꧁48꧂
Ich lese Wort für Wort.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
Beim Vierten Durchgang zittern meine Hände bereits so heftig, dass ich nur mit Anstrengung den Laptop festhalten kann. Mir fehlen die Worte. Der Text ist unglaublich schön, nicht vergleichbar mit meinem. So sitze ich nun auf dem Sessel, unfähig mich zu bewegen oder zu denken. Das einzige woran ich denken kann ist: Ich will zu ihr. Jetzt.
Doch Lee ist noch in Woodhill weshalb ich mich zusammenreißen muss. Anrufen kommt nicht in frage, ich will persönlich mit ihr reden. Shit, ich bin einfach kein geduldiger Mensch.
Also gehe ich mit schnellen Schritten in Dan's Zimmer. Ohne anzuklopfen stürme ich herein und entdecke ihn auf seinem Bett mit dem Handy vor der Nase. Wie jeden Tag ist er komplett schwarz gekleidet aber heute stechen seine hellblauen Socken heraus. Die sehen schrecklich aus.
„Wie schön, dass du angeklopft hast, Sunnyboy." Auch wenn sich Dan verärgert anhört, weiß ich, wie wenig ihn mein Eintreten stört.
„Kein Ding." Ich halte ihm den Laptop vors Gesicht. „Lies!"
Verwundert setzt sich Dan aufrecht hin und scrollt durch den Aufsatz. Ich verfolge jede Regung seines Gesichts. Wie sich seine Augen weiten und wie sein Lächeln immer weiter anschwillt. Auch er liest den Text Zweimal.
„Ich muss dich enttäuschen, Sunnyboy. Ihr Text ist um einiges besser", versucht er mich aufzuziehen.
„Du weißt doch garnicht, wer den Text geschrieben hat."
Seine rechte Augenbraue wandert nach oben und verschwindet in seinem Pony. „Ich weiß von wem der Text ist. Erstens höre ich es aus den Worten und Zweitens hat mir Lee gesagt, dass sie etwas geplant hat, um dir zu zeigen, wie sehr sie dich liebt." Okay, jetzt bin ich verblüfft. Wann hat er mit Lee gesprochen? Als hätte ich die Frage laut ausgesprochen, hält er sein Handy mit einem schiefen lächeln in die Höhe.
„Sie hat gesagt, dass sie mich liebt?"
„Ja. Nicht nur mir, auch Ella und Peet. Sie mögen dich sogar. Ella war einfach eifersüchtig und hatte die glorreiche Idee, dass wir uns demnächst mal zu Fünft treffen." Sein Blick wird ernster. „Falls ihr euch wieder vertragt."
Ich hätte ihr auch ohne den Aufsatz verziehen aber das muss Dan nicht unbedingt wissen.
„Natürlich. Ich muss aber noch bis frühestens Morgen warten."
„Das heißt dann wohl Füße stillhalten. Wir können in der Zeit eine Folge Prison Break schauen." Eigentlich bin ich gerade zu nichts in der Verfassung, aber ich reiße mich zusammen und setze mich neben Dan aufs Sofa. Dan tippt gerade eine Nachricht, weshalb er meinen prüfenden Blick nicht bemerkt. Wir starten eine Folge und die Geräusche von Schüssen und Gebrüll rauschen durch die dünnen Wände der Wohnung.
„Ich muss nochmal los. Warte nicht auf mich, ich komme erst morgen früh zurück."
Wo will er um diese Uhrzeit noch hin?
„Ist etwas passiert?", frage ich, und male mir die schlimmsten Szenarien im Kopf aus.
„Nein, alles gut. Ich... habe meinen Laptop auf der Arbeit vergessen." Bevor ich antworten kann, fliegt auch schon die Wohnungstür hinter ihm ins Schloss. Was war das denn?
Ich nutze die freie Zeit und räume die Küche auf. Mr. Green schleicht sich zwischen meine Beine hindurch und spielt mit den Fransen meiner Jogginghose. Er und Dan haben sich in der Ersten Wochen nicht besonders gut verstanden. Ich muss Dan aber zugute legen, dass Mr. Green die meisten Menschen nicht mag. Ich habe den Kater aus einem Tierheim gerettet, wo ehemals misshandelte Tiere gepflegt wurden und letztendlich neue Besitzer suchen. Seine Augen, haben mich an meine eigenen erinnert. Es war nicht der exakt selbe Grünton, der mich so gefesselt hat, sondern die Leere in ihnen. Mr. Green sah verängstig aus und hat alles angefaucht, was näher als Zwei Meter in seine nähe gekommen ist. Im Laufe der Monate unter meiner Obhut haben sich seine Augen mit Leben erfüllt. Ob Lee dasselbe in meinen Augen gesehen hat?
„Hey, Sunnyboy." Lee's Stimme, durchbricht die Stille und erwischt mich eiskalt sodass ich auffällig zusammenzucke. Und da steht sie. Mit Boyfriend Jeans und meinem Hoodie.
„Ich dachte du bist bis Morgen bei deiner Familie?", frage ich sichtlich überrascht.
„Die Pläne haben sich... geändert. Dan hat mir geschrieben." Typisch Dan. Jetzt weiß ich auch, an wen die Nachrichten gerichtet waren, die er so konzentriert getippt hat. Wahrscheinlich hat er sich aus dem Staub gemacht, damit wir die Wohnung für uns haben und pennt bei einem Kumpel. Es hört sich kitschig und total albern an, aber ich schwöre, Lee's Lächeln erhellt momentan die gesamte Wohnung.
„Henry, lass es mich erklären ich..."
„Nein." Unterbreche ich sie. „Du musst mir nichts erklären. Du wurdest verletzt und es ist nicht schlimm, wenn du Zeit brauchst um wieder Vertrauen aufzubauen zu können. Ich warte."
Lee kommt näher und nimmt meine Hände in ihre. „Du musst auf nichts warten. Ich dachte mein Aufsatz hat für sich gesprochen?" Alleine ihre Anwesenheit erregt mich. Ihre Anwesenheit lässt mich frei atmen, auch wenn ich gerade einen fetten Kloß im Hals habe.
In mir steigt das Bedürfnis, Lee zu küssen und nie wieder loszulassen. Es geht lange nicht mehr um reines Begehren und körperliche Nähe, es ist viel mehr. „Dein Aufsatz ist wunderschön. Nicht vergleichbar mit meinem."
„Mit deinem?"
„Ja, ich habe auch über dich geschrieben. Meine Worte sind aber lange nicht so poetisch wie deine." Mittlerweile sind unsere Lippen nur noch Zentimeter voneinander entfernt. Ich spüre ihren heißen Atem auf meinen Lippen, der sich wie eine Streicheleinheit anfühlt. Ich unterdrücke ein Stöhnen und beiße mir auf die Unterlippe, bis der Schmerz mich wieder klar denken lässt.
„Den muss ich unbedingt lesen", flüstert sie in mein Ohr.
„Bald. Du hast noch ewig Zeit, ihn zu lesen."
Bei meinen Worten fangen ihre Augen an zu schimmern und eine einzelne Träne läuft über ihre Wange. Ich Küsse die Träne weg, in der Hoffnung, dass alle Probleme mit ihr verschwinden. Als meine Lippen ihre weiche Wange berühren, durchfährt mich ein Schauder wobei gleichzeitig ein Feuerwerk in meinem Körper explodiert.
Ich nehme dir Worte zurück- gerade geht es definitiv auch um Begehren.
„Heißt das, du verzeihst mir?", fragt Lee.
„Ja. Ich verzeihe dir, wenn du mir verzeihst."
Sie seufzt. „Dan hat mir von Mortimers Geschichte erzählt. Ich wusste nichts davon. Es tut mir schrecklich leid."
„Ich hatte mich schon entschieden, als du noch in Woodshill warst. Und nach dem Brief will ich mehr denn je bei dir bleiben. Lee, ich liebe dich. Aus ganzem Herzen und das wird auch Nichts und Niemand ändern können." Ihre schimmernden Augen gleiten über mein Gesicht und bleiben an meinen Lippen hängen. Als sie mir wieder in die Augen schaut, lösen sich die restlichen Tränen. Tränen der Erleichterung.
„Ich liebe dich, Henry. Immer." Die Worte aus ihrem Mund zu hören macht mich unfähig an etwas anderes zu denken und ihr scheint es nicht anders zu gehen. Ich habe nicht ans Paradis geglaubt, bis ich Lee getroffen habe. Ich will dass sie an meiner Seite aufwacht und einschläft. Ich will mit ihr durch Dick und Dünn gehen. Ich will sie so lieben, wie es kein Anderer kann.
„Können wir uns jetzt bitte endlich Küssen? Auf diesen Moment warte ich schon verdammt lange", bettele ich beinahe.
Wir strahlen und gegenseitig an und überbrücken die letzen Zentimeter, die uns voneinander trennen. Ihre Lippen streichen federleicht über meine und lösen eine Kettenreaktion an Schauern und Gänsehaut aus. Ich werde von diesen Küssen niemals satt werden, das steht fest. Sie weiß genau, was sie machen muss, um die Hitze zu einem Feuer zu entflammen. Ich dringe mit meiner Zungen in ihren Mund, ohne Zögern und kein bisschen schüchtern. Ich habe das Gefühl, meine Knie könnten jeden Moment nachgeben. Aber selbst wenn das passieren sollte, wäre sie da, um mich aufzufangen. Und ich ebenfalls für sie. Ich kann ihren Körper durch das dicke Material unserer Pullover hindurch fühlen, aber es ist nicht genug.
Ich brauche mehr.
Lee stöhnt leise und ihre Hände wandern zu meinen Haaren. Im Gleichschritt gehen wir in mein Zimmer, lassen uns auf die Matratze fallen und versinken ineinander.
„Ich liebe dich."
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