhob sich, während sie die anzüglichen und mittlerweile vertrauten Witze von Gunnars Männern ignorierte. Gunnar nickte auf eine Stelle, die weit genug entfernt war, damit sie ungestört war. Schon vor einer Woche hatte er aufgehört ihr eine Wache mitzugeben. Anscheinend fühlte er sich sicher. Gut.
Ohne Hast entfernte sich Tyra von den Männern und lief auf die Stelle zu, an die Gunnar sie verwiesen hatte. Es war eine Senke.
Mit klopfendem Herzen wartete sie am Rand der Senke eine kurze Zeit, dann zog sie sich ihren Umhang über den Kopf und schlich tiefer in den Wald. Angestrengt lauschte sie hinter sich, aber die alarmierenden Rufe blieben aus. Geräuschlos huschte sie durch den Wald und folgte den Zeichen der Bäume nach Süden.
Gerade als sie glaubte, dass sie weit genug entfernt war, hörte sie es. Hufgetrappel. Leise fluchend wandte sie sich nach Westen und trat auf eine Lichtung. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie einholen würde. Weshalb sollte sie ihre wertvolle Lebenszeit mit Rennen verschwenden? Es würde sie nicht retten. Niemand würde sie retten. Dies war ein guter Ort, um sich selbst zu verlieren. Die Lichtung war ein Meer aus Wildblumen und verzaubert atmete Tyra ihren Duft ein. Langsam schlug sie ihre Kapuze zurück, damit das Licht der Sonne ihre Haut küssen konnte. Wie eine Schlafwandlerin tanzte sie zwischen den Blumen hindurch und ein naiver Teil von ihr hoffte, dass sie ihren Tanz als Kulthandlung tarnen konnte, um so seiner Bestrafung zu entgehen.
Kurz darauf brach sein Pferd zwischen den Bäumen hervor und verharrte am Rand der Lichtung. Ungerührt setzte Tyra ihren Tanz fort und ignorierte die in ihr aufsteigende Angst. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie ihn und er sah nicht wütend aus. Im Gegenteil. Er wirkte sehr zufrieden mit sich selbst. Ohne Hast glitt er vom Rücken seines Pferdes und kam immer näher. Gespielt irritiert erstarrte Tyra mitten in der Bewegung und drehte sich fragend zu ihm um. Belustigt schüttelte er den Kopf und der seltsame Glanz in seinen Augen steigerten ihre Panik. Wieder einmal war sie in seine Falle getappt. Aber vielleicht war es noch nicht zu spät. Sie waren noch nicht in seinem Gebiet. Voller Verzweiflung schrie sie um Hilfe und Wut blitzte in seinen grauen Augen auf. Mit einem Satz war er bei ihr und schlug ihr so heftig ins Gesicht, dass sie zu Boden ging. Im nächsten Moment war er auch schon über ihr und sein Gestank trieb ihr die Tränen in die Augen. Das Gewicht seines Körpers drückte sie unnachgiebig auf den Boden und zerdrückte die wunderschönen Blumen.
„Sag mir, Tyra", schnurrte er in ihr Ohr. „Weshalb kämpfst du so verzweifelt gegen dein Schicksal an? Denkst du wirklich, dass du eines Tages einen besseren Mann finden wirst als mich? Ich bin der Sohn eines mächtigen Stammesfürsten und gemeinsam werden wir das Land unserer Väter vereinen. Aber ich werde nicht länger dulden, dass du dich mir widersetzt und damit du begreifst, dass du mir gehörst, werde ich nicht länger warten. Hättest du dein Wort nicht gebrochen, hätte ich keinen Grund mich nicht an meines zu halten. Doch du lässt mir keine andere Wahl, als dich hier und jetzt zu nehmen, damit du nie wieder vor mir davonlaufen kannst."
Grob zerrte er an ihrer Kleidung, aber sie ignorierte die kalte Luft, die ihre ungeschützte Haut traf und versuchte mit aller Kraft gegen ihn anzukämpfen. Aber sie hatte keine Chance. Er war einfach zu stark. Vollkommen nackt lag sie unter ihm und sie fühlte sich ihm vollkommen schutzlos ausgeliefert. Frustriert schrie sie ihn an, aber er lachte ihr nur ins Gesicht. Trotzig presste sie die Beine zusammen, worauf er nur mit quälender Langsamkeit seine Hand zwischen ihre Schenkel fuhr und ihre Beine bestimmt Stück für Stück auseinanderdrückte. Plötzlich erstarrte Gunnar mitten in der Bewegung und drehte ganz langsam den Kopf. An seiner Kehle schimmerte die Klinge eines Schwertes.
„Du wirst dich ganz langsam erheben und einen Schritt zurücktreten", erklärte eine ruhige Stimme höflich und ihr warmer Klang traf Tyra mitten ins Herz. Seine Worte klangen seltsam. Irgendwie melodischer und als Gunnar sich langsam erhob, machte Tyras Herz einen Satz beim Anblick ihres Retters. Vollkommen gelassen blickte er auf Gunnar herab. Er war riesig und im ersten Augenblick war sich Tyra sicher, dass der mächtige Donar sie gerettet hatte. Sein langes Haar schimmerte wie frisch poliertes Gold im Schein der Sonne. Sein Gesicht war freundlich und offen und vollkommen gut. Die Spitze seines Schwertes schwebte noch immer nur wenige Millimeter von Gunnars Kehle. Der Fremde musterte den Sachsen eingehend und sein Blick verweilte einen Augenblick zu lang auf seinem Schritt. Als er seinen prüfenden Blick weiter wandern ließ, entspannte sich sein Körper langsam.
Mit der linken Hand löste er die Spange und der Stoff seines Umhangs glitt neben ihr zu Boden. Ihre Finger bebten, als sie den Stoff ergriffen und um ihren Körper wickelten. Sein Duft hing an dem warmen Stoff und ein wohliger Schauer durchlief ihren Körper. Sie konnte seinen Geruch nicht einordnen. Diese Mischung hatte sie noch nie in ihrem Leben gerochen. Neben den fremden Nuancen nahm sie eine Hauch Pferd und Wald wahr.
„Das ist ein Missverständnis", fing Gunnar an sich zu erklären. „Sie ist meine Verlobte und ich habe jedes Recht..."
„Schweig!", fuhr der Fremde Gunnar mit unmerklich erhobener Stimme an und Tyra schauderte erneut, weil eine solch gewaltige Autorität in seiner Stimme mitschwang. Vielleicht war er kein Gott, aber er war der geborene Anführer. Augenblicklich verstummte Gunnar. Die Macht, die dieser Fremde ausstrahlte, ließen ihn ebenfalls nicht kalt. Als sie sich langsam aufrichten wollte, machte der Fremde nur eine unmerkliche Bewegung mit der Hand und sofort setzte sie sich zurück in das Blumenmeer.
„Es kümmert mich nicht, dass sie deine Verlobte ist", antwortete der Fremde freundlich. „Sie ist eine Frau und wenn sie sich dir verweigert, dann ist es ihr gutes Recht. Es ist ihr Körper, nicht deiner und nur sie kann diese Entscheidung treffen."
Überrascht lachte Gunnar auf. Der Fremde strahlte noch immer eine solche Ruhe aus, dass Tyra sich unwillkürlich zu entspannen anfing. Langsam ging Gunnar einen Schritt zurück. Dann noch einen und noch einen. Der Körper des Fremden spannte sich unmerklich an. Auch er durchschaute Gunnars Taktik unauffällig an sein Schwert zu kommen.
Plötzlich blieb Gunnar wie vom Donner gerührt stehen und blickte ungläubig über die Schulter des Fremden. Fast vollkommen geräuschlos glitten zwei Männer aus dem Wald und kamen mit gezogenen Schwertern unaufhaltsam näher.
„Denk nicht einmal daran!", sagte der Fremde und legte den Kopf schief. Frustration huschte über Gunnars Gesicht. „Sieh es ein, deine Männer sind zu weit entfernt und ehe sie hier sind, bist du längst tot. Aber weil meine Mutter mir Manieren beigebracht hat, lasse ich dir die Wahl. Entweder du gehst und überlässt mir das Mädchen oder ich gebe dir fünf Sekunden, um zu deinen Waffen zu kommen und wir kämpfen um sie."
„Du hast keine Ahnung, mit wem du sprichst", schleuderte Gunnar dem Fremden entgegen. Mittlerweile hatten sich seine Begleiter schützend vor ihr aufgebaut.
„Nein, du hast keine Ahnung, mit wem du sprichst", erwiderte der Fremde mit einem Anflug von Belustigung in der Stimme. Eine Weile wartete der Fremde, dann begann er langsam zu zählen. Mit großen Augen verstand Gunnar, als der Fremde bei Zwei angelangt war und hastete zu seinem Pferd. Bei Vier hatte er sein Schwert aus der Scheide gezogen und schwang es siegesgewiss in den Händen.
„Fünf", hauchte der Fremde und machte einen Satz auf Gunnar zu. Im letzten Augenblick gelang es Gunnar sein Schwert zu heben und mit einem Klirren schlug das Metall aufeinander. Erst jetzt wurde Tyra bewusst, dass dieser Fremde wirklich für sie mit ihm kämpfte. Das Zittern ihres Körpers verstärkte sich.
Eine kleine Ewigkeit hockte sie dort in dem wunderschönen Blumenmeer und beobachtete durch die Beine der Freunde des Fremden die beiden Kämpfenden. Der Fremde war Gunnar weit überlegen und ging gnadenlos gegen ihn vor.
Als er Gunnar etwas fragte, was sie über das Klirren der Schwerter nicht verstehen konnte, spuckte Gunnar dem Fremden vor die Füße. Einer seiner Begleiter trat automatisch einen Schritt nach vorn. Der zweite Begleiter streckte die Hand nach ihm aus und hielt ihn zurück. Nun machte sich der Fremde erst recht einen Spaß daraus seine Überlegenheit gnadenlos auszunutzen.
Keuchend musste Gunnar beobachten, wie der Fremde ihm das Schwert aus der Hand schlug. Eine andere Waffe trug er nicht bei sich. Doch als seine linke Hand unauffällig in den Bund seiner Hose glitt, schrie Tyra entgeistert auf.
Metall glänzte in der Spätsommersonne auf, aber Donar sei Dank reagierte der Fremde schnell genug. Im nächsten Augenblick glitt dem Sachsen Tyras Messer aus der Hand. Der Fremde flüsterte Gunnar etwas ins Ohr, dann rammte er sein Schwert mitten in dessen Herz. Voller Angst erwiderte Gunnar den Blick des Fremden, der sein Schwert aus dessen Brust zog und einen Schritt nach hinten trat. Augenblicklich kippte Gunnars Körper nach vorn. Seine Augen fanden ein letztes Mal Tyra, dann verloren sie ihren Glanz. Alles, was sie denken konnte, war, dass er ihr nie wieder zu nah kommen würde.
Fachmännisch säuberte der Fremde sein Schwert an Gunnars Jacke, dann steckte er es zurück in die Scheide. Vollkommen ruhig drehte er sich zu ihr um. Als sich ihre Blicke zum ersten Mal kreuzten, stockte ihr der Atem. Seine Augen waren wie pures, flüssiges Gold. Wild, heiß, gefährlich, durchdringend und wunderschön zugleich. Wolfsaugen, schoss es ihr durch den Kopf. In diesem Augenblick wusste sie, dass er ihr Schicksal war. Was auch immer das für sie beide bedeuten sollte.

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