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„Hoffentlich sehen wir uns bald wieder, Schwesterherz." Mein Bruder schließt mich in seine Arme und drückt mir einen fetten Kuss auf den Haaransatz. Wir stehen vor dem Flughafengebäude, umringt von gestressten Menschen und dem Geräusch der Koffer auf steinigem Asphalt.
Hank beugt sich zu meinem Ohr herunter, damit Henry ihn nicht verstehen kann. „Ich habe keine Ahnung, was zwischen euch vorgefallen ist, aber bringt es wieder in Ordnung. Seitem ihr aus dem Wasser gekommen seid, verhaltet ihr euch total komisch. Er ist ein guter Kerl."
Mit einem Seufzen löse ich mich aus der Umarmung und klopfe ihm auf die Schulter. „Mache ich, Chef."
Hank betrachtet mich mit einem vielsagenden Blick, der klarstellen soll, wie ernst er es meint.
„Bro, hoffentlich bist du bald wieder in Woodhill", verabschiedet er sich nun auch von Henry.
„Wer weiß. War aber echt schön bei euch."
„Ich mische mich ungern in eure Gespräche ein, aber wenn wir den Flieger noch erwischen wollen, müssen wir uns langsam auf den Weg machen", sage ich und deute auf das Gebäude zu unserer Rechten.
„Dann mal los, ich möchte schließlich nicht in Verantwortung gezogen werden. Hab dich lieb Krümmel." So hat mein Bruder mich aus gutem Grund lange nicht mehr genannt, der Name ist scheußlich. Henry und ich wenden uns ab und gehen zur Eingangstür.
„Bye, Stinktier", rufe ich über meine Schulter, ohne mein schiefes Grinsen zu verstecken.
„Stinktier?", fragt Henry belustigt. Echt jetzt?
„Du redest wieder mit mir? Welch eine Ehre." Den ganzen Tag ist er mir aus dem Weg gegangen, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Ich verstecke den angepissten und sarkastischen Unterton in meiner Stimme nicht. Er soll ruhig wissen wie sauer ich auf ihn bin. Wir laufen nebeneinander zur Sicherheitskontrolle, vor der sich eine lange Schlange gebildet hat. Na toll.
„Können wir das bitte einfach vergessen. Ich war ein Idiot."
„Kannst du mir wenigstens sagen was los war?", frage ich.
„Ich war überfordert, das ist alles." Ich ziehe eine Augenbraue hoch, denn ich glaube ihm kein einziges Wort.
Man sieht Henry an, wie unangenehm ihm das Thema ist, weshalb ich klein bei gebe. „Na gut."
Die Schlange vor uns wird mit der Zeit kürzer. Ein kleiner Junge ist gerade dabei, seine Hosentaschen und einen blauen Rucksack, zu leeren.
„Ich muss heute Abend den Bericht an Mrs. Hilten abschicken. Soll ich irgendwas bestimmtes hineinschreiben?"
Henry beobachtet die Menschenmassen mit wachsamen Augen. „Naja, es reicht wenn du den Geburtstag deiner Mutter und den Ausflug am See erwähnst."
„Okay. Darf ich dich etwas fragen?"
Henry schaut mich fragend an. „Natürlich."
„Kommst du am Freitag mit zu Ellas Verbindungsparty?"
„Warum fragst du?"
Ich schwanke zwischen der Wahrheit, dass ich seine Gegenwart genieße und der Lüge, für die ich mich letztendlich entscheide. „Wo kann man besser unter die Menschen tauchen und Panikattacken bekämpfen als auf einer Party, wo haufenweise betrunkene Studenten wimmeln?"
Ein enttäuschende Zug gleitet über sein Gesicht, als hätte er auf eine andere Antwort gehofft.
„Mal schauen, ob Dan etwas geplant hat, aber wenn nicht, dann komme ich wohl oder übel mit." Der traurige Ausdruck verschwindet und ein schiefes Grinsen legt sich über seine Lippen. „Was finden eigentlich alle so toll an diesen Partys? Die letzten Zwei Partys, auf denen ich mit dir war, waren nicht gerade geil."
„Sagen wir es mal so: Du hast auch echt jedes mal die Arschkarte gezogen." Mit einem kehligen Brummen stimmt er mir zu und wendet sich der Menge vor uns zu.
Sobald wir die Sicherheitskontrolle hinter uns haben, gehen wir zum nächstgelegenen Starbucks und kaufen jeweils einen Karamell Macchiato. Anschließend überbrücken Henry und ich unsere restliche Wartezeit in den Duty Free Shops, die unverschämt hohe Preise verlangen. Also kaufe ich nur eine Kleinigkeit für Ella und Peet. Der Rückflug ist entspannt. Diese Mal habe ich einen Platz neben Henry erwischt, direkt am Fenster. Der Ausblick ist wunderschön. Der Sonnenuntergang setzt das Flugzeug in orangene- rotes Licht und das Farbspiel von den Wolken aus zu beobachten, ist atemberaubend. Henrys Kopf landet auf meiner Schulter und seine Augen sind geschlossen. Er schläft. Wenn ich ihn jetzt so betrachte, sieht er total losgelöst aus. Es erfüllt mich mit stolz, zu sehen, wie er neben mir schläft. Für jeden anderen, würde diese Geste unbedeutend sein, aber ich kenne seine Vergangenheit und weiß von den Albträumen, die ihm jeden Tag aufs neue den Schlaf rauben. Die beiden Tage zusammen mit Henry bei meiner Familie haben mir gezeigt, dass ich ihn bereits jetzt viel zu sehr mag, als gut für mich ist. Dieses eine Gefühl, von dem ich mir geschworen habe, nie wieder etwas zu empfinden, rückt immer weiter an die Oberfläche, ohne etwas dagegen tun zu können. Ich wende meinen Blick von Henry ab und lege meinen Kopf gegen die Kopflehne um tief durchzuatmen. Shit.
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