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Kapitel 11 ~ Filius Romanus

Leise gemurmelte Gespräche klangen aus den Kehlen der Männer, die geheimniskrämerisch ihre Köpfe zusammengesteckt hatten und bildeten ein bienenstockartiges Brummen, welches Britannicus auf verdrehte Art und Weise an den römischen Senat erinnerte. Als Kind hatte er sich einmal vor dem Beginn einer Sitzung hinter einer Statue im Tempel des Jupiters versteckt und mit großen Augen verfolgt, wie seine Mutter mit erhabener Geduld den Senat im Namen seines Vaters leitete.
Doch jetzt beobachtete Britannicus nicht aus den Augen eines Kindes ein wogendes Meer aus weißen Togen mit breiten Purpurstreifen, sondern musterte nachdenklich die Ansammlung von Wilden, die über das Schicksal der beiden Stämme verhandeln sollten. Natürlich vertrauten die Sachsen den Suevern nicht ausreichend, um das Gespräch in einer ihrer Hütten zu führen, weshalb sie sich auf eine kleine Lichtung außerhalb des Dorfes geeinigt hatten. Über Nacht waren Tische und Sitzgelegenheiten aufgestellt worden, damit während der Verhandlungen ein gewisser Sicherheitsabstand gewahrt werden konnte. Heute Morgen hatte Tyras Vater Britannicus davon erzählt, dass auf dem letzten Treffen dieser Art, an dem er beigewohnt hatte, diese Vorkehrungen nicht getroffen worden waren und das Gespräch in einem Blutbad geendet hatte.
Innerlich verfluchte Britannicus sich nun dafür, dass er diese Konferenz überhaupt vorgeschlagen hatte. Warum konnte er nicht einfach den Mund halten und die Germanen machen lassen? Aber nein. Seinem Instinkt folgend war er vor Tyra getreten und hatte versucht die Wogen zu glätten. Wieso aber nun ausgerechnet er dieses Treffen leiten sollte, hatte er bis jetzt noch nicht ganz verstanden. Dafür war er noch immer viel zu überrumpelt von dem kurzen Gespräch, welches nach seiner kleinen Ansprache zwischen Tyras Vater und Lando, dem älteren Bruder von Tyras Entführer, stattgefunden hatte. Britannicus konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was er gesagt hatte oder was die beiden Germanenanführer besprochen hatten. Aber spielten die genauen Worte eine Rolle? Nun saß er hier inmitten von Germanen und sollte als neutraler Vermittler auftreten, um einen Krieg zu verhindern, der seinem eigenen Volk weder Nutzen noch Schaden zufügen konnte, aber das Land zwischen Elbe und Rhein ins Chaos stürzen würde. Vor seinen Freunden hatte er argumentiert, dass sie in einem Krieg zwischen den Sachsen und Suevi unmöglich neutral bleiben könnten und sich somit ihre Rückreise auf unstimmte Zeit nach hinten verlagern würde. Aber er hatte sich selbst kein einziges Wort geglaubt.
Langsam ließ Britannicus seinen Blick über die wispernden Germanen schweifen und für einen Herzschlag spielte er mit dem Gedanken einfach aufzustehen und in den Westen zu reiten. Irgendwie würden sie den Rhein schon überqueren können und dann wären seine Männer in Sicherheit. Doch zu welchem Preis? Wie viele Männer, Frauen und Kinder würden den Tod finden, wenn er sich vor dieser Aufgabe drückte? Was würde mit Tyra geschehen, wenn er sich nicht für ihre Unversehrtheit verbürgte? Würde sein Wort genügen, um diesen Krieg zu vermeiden? Wollten die Sachsen überhaupt Frieden? Seine Unwissenheit erinnerte ihn nur erneut daran, dass er ein Fremder in diesem Land war und niemals hierhergehören würde. Mit welchem Recht mischte er sich also in die Angelegenheiten dieser Stämme ein, deren Wohl er nicht verpflichtet war? Gereichte er damit Rom oder nur sich selbst zur Ehre, wenn er den brüchigen Frieden bewahren konnte? Diese Fragen bereiteten ihm Kopfschmerzen und immer wieder ertappte er sich bei einem Gedanken: Was würde sein Vater nur tun, wenn er jetzt an seiner Stelle hier wäre? Die Antwort auf diese Frage war leicht: Vater würde alles dafür tun, damit der Frieden gewahrt blieb. Auch wenn er dafür Krieg führen müsste.
Britannicus unterdrückte einen gequälten Laut, legte einen würdevollen Ausdruck auf sein Gesicht und erhob sich so ruckartig, dass sein Stuhl krachend zu Boden schlug. Augenblicklich verstummten alle Gespräche und alle Augen richteten sich erwartungsvoll auf ihn. Wie wild raste sein Herz in seiner Brust, sein Blut pulsierte in seinen Ohren und seine zitternde Hand streifte in seiner Jackentasche den Kamm seiner Mutter. Mit einem Schlag wurde Britannicus vollkommen ruhig. Auf diesen Moment war er sein ganzes Leben vorbereitet worden. Auch wenn er sich nicht im Traum hatte ausmalen können, dass dieser Augenblick sich schon so bald im wilden Germanien und nicht erst in ein paar Jahren im kultivierten Rom ereignen würde. In seinem Alter hatte sich sein Vorfahr, der göttliche Augustus, in Caesars Armee bereits mit seiner großen Tapferkeit hervorgehoben. Nur ein Jahr später hatte er sich dem Kampf um Caesars Erbe gestellt. Die Zeit war nun reif, dass Britannicus bewies, welche Art Mann er in Zukunft sein würde.
„Guten Morgen, meine Herren", begann Britannicus und einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken seine wahre Identität zu offenbaren, doch im letzten Moment stellte er sich doch mit seinem falschen, germanischen Namen vor. Wenn er jetzt Erfolg haben wollte, dann musste er den Germanen das Gefühl vermitteln einer der Ihren zu sein.
Kurz kam ihm in den Sinn über die Bedeutung von Frieden zu philosophieren, doch als er in die unrasierten Gesichter seiner Zuhörer blickte, verwarf er diesen Gedanken. In Rom würde dieser Trick gewiss funktionieren. Hier musste er andere Geschütze auffahren. Sachlich fuhr er fort: „Obwohl ich der Ansicht bin, dass die Standpunkte von Ariald, der Fürst der Suever und von Lando, dem Erben des Sachsenfürsten, vergangene Nacht mehr als deutlich geäußert worden sind, möchte ich beiden Männern jetzt die Gelegenheit geben ihre Meinung noch einmal zu bekräftigen oder von ihr abzuweichen."
Das Gemurmel blieb überraschenderweise aus, als Britannicus sich wieder auf den Stuhl setzte, den Titus während seiner kleinen Rede unauffällig wieder hinter ihn aufgestellt hatte. Zeitgleich erhoben sich Ariald und Lando. Die beiden Männer starrten sich über den Tisch hinweg an, als müssten sie erst ausmachen, wer von ihnen zuerst sprechen dürfte: der Ältere oder der Ankläger. Innerlich verdrehte Britannicus die Augen und sehnte sich nach der klaren Hierarchie des römischen Senats. In Rom hätte Lando sich aufgrund seines niederen Ranges setzen und warten müssen, bis Ariald zu Ende gesprochen hatte. Doch so verharrten beide Männer stur in ihrer Haltung und funkelten sich herausfordernd an. Dann drehten sie zur gleichen Zeit ruckartig ihren Kopf zu Britannicus und schauten ihn fragend an. Mit einer lässigen Handbewegung gab Britannicus Lando zu verstehen, dass er beginnen sollte. Immerhin war er in Arialds Gebiet eingedrungen und vielleicht würde sich die ganze Sache so abkürzen lassen.
„Vor ungefähr zwei Monden habe ich an der Grenze zu unserem Gebiet den toten Körper meines kleinen Bruders Gunnar gefunden", erklärte Lando emotionslos. „Mein Vater hatte ihn zuvor hierher geschickt, damit er sich mit der Fürstentochter vermählt. Gunnars Männer haben mir berichtet, dass die Fürstentochter meinen Bruder als dessen Frau bis an die Grenzen unseres Landes begleitet hat, ehe sie..."
„Das ist eine Lüge", unterbrach Ariald wutschnaubend den Sachsen. Irritiert hob Lando die Augenbraue und Britannicus' Blick huschte von einem zum anderen, während die versammelten Männer augenblicklich in gemurmelte Gespräche verfielen. Beschwichtigend legte Britannicus seine Hand auf Arialds Arm, den diese kleine Geste so überraschte, dass er sich tatsächlich beruhigte. Schnell zog Britannicus seine Hand zurück.
„Euer Bruder hat meine Tochter heimtückisch geraubt", erklärte Ariald und die Sachsen sogen scharf die Luft ein, während die Suever zustimmend nickten. Von der Reaktion seines Volkes ermutigt, sprach Ariald weiter: „Tyra kehrte erst vor ein paar Wochen zu uns zurück und sie gab mir ihr Wort, dass sie sich Eurem Bruder niemals hingegeben hat, Lando. Sie hat genug gelitten. Ich werde Euch meine Tochter niemals überlassen!"
Entrüstet sprangen die Sachen von ihren Stühlen auf und schleuderten Ariald wüste Beschimpfungen entgegen, worauf die Suever sich ebenfalls erhoben und ihren Anführer mit Worten und drohend erhobenen Fäusten verteidigten. Inmitten dieses Chaos saß Britannicus wie betäubt auf seinem Stuhl, während sein Verstand fieberhaft nach einer Lösung suchte. Nur zu deutlich spürte er, wie sich Titus und Marcus über seinen Kopf hinweg nervöse Blicke zuwarfen. Was würde Vater tun?

Plötzlich befand sich Britannicus nicht mehr im Zentrum einer hitzigen Diskussion irgendwo im nirgendwo, sondern er war wieder acht Jahre alt und lag auf den weichen Polstern der Liegen, die in dem kleinen Pavillon im Garten ihrer Stadtvilla aufgestellt worden sind. Blinzelnd blickte er hinauf zu den weißen Stoffbahnen, welche die grellen Sonnenstrahlen von ihnen fernhielten. Das vertraute Lachen seines Vaters ließ ihn zur Seite blicken und mit einem Schlag fühlte sich Britannicus gekränkt.
„Es spielt keine Rolle, was ich tun würde", erwiderte Vater lachend und legte ihm besänftigend eine Hand auf die schmalen Schultern. „Ich werde nicht immer da sein, um dich zu beschützen oder dir den Weg zu weisen. Deshalb musst du deine eigenen Entscheidungen treffen. Vertrau auf die Talente, welche dir die Götter geschenkt haben. Sie werden dich leiten und dir helfen dein Schicksal zu erfüllen."

Blinzelnd schlug Britannicus die Augen auf und das kultivierte Bild seines Vaters wich dem Anblick einer Horde wie Klatschweiber zankender Barbaren. Noch immer hallten Vaters Worte in seinen Ohren nach und er hörte tief in sich hinein. Mit einem Satz war Britannicus auf den Beinen und schlug mit der Faust auf den Tisch. Das Holz erzitterte unter der Wucht seines Schlags, aber Britannicus kümmerte sich nicht darum, wie theatralisch diese Geste auf seine römischen Freunde wirken musste. Mit klarer, ruhiger Stimme sagte er nur ein einziges Wort: „Genug."
Augenblicklich hielten die streitenden Männer inne und blickten ihn überrascht an, so als hätten sie seine Anwesenheit vollkommen vergessen. Stumm blickte Britannicus von Ariald zu Lando und gab den beiden Anführern zu verstehen sich wieder zu setzen, damit dieser kostbare Augenblick des Friedens gewahrt blieb. Sofort tauschten die Männer einen verwunderten Blick, doch kehrten an ihre Plätze zurück.
„Gerechtigkeit können wir nur dann erreichen, wenn wir respektvoll miteinander umgehen", mahnte Britannicus mit gesenkter Stimme und nun setzten sich auch die übrigen Männer zurück auf ihre Plätze. Für einen Herzschlag rührte sich Britannicus nicht, dann setzte auch er sich zurück auf seinen Stuhl und gerade als er vorschlagen wollte Tyra als Zeugin hinzuzuziehen, betrat sie die Lichtung und zog alle Blicke auf sich. Ihre wilden Locken waren seltsam zerzaust und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten, als hätte sie vergangene Nacht kein Auge zu gemacht. Ihre wertvollen Kleider wiesen an einigen Stellen unschöne Falten auf. Doch die Makel ihres Äußeren verblasten hinter ihrer würdevollen Haltung, die mehr als alles andere ihren Rang als Tochter des Stammesfürsten widerspiegelte. Stolz und erhaben schritt sie Britannicus entgegen und fixierte ihren Blick vollkommen auf ihn. Für einen Wimpernschlag meinte er Furcht in ihren silbrigen Augen aufblitzen zu sehen, doch ansonsten verriet keine Faser ihres Körpers ihre innere Anspannung. Automatisch wurde das höfliche Lächeln auf seinem Gesicht eine Spur wärmer. Als sie direkt vor ihm zum Stehen kam, nickte sie ihm unmerklich zu. Sie war bereit.
Wie ein routinierter Anwalt leitete Britannicus sie mit geschickten Fragen durch das Gespräch und entwickelte gemeinsam mit ihr ihre Version der Ereignisse. Während sie sprach, konzentrierte sie sich vollkommen auf ihn und beachtete den Bruder ihres Entführers mit keinem einzigen Blick. Aus dem Augenwinkel beobachtete Britannicus, wie Tyras Erzählung ihre Zuhörer Wort für Wort auf ihre Seite zog. Erleichterung durchströmte ihn, als sie am Ende der Befragung angelangt waren und für einen Herzschlag erwartungsvolle Stille herrschte, ehe auf beiden Seiten leise Gespräche entfachten. Das Wohlwollen der Zuschauer hatten sie auf ihre Seite gezogen. Jetzt mussten sie nur noch den Fall endgültig gewinnen. Wer hätte gedacht, dass sich Barbaren so leicht mit den gleichen Kunstgriffen wie Römer beeinflussen ließen?
„Wer garantiert mir, dass Ihr die Wahrheit sagt?", fragte Lando in das anschwellende Gemurmel der Anwesenden hinein und strich sich nachdenklich über den dichten Bart. Langsam wandte Tyra ihm ihren Kopf zu und hielt selbstbewusst seinem bohrenden Blick stand, als er emotionslos fortfuhr: „Vielleicht seid Ihr in diesem Moment die Witwe meines Bruders, die sein Kind austrägt. Wenn ich Euch heute glaube und sich Eure Worte morgen als Lügen herausstellen, wird Euer Volk den Preis dafür bezahlen."
Ehe er sich selbst daran hindern konnte, schnaubte Britannicus amüsiert über den verzweifelten Versuch des Sachsens die Gunst der Menge zurückzugewinnen. Sofort bohrten sich Landos grüne Augen in seine und für einen Augenblick flackerte Neugierde im Blick des Sachsen auf, bevor die Wut wieder von ihm Besitz ergriff.
„Entschuldigt meine Erheiterung, Lando", meinte Britannicus um einen versöhnlichen Ton bemüht. „Eure Worte haben mich nur an eine Geschichte erinnert, die mir vor meiner Abreise zu Ohren gekommen ist und die an Lächerlichkeit kaum zu überbieten ist. Man wollte mir allen Ernstes erzählen, dass eine Jungfrau ein Kind zur Welt gebracht hat, nachdem ein heiliger Geist in sie gefahren ist. Euer Bruder hat dieses Mädchen, welches Euch gerade ihre Geschichte erzählt hat, aus ihrer Heimat gerissen und hätte sie brutal vergewaltig, wenn ich nicht dazwischen gegangen wäre. In den vergangenen Wochen habe ich das Mädchen beobachtet und während wir zusammen gereist sind, hat sie geblutet. Ich glaube ihr, dass sie sich Eurem Bruder niemals hingegeben hat. Also sagt mir, Lando, glaubt Ihr daran, dass blutende Jungfrauen Kinder von Geistern empfangen können?"
Ungläubig blinzelte der Sachse ihn an, dann brach er in schallendes Lachen aus und Britannicus konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht länger verkneifen, welches schon bald ebenfalls in Lachen mündete. Verwirrt blickten die Anwesenden zwischen Lando und Britannicus hin und her, als ob sie den plötzlichen Stimmungswechsel nicht ganz trauten.
„Das ist wirklich mit Abstand das Dümmste, was ich jemals gehört habe", prustete Lando und seine Männer stimmten nun in sein Lachen ein. Auf den Gesichtern der Suever zeichnete sich Erleichterung ab. Rasch huschte Britannicus' Blick zu dem lachenden Lando zurück und plötzlich formte sich in seinem Geist ein Gedanke, der ihn mit mehr Unbehagen füllte, als ihm lieb war. Denn wenn sie in einer anderen Welt leben würden, könnten Lando und er wirklich gute Freunde sein. Aber es gab nur diese eine Welt und in dieser würden sie einander niemals vollkommen bedingungslos vertrauen können. Dafür waren die Grenzen zwischen ihnen einfach zu unüberwindbar.
„Ich ziehe den Anspruch auf Eure Tochter zurück, Ariald", erklärte der Sachse ernst und Britannicus fiel ein Stein vom Herzen, als der Sachse hinzufügte: „Denn ich glaube ihr, dass sie niemals die Frau meines Bruders war."
Entspannt lehnte sich Britannicus auf seinem Stuhl zurück und begegnete Tyras Augen, in denen er neben Siegesrausch vor allem Dankbarkeit lesen konnte. Dankerfüllt klopfte ihr Vater ihm unauffällig auf die Schulter und Britannicus brauchte einen Herzschlag, um zu begreifen, dass er tatsächlich einen Krieg abgewendet hatte. In Gedanken malte er sich die stolzen Gesichter seiner Eltern aus, wenn sie die Nachricht über seinen kleinen diplomatischen Triumph erfahren würden und mit einem Schlag schien ihn sein Heimweh zu erdrücken. Aus ganzem Herzen vermisste er seine Familie. Ihm fehlte sogar das aufmerksame Auge der Öffentlichkeit, dem er sich erst mit der Überquerung des Rheins hatte entledigen können. Britannicus nahm nicht wahr, wie Tyra besorgt einen Schritt auf ihn zutrat.
„Aber mein Bruder ist tot", sagte Lando und riss Britannicus aus seinen Gedanken. Mit einem Schlag herrschte gespenstige Stille. „Er wurde ermordet und ich kann nicht glauben, dass mein kleiner Bruder zu einer solch niederen Tat fähig war. Deshalb fordere ich mein Recht ein, Rache am Mörder meines Bruders zu nehmen."
Vollkommen erstarrt blickte Britannicus in Tyras silberne Augen, die Landos Forderung langsam begriffen und sich mit Angst füllten. Ihre Angst um ihn gab Britannicus die Stärke seine eigenen Gefühle auszublenden und seine öffentliche Maske aufzusetzen.
Ungerührt höflich erwiderte Britannicus den Blick des Sachsen und ignorierte, dass sich seine Freunde hinter ihm unmerklich anspannten. Kalt und entschlossen musterte Lando ihn und Britannicus versuchte ihn einzuschätzen. Kurz meinte er Bedauern in Landos Blick zu erkennen und zu seinem eigenen Entsetzen musste sich Britannicus eingestehen, dass er Landos Forderung durchaus nachvollziehen konnte. Automatisch erschienen die Gesichter seiner kleinen Brüder in seinem Geist und allein der Gedanke, dass jemand ihnen ein Leid zuzufügen wagte, brachte sein Blut in Wallung und ließ ihn jede Vernunft vergessen. Aber auch wenn er aus Liebe und nicht aufgrund der Ehre seiner Familie handeln würde, so würde auch er keine andere Wahl haben. So waren die Dinge nun mal, wenn man an der Spitze einer Gesellschaft stand.
„Was genau erwartet Ihr von mir?", fragte Britannicus interessiert. „Weder Tyra noch ich haben gelogen. Ich habe getan, was ich nach wie vor für das Richtige erachte und ich werde Euch weder um Vergebung noch um Gnade bitten. Ebenso wenig werde ich mich Euch kampflos ergeben. Also wie gedenkt Ihr Eure Rache an mir nehmen zu können?"
„Nur ein Gott darf einem Menschen das Leben nehmen", stellte Lando fest und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass dieser unter seiner Wucht erzitterte. Seine Augen sprühten funken, als sich ihre Blicke kreuzten. Gefährlich ruhig wollte der Sachse wissen: „Bist du ein Gott?"
„Nein", erwiderte Britannicus gelassen und auf seinen Lippen erschien ein kleines Lächeln, als er an all seine Vorfahren dachte, die zu Göttern erhoben worden waren und so konnte er es sich nicht verkneifen sich über den Tisch zu dem Erben der Sachsen zu beugen und so leise zu erwidern, dass nur Lando, Marcus und Titus ihn hören konnten: „Aber ich bin auf dem Weg einer zu werden."
Sofort wich alle Farbe aus dem Gesicht des Sachsen und Britannicus konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, ehe ihn Landos geballte Faust mitten ins Gesicht treffen konnte.
„Du kleine, arrogante Schlange! Wie kannst du es nur wagen die Götter derart zu beleidigen?", schrie Lando und sprang erbost von seinem Stuhl auf, doch Britannicus lächelte ihn nur freundlich an. Barbaren. Was wussten die schon von seiner Welt?
Eine Weile tobte Lando noch vor sich hin und Britannicus ließ ihn unbekümmert gewähren, schadete der Sachse doch mehr sich selbst als irgendjemand anderen. Denn die anderen waren von Landos Gefühlsausbruch noch zu sehr überrollt, als dass sie deren Ursache vollkommen verstehen konnten.
„Lassen wir doch die Götter über diese Sache urteilen", unterbrach Arialds ruhige Stimme Landos kleine Rede über Gottesfurcht. Rasch blickte Britannicus zu Tyras Vater, der sich vollkommen auf den Sohn des Sachsenfürsten konzentrierte. Verwirrt runzelte Britannicus die Stirn und versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wie die Germanen ihre Götter um Rat fragten. Opferten sie Wodan einen Stier und suchten in der Leber des Tieres nach Zeichen oder verbrannten sie ein paar Kräuter und beobachteten die Formen, die sich im aufsteigenden Rauch bildeten? Auf jeden Fall erschien ihm keine Methode, die er aus Rom kannte, verlässlich genug, um über ihn zu richten.
Gerade als sich Britannicus eingestehen wollte, dass er zu wenig über die Riten der Germanen wusste, fuhr Ariald fort: „Ein Duell auf Leben und Tod soll offenbaren, ob Brun die Wahrheit gesprochen hat!"
Einen Wimpernschlag lang vergaß Britannicus, dass Ariald ihn meinte. Nach all den Monaten hatte er sich einfach nicht an diesen germanischen Namen gewöhnen können und erst als Marcus hinter ihm empört nach Luft schnappte, fühlte sich Britannicus angesprochen. Fassungslos schüttelte er den Kopf und gestattete sich vollkommen in seiner Rolle als Barbar fallen zu lassen. Denn nach allem, was er für Arialds Tochter getan hatte, wagte dieser nun ihm öffentlich in den Rücken zu fallen? Wenn er Brun haben wollte, dann konnte er Brun bekommen.
Zum ersten Mal in seinem Leben erlaubte Britannicus seinen Gefühlen ungehemmt freien Lauf zu lassen. Heißer, alles zerstörender Zorn durchströmte seine Adern und drängten seinen verletzten Stolz in den Hintergrund. Mit einem Satz war Britannicus auf den Beinen und bohrte seinen Blick in Landos grüne Augen.
„Ich bin kein Lügner!", knurrte Britannicus und richtete sich zu seiner vollen Größe auf und blickte auf die versammelten Barbaren herab. „Ich fürchte mich weder vor Euch noch davor mich Euren Göttern zu beweisen. Wenn Ihr mir erst glauben könnt, wenn wir miteinander auf Leben und Tod um unsere Ehre kämpfen, dann sei es so."
Nach einer spöttischen Verbeugung machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Ort der Versammlung, ohne auf seine Entlassung durch den Stammesfürsten zu warten. Erleichtert registrierte er am Rande seines Bewusstseins, dass seine Freunde ihm unbehelligt folgten. Marcus musste rennen, um ihn einzuholen, aber das kümmerte Britannicus nicht. Angetrieben von seinem lodernden Zorn marschierte er zu seinem Zelt. Erst als sich die Plane hinter ihm schloss, hielt er einen Augenblick inne und sein von seinen Emotionen vernebelter Geist klärte sich langsam auf.
Mit zitternden Händen nahm Britannicus sein Schwert ab und legte es vorsichtig auf seine Truhe. Die leisen Geräusche von Bewegungen verrieten ihm, dass seine Freunde bei ihm waren. Ohne Hast lief Britannicus zu seiner Waschschüssel. Was hatte er nur getan?
„Das ist Wahnsinn!", murmelte Marcus trocken und fuhr sich frustriert durch das noch immer ungewohnte lange Haar. Britannicus ignorierte seinen Freund und beugte sich über die Schüssel, um sein Gesicht zu waschen. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Durch das Wasser grotesk verzerrt, starrte ihm ein vollkommen Fremder entgegen. Das lange Haar schimmerte golden im Licht der Öllampen - oder kam die Farbe nur vom Gold der Wasserschale? Der ungepflegte Bart verlieh dem Mann etwas Ungehobeltes und obwohl Britannicus dieses Wort nicht denken wollte, formte es sich automatisch in seinem Geist. Barbar. Er sah aus wie ein Barbar. In den vergangenen Monaten hatte er gesprochen und gelebt wie ein Barbar.
Selbst seine Augen, die ihn ruhig und selbstbewusst aus dem Gesicht des Barbars entgegenblickten, hatten sich in den wenigen Monaten verändert. Wo war nur der junge Mann mit dem unsicheren Ausdruck in den Augen? Was war nur aus ihm geworden? Wohin war er gegangen? Würde Britannicus jemals wieder zu sich selbst zurückfinden oder würde er mit einer Lüge sterben? Was würden seine Eltern nur von ihm halten, wenn sie sehen müssten, was aus ihm geworden war? Diese Vorstellung schmerzte ihn mehr als alles andere. Der junge Mann musste noch immer in ihm sein.
Weil er seinen eigenen Anblick nicht mehr ertragen konnte, wandte Britannicus beschämt den Blick ab. Langsam richtete er sich auf und stützte seine Hände neben der goldenen Wasserschüssel ab. Noch immer ignorierte er das Gemurmel seines besten Freundes und die nervösen Blicke, die ihm sein anderer bester Freund stetig zuwarf.
Ruhig hob Britannicus den Kopf und sein Blick wanderte zu dem Schwert, welches einsam und fordernd auf seiner Truhe lag. Das Schwert hatte seinem Vater gehört und vor ihm dessen Vater, der es von seinem Vater geerbt hatte. Dieses Schwert hatte große Schlachten erlebt. Es hatte Blut vergossen und mitangesehen, wie gute Männer fielen. Aber vor allem war dieses Schwert das Schwert von großen Männern, die es im Dienst für ihr Land geführt hatten. Mit welchem Recht führte er dieses Schwert? Nicht einmal seinen Namen hatte er sich selbst verdient. Wie sollte er diesem Schwert am nächsten Morgen nur Ehre erweisen, wenn er sich selbst als ihm so unwürdig empfand?
Marcus hatte recht. Es war Wahnsinn, dass er auf das Angebot des Germanen eingegangen war. Blanker, purer Wahnsinn. Aber wenn er hier in Germanien seinem Land dienen wollte, dann musste er sich ihnen anpassen und dieses eigensinnige Volk zu verstehen lernen. Anders als die großen Männer vor ihm wollte er nicht nur ihr Land befrieden, er wollte den Respekt dieser Menschen gewinnen. Aber was, wenn er sich selbst durch seinen eigenen Ehrgeiz verlor? Hatte er sich nicht schon längst verloren?
Ein weiterer, prüfender Blick in den Spiegel bestätigte ihm, dass er noch nie weiter von seinem wahren Ich entfernt gewesen war als in diesem Moment.
„Das ist absolut unrömisch!", warf Marcus ihm leise vor und Britannicus konnte nicht anders, als seinem Freund insgeheim recht zu geben. Aber anstatt zu seinen finsteren Gedanken zu stehen, fixierte er Marcus vollkommen gelassen.
„Du hättest meiner Mutter besser zuhören sollen, mein Freund", erwiderte er geduldig. „Vor dreihundert Jahren war es üblich, dass wir Kriege auf diese Weise abwehren oder beenden. Nur weil wir heute normalerweise anders vorgehen, ist diese Methode nicht weniger römisch. Sie ist anders, ja. Aber sie ist ein Teil unserer Geschichte und somit ein Teil unserer Identität."
Marcus schnaubte trocken und Titus schüttelte ungläubig den Kopf. Nur zu gut verstand Britannicus die Zweifel seiner Freunde. Er spielte ein riskantes Spiel. Ein Spiel, welches vermutlich seinen Tod bedeutete.
Doch Britannicus hatte seine Entscheidung gefällt. Sein Ahne war auch nicht von seinen Entscheidungen abgewichen, auch wenn es sein Volk gespalten und in einen blutigen Bürgerkrieg geführt hatte.
Mit einem Ruck richtete sich Britannicus zu seiner vollen Größe auf und lief zu seiner Truhe. Behutsam nahm er das Schwert seiner Familie in die Hände und strich sanft über die Hülle. Jetzt war noch nicht die Zeit es zu zücken. Vorsichtig bettete er seinen kostbarsten Besitz auf seinem Bett, eilte zu seiner Truhe zurück und klappte den Deckel auf. Beleuchtet vom warmen Licht der Öllampen schimmerte ihm seine Uniform entgegen.
Neben dem Eingang seines Zeltes lag die einfache Kampfkleidung der Suevi. Obwohl sie ein Geschenk von Tyra war, würde er sie niemals tragen können. Die Lügen würden morgen enden.
Fast schon zärtlich hob Britannicus seine Uniform aus ihrer Truhe und legte sie neben sein Schwert. Wenn die Schicksalsgöttinnen wollten, dass er die nächste Nacht nicht erlebte, dann wollte er als er selbst sterben. Eine tiefe, absolute Ruhe durchflutete seinen Körper und klärte seinen Geist endgültig.
Leise rief Britannicus nach seinen Sklaven, die im nächsten Augenblick den Raum betraten. Mit funkelnden Augen drehte er sich zu ihnen um und erteilte ihnen den Befehl, nach dem er sich seit so vielen Monaten sehnte: „Schneidet mir die Haare und nehmt mir endlich diesen unsäglichen Bart ab!"
Mit offenen Mündern starrten Marcus und Titus ihn an. Rasch wechselten sie einen ungläubigen Blick, dann nickten sie den fragend dreinblickenden Sklaven in ihrer Nähe stumm zu.
Entspannt lehnte Britannicus sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete im Spiegel seine Verwandlung. Mit jedem Haar, das auf den Boden fiel, wurde er mehr zu dem Mann, der zu sein er bestimmt war. Als die Haut in seinem Gesicht wieder glatt und bartlos war, erschrak er darüber, wie jung er aussah. Da war er wieder, der junge Mann im Spiegel. Irgendwie hatte Britannicus damit gerechnet, dass er älter aussehen würde, wenn der Bart ab wäre. Die Zeit in Germanien konnte doch nicht so spurlos an ihm vorbeigegangen sein, dass ein fehlender Bart sie unwiderruflich aus seinem Gesicht tilgen würde. Verwirrt suchte er nach Veränderungen und als er keine fand, erwiderte er den Blick seiner goldenen Augen. Dort fand er sie. Die große Veränderung. Zuhause hatten seine Augen einen unsicheren, beinahe verlorenen Ausdruck gehabt. Aber hier und jetzt entdeckte er in ihnen eine Entschlossenheit und Willensstärke, die er bisher nur bei seinem Vater gesehen hatte. Morgen würde er seiner Familie zur Ehre gereichen. Und wenn er dabei sein Leben geben musste.

„Es ist Zeit", erinnerte ihn Marcus' feste Stimme und Britannicus erhob sich. Mit einer fließenden Bewegung setzte er sich seinen Helm mit dem weißen Federbusch auf dem Kopf. Abgesehen von den breiteren Streifen an seiner Tunika unterschied sich seine Uniform optisch kaum von denen seiner Freunde. Doch im Gegensatz zu Marcus und Titus war Britannicus nicht der Spross einer Familie des Ritterstandes. Trotz seines Alters stand ihm diese Position ab dem Tag seiner Geburt zu.
Selbstsicher und gelassen verließ Britannicus sein Zelt. Hinter ihm folgten Marcus und Titus mit den Männern der vier Turmae, die sie auf ihre Reise durch Germanien begleiteten. Wenn die Sache aus dem Ruder lief, standen seinen Freunden nur einhundertachtundzwanzig Mann zur Verfügung. Sofort schob Britannicus diesen düsteren Gedanken beiseite. Wenn er so an die Sache heranging, konnte er nur scheitern und er durfte nicht verlieren. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.
Sobald sie ihr kleines Lager verließen und in Sichtweite der ersten Germanen kamen, die bereits am Ort des Kampfes versammelt waren, erhob sich ein Raunen durch die Menge. Unbeirrt setzte Britannicus seinen Weg fort und ignorierte die Blicke, Beleidigungen und Gesten, die seine Uniform in den Menschen hervorrief, die ihn noch gestern als Freund empfangen hatten. Er konnte es ihnen nicht verdenken.
Doch die meisten Germanen schienen verwirrt, so als könnten sie nicht verstehen, weshalb sich Römer in diesem Gebiet aufhielten. Vielleicht wussten sie auch nicht, was seine Uniform bedeutete. Die Meisten von ihnen waren zu jung oder zu weit von den Grenzen aufgewachsen, als dass sie zuvor einen Römer mit eigenen Augen gesehen haben könnten. Doch selbst hier gab es Menschen, die bei seinem Anblick erblichen und vor ihm zurückwichen. Er hatte nach Germanien reisen müssen, um die wahre Macht Roms zu begreifen. Niemand konnte sich ihr entziehen.
Als Britannicus aus dem Kreis der wartenden Germanen trat, gaben seine Freunden ein Zeichen und die kleine römische Einheit blieb stehen. Zu seiner vollen Größe aufgerichtet marschierte Britannicus in die Mitte der freien Fläche und blieb abrupt und mit römischer, militärischer Disziplin reglos stehen.
Stille senkte sich über die freie Fläche. Sacht spielte der Wind mit den Blättern der umstehenden Bäume und brachte sie zum Rascheln. Tief sog Britannicus diesen Klang in sich auf und genoss diesen winzigen Augenblick des Friedens.
Dann trat der Sachse zögerlich aus dem Schutz der Seinen und musterte seinen Gegner mit irritiertem Blick. Britannicus verzog keine Miene.
„Wer bist du?", wollte der Sachse zögerlich wissen und Britannicus zog sich seinen Kavallerieshelm vom Kopf. Fragend studierte der Ältere sein Gesicht und bevor er seine Frage erneut stellen konnte, verkündete Britannicus mit klarer, fester Stimme, damit jeder ihn hören konnte: „Ich bin Gaius Caesar Britannicus. Sohn von Gaius Caesar Augustus Germanicus und Aurelia Vespasia. Ich bin ein wahrer Sohn Roms."

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