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„Da kommen sie..." knurrte der zweite dunkelhäutige Alpha und ging leicht schrittversetzt in die Hocke um einen besseren Stand für eine Abwehr zu haben.
Josh, der mit Müh und Not seine Tränen herunterwürgte, linste mit verquollenen Augen über den gewaltigen Bizeps Rafe's und erkannte die Alphas des Abschlussjahres, inklusive Ben und seinen beiden Dösdepp-Freunde. Bei dem Anblick erstarrte der kleine Omega und versuchte sich unsichtbar zu machen. Er kannte den Alphaclan nicht, der ihn aus seinem Gefängnis befreit hatte, aber sie HATTEN ihn befreit! Und allein schon aus diesem Grund wollte er nicht, dass sie verletzt wurden... nicht für ihn!
„Ganz ruhig, Kleiner! Sie werden dir nichts antun! Du gehörst jetzt zu uns..." rumpelte die unfassbar tiefe Stimme des Alphas, in dessen Armen er immer noch lag.
„Hey... ihr habt da etwas, auf das wir Anspruch erheben!" rief Ben unter dem zustimmenden Johlen der Halbstarken hinter sich.
Bei diesen überheblichen Worten machte Josh's Wirklichkeit einen erneuten Ruck und er wand sich so plötzlich aus Rafes Armen, dass dieser ihn völlig perplex losließ. Vergessen war die Angst, die Trauer und Schwäche... Wutschnaubend wie ein Stier in den spanischen Arenen der Antike marschierte der Omega auf Ben los, die Fäuste geballt, jedes einzelne Haar an seinem Kopf abstehend und mit einer Furcht einflößenden Variante von Gwendolyns Todesblick im Gesicht.
„ETWAS? ICH BIN FÜR DICH VERSCHISSENEN WICHSER EIN ‚ETWAS'? WER GLAUBT IHR KLEINEN PISSNELKEN EIGENTLICH, WER IHR SEID, HM? SELBST WENN ICH FREI WÄHLEN KÖNNTE, WÜRDE ICH MIR EHER DEN SCHWANZ ABHACKEN, BEVOR ICH ÜBERHAUPT DARÜBER NACHDENKEN WÜRDE, EINEN VON EUCH AN MICH RANZULASSEN!"
Ben knurrte drohend und machte einen weiteren Schritt auf Josh zu.
„Pass auf, was du sagst, Joshi! Du bist zum ficken und Kinder kriegen da... und nicht um frech deine Klappe zu weit aufzureißen!" zischte der junge Alpha.
Josh wollte vorwärts springen und die Augen des lebensmüden Vollidioten seinen Fingernägeln vorstellen, da pflückte ihn einfach jemand aus der Luft. Duncan drehte sich um und drückte den vor Wut und Frustration spuckenden kleinen Omega wieder in die Arme eines Clansbruders.
„Xan? Halt ihn mal kurz fest. Und du, Kleiner... wir unterhalten uns später noch einmal ausführlich darüber, was hier gerade passiert ist!"
Xander gluckste leise und schnupperte genüsslich an dem Nacken des jungen Mannes.
„Also, wenigstens wird es mit dir nicht langweilig... wie nannte er dich nochmal? Joshi?"
„Ich heiße Josh! Nicht Joshi, nicht Joshilein, nicht Jöshchen, einfach nur JOSH! Gwendolyn ist die einzige, die mich Joshi nennen darf! Oh, und natürlich meine Grammy! Für alle anderen ist es Josh!" maulte dieser und verschränkte bockig seine Arme.
Er wusste nicht genau warum, aber die Qualen der Hitze hatten zumindest zeitweise nachgelassen und jetzt war er klar genug im Kopf, um sein Schicksal zu bekämpfen. Er wollte nicht Teil eines Clans sein! Er wollte nach Hause! Er wollte Grammy und Gwen sehen. Und nicht in einem kalten Kellergewölbe an die muskelbepackte Brust eines heißen, blonden Leckerbissens von Alpha gedrückt werden...
Ach, Mist!
Hatte er Xander gerade als heißen Leckerbissen bezeichnet?
Echt jetzt?
DOPPELMIST!
Da war die Hitze anscheinend doch nur in Lauerstellung gewesen und nun wieder auf dem Vormarsch - ein berechtigter Gedanke, zumal er im Moment fast manisch an dem Hals des blonden Riesen herumzuschnüffen begann, um seinen Geruch nach frischer Luft, dem Schmierfett der Solarzellen (die Batterien der Solarsegler) und nach Schokolade(!) zu inhalieren.
Schokolade?! Wie jeder Omega war auch Josh süchtig nach Süßkram und daher war es doch auch irgendwie verständlich, dass er jetzt anfing, die Haut des Mannes abzulecken, oder?
„EY!!! Hör auf fremde Alphas abzuschlabbern, Joshi! Du gehörst uns!" schrie Tim, der angesichts der reichhaltigen Paarungspheromone sehr schnell vergessen hatte, dass er eigentlich was mit Bianca am Laufen hatte.
Xander machte zwei Schritte zurück und stand jetzt hinter seinem Clan, der eine regelrechte Mauer aus Muskeln und Gewaltbereitschaft bildete, während der kleine Omega sich schnaufend unter sein Hemd wühlte, um mehr von dem köstlichen Duft und Geschmack zu erhaschen.
„Hört mir jetzt einmal gut zu... mir, beziehungsweise uns ist klar, dass ihr alle keinen klaren Gedanken mehr fassen könnt. Ansonsten wärt ihr nicht so strunzdämlich, es gleich mit zwei voll ausgebildeten Vollstreckern der Königsklasse aufzunehmen." Duncan warf einen kurzen Seitenblick auf Rafe, der mit gefletschten Zähnen die Schultern kreisen ließ.
Der braunhaarige Anführer grinste düster und wandte sich den aufgegeilten Jungspunden wieder zu.
„Wir geben euch diese letzte Chance, euch in Frieden zurückzuziehen, oder wir fangen an euren inneren Organen das Tageslicht zu zeigen."
Die Jugendlichen sahen sich unsicher an. Sicher, sie wollten den Omega in Besitz nehmen, aber die Vollstrecker der Königsklasse hatten einen entsetzlichen Ruf.
Es gab weltweit nur eine Handvoll Menschen, die eine Auseinandersetzung mit einem dieser Monster überlebt hatten und nicht einer von ihnen war noch im Besitz sämtlicher Gliedmaße.
„WAS GEHT HIER VOR SICH?" donnerte eine laute, dröhnende Stimme und oben am Treppenabsatz erschien Direktor Ludwig.
„Duncan? Könntest du mir das bitte erklären?"
Der ältere Alpha stemmte die Fäuste in die Hüfte und musterte die große Ansammlung gewaltbereiter Männer unter sich.
Der angesprochene neigte leicht seinen Kopf zum Gruß und antwortete:
„Onkel Ludwig... du erinnerst dich doch, als ich dich vorhin besucht habe... wie ich plötzlich verschwunden bin? Ich bin dem Duft von Waldbeeren und Honig durch die Keller deiner Schule bis hierhin gefolgt. Der Junge, den du auf Befehl des Königclan-Alphas hast einsperren lassen, ist ein Omega, der aufgrund von Stress in Hitze gegangen ist. Er war allein! Im Dunkeln! In der Kälte!"
Der Schulleiter betrat die Treppe und ging mit großen Schritten, immer drei Stufen auf einmal nehmend auf seinen Neffen zu.
Die jungen Männer teilten sich, um ihn durchzulassen und Ludwig blieb vor Duncan stehen. Dann neigte er den Kopf um zwischen der Wand aus drohend knurrenden Kerlen hindurchzuspähen.
„Josh? Ein Omega? Ich hatte keine Ahnung... er ist bei uns als Beta gelistet..." murmelte der alte Alpha leicht verwirrt beim Anblick des Jungen, der just dabei war, Konfetti aus Xanders Oberbekleidung zu machen.
Duncan behielt die Meute vor sich scharf im Blick, während er weiter ausführte: „Wie konntest du dem zustimmen, Onkel? Auch wenn du nicht wusstest, dass Josh ein Omega ist... er ist dennoch einer deiner Schutzbefohlenen. Zwei Tage? Echt jetzt? Der Rest des Schultages, das wäre ja irgendwie noch vertretbar gewesen, aber drei Nächte und zwei weitere Tage? Bei diesen Temperaturen hier unten? So traurig das jetzt klingt, aber die Hitze hat ihm wahrscheinlich das Leben gerettet. Wenn sein Körper sich nicht so stark aufgeheizt hätte... ich will mir gar nicht ausmalen, was alles hätte geschehen können!"
Ludwig seufzte und sah seinen Neffen wieder an.
„Tjorben vom Königsclan hat die Inhaftierung des Jungen befohlen. Da konnte ich nichts gegen sagen... aber nun nehmt ihn mit. Bringt ihn hier raus und beansprucht den Omega. Ich regle das mit dem Prinzen und seinem Zirkel!"
Dann drehte der Schulleiter sich zu der Ansammlung Jugendlicher um und sagte mit einer unumgänglichen Autorität: „Der Omega ist vom Clan meines Neffen beansprucht worden! Ihr habt kein Anrecht mehr auf ihn. Geht jetzt, oder ich werde euch alle von der Schule verweisen! Dauerhaft! Ganz abgesehen davon, dass ihr den morgigen Tag vermutlich gar nicht mehr erleben werdet, da keiner hier es mit Vollstreckern der Königsklasse aufnehmen kann! RAUS JETZT!"
Und jetzt endlich hielt die Vernunft Einzug und die Alphas des Abschlussjahres zogen sich wütend und frustriert vor sich hinknurrend zurück.
Ludwig schüttelte den Kopf und murmelte: „Ich werd zu alt für diesen Job. Vielleicht sollte ich mich doch langsam zu Ruhe setzten..."
Dann war auch er die Treppe hinauf und verschwand in den Gängen seiner Schule.
Duncan drehte sich zu Xander um. Der war mittlerweile obenrum freigelegt worden und schaukelte leise schnurrend den schläfrig blinzelnden Omega hin und her.
„Gehen wir... lasst uns unseren Kleinen nach Hause bringen, den Kellerschmutz abwaschen und ihn dann gründlich beanspruchen..."
Wie ein Mann setzten sich die fünf Männer in Bewegung um ihr Herz in die Sicherheit ihres Zuhauses zu bringen.
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