Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

Kapitel 10 ~ Libertas fallax

Langsam breitete sich der rote Streifen am Horizont aus, während die Sonne sich ihren unvermeidlichen Weg hinter den Hügeln emporkämpfte. Doch Antonia Caenis war blind für die Schönheit dieses Anblickes. Schon seit Stunden hielten sie ihre Gedanken wach und beunruhigten sie. Mittlerweile fand sie nicht einmal mehr Ruhe in den Armen des Mannes, den sie von ganzem Herzen liebte. In ihrem Leben hatte Caenis sehr viel erreicht. Sie hatte eine hervorragende Ausbildung genossen und ihrer Herrin treu gedient. Nachdem ihre Herrin Antonia vor drei Jahren gestorben war, hatte Caenis die Freiheit erhalten und ihre Fähigkeiten in den Dienst der Frau gestellt, welche die mächtigste Frau Roms war.
Nachdenklich betrachtete sie ihren Geliebten, der so friedlich neben ihr schlief, dass ihr Herz bei seinem Anblick zerbrach. Ein einziger Blick hatte genügt, damit sie ihre Herzen für immer aneinander verloren hatten. Dieser Tag lag nun fast siebenundzwanzig Jahre zurück und sie liebte ihn jeden Tag ein kleines bisschen mehr als am Tag zuvor. In all den Jahren hatten sie viele Prüfungen zusammen meistern müssen. Zuerst hatte Vespasian heiraten müssen, weil er nur so die Pflicht gegenüber seiner Familie erfüllen und Erben hervorbringen konnte. Seit fast zwanzig Jahren musste Caenis ihren Vespasian mit einer anderen Frau teilen, welche die Rolle in seinem Leben ausfüllte, die Caenis niemals übernehmen konnte. Senatoren durften keine Freigelassenen heiraten. Vespasians Frau Flavia war sehr schön, aber furchtbar verschwenderisch, worüber er sich immer wieder beschwerte. Doch dafür konnte sie sich mit seiner niemals endenden Beziehung mit Caenis arrangieren, weshalb Caenis ihr auf ewig zu Dank verpflichtet war. Niemals hatte Vespasian Flavia im Unklaren über seine Affäre mit Caenis gelassen und anders als die meisten Frauen war Flavia in der Lage gewesen diesen Umstand zu akzeptieren und damit zu leben. Auch wenn dieses Arrangement ihnen allen das Leben nicht gerade leichter machte. Aber weder Vespasian noch Caenis konnten ihre Beziehung aufgeben.
Eine weitere Krise hatten sie erst vor wenigen Jahren überwunden, als Caenis' Herrin Antonia starb. Denn erst in ihrem Testament hatte Antonia Caenis die Freiheit geschenkt und erst jetzt war es Caenis und ihm möglich diskret ihre Liebe zu genießen, wann sie wünschten. Doch mit dieser Freiheit hatte sich ein weiteres Problem ergeben. Caenis liebte ihre neue Unabhängigkeit so sehr, dass sie sofort in Aurelias Dienste eingetreten war. In Rom gab es nur eine Frau, die noch mehr arbeitete als Antonia es jemals getan hatte und dies war Aurelia Vespasia, weshalb sie Vespasian sogar am Anfang noch seltener sah als je zuvor. Doch damit hatte er gelernt zu leben. Seit einiger Zeit hatte Caenis das Gefühl, dass Vespasian etwas vor ihr geheim hielt und sie hatte eine Ahnung, worum es sich handeln könnte.
Im Gegensatz zu Caenis schlief Vespasian tief und fest. Er strahlte einen solchen inneren Frieden aus, dass ihr schlechtes Gewissen wuchs. Wenn er über die Dinge Bescheid wüsste, die ihr den Schlaf raubten, würde auch er keine Ruhe finden. Seine Unwissenheit bewahrte ihn davor und ein Teil von Caenis beneidete ihn um diesen inneren Frieden.
In seinem Leben hatte Vespasian dank seiner familiären Beziehungen und seines eigenen Talents alles erreicht, was er erreichen konnte. Er hatte Soldaten in die Schlacht geführt und es in Rom schon dreimal bis zum Konsul gebracht. Er war ein Held, der sich mit seinem Platz im Schatten des Princeps abgefunden hatte. Vespasian war sehr ehrgeizig, aber nicht lebensmüde und er kannte seine Grenzen. Vespasian hatte sich dem Dienst an Rom ebenso unwiderruflich verschrieben wie Caenis. Dennoch hatte Vespasian seine Wurzeln nie ganz vergessen können und jeden Sommer blühte er auf, wenn er die Pflichten der Stadt hinter sich lassen durfte und sich ganz der Verwaltung seiner Landgüter widmen konnte.
So gut sie konnte hatte Caenis die in der Stadt kursierenden Gerüchte über die angebliche, geheime Germanienexpedition von ihm fern gehalten. Innerhalb der Stadtmauern wussten nur vier Menschen ganz genau, dass an dieser Expedition rein gar nichts angeblich war. Selbstverständlich zählte Caenis zu diesem kleinen Kreis und auch wenn sie sich über dieses Vertrauen sehr geehrt fühlte, belastete sie dieses Wissen sehr, weil sie es wie so viele Dinge nicht mit Vespasian teilen konnte. Bevor sie bei Aurelia hatte anfangen dürfen, hatte sie ihr auf alle Götter bedingungslose Treue und absolute Verschwiegenheit schwören müssen. In dieser Welt gab es keinen Schwur, der bindender war.
Diese Expedition machte ihr deshalb so viele Sorgen, weil sie alles andere als geplant war. Das spürte Caenis. Wenn Aurelia sich unbeobachtet fühlte, wurde sie vor Sorge um ihren Sohn Britannicus, der dieses Unternehmen anführte, ganz blass und ihr Strahlen wich aus ihren Augen. Ursprünglich hatte Aurelia ihren Sohn und dessen beste Freunde nur vor einem Skandal beschützen wollen und jetzt mussten sie ihre Leben in einer vom Senat nicht erlaubten Erkundungsreise durch die Germania Magna aufs Spiel setzen. Zu Britannicus' besten Freunden zählte Vespasians ältester Sohn Titus und auch wenn er nicht Caenis' eigener Sohn war, fühlte sie eine so starke Liebe zu dem Jungen, dass ihre Sorge um ihn ihr beinah den Verstand raubte. Bis jetzt hatte Vespasian sie auf diese Gerüchte nicht angesprochen, aber seitdem er aus Cosa zurückgekehrt war, veränderte er sich immer mehr. Immer öfter ertappte sie ihn dabei, wie er sie zweifelnd von der Seite musterte oder sein Blick ins Leere glitt. Titus war seinem Vater unglaublich ähnlich. Auch deshalb war er der ganze Stolz seines Vaters. Was würde Vespasian nur tun, wenn er die Wahrheit kannte?
Rom war das klatschsüchtigste Weib, welches Caenis je gesehen hatte und die Gerüchte über Britannicus hielten sich so hartnäckig, dass ihr die Luft mit jedem weiteren Tag immer dünner vorkam.
So saß sie blind für die Schönheit dieser alles dominierenden Stadt auf ihrem Bett und versuchte sich von ihren düsteren Gedanken nicht beirren zu lassen. Britannicus war zu klug, um als Römer entlarvt zu werden und Titus war Vespasian zu ähnlich, als dass er unbedacht seinem Freund und sich selbst schaden könnte. Obwohl Caenis keine Römerin war, fürchtete sie wie eine echte Bürgerin die Wälder jenseits des Rheins und so verging kein Tag, an dem sie nicht für Titus betete.
Erst als das Licht der aufgehenden Sonne Vespasian wachkitzelte, konnte sie aus ihren düsteren Gedanken auftauchen. Träge blinzelte er sie an und auf seinen Lippen erschien ein glückliches Lächeln. Plötzlich saß Vespasian aufrecht in ihrem Bett und blickte sich hastig um.
„Warum hast du mich denn nicht geweckt? Ich müsste schon längst meine Klienten empfangen!", rief er erschrocken aus und machte Anstalten aufzustehen. Flink schmiegte sich Caenis an die harte Brust ihres Geliebten und raunte ihm ins Ohr, dass heute ihr freier Tag war. Sofort entspannte sich Vespasian und blickte verführerisch zu ihr auf. Gerade als sie seine einladenden Lippen küssen wollte, zog er eine Augenbraue hoch und musterte sie eingehend.
„Du siehst besorgt aus", stellte er misstrauisch fest. „Was bekümmert dich, meine Liebste?"
Caenis seufzte tief, rückte von ihm ab und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Frustriert starrte sie zur Decke empor und versuchte die in ihr aufkeimenden Gefühle vor ihm zu verbergen. Doch niemand auf dieser Welt kannte sie besser als Vespasian und so durchschaute er sie sofort. Fragend drehte er sich zu ihr und legte seine warme Hand um ihre Taille. Liebevoll drückte er ihr einen Kuss auf die Wange und dabei registrierte er, wie hoch ihr Puls war. Besorgt blickte er auf sie herab und versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Gequält schloss Caenis die Augen und versuchte ihr rasendes Herz zu beruhigen.
„Du würdest es mir sagen, wenn Titus in Gefahr schweben würde?", fragte er leise und sofort erstarrte sie unter ihm. Im gleichen Augenblick schlug die Angst ihre Klauen in seine Brust und er zitterte vor Schmerz. Ihr Schweigen war Antwort genug. Verletzt blickte er sie an und sein Anblick brach ihr das Herz.
„Wenn ich etwas wüsste, würde ich es dir sagen", widersprach Caenis, obwohl sie ihren eigenen Worten keinen Glauben schenkte und murmelte so leise, dass er es beinah nicht gehört hätte: „Und wenn ich dir etwas nicht verrate, dann habe ich verdammt gute Gründe dafür!"
Mit einem Satz sprang Vespasian aus dem Bett und klaubte seine Sachen vom Boden auf. Er wollte einfach nur noch weg von hier. Lautlos folgte sie ihm, eilte zu ihm und legte ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. Sofort erstarrte Vespasian unter ihrer Berührung. Langsam zwang er sich den Kopf zu heben und ihren dunkelblauen Augen zu begegnen.
„Ich habe einen mir unbrechbaren Schwur geleistet mit niemandem über meine Arbeit zu sprechen", gestand sie und in ihren Augen sammelten sich heiße Tränen. „Glaub mir, ich kann deine Zweifel weder zerstreuen noch deine Ängste bestätigen. Der Schwur war Aurelias Bedingung, damit ich bei ihr arbeiten kann. Jeder, der in ihrem engeren Umfeld arbeitet, hat ihr diesen Schwur geleistet. Die Meisten taten es ohne zu zögern aus Liebe zu ihr und ich tat es aus Liebe zu meiner Arbeit. Rom ist ein brutales Biest, aber Aurelia versucht es zu zähmen. Ich kann nicht nur rumsitzen und zusehen, dazu bin ich nie erzogen worden. Antonia habe ich gedient, weil ich dazu verpflichtet war. Aber Aurelia diene ich, weil ich an sie von ganzem Herzen glaube."
Schweigend zog er sie in seine Arme und wischte ihre Tränen fort. Dies war das aufrichtigste Gespräch, welches sie seit ihrer Freilassung geführt hatten und er wusste, wie viel Überwindung sie diese wenigen Informationen bereits gekostet hatte. Noch mehr konnte und würde er niemals von ihr verlangen. Dennoch verstand sie nur zu gut, dass er wissen musste, ob es seinem Sohn gut ging und ein großer Teil von ihr wünschte sich ihm zumindest die an ihm nagende Ungewissheit zu nehmen. Aber sie konnte und wollte ihren Schwur nicht brechen. Nicht einmal für Vespasian.

Gerade als sie beim Frühstück entspannt beisammen lagen, wurde die Tür zaghaft geöffnet und Caenis' Privatsekretärin, ein Mädchen von vierzehn Jahren namens Klio, betrat mit gesenktem Kopf den Raum.
„Herrin, Prunia ist hier und besteht darauf unverzüglich zu Euch vorgelassen zu werden", meldete Klio schüchtern. Im gleichen Augenblick drängte sich Prunia schon an dem Mädchen vorbei und kam vollkommen aus der Puste vor den Speiseliegen zum Stehen.
„Entschuldige mein Eindringen, Caenis, aber Aurelia schickt mich", keuchte Prunia und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Erleichtert musterte sie Vespasian, dann fuhr sie fort: „Gut, dass ich Euch hier antreffe, Herr. Da kann ich mir den Weg in Euer Haus sparen. Ihr müsst beide sofort mit mir kommen."
„Hat sie gesagt, worum es geht?", fragte Vespasian genervt und erntete sowohl einen verständnislosen Blick von Prunia als auch von Caenis. Wenn die mächtigste Frau im ganzen Reich nach einem schickte, dann stellte man keine Fragen, sondern machte sich unverzüglich auf den Weg zu ihr. Antworten konnte man nur von ihr bekommen. Auch jetzt schüttelte Prunia nur ungeduldig den Kopf und erklärte, dass Aurelia ihr ihre Gründe nicht anvertraut hätte. Doch als Caenis den nervösen Seitenblick bemerkte, den Prunia Klio zu warf, verstand sie.
Wortlos ergriff sie Vespasians Hand und zog ihn mit sich von der bequemen Speiseliege. Es war an der Zeit, dass er das Geheimnis erfuhr. Erst als sich die Haustür öffnete, ließ Caenis Vespasians Hand los.
Den kurzen Weg bis zum Haus des Princeps sprach niemand ein Wort. Vespasian bemerkte Caenis' Anspannung sofort und während sie immer ruhiger wurde, stieg seine Nervosität mit jeder Minute. Am liebsten hätte Caenis wieder seine Hand genommen, um ihm zu zeigen, dass er nicht allein war. Aber dafür waren sie beide mittlerweile zu erfahren und in der Stadt zu bekannt.
Im Atrium angekommen führte Prunia sie ungerührt an den wartenden Klienten vorbei. Im letzten Moment änderte Prunia ihre Meinung, drehte sich zu den Wartenden um und verkündete, dass die salutatio des Princeps für heute leider schon beendet sei und sie morgen wiederkommen sollten. Prunia wartete nicht, bis die Menschen ihre Worte verstanden hatten, sondern eilte weiter in das offizielle Arbeitszimmer des Princeps. Schnell warf Vespasian Caenis einen überraschten Blick von der Seite zu, aber sie schwieg weiterhin eisern.
Sobald Vespasian das große Arbeitszimmer betrat, entspannten sich seine Schultern. Mit strahlendem Lächeln wandte sich Aurelia den Eintretenden zu und begrüßte sie herzlich. Der Princeps erhob sich von seinem Schreibtisch und kam auf Vespasian zu. Routiniert streckte Vespasian seinen Arm aus, damit der Princeps ihn ergreifen konnte.
„Bitte verzeiht uns, dass wir euch an eurem freien Tag gestört haben", entschuldigte sich Aurelia an Caenis gewandt. Ein kleiner, unschuldiger Gegenstand fiel Caenis sofort ins Auge: ein Brief auf dem Schreibtisch des Princeps. Aus weiter Ferne hörte sie sich selbst beschwichtigende Worte sagen, doch ihr ganzes Denken war auf diese Schriftrolle zusammen geschrumpft und ihre Gedanken rasten. Noch immer waren ihre Augen auf den noch ungeöffneten Brief geheftet, der friedlich auf dem Schreibtisch des mächtigsten Mannes ihrer Zeit ruhte. Das Siegel hatte Caenis sofort erkannt. Blutrot leuchtete Britannicus' Siegel ihr entgegen und ihr wurde schlagartig kalt. Übelkeit stieg in ihr auf, doch Caenis zwang sich ruhig zu bleiben. Rote Siegel standen für offizielle Briefe und ein offizieller Brief von Britannicus konnte in der aktuellen Situation nicht viel Gutes bedeuten.
Wortlos reichte der Princeps Vespasian einen Brief, an dem noch ein kleiner Rest des blauen Wachses hing. Seit dem erfolgreichen Britannienfeldzug wurden Briefe der Familie des Princeps nach zwei Farben sortiert: offizielle Briefe trugen ein rotes Wachs, private Nachrichten ein Blaues. Vespasian hielt den Brief so, dass sie beide ihn gut lesen konnten. Mit wachsender Neugier begann Caenis die vertraute Schrift des ältesten Sohnes des Hauses zu lesen. Doch wie gewöhnlich scheiterte sie daran. Denn innerhalb der Familie wurde ein kompliziertes Chiffriersystem benutzt, welches Caenis nicht verstand. Innerlich vollkommen unruhig huschte ihr Blick zu Vespasians Gesicht, welches einen vollkommen verständnislosen Ausdruck angenommen hatte.
„Wenn du möchtest, dass Vespasian den Inhalt des Briefes kennt, dann muss einer von uns ihn vorlesen, Gaius", ermahnte Aurelia ihren Mann sanft und streckte fordernd die Hand nach dem Brief ihres Sohnes aus. Verständnislos übergab Vespasian ihr den Brief, welchen Aurelia noch ein kleines Stück weiter entrollte. Ihre Stimme war klar und dennoch gesenkt, als sie laut zu lesen begann:

Britannicus grüßt seine Eltern.

Bitte verzeiht mir, dass ich mich erst jetzt melde. In den vergangenen Wochen ist sehr viel passiert. Das Wichtigste muss ich euch zuerst mitteilen: Denn ich wurde auf meinem Weg nach Westen unerwartet aufgehalten. Bevor ich euch die Wahrheit über das Vorgefallene erzähle, muss ich dich ermahnen, Mutter. Hör auf dir Sorgen zu machen und vertrau mir. Ich habe bereits einen Plan, wie wir den Senat überzeugen können, dass unsere Situation ihnen durchaus zum Vorteil gereicht. Deshalb lege ich diesem Schreiben einen offiziellen Bericht über meine Taten auf der anderen Seite des Rheins bei. Darin wird als Grund für meine Expedition in die Germania Magna genannt, dass ich den Wissenschaftlern, die in Mutters Auftrag für die Universität Informationen über die Geografie, die Kultur und die Sprachen der einzelnen rechtsrheinischen Stämme einholen, sicheres Geleit durch das feindliche Gebiet ermögliche. Wenn man die hohe Anzahl an gebildeten Sklaven bedenkt, die mich begleiten, dann ist dies nicht einmal eine richtige Lüge. Der Senat wird sich damit zufrieden geben müssen. Da der Brief Mutters Siegel trug, ist dies die einzig logische Erklärung.
Aber nun kann ich euch die Wahrheit nicht länger vorenthalten. Als ich mich gerade nach den erfolgreichen Gesprächen mit den Sachsen auf dem Rückweg zu Onkel Sabinus' Lager befand, entdeckte ich die Überreste einer römischen Straße. Ich ließ meine Männer anhalten, um die Steine genauer zu begutachten, da hörte ich ihn. Den durchdringenden Schrei einer Frau. Als ich sie erreichte, wurde sie von einem Barbaren bedrängt, den ich, nachdem alle diplomatischen Mittel keine Wirkung zeigten, in einem fairen Kampf besiegt habe. Das Mädchen, ihr Name lautet Tyra, ist die Tochter des Stammesfürsten der Suever. Du verstehst bestimmt, weshalb ich sie nicht mitten im germanischen Nirgendwo ihrem Schicksal überlassen konnte. Heute haben wir ihren Stamm erreicht und wurden sehr herzlich empfangen. Leider ist das Gebiet des Stammes zu weit vom Rhein entfernt, sodass wir gezwungen sind, die Gastfreundschaft der Suever anzunehmen und bis zum nächsten Frühling bei ihnen zu bleiben.
Bitte richte Onkel Vespasian aus, dass Marcus und Titus meine treusten und fähigsten Begleiter sind. Es gibt niemanden, den ich hier lieber an meiner Seite hätte.

Obwohl Aurelias Augen noch nicht am Ende des Briefes angelangt waren, hörte sie abrupt auf und begann die Schriftrolle erneut zusammenzuwickeln. Ihr Blick war ins Leere gerichtet. Doch ansonsten war ihr ganzer Körper vollkommen ruhig. Ihre Miene verriet in keinster Weise ihre wahren Gedanken. Das Gesicht ihres Mannes neben ihr war ebenso eine einzige, undurchdringliche Maske der höflichen Anteilnahme. Auch Vespasians Gesicht zeigte kaum eine Regung. Aber Caenis kannte ihn zu gut, als dass er seine innere Aufregung vor ihr verbergen konnte.
„Ich verstehe das alles nicht", gab Vespasian zu und seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter. „Wieso befindet sich mein Sohn mit deinem Sohn und Sabinus' Neffen auf der anderen Seite des Rheines?"
Fragend blickte der Princeps zu seiner Frau. Doch sie strich gedankenverloren über den Brief ihres ältesten Sohnes.
„Du hast mir gestern erst gesagt, dass dies nichts weiter als alberne Gerüchte sind!", polterte Vespasian und deutete anklagend mit dem Finger auf Gaius.
„Natürlich habe ich das gesagt!", erwiderte der Princeps gelassen. „Du hast mich in Hörweite von fünf Senatoren gefragt. Was hätte ich denn sagen sollen? Mein ältester Sohn wurde durch eine Intrige dazu gezwungen durch die düsteren Wälder Germaniens zu reisen! Er lebt, spricht und sieht sogar aus wie einer dieser Barbaren, um dort nicht weiter aufzufallen! Und du erwartest von mir, dass ich die Sicherheit meines Sohnes aufs Spiel setze, nur um dir in aller Öffentlichkeit Gewissheit zu verschaffen?"
Behutsam legte Aurelia ihre Hand auf den Arm ihres Mannes und diese kleine Geste brachte ihn augenblicklich zum Schweigen. Langsam wandte sie sich an Vespasian und in ihren großen Augen schimmerten Tränen.
„Prunia, Hesiod, Caenis, bitte verlasst den Raum", bat sie ruhig ohne Vespasian aus den Augen zu lassen. Sofort verließen die drei Freigelassenen den Raum. Bevor Caenis über die Schwelle trat, blickte sie sich ein letztes Mal zu Vespasian um, dessen ganze Aufmerksamkeit Aurelia galt.

Die Mauern des Arbeitszimmers waren so dick, dass kein einzige Wort nach außen dringen konnte. Im Inneren könnte eine Schlacht toben, doch kein einziger Laut würde auf der anderen Seite der Mauer zu hören sein.
Deshalb gab sich Caenis nicht der Illusion hin, dass sie auch nur ein Wort der Unterhaltung mitanhören würde. Aber sie wusste, was das mächtigste Paar der Welt zu Vespasian sagen würde. Britannicus' Brief hatte zu viele Dinge angeschnitten, als dass sie nicht beschlossen hätten Vespasian einzuweihen. Sobald sich bei ihm der erste Schock gelegt hätte, würde er alles dafür tun die Germanienexpedition zu unterstützen. Das war er nicht nur dem Princeps, sondern auch seinem eigenen Sohn schuldig.
Die Stunden schmolzen dahin, doch nichts regte sich. Geduldig wartete Caenis im Gang darauf wieder dazu gebeten zu werden, aber nichts dergleichen geschah. Immerhin schickte man sie nicht aus, um Vespasians Frau zu holen.
Gerade als Caenis sich fragte, ob sie ihren freien Tag nicht doch sinnvoller verbringen konnte, als untätig im Gang ihrer Arbeitgeberin auf ihren Geliebten zu warten, öffnete sich die Tür des Arbeitszimmers und Vespasian lächelte sie traurig an. Wortlos zog er sie in seine Arme und vergrub das Gesicht an ihrem Hals. Zaghaft erwiderte sie seine Umarmung und konnte über seine Schulter einen Blick auf das mächtigste Paar des Reiches erhaschen. Zu ihrer Erleichterung schenkten sie dem verbotenen Liebespaar in ihrem Gang keine Beachtung. Voller Angst blickte Aurelia Vespasia ihrem Mann tief in die Augen. Ihr ganzer Körper bebte. Sanft hatte er ihr Gesicht in seine Hände genommen und strich ihr zärtlich mit den Fingerspitzen über die Wangen.
„Dafür werden sie uns entweder hassen oder lieben, mein Herz", hörte Caenis den Princeps sachlich raunen, dann fiel die Tür endgültig ins Schloss und schluckte Aurelias Erwiderung.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro