Folge 1
Wo war ihr Mut? Normalerweise mangelte es Kira nicht an Selbstbewusstsein. Dennoch stand sie hier, hinter der Tür, und traute sich nicht hinein. Sie hatte es ihrer arroganten und vorlauten Art zu verdanken, dass sie nun um ihren Studienplatz bangte. Würde sie zu den Vorzeigestudenten zählen, wäre Mr. Miller womöglich milder gestimmt. Innerhalb von knapp drei Semestern hatte sie es tatsächlich geschafft, die halbe Belegschaft des Three River Colleges gegen sich aufzubringen. Ein Seufzen glitt über ihre Lippen und die angehaltene Luft wich aus ihren Lungen. »O Mann, Pünktlichkeit zählt nicht gerade zu meinen Stärken.« Das kühle Metall der Türklinke brannte sich in ihre Handfläche. Okay, King. Tief durchatmen, Schultern straffen und voll cool reinspazieren. Ohne vorher anzuklopfen, riss sie die Tür auf. Der Platz in der letzten Reihe, neben ihrer Freundin, wartete sehnsüchtig auf ihr Erscheinen.
Ein Lächeln breitete sich auf Kiras Gesicht aus, als sie ihre Freunde, Lilly und Rick, am Ende des Raumes entdeckte.
Lillys Augen wurden schlagartig groß. Beinahe panisch glitt ihr Blick nach vorn zur Tafel.
Was ist los? Fragend zogen sich Kiras Brauen zusammen, während sie auf ihren Platz zusteuerte. Keine zehn Schritte war sie gelaufen, da ertönte ihr Name und brachte Kira abrupt zum Stehen.
» Ah, Miss King! Wie schön, dass Sie uns mit Ihrer reizenden Anwesenheit beehren. Haben Sie sich verlaufen?« Die Stimme triefte vor Spott.
Das ist nicht Miller. Überrascht drehte sie sich herum und sah nach vorne. Wer ist das?
Ein hochgewachsener Mann, deutlich jünger als Mr. Miller es war, stand hinter dem Lehrerpult. Höhnisch hob der Unbekannte seine linke Braue und starrte auf seine protzige Armbanduhr.
Genervt verdrehte sie die Augen. Was für ein arroganter ...
» Ganze vierzig Minuten! WOW!« Sarkasmus pur. Augenblicklich verschwand das nette Lächeln auf seinen Lippen, verwandelte sich zu einem eisigen Ausdruck.
Arktis. Ein anderes Wort fiel ihr nicht ein, um seine Aura zu beschreiben. Sein Blick glich einer Schneelandschaft. Kalt und zeitgleich wunderschön. Niemals würde Kira es zugeben, doch in diesem Augenblick lief es ihr eiskalt den Rücken runter.
» Vorschlag. Wenn es so verdammt schwer für Sie ist, pünktlich zu meinen Kursen zu erscheinen, suchen Sie sich gefälligst andere!« Er tippte sich gegen die geschwungenen Lippen. »Richtig. Es gibt keine Anderen. Schon mal überlegt, das College zu wechseln?« Interessiert legte er den Kopf schief und taxierte sie mit seinem Blick.
Fassungslos klappte Kira der Mund auf. Was für ein arrogantes Arschloch bist du denn? »Wo ist Miller?« Die Arme verschränkte sie vor der Brust, zog dabei die linke Braue hoch.
» Der hat es mit Ihnen nicht mehr ausgehalten und das Weite gesucht.« Provokation lag in seinem Blick. Amüsiert zuckten seine Mundwinkel, als der Kurs lachte.
Ungläubig stand ihr der Mund offen. Das hast du nicht gesagt!
Mr. Arrogant kehrte ihr den Rücken, hängte sein Sakko über die Stuhllehne und schnappte sich ein paar Unterlagen von seinem Tisch. Das Stück Kreide bettete er zwischen seine Finger und setzte gerade zum Schreiben an, als sie ihn unterbrach.
» Oh, wie schade.« Den Sarkasmus in ihrer Stimme versuchte sie erst gar nicht zu verbergen. Langsam steuerte Kira auf sein Pult zu und stützte die Arme links und rechts von sich ab. »Dabei mochte ich ihn doch so!« Demonstrativ lehnte sie sich nach vorne und hatte dabei ein breites Lächeln auf den Lippen.
Stille.
Die Kreide legte er zurück an ihren ursprünglichen Platz, die Arbeitsblätter links von sich auf einen Beistelltisch. Langsam drehte sich ihr neuer Dozent zu ihr herum und hob dabei höhnisch die linke Augenbraue.
Kälte schlug ihr durch seinen eisigen Blick entgegen. Nordwind.
Mr. Arrogant verschränkte die Arme vor der Brust.
» Sie sind also Millers zweitklassiger Ersatz?«, stellte Kira ihre Frage extra laut, damit es auch alle hörten.
Das allseits bekannte »Uuuuuuuh!« durchkreuzte den Raum.
Sein Ausdruck wirkte amüsiert. In seinen Augen blitzte es und fast meinte Kira, seine Mundwinkel zucken zu sehen. Mr. Arrogant lehnte sich ebenfalls nach vorne, stützte seine Hände auf dem Eichenholz ab. Sein Gesicht war ihrem so nahe, einzig das Pult stand zwischen ihnen. »Oh, ich bin sogar erstklassig.« Ein überhebliches Grinsen zierte seine geschwungenen Lippen.
Für einen Moment musterte Kira ihn. Ihre Augen wanderten von seinen großen Händen über seine Arme. Das weiße Hemd hatte er an den Ärmeln hochgekrempelt, sodass ihr Ansätze von Tattoos entgegen blitzten. Interessiert legte sie den Kopf schief. Welche Bilder deinen Körper wohl schmücken? Eine graue Weste schmiegte sich elegant an seine Brust und die passende Krawatte um seinen Hals. Der Bart, kurz gestutzt und feinsäuberlich geschnitten, betonte sein markantes Gesicht. Seine Lippen wirkten wie gemalt. Es kribbelte in ihren Fingerspitzen. Das Verlangen, mit den Fingern über seine Lippenkonturen zu malen, breitete sich rasant in ihr aus. Ein Mundwinkel zuckte nach oben und er verzog sein Lächeln zu einem frechen Grinsen, sodass ein Grübchen auf der Wange hervortrat. Seine Nase war gerade und zwischen den Brauen befand sich eine Kerbe. Fragend hob er eine Augenbraue, wodurch sich drei dünne Falten auf seiner Stirn bildeten. Eine kurze Haarsträhne hing ihm ins Gesicht, sie hatte sich aus seiner Frisur gelöst. Sein Haar wirkte unglaublich weich und es war so dunkel, dass es beinahe schwarz schien. Einzelne graue Strähnen zogen sich durch die dunkle Masse. Dieser Mann war mit nur einem Wort zu beschreiben: WOW. Ein Blitz durchfuhr sie, als ihre Blicke sich kreuzten.
Aquamarinblau traf auf Rauchiggrün.
Zu nah. Viel zu nah. Ihre Haut begann zu kribbeln und ihr Atem ging flach, während sein glühender Blick sie gefangen hielt. Der dunkelgrüne Kranz seiner Iris erinnerte an Seetang, aber das Innere war strahlend hell. Solch eine Farbe hatte sie noch nie gesehen. Ist das Grau? Oder Grün? Es schien eine Mischung aus beidem zu sein. Grün, wie die hohe See. Grau, wie kalter Rauch. Einzelne dunkelgrüne Nuancen verteilten sich um seine Pupillen und dichte schwarze Wimpern rahmten diese leuchtenden Augen ein. Sein Blick war fesselnd und Kira hätte schwören können, dass sie die See in ihnen toben sah. Wie Wellen, die gegen die rauen Felsen schlugen. Wellen, die sie in eine stürmische Umarmung mit sich zogen, in seine Tiefen. Abenteuerlich funkelten seine Augen, während er sie mit seinem Blick in den Bann zog, wie einen Fisch an Land.
Kira King straffte die Schultern und überspielte ihr Starren mit einem Lachen, doch Logan hatte es bemerkt. Suki kak ty, eto prikol'no – Bitches wie du sind amüsant. Belustigt betrachtete er die Studentin vor sich. Das Mädchen, das die gesamte Belegschaft des Three River Colleges in Aufruhr brachte. Kira King – bekannt für ihr loses Mundwerk. Natürlich war Miller, sein Vorgänger, nicht einzig ihretwegen gegangen. Dennoch ließ sich Logan die Gelegenheit nicht entgehen, seine Studentin ein wenig zu reizen. Ihre Grenzen zu testen. Süß. Du beobachtest mich. Für einen Moment ließ er seinen Blick über Kira schweifen, deren Augen interessiert an ihm hafteten. Nur für wenige Sekunden wollte Logan sie mustern und doch konnte er sich nicht von ihrem Anblick losreißen. Dieses karierte Hemd war verdammt kurz – zu kurz. Der Stoff bedeckte kaum ihre Beine, reichte lediglich bis zu ihren Oberschenkeln. Soll das etwa ein Kleid darstellen?
» Verraten Sie mir, wer Sie sind? Mr. Erstklassig?« Ein spöttisches Lächeln lag auf Kiras Lippen und der Trotz glänzte in ihren Augen.
Fast hätte Logan gelacht. Sterva – Bitch. »Wer ich bin?« Belustigung schwang in seiner Stimme mit. »Mr. Black.« Er lächelte, ließ die Zähne blitzen und verschränkte die Arme erneut vor der Brust. »Ich bin neuer Dozent hier am College und unterrichte nahezu alle Kurse, die Sie belegt haben.« Kiras Augen weiteten sich mit jedem weiteren Wort und bei jedem Zentimeter, den er sich näher zu ihr beugte. »Also bin ich wohl Ihr schlimmster Albtraum, King.« Es schien ihr deutlich zu missfallen, wie er mit ihr sprach. Dass Logan kein Blatt vor den Mund nahm, war dieses Mädchen offenbar nicht gewohnt.
Während seine Studenten lachten, lehnte sich Kira so weit vor, dass Logan fürchtete, ihr gesamter Hintern würde zu sehen sein.
Ich hoffe stark, du trägst etwas darunter – flehte er im Stillen.
Ein Pfiff hallte durch den Raum und als Logans Blick erneut zu ihrem Gesicht fand, lächelte sie.
Kira sah wie ein Angel aus, doch Bljat! Ona D'yavol – sie ist der Teufel.
» Oh, ein Frischling! Ich liebe neue Dozenten!«, verließen die Worte ihre rot geschminkten Lippen.
Verrucht. Verruchte Lippen trifft es eher. Für eine Sekunde glitt sein Blick in ihren Ausschnitt. Ein goldenes Kreuz baumelte zwischen ihren Brüsten. Runde, perfekt in seine Hand passende, Brüste. Es fiel ihm schwer, sein Lachen zurückzuhalten. Denn es erinnerte ihn daran, wie falsch es war, seine Studentin derart zu mustern. Eine Sünde. Bljat, Logan! Was soll das denn? Die Engelsstimme in seinem Kopf war fassungslos über sein Verhalten. Aber er konnte nichts dagegen tun. Wie ein Wolf taxierte er sie mit seinem Blick – wie seine Beute. Blonde Locken umrahmten ihr Gesicht. Sie hatte eine geschwungene Stupsnase und hohe Wangenknochen. Leicht zeichneten sich Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken und ihren Wangen ab – so nah war er ihr. Sogar das winzige Muttermal, seitlich, unter ihrem linken Auge und die kleine Narbe, die durch ihre Braue schnitt, erkannte er. Goldene Creolen schmückten ihre Ohrläppchen. Durch die rote Farbe wirkten ihre Lippen voluminös, sie waren wunderschön geschwungen. Logan erwischte sich dabei, wie seine Gedanken abschweiften und er sich fragte, was diese Lippen alles konnten. Spinnst du jetzt? Die dunkle Schminke um ihre Augen brachte das leuchtende Türkis umso heller zum Strahlen. Dunkelblau wie die Tiefen des Ozeans war der Kranz, ebenso die Musterung um ihre Pupille. Hellblau und Türkis, je nach Lichteinfall, ihre Augenfarbe. Irgendetwas zwischen Himmel und Ozean. Aquamarine, die so hell wie Sterne funkelten. Ihn blendeten.
Rauchiggrün traf auf Aquamarinblau.
Wenn er sie allein anhand ihres Äußeren beschreiben müsste, würde sich einzig ein Wort in seinem Kopf bilden: verboten.
Kira schien bemerkt zu haben, dass er sie ebenfalls musterte. Denn ihre Augen wurden dunkel, verführerisch und ihr Lächeln sexy – frech. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Black!« Nicht eine Sekunde ließ sie ihn aus den Augen, hielt ihn gefangen in diesem Strudel aus Blau und Grün.
» Wären Sie jetzt so freundlich, Ihren Hintern auf Ihren Platz zu bewegen? Wir haben genug Zeit mit Ihnen vergeudet, Miss King«, antwortete Logan kühl.
Überraschenderweise kam sie seiner Aufforderung ohne Einwände nach und marschierte in die letzte Reihe. Nachdenklich verfolgten seine Augen ihre Bewegungen. Die Unterlagen legte sie auf dem Tisch ab, bevor sie sich setzte. Ein Wimpernschlag - sie sah zu ihm auf. Ihre Blicke waren eng miteinander verwoben.
Rauchiggrün traf auf Aquamarinblau.
Aquamarinblau auf Rauchiggrün.
» Was war das denn?«, fragte Rick so leise, dass nur Kira und Lilly ihn verstehen konnten.
Gleichgültig zuckte sie mit den Schultern – schaffte es endlich, sich aus Mr. Blacks Blick zu befreien.
» Musstest du ausgerechnet heute zu spät kommen?«, schimpfte ihre beste Freundin.
Kira warf ihr einen entschuldigenden Blick zu.
Haselnussbraune Augen musterten sie akribisch.
» Sorry! Ich hab einfach verpennt.« Es war ihr unangenehm, dass sie zu spät war. Nicht wegen Mr. Arrogant, nein, sondern weil Lilly letztes Jahr auf die Konditoren Akademie hätte gehen können, es allerdings ihretwegen nicht tat. Dabei war es ihr größter Traum, eine eigene Confiserie zu eröffnen.
Den Zulassungsbescheid hatte Kira vor Monaten in Lillys Zimmer gefunden, zwischen den etlichen Collegezusagen. Ihre Freundin wusste nicht, dass sie im Bilde war. Lilly Baker erhielt die Chance, ihren Träumen nachzujagen, aber gab sie auf. Für sie, Kira King. Zumindest vorerst. Denn Kira würde es nicht zulassen, dass ihre beste Freundin, die ihr wie eine Schwester war, ihre Wünsche endgültig begrub. Die Wahrheit war, Lilly hätte überall einen Platz am College bekommen. Die Studiengebühren stellten für sie, anders als für Kira, kein Problem dar und ihre Noten waren erstklassig. Nur konnte die Brünette sie nicht loslassen. Lilly fühlte sich für sie verantwortlich und wollte so lange wie nur irgend möglich, in ihrer Nähe bleiben. Als Kira hier endlich angenommen wurde, hatte Lilly keine Sekunde gezögert und ebenfalls dem Three River College zugesagt. Sie redete sich damit heraus, dass sie Business- und Buchführungskurse gleichermaßen benötigte, wenn sie eines Tages ihren kleinen Laden eröffnen würde.
Neugierig schielte Kira zu ihrer besten Freundin, die gebannt den Worten von Mr. Arrogant lauschte. Fleißig schrieb Lilly mit und Kira ertappte sich dabei, wie sie absolut keinen Plan hatte, was ihr Dozent gerade erklärte.
Fuck. Ich sollte mitschreiben. Doch Kiras Gedanken schweiften zurück zu den etlichen Collegezusagen. Es ließ sie einfach nicht los und die Schuldgefühle ihr gegenüber waren groß. »Du solltest das College wechseln«, meinte sie schließlich an ihre beste Freundin gewandt.
Lilly hielt inne und warf ihr einen fragenden Blick zu. »Was meinst du?«
Prüfend blickte Kira nach vorn, um sich zu vergewissern, dass Black ihnen noch immer den Rücken zukehrte. Sexy Rücken. Irritiert von diesem Gedanken schüttelte sie den Kopf und sah zurück zu Lilly. »Deine Zusagen. Ich habe sie auf deinem Tisch liegen sehen. Du hättest letztes Jahr direkt in der Konditorschule anfangen und deinen Traum leben können.« Das schlechte Gewissen in ihr breitete sich immer weiter aus. Das hier war nicht richtig. Lilly gehörte nicht hierher. Vielleicht war es noch nicht zu spät, um in das richtige College zu wechseln?
Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, legte die Brünette ihre Hand auf Kiras. »Ich lebe meinen Traum bereits, Kira.« Sie machte eine Pause, sah kurz zu Mr. Black und anschließend zurück zu ihr. »Ich bin bei dir. Wir schließen beide erfolgreich das College hier ab und dann eröffne ich meine eigene kleine Konditorei.«
Das Lächeln auf Lillys Lippen war ehrlich, doch das schlechte Gewissen blieb. »Du musst das nicht für mich tun, Lilly. Ich komm‹ schon klar ...«
» Miss King! Miss Baker. Würden Sie nun bitte Ihre Gespräche einstellen?«
Erschrocken sahen sie nach vorn zu Mr. Arrogant, der abwartend die rechte Braue hob und dabei seine Hände in die Hüften stemmte.
» Natürlich! Verzeihen Sie, Mr. Black«, stammelte Lilly sogleich und Kira klappte fassungslos der Mund auf.
» Ich habe mein Gespräch aber noch nicht beendet.« Kira spürte die neugierigen Blicke ihrer Kommilitonen auf sich ruhen, die gebannt auf Mr. Blacks Reaktion warteten.
» Doch, das haben Sie.«
» Nein.«
Ein amüsierter Laut verließ seine Lippen und er schüttelte ungläubig den Kopf, sah für einen Moment zu Boden. Bis sein Blick zurück zu ihrem fand und Kira schlichtweg vergaß zu atmen.
Aquamarinblau traf auf Rauchiggrün.
Verdammt. Was hab ich nur mit dem? Dieses elektrisierende Gefühl in ihrer Brust war ihr völlig fremd.
» Wollen Sie sich wirklich mit mir anlegen, Miss King?«
Nach außen wirkte er kühl und distanziert, doch Kira sah eindeutig, wie es herausfordernd in seinen Augen blitzte. »Können Sie denn überhaupt mit mir mithalten, Black?« Ein freches Grinsen lag auf ihren Lippen.
» Kira, muss das sein?«, flüsterte Rick ihr zu.
» Du zeigst dich ja mal wieder von deiner besten Seite.«
Fragend hob Kira ihre Braue und blickte zu ihrer Kommilitonin.
Dunkelbraune Augen musterten sie abschätzig. Sandra war das komplette Gegenteil von Kira. Unscheinbar und zielstrebig. Ihre langen schwarzen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und sie trug eine ordentliche rosa Bluse.
Augenblicklich kam in Kira die Frage auf, ob Mr. Arrogant genau auf solch eine Sorte Studentinnen stand? »Oh, ich bin mir sicher, er hat bereits von mir gehört, Sandra«, meinte Kira und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Haut begann zu kribbeln und ihr Blick flog zurück nach vorne. Das freundliche Lächeln, das Blacks Mundwinkel umspielte, ließ ihr Herz ungewollt flattern. Befremdliches Gefühl. Mit vor der Brust verschränkten Armen betrachtete sie ihre Kommilitoninnen, die diesen Idioten wie dumme Hühner anhimmelten, nur weil er gerade lächelte. Ist der Gott oder was? Sie schnaubte und schüttelte ungläubig den Kopf.
» Ach ja? Hast du dich etwa bei ihm vorgestellt?«, fragte Nancy und ließ dabei ihren pinken Kaugummi zerplatzen.
Bäh. Angewidert verzog Kira das Gesicht, streckte die Zunge heraus. Diese platinblond gefärbte Tussi mit ihren pinken Krallen, ging ihr seit dem ersten Tag hier auf die Nerven und das hatte sich nach eineinhalb Jahren noch immer nicht geändert. »Neeeiiin«, kam es schnippisch von Kira. »Aber das muss ich auch gar nicht. Er ist unser Dozent. Da sollte er sich merken können, wen er unterrichtet.«
» Ah, sollte ich das, Miss King?« Provokation schwang in seiner Stimme und es blitzte in seinen Augen. Der Rauch verdichtete sich, verdeckte das Grün.
Sogar aus dieser Entfernung konnte Kira erkennen, wie seine Augen sich verdunkelten. »Ja. Oder sind Sie doch nur Durchschnitt, Mr. ERSTKLASSIG? Auswendig lernen ist schon schwer.« Ein schnippischer Ausdruck nahm auf ihrem Gesicht Platz, bevor sie den Blickkontakt abbrach, um eine Sekunde Luft zu holen. Ich kann nicht atmen. Seine Augen hielten sie gefangen und ein seltsames Gefühl machte sich in ihrem Inneren breit. Es war ihr völlig fremd. Die schockierten Blicke ihrer Freunde brannten ihr im Nacken, eigentlich die Augen aller Anwesenden. Sie hatte es zu weit getrieben. Warum kannst du nicht einmal im Leben die Klappe halten?
» Gleich am ersten Tag so frech, Miss King?«
Arrogant zog sie ihre Braue hoch, während er sie musterte. »Finden Sie sich damit ab, Black. Das erspart sowohl Ihnen als auch mir, erheblich viele Nerven.« Kira zuckte mit den Schultern, erntete von Lilly einen Schlag gegen ihren Arm, was Rick leise zum Lachen brachte.
» Ich erspare Ihnen gleich etwas Freizeit.« Kühl blickte Black sie an, beobachtete, wie sich Fragezeichen auf ihrer Stirn bildeten. Noch hatte er es nicht ausgesprochen. Das böse Wort mit dem Anfangsbuchstaben ›N‹. »Also dann! Nachdem sich Miss King dazu bereiterklärt hat, endlich den Mund zu halten, können wir ja mit dem Unterricht fortfahren.« Motiviert klatschte Mr. Black in seine Hände.
Ä tzend. In Kira brodelte es und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie wie ein Vulkan überlaufen würde.
Freudig beteiligten sich ihre Kommilitonen an dem Unterricht ihres neuen Diktators. Dass Nancy, die ›Collegeschlampe‹, dabei ihren Flirtmodus aktivierte, entging Kira keineswegs. Überraschenderweise schien dies Mr. Black allerdings am Arsch vorbeizugehen. Interessant. Mr. James ist voll drauf abgefahren. Jemand stupste sie von der Seite an, riss sie aus ihren wirren Gedanken. Es war Lilly, die sie erwartend anblickte. Was? Dann machte es Klick. Verdammt! Er hatte sie etwas gefragt.
» Heute eine lange Leitung, King?« Ein arrogantes Lächeln lag auf seinen Lippen, das sie ihm am liebsten mit dem dreckigen Tafellappen vom Gesicht gewischt hätte.
Fick dich doch. Welch Glück, dass ihr diese Worte nicht über die Zunge gerollt waren.
Abwartend wanderte er mit der Hand zu seinem Ohr. Mr. Arrogant beugte sich weiter nach vorne, tat so, als würde sie zu leise sprechen. »Ich bin ganz Ohr, Miss King.«
Ihre Kommilitonen kicherten unter dem Schauspiel, das sich ihnen bot. Das hier war wohl die spannendste Stunde seit Semesterbeginn.
Finster funkelte sie Logan an. »Suchen Sie sich doch jemand anderen für Ihre Antworten!«
Frech – war das Wort, das Kira am besten beschrieb. Noch nahm er die Sache mit Humor, doch sollte sie so fortfahren, würde es nicht mehr lange dauern, bis sie es sich endgültig verscherzte. Trocken lachte Logan auf. »Ihr Ruf eilt Ihnen wirklich voraus. Haben Sie auch andere Hobbys, außer Zuspätkommen und Nerven?« Den Spott in seiner Stimme versuchte er erst gar nicht zu verbergen. Das hier war interessant. Es kribbelte in seinen Fingerspitzen – Nervenkitzel.
» Sicher.« Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem diabolischen Lächeln und in ihren Augen blitzte die Herausforderung. »Und ich habe soeben ein Neues gefunden.«
Die kurze Pause, die sie einlegte, ließ ihn bereits ihre Antwort erahnen.
» Ihnen auf den Geist gehen!« Ein siegessicheres Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
» Dann wird es Sie sicher freuen, zu hören, dass Sie das Zimmer am Ende des Tages putzen dürfen!«, eröffnete er ihr entzückt und bevor Kira hierauf etwas Dummes antworten konnte, drückten ihre Freunde ihr die Hände auf den Mund.
Glück gehabt, Puppy.
Logan drehte sich herum und schritt zur Tafel. »Also. Wer kann mir etwas zu der Just-in-time-Produktion in Zeiten multipler Krisen, erzählen?«, richtete er die Frage an seine Studenten und schrieb dabei die Überschrift des heutigen Themas an die Tafel. Ein brennendes Gefühl breitete sich auf seinem Rücken aus und augenblicklich zuckte sein Mundwinkel in die Höhe. Denn als Logan über die Schulter schielte, traf ihn Kiras finsterer Blick. Wütend funkelte sie ihn an, verschränkte die Arme vor der Brust und biss dabei auf ihrer Unterlippe herum. Es amüsierte ihn. Logan wusste, dass er nicht das Recht besaß, sie zu Putzarbeiten zu verdonnern. Allerdings schien Kira dies nicht zu wissen und ihre Kommilitonen blieben still. Besser für ihn. Sie war frech. Viel zu frech. Zeit dir Manieren beizubringen, Puppy.
Als Miss King am Ende des Tages in dem Getümmel ihrer Kommilitonen untertauchen wollte, hielt Logan sie auf: »Halt! Sie bleiben hier.« Der strenge Unterton in seiner Stimme ließ sie zusammenzucken. Cleverer Trick. Du hast wohl gehofft, ich sehe dich nicht. Bei seinen Kollegen wäre sie vermutlich damit durchgekommen. Aber nicht bei mir, Puppy. Verärgert funkelte sie ihn an, doch er würdigte sie keines weiteren Blickes. Stattdessen widmete sich Logan seinen Unterlagen auf dem Pult. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass Kira sich keinen Millimeter rührte. »Wirds bald?« Eine Gänsehaut befiel ihn, als seine Augen erneut auf ihre trafen.
Aquamarinblau auf Rauchiggrün.
Der herrische Ton in seiner Stimme löste irgendetwas in ihr aus, er sah es an ihrem Blick und an ihrer Haltung, die sich verändert hatte. Ehe sich Logan weiter fragen konnte, was mit diesem Mädchen nicht stimmte, warf sie trotzig ihre Tasche zu Boden und schnaufte abfällig. Langsam machte sie sich auf, die Stühle hochzustellen und den Müll einzusammeln, während er Löcher in ihren Rücken starrte. Bist du absichtlich so langsam? Oder willst du mich nur ärgern? Er spürte, wie sich die Ungeduld in ihm aufstaute, als sie das Wasser in den Putzeimer laufen ließ. Quälend langsam.
Kira war sich durchaus bewusst, dass sie ihn mit ihrer Lahmarschigkeit auf die Palme brachte, doch es war ihr herzlichst egal. Ein Seufzen glitt über ihre Lippen, während sie ihre Haare zur Seite strich. Seinen Moment der Unachtsamkeit nutzte sie sofort aus. Absichtlich gab Kira dem Wasser etwas mehr Seife hinzu und lächelte wie eine kleine Teufelin bei ihrer Schandtat. Das wird morgen lustig. Langsam tunkte sie den Schwamm in das kühle Wasser und steuerte auf die Tafel zu.
Ein Kribbeln breitete sich plötzlich auf ihrem Rücken aus. Mr. Black stand direkt hinter ihr. Zaghaft streifte seine Hand ihr Kreuz. »Wenn Sie so weiter machen, dann sind wir noch bis morgen früh hier!«
Sie war wie versteinert, als er energisch nach ihrer Hand griff und diese umschloss. Zügig wischte Mr. Black mit ihr über die Tafel, während sie die Fähigkeit des Denkens verlor. Kira stand unter Strom. Plötzlich wurde ihr fürchterlich heiß, als würde ihr Blut kochen und das, obwohl seine Stimme wieder so kalt wie die Arktis war. Seine überraschende Nähe machte sie nervös. Dicht spürte sie ihn hinter sich, spürte seine harte Brust an ihrem Rücken. Fuck. Sein Becken stupste gegen ihres, ließ ihre Mitte zucken. Kommentarlos ruhte ihre Hand in seinem festen Griff. Kira war nicht einmal in der Lage, sich darüber zu freuen, dass er seine Tafel gerade eigenhändig ruinierte. Denn ihr Herz raste so schnell und laut, dass sie fürchtete, er würde es hören. Black war ihr einfach viel zu nahe.
Es entging Logan keineswegs, wie schnell ihr Herz in der Brust schlug und auf Widerhall in seiner stieß. War es nicht verrückt, wie sie in seiner Nähe reagierte? Du bist plötzlich so still ... Ihre Haare lagen auf ihrer Schulter und sein Blick senkte sich auf ihren entblößten Nacken. Eine Gänsehaut zog sich über ihren Körper. Ihr betörender Duft stieg ihm in die Nase. Grüner Apfel, Zitronenholz und weiße Rosen ... Mit Entsetzen stellte Logan fest, dass ihn dieser Moment nicht kalt ließ. Ganz im Gegenteil. Diese bizarre Situation brachte sein Blut zum Kochen und raubte ihm die Luft zum Atmen.
FORTSETZUNG AUF: https://amzn.eu/d/cIOMc55
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro