4. nackt
Experience ~ Ludovico Einaudi 🎶
Schnell machte ich mir einen Dutt und begann mich dann zu erwärmen. Zwei lange Jahre waren vergangen. Dennoch war es, als hätte ich mich gestern zum letzten Mal erwärmt. Nun ja, man konnte dies annehmen, wenn man meine starren und vor allem unbeweglichen Glieder außer Acht ließ. Ein Zeichen meiner Ungeübtheit.
Mein Kopf fiel unsanft gegen die Wand, während meine rechte Hand gelinde auf sie einschlug. Ein Seufzer entwich mir. Wie sollte ich da noch gut sein können?
„Valerie."
Ich erschrak, wobei ich mich sofort kerzengrade aufrichtete. Jetzt war es soweit? Schon? Mein Mund war zum Protest geöffnet, doch kein Ton kam heraus. Ich kapitulierte.
Sonnenstrahlen trafen mich auf dem Weg zum Ende des Ganges hin.
Der Lautstärkepegel nahm zu.
Ich hörte das Geräusch des Klatschens, des Johlens und das Gepfeife der Leute. Vor Aufregung zitternd, schleppte ich mich voran.
An der Tür angekommen, die zur Bühne führte, erhaschte ich einen Blick auf Zoe. Lächelnd stand sie vor dem Publikum und trug ein weinrotes, bodenlanges Kleid mit herzförmigem Ausschnitt. Der Beinschlitz offenbarte sich mir, als sie sich zu mir drehte und mit ihrer flachen Hand in meine Richtung deutete. Wow, traumhaft schön beschrieb es nicht einmal annähernd. Ihr Alter - 50 Jahre - sah man ihr nicht an.
Zoe nickte mir zwinkernd zu, als sie mit anmutiger Sexiness das Podium verließ.
Der Krawall nahm augenblicklich zu, woraufhin sich meine Hände in den Rahmen festkrallten und nicht gewillt waren loszulassen. Ich spürte wie mein Herz kräftig gegen meinen Brustkorb klopfte.
Auf einmal war es für mich unmöglich dort hinauszugehen. In mir zog sich alles unheilvoll zusammen, während erschütternde Blitze durch meinen Körper fuhren und mich zum Beben brachten. Die nicht aufhören wollende Angst zerfraß mich. Ein gewaltsamer Sturm tobte in mir, dem Einhalt geboten wurde, als ich Zoes eingefrorenes Lächeln begegnete. Wie als hätte ein Donner ihre Silhouette erleuchtet, strahlten mir ihre olivfarbenen Augen intensiv und eindringlich entgegen.
Eine Sekunde lang betrachteten wir den jeweils anderen, regungslos, als wären wir und alles andere in diesem unbemerkbaren Moment eingefroren.
Dann verschwand sie aus meinem Sichtfeld.
Mit benebelten Sinnen, sah ich auf die vor mich erstreckende leere Fläche, die mich aufforderte, sie kennenzulernen.
Luft durchströmte kraftvoll meine Lungen, als ich beschloss, dass ich das verdammt noch mal auch machen werde. Ich konnte das!
Dynamische Stärke ergriff Besitz von mir, die meine Schultern straffte. Meine Hände lösten sich nun sachte aus ihrer Umklammerung und glitten durch die Luft, um ihre Pose einzunehmen.
Es war wie ein freier Fall. Ein Fall ohne Sicherungen. Ein Fall mit der Gewissheit hart aufzukommen.
Ich atmete tief durch und fühlte den Schmerz in meiner Brust aufflammen. Die Gefühle der Verzweiflung, der Trauer, der Angst formten die Bewegungen, als ich elfenhaft auf die Bühne tänzelte.
Ein Schwall von Worten brach über mir zusammen, als ich vor ihnen stand. Ein heller Lichtstrahl wurde auf mich gerichtet, der mich in einem silberfarbenen Glanz tauchte. Dann startete die Musik und alles geriet in Vergessenheit.
Mein Fuß bewegte sich geschickt zur Seite, meine Ferse zeigte graziös nach oben, (Tendu seit). Die rechte Hand erhob sich flatterhaft vor mir in der Luft und nahm an Höhe an. Mit meinen Augen verfolgte ich sie. Als würde ich mitansehen, wie sich ein Vogel in die Freiheit erhob. Mein Fuß zog einen Halbkreis nach hinten und die Ferse senkte sich ab. Als würde ich fallen, beugte sich mein Oberkörper nach hinten und nahm die Cambré-Position ein. In diesen Moment stand ich statuenhaft still, wobei mein Atem eine lästige Haarsträhne aus meinem Gesicht pustete und meine Augen auf anzügliche Blicke traf.
Dann erhob ich mich wieder.
Leichtfüßig kreuzte ich hinter meinem Rücken das Bein (Arabesque) um es dann zeitlupenartig herabsinken zu lassen (Attitude).
Es war, als würde ich schweben oder gar fliegen. Im Kreis trippelte ich durch den Raum und vollführte eine Pose nach der anderen. Ich war versunken in der Musik, die mich wie eine Umarmung umschlang. Negative Gefühle fielen von mir mit Leichtigkeit herab, die mich wie Fesseln umschlossen hielten.
Mit einer Pirouette, worin mein Lächeln mitschwang, endete ich.
Einen Augenblick war es geräuschlos, das Einzige, was ich vernahm, war mein hechelnder Atem. Dann fingen sie an zu klatschen, als wäre der Bann gebrochen, der über ihnen gelegen hatte. Ich sonnte mich darin, genoss es. Mein Herz sprang vergnügt auf und nieder, bis sie schrien: „Ausziehen, ausziehen!"
Die Menge tobte, während mein Gesicht aschfahl wurde. Unbewusst trat ich mehrere Schritte zurück, derweil ich ihnen matt und entkräftet gegenüber stand. Steif und gedankenlos blickte ich in die Erhebung, ohne dass ein rettender Gedankengang aufkam.
Was sollte ich tun?
Zoe trat an der Bühne heran und schrie meinen Namen. Hysterisch deutete sie auf ihre Kleidung. „Was?", kam mir tonlos über meine Lippen.
Sie meinte doch nicht, dass ich mich nackt präsentieren sollte?
Ihre Stirn kräuselte sich, als ich nichts tat, außer sie kopfschüttelnd anzustarren. Neben ihr stand die Blondine, die mich fuchsteufelswild betrachtete. Ihr Zeigefinger hang belehrend in der Luft, nicht das Falsche zu tun.
Meine Augen huschten wieder zu Zoe, deren Blicke mörderisch waren. Elegant hob sie ihre Hand an, um dann ruckartig über ihren Hals zu fahren.
Sie würde mich umbringen und wenn nicht sie, dann Blondie.
Ich versuchte mich an einem milden Lächeln, welches zwanghaft auf meinem Gesicht verweilte. Ob ich damit Zoe, diese Menge oder mich selbst beruhigen wollte, wusste ich nicht.
Auf Hochtouren suchte ich nach einem ausgezeichneten Einfall. Meine Gedanken überschlugen sich, bis ich wusste, was zu tun war.
Ich musste heiß sein. Natürlich. Mehr wollten sie nicht. Nur etwas, was sie befriedigte.
Die Menge fing an begeistert zu johlen, als ich mich auf den Weg zu den Erstbesten machte, welcher im dämmrigen Licht untertauchte.
Seelenruhig saß er auf einen dieser Leopardensessel und wartete wahrscheinlich begierig auf meine Anwesenheit. Ich schaute ihm nichts ins Gesicht, als mein Bein auf seiner Schulter platzfand.
Aufreizend beugte ich mich vor und konnte das Seufzen der Massen schwer überhören, als ich Hand an ihn legte. Meine Fingerspitzen fuhren gemächlich seinen Hals hinauf. Ich grinste vergnügt, wissend, dass ich ihm damit eine Gänsehaut bescherte. Unmerklich, beinahe vorsichtig näherte ich mich seinem Ohr. „Danke für deine Hilfe", hauchte ich, indes ich meinen Schuh mit einem Ruck auszog.
Die Männer pfiffen, als ich mich geschmeidig zum nächsten begab.
Dieser war stehend.
Er hatte sich an eine bernsteinfarbene Säule gelehnt, die mit kopfgroßen Glitzersteinen verziert war. Erst als mein Bein auf seiner Schulter ruhte, wurde mir bewusst, dass er verdammt groß war. Beinahe wie ein Ungetüm ragte er über mir auf.
Ich biss mir hart auf die Lippe und kämpfte damit, nicht die Balance zu verlieren. „Fuck", flüsterte ich vor mich hin, als ich spürte wie zahlreiche Männerhände meinen Rücken betatschten. Diese Säcke standen direkt hinter mir. So dicht, dass mir der Geruch von Alkohol und der Gestank nach Schweiß in die Nase stieg.
Feuchte Hände fuhren über meinen Nacken und meinem Rücken entlang. Schweratmend, drängte ich meinen Würgereflex zurück. Mein Bein lag im Übrigen immer noch auf diesem wildfremden Typen. Als ich dabei war, es von ihm zu nehmen, spürte ich einen starken Hieb in meiner Rückengegend.
Schmerz erfasste mich unvorbereitet. Automatisch lehnte ich mich nach vorne, worauf meine Stirn auf eine feste Brust stieß.
Mein Atem wurde flach.
Wie eine zweite Haut glitt etwas an meinem Körper entlang, wobei eisigkalte Schauer durch meinen Körper jagten. Es legte sich zu meinen Füßen. Vorsichtig wagte ich einen Blick nach unten und erstarrte. Zerrissen lag dort mein Trikot wie ein Häufchen Elend, zerstört und im Dreck befindend.
„Ich bin nackt", flüsterte ich für niemanden verständlich. Es ging in den ohrenbetäubenden Lärm unter, verursacht durch ihre schmutzigen Rufe und Schreie.
Ich war dabei mein Gleichgewicht zu verlieren und zu Boden zu stürzen. Ein Boden, in welchem weiße Striche sich vom schwarzen Untergrund abhob. Es erinnerte mich an den Augenblick, als der Schnee inmitten der Nacht vom Himmel fiel. Wie die Flocken stürzte ich hinab. Doch eine wohltuend warme Hand, hinderte mich daran auf den Boden aufzukommen. Sie legte sich beinahe zärtlich um meinen bloßen Po.
Ich keuchte auf.
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+Wem gehört die Hand? 🙈😵
+ Was ist euer Lieblingsgetränk? 🥤
-Ary
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