Kapitel Sieben
Hand in Hand standen wir vor dem Grab. Tyson zündete eine Kerze an, die er in der Jackentasche hatte und stellte sie auf die Einfassung.
Der Stein war weiß, die Gravur schimmerte golden. In der Mitte befand sich ein Foto von Cassandra, zusammen mit Tyson. Er hatte seinen Arm um sie gelegt. Beide lachten in die Kamera.
Ich kniete mich, und berührte vorsichtig das Bild.
»Sie sieht genauso aus wie du...«, meinte ich.
»Das Bild hat meine Mum an ihrem 11. Geburtstag gemacht«, sagte Tyson und half mir wieder auf.
Doch eine Sache brannte mir noch auf der Zunge, konnte aber nichts sagen. Zwar sagte der Physiotherapeut, noch wären meine Ergebnisse im gelben Bereich, aber sie sind gesunken. Und das durften sie nicht. Außer... Nein! Das kann nicht sein...
Beim Gedanke daran wurde mir augenblicklich übel.
Tyson war schon ein Stück gelaufen, als ich zusammensackte und Tyson angerannt kam. Er packte meinen Arm, versuchte mit alle Kraft mich aufzuheben. Und dann kam alles hoch: nicht nur Gefühle, sondern auch mein Frühstück. Ich röchelte, hustete und schluchste. Durch meine tränen überlaufenen Augen sah ich einen grün/braune Brei, der sich auf Tysons Schuhe ausbreitete. Noch immer zerrte er an mir, obwohl ich ihn gerade angekotzt hatte. Irgendwann wurde mir das alles zu viel und mein Bewusstsein setzte aus.
Wie Tyson es geschafft hat, aufzuheben, weiß ich nicht, jedoch musste er es geschafft haben. Ich wachte auf und vor mir stand ein Fernseher und ein kleiner Glastisch mit einer Fernbedienung und Tüchern.
Auf dem Boden stand ein Eimer. Ich bewegte meinen Kopf, um mich noch etwas mehr umzuschauen; ich lag auf einer hellgrauen Couch mit roten Kissen. Hinter mir hörte ich Geschirr klimpern und Wasser.
»Bist du wach?«, fragte Tyson und stellte zwei Tassen auf den Tisch.
»Sieht so aus«, schmunzelte ich.
Ich wollte mich aufsetzen, jedoch spielte mein Kopf da nicht mit.
»Warte, ich helfe dir.« Tyson gereifte mir unter die Arme und zog mich hoch.
Ein Telefon klingelte. Tyson entschuldigte sich und verschwand im Nebenzimmer.
»Ihr geht es besser... Sie ist gerade aufgewacht... Zwanzig Minuten?... Alles klar... Ja, bis dann.«
Tyson kam wieder und setze sich neben mich, gab mir eine Tasse.
»Dein Dad ist in zwanzig Minuten da, um dich abzuholen...«, sagte Tyson.
Ich nickte.
»Passiert dir sowas öfter?«, fragte er.
»Nein...«, sagte ich kaum hörbar.
Bis mein Dad kam tranken wir schweigend Tee.
Zuhause traf dann das ein, wovor ich den ganzen Tag Angst gehabt hatte.
»Emma, setz dich bitte.«
Wir giegen in die Küche, setzen uns.
Dad atmete tief durch.
»Emma, dein Ergebnis.« Fordernd blickte er mir in die Augen. Ich schwieg und senkte den Kopf. Sofort fuhr alle Farbe aus seinem Gesicht.
Dad stand auf und drückte mich an sich. »Das Ergebnis läge noch im gelben Bereich. Aber es ist rapide gesunken. Es dürfte doch gar nicht sinken, Papa!«, schrie ich und klammerte mich verzweifelt in seinen Pullover.
»Ich weiß«, sagte Dad. »Er hat mich angerufen.«
An diesem Abend konnte ich nicht schlafen. Tyson schrieb mir immerwieder, jedoch antwortete ich nicht. Leider war mir auch bewusst, dass er das Recht hatte, die Wahrheit zu erfahren. Dass mir nicht einfach nur übel war, sondern etwas größeres dahinter steckte. Die nächsten Tage verließ ich mein Zimmer nur, um aufs Klo zu gehen. Tyson war ein paar Mal da, jedoch ließ ich ihn nicht zu mir. Dann schließlich war es soweit: der Termin mit meinen Ärzten, Schwestern und sonst jedem, der irgendwie mit meiner Krankheit in Verbindung stand.
Dr. Ness begann den Mini-Konkress: »Danke, dass sie sich alle Zeit genommen haben. Leider ist der Grund, warum ich sie herbestellt habe, kein guter. Emmas Zustand hatte sich verschlechtert. Das kann nur bedeuten, dass auch die Infusions-Theapie nicht anschlägt. Unsere Letzte Chance wäre ein neues Medikament, welches jedoch mit vielen auch schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden ist. Wir könnten es versuchen, jedoch glaube ich nicht an Besserung.«
Alle schauten mich an. Kaum merkbar schüttelte ich den Kopf. »Nein.«
»Wie lange bleibt ihr noch?«, fragte Dad.
»Höchstens einen Monat«, sagte Dr. Ness.
Zuhause rief Dad Tyson an, dass er kam und baute einen Rollstuhl auf.
»Warum Dad? Ich kann noch laufen«, maulte ich.
»Das habe ich gemerkt. Wenn du irgendwo hingehst nimmst du den Rollstuhl. Zuhause darfst du noch laufen, solange deine Beine dich tragen« Es klingelte und Tyson stand mit seinem Autoschlüssel in der Tür.
»Jacke anziehen. Wir gehen.« Ich schmunzelte und zog meine Jacke an, doch Dad ließ mich nicht ohne den Rollstuhl raus. Widerwillig setze ich mich und Tyson schob mich zum Auto.
»Einsteigen kann ich allein«, sagte ich. Ich schnallte mich an doch Tyson fuhr nicht los.
»Ich weiß bescheid«, sagte er. Augenblicklich lief es mir eiskalt den Rücken runter.
»Es tut mir leid. Ich hätte es dir sagen sollen. Ich hätte...«
»Schon gut«, unterbrach er mich.
Wir fuhren zu Tyson.
Er gieg zur Tür, um aufzuschließen, doch ich blieb stehen.
»Warum machst du das? Warum machst du das alles ein zweites Mal durch? Warum? Ich kann dir nicht wehtun. Du hast schon deine Schwester verloren, willst du das alles nochmal durchmachen?«, rief ich panisch. Tyson kam zurück und nahm mich in den Arm.
»Weil ich dich liebe«, flüsterte er. »Komm, lass uns reingehen.«
Ich nickte und folgte ihm ins Wohnzimmer.
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