Erste Veränderungen [3/3]
Es war inzwischen Mitte Oktober geworden. Draußen nahmen die Herbststürme zu und die Blätter begannen sich zu verfärben. Die Peitschende Weide hatte sich schon zur Hälfte entlaubt.
Hermine saß gemeinsam mit Harry und Ron in Hagrids Hütte. Sie tranken kalten Tee und versuchten, sich nicht die Zähne an seinen selbstgebackenen Felsenkeksen auszubrechen.
Der riesige Wildhüter und Lehrer im Fach Pflege magischer Geschöpfe strich sich über den Bart. »Schöne Sache, dass ihr drei noch einmal nach Hogwarts zurück gekommen seid. Der Schule wird etwas fehlen, wenn ihr nächstes Jahr nicht mehr wieder kommt. Doch ich freue mich, dass ihr alle zusammenbleiben werdet. Ab und zu erhalte ich von euch doch bestimmt eine Eule?«
Alle drei bekräftigten dies.
»Wir werden dich auch schrecklich vermissen, Hagrid«, sagte Hermine.
»Pass mir bloß immer auf Ron auf. Er braucht dich.«
Ja, er brauchte sie und sie brauchte ihn. Wenn er sie auch oft zur Weißglut trieb mit seiner Einfachheit, sie war komplex genug für sie beide.
Hermine warf Ron ein Lächeln zu, das er scheu erwiderte, nur um sogleich zu Harry zu sehen. Hermine wusste, er machte sich immer noch Vorwürfe.
Am Abend lag Hermine wach in ihrem Bett und starrte an die Decke des Baldachins.
»Darf ich dich mal was fragen?«, wollte Ginny wissen.
»Klar doch.«
»Jetzt reg dich aber nicht auf. Ich habe das Gefühl, dass es seit der Sache mit Malfoy nicht mehr so gut läuft zwischen dir und Ron.«
»Ich habe ihm nie Vorwürfe gemacht«, verteidigte sich Hermine, ohne angegriffen worden zu sein.
»Das haben Harry und ich schon genug getan«, antwortete Rons Schwester. »Ich glaube, er kommt nicht darüber hinweg, dass durch seine Schuld ausgerechnet Malfoy etwas sehr Intimes über dich weiß.«
»Nicht nur der, sondern die ganze Klasse und wahrscheinlich mittlerweile die halbe Schule.«
»Eben. Ron braucht dringend eine Aufheiterung. Nächstes Wochenende dürfen wir alle nach Hogsmeade. Da sollten wir etwas schönes unternehmen.«
»Das werden wir«, versprach Hermine.
Am nächsten Tag bat Professor Vector Hermine nach der Stunde, die Bücher einzusammeln und im Klassenschrank einzuschließen.
Mit einem Schlenker ihres Zauberstabes ließ sie die Arithmantikwerke nacheinander an ihren vorgesehenen Platz schweben. Die Klasse hatte sich mittlerweile geleert, sogar Professor Vector war gegangen.
Auf einem der Tische lag eine Feder. Hermine wusste, sie gehörte Draco Malfoy. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, sie ihm zu bringen. Das sollte sie besser unterlassen. Seit ihrer Begegnung in der Bibliothek vor fast zwei Wochen hatte sie kein Wort mehr mit ihm gewechselt.
Hermine mochte es sich kaum eingestehen, aber sie war ein wenig enttäuscht, dass er sie nicht wegen des Patronuszaubers angesprochen hatte. Ehrgeizig, wie sie nun einmal war, war sie fest davon überzeugt, ihm helfen zu können. Harry hatte sich bestimmt nicht genug Mühe gegeben, obwohl Malfoy das bestritten hatte.
Hermine seufzte leise. Sie ließ hinter dem letzten Buch die Türen zuschwingen.
»Restricto«, murmelte sie. Das Knacken verriet ihr, dass sich der Schrank verschlossen hatte.
Sie wollte gerade den Zauberstab in ihre Rocktasche stecken, als eines der halb herunter gelassenen Rollos nach oben schnellte. Erschrocken fuhr Hermine herum und ließ dabei ihren Stab fallen. Sofort rollte der unter den Schrank.
»Mist«, fluchte sie. Hermine sah sich vergeblich nach etwas um, das sie als Verlängerung nutzen könnte. Notgedrungen kniete sie sich nieder und kroch halb unter den Schrank. Der Zauberstab lag knapp außerhalb der Reichweite ihrer Hand.
»Suchst du was da unten, Granger oder streckst du mir deine Sitzfläche entgegen um mich zu reizen?«
Draco Malfoys Stimme war direkt hinter ihr. Hermine stieß sich den Kopf am Schrankboden, als sie versuchte, hastig darunter hervorzukommen.
Der Slytherin grinste sie tatsächlich an. »Warum verwendest du keinen Aufrufezauber?«
Hermine antwortete nicht. Sie konnte ihm schlecht sagen, dass ihr Zauberstab unter dem Schrank lag und sie praktisch wehrlos vor ihm stand.
So sah sie in seine hellgrauen Augen und fühlte sich wie festgenagelt. Ihr Herz schlug schneller. Malfoy war nicht dumm. Ihm würde bald auffallen, was hier nicht stimmte.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, trat er noch einen Schritt näher, beugte sich vor, ohne den Blick von ihren Augen zu wenden.
Malfoy lächelte jetzt und sagte beinahe sanft: »Du hast ihn nicht mehr, nicht wahr, Granger? Es ist dein Zauberstab, der da unten liegt.«
Hermine schluckte. Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie schwankte zwischen Furcht und, ja was eigentlich?
Der Slytherin zog langsam seinen eigenen Stab aus der Tasche. Hermine spürte, wie ihr ein Schweißtropfen den Rücken entlang rann.
»Da wir ja jetzt alle Freunde sind, wäre es wohl angebracht, dir zu helfen. Was hältst du davon, Granger?«
Hermines Lippen bebten.
»Ist schon in Ordnung, wenn du deine Sprache nicht wieder findest.«
Sie zu küssen fand er auch angenehmer, als mit ihr zu reden, erinnerte sich Hermine und begann auf einmal zu zittern.
Der Blonde ging vor ihr auf die Knie. Eine gezielte Bewegung Richtung Schrank, ein gemurmeltes »Accio« und Hermines Zauberstab flog in seine Hand.
Er richtete sich auf, packte den aufgefangenen Stab an der Spitze und hielt Hermine den Griff hin. Langsam hob sie die Hand und umfasste ihn.
»Ich wollte eigentlich nur meine Feder holen. Doch wo ich dich gerade sehe, fällt mir ein, ich könnte dich fragen, ob ...«
Weiter kam er nicht. In diesem Augenblick tauchte Ron im Türrahmen auf. Hermine erschrak. Ihr Freund musste die Situation falsch verstehen. Doch noch ehe sie etwas sagen oder tun konnte, brüllte Ron: »Stupor!«
Der Slytherin hechtete hinter den nächsten Tisch, der rote Blitz verfehlte ihn nur knapp.
Ron sprang mit langen Sätzen auf Hermine zu, dabei ließ er seine Deckung außer Acht.
Malfoy schnellte nach oben. »Expelliarmus!«
Rons Zauberstab wurde ihm aus der Hand gerissen.
Draco stand da und sein Blick wechselte zwischen Weasley und Granger hin und her. Solange die Hexe noch ihren Zauberstab in der Hand hielt, musste er auf der Hut sein. Er wusste, wie schnell sie war.
Weasley verzog das Gesicht. Er näherte sich Granger ein wenig unter Dracos wachsamen Augen.
»Bleib wo du bist, Weasley.«
Der begann zu jammern: »Jetzt tu doch was, Hermine. Steh nicht einfach so da.«
Zu Dracos Erstaunen ließ sie den Zauberstab sinken. Er fühlte eine Welle der Erleichterung durch sich hindurch rauschen. Draco straffte sich und ließ ebenfalls den Stab sinken. Dann trat er auf den Tisch mit der Feder zu, ohne den Blick von den beiden zu wenden.
»Die hatte ich vergessen und wollte sie mir bloß holen.«
»Was hast du mit meiner Freundin angestellt, Malfoy? Hast du ihr den Imperiusfluch aufgehalst? Sie rührt sich ja gar nicht.«
»Blödsinn«, antwortete Draco. »Aber weißt du was Granger? Du könntest tatsächlich etwas machen. Tu dir selbst einen Gefallen und werde den Volltrottel los. Ihr passt sowieso nicht zusammen.«
Weasley schnappte nach Luft. Granger schien sich aus ihrer Erstarrung zu lösen. Draco griff nach seiner Feder. Den Zauberstab hielt er zwar noch fest, hatte die Spitze jedoch weiterhin nach unten gesenkt.
Es kostete ihn ein wenig Überwindung, aber er drehte den beiden den Rücken zu. Weasley war unbewaffnet und Granger würde ihn nie von hinten angreifen.
Draco hatte gerade die Tür erreicht, als Granger »Expelliarmus« schrie. Er fuhr herum. Doch seinen Zauberstab hatte er immer noch in der Hand. Granger sah einen hochroten Weasley entschuldigend an. »Ron, ich musste das tun. Er hatte sich bereits umgedreht. Einen von hinten anzugreifen ist seine Methode, nicht deine.«
»Ist dir überhaupt klar, was du gerade getan hast? Du hast soeben Draco Malfoy verteidigt - gegen mich! Und das, obwohl ich dir nur zu Hilfe gekommen bin.«
Granger sah plötzlich so unglücklich aus, dass sie Draco beinahe Leid tat.
Hastig drehte er sich um und verließ das Klassenzimmer. Auf dem Gang hörte er noch, wie sich die beiden seinetwegen stritten. Es gefiel ihm mehr, als er sich eingestehen wollte.
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