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Es duftete nach Oliven und Wein aus fernen Ländern. Das kameradschaftliche Lachen der Händler untereinander schwoll an und ab. Durch das Holz klang alles gedämpft, unwirklich und so verdammt fern.
Die reglose Starre seines Körpers hielt nun schon bestimmt über zwei Stunden an. Das Blut an seiner Schläfe war verkrustet und klumpig, der Messergriff in seiner Hand warm.
Sollte ein Kentaur entgegen aller Erwartungen doch die Luke finden und sie öffnen, wollte Draecon vorbereitet sein. Gemeinsam mit Garwhen würde er nicht ganz Neehri niedermetzeln können, dafür war die Stadt doch zu groß, aber sie würden sich ihren Weg freikämpfen und entkommen können.
„Nächster", erklang jetzt wieder die monotone Stimme des Wachpostens, die schon seit einer guten halben Stunde zu Draecon durchdrang. Zwischendurch gab es eine hitzige Konversation zwischen ihm und einem Troll, der mit seinen Waffen nicht in die Stadt gelassen wurde. Ansonsten waren die Gespräche allerdings stets ruhig verlaufen.
„Händlerausweis und Name bitte", brummte der Mann, der, seiner Stimme nach zu urteilen, wohl schon einer der älteren war.
Es war wieder eine der Fragen, die Draecon heute schon zu oft gehört hatte.
Dieses Mal aber antwortete Garwhen.
„Garwhen Lisseyra, Angehöriger des Elfenstamms der Dwey", erklang seine tiefe Stimme.
Stille folgte.
„Was ist in Eurem Wagen, Lisseyra?", fragte der Kentaur gelangweilt.
Draecon presste seinen Kopf weiter gegen den Schlitz im Holz, um die Stimmen besser zu verstehen.
„Holz", erwiderte Garwhen unbeeindruckt.
„Wenn Ihr Waffen oder andere gefährliche Gegenstände, blinde Passagiere oder etwas anderes als Holz mit Euch führt, sagt es jetzt. Euer Wagen wird nun von einigen meiner Kollegen durchsucht, also sagt Ihr es am besten gleich."
Der Wachmann erntete nichts als Schweigen.
Plötzlich drang Licht durch die Schlitze der Luke und Draecons Hand straffte sich um den Messergriff.
Er hörte einen prüfenden Tritt auf den Boden, dann feste Schritte direkt über ihm.
Polternd lief jemand auf und ab, brachte den Wagen zum Schwanken und mit ihm Draecon. Sein Körper prallte links und rechts gegen die Wände des doppelten Bodens. Der Elf konnte sich noch so gerade einen Fluch verkneifen.
Wieder waren die Schritte direkt über ihm. Hielten dort an.
Er verspannte sich.
Es wurden Gegenstände verschoben – wahrscheinlich Holz – und der kleine Schrank, den er beim Betreten des Wagens im Augenwinkel entdeckt hatte, geöffnet.
Weitere testende Schritte auf dem Holzboden, dann das Klicken, als der Schrank wieder geschlossen wurde und einrastete.
Die Schlitze an den Rändern der Luke verdunkelten sich wieder und Draecon atmete geräuschlos aus. Seine Hand lockerte sich etwas.
Kurz folgte Stille, dann klopfte es unter ihm. Die Kentauren stocherten also tatsächlich mit irgendwelchen Stöcken unter dem Wagen herum.
Die Stöcke hielten inne.
„Schau mal", brummte ein Kentaur. Das hölzerne Ding kratzte genau unter Draecon entlang.
Er hielt die Luft an.
„Passte da drunter?", setzte der Sprecher hinzu. Ein Seufzen als Antwort, dann raschelte es.
„Habt Ihr uns bisher etwas verschwiegen, Lisseyra?", fragte der Wachmann vom Anfang.
„Nein", entgegnete Garwhen und von seiner unbeeindruckten Stimme war selbst Draecon beeindruckt. „Wie ich bereits sagte, trage ich nur Holz aus den Elfenwäldern mit mir."
Noch immer hielten seine Finger fest den Griff des Messers umklammert. Der Assassine rechnete mit allem. Wenn die Kentauren den doppelten Boden tatsächlich bemerkt hatten, musste er in Zukunft ein deutlich besseres Auge auf sie werfen.
Und noch vorsichtiger sein als er es ohnehin schon war.
„Da is' nix", stöhnte ein anderer Pferdemann und der Wagen ruckelte. „Holzboden, wie er sagte. Keine Auffälligkeiten."
Wieder ein Seufzen.
„Ihr dürft passieren, Lisseyra", sagte schließlich der Wachmann. „Habt eine gute Fahrt."
Die Anspannung fiel von Draecon wie eine Hülle. Erleichtert lockerte er seinen angespannten Griff und stieß alle angestaute Luft aus. Er hatte wirklich kein Problem damit, mindestens drei Kentauren das Leben zu nehmen, aber er wollte den Befehl des Silbernen erfüllen.
Kein Aufsehen.
Eine Flucht mit dutzenden toten Wachposten und Händlern wäre da nicht unbedingt förderlich.
Garwhen antwortete dem Kentauren nicht. Stattdessen setzte sich der Karren wieder in Bewegung.
-
„Du kannst kommen", brummte Garwhen.
Erleichtert stieß Draecon die Luke auf. Kühle Luft schlug ihm ins Gesicht, vertrieb die schwüle Feuchte, die sich auf seine Haut gelegt hatte.
Dutzende Eindrücke prasselten auf ihn nieder. Alles war unnatürlich laut, jetzt, da die Geräusche nicht mehr durch das Holz gedämpft waren.
Der Elf hörte keine zwei Straßen weiter einen Kentauren lauthals erbrechen. Nicht weit entfernt stöhnten eine Frau und ein Mann lauthals um die Wette, Leiber klatschten aufeinander. Und in einer anderen Nebenstraße sangen mindestens drei Betrunkene ein altes Trinklied.
„Ich danke dir", sagte der Assassine aufrichtig.
Garwhen, dessen Gestalt erschöpft an einer der Wände lehnte, nickte nur.
Neben ihm erhaschte Draecon einen Blick durch die Tür auf die Umgebung.
Wie überall sonst gab es auch hier die steinernen Häuser, das Stroh reichte tief bis knapp über die Fenster. Einige Blumenkübel standen vor der Fassade und schenkten Neehri mit ihren roten Blüten etwas Farbe.
Es stank nach Pisse und Erbrochenem.
Draecon schob sein Messer zurück in den Gürtel und fuhr sich mit der Hand über die Schläfe. Sein Blick glitt von dem Haus ab und wanderte durch den Wagen.
Die Wachmänner hatten nichts als Chaos zurückgelassen.
Das vorher sorgsam gestapelte Holz lag überall verstreut auf dem Boden. Hemden und Hosen waren aus dem kleinen Eichenschrank an der Längsseite des Wagens herausgerissen und auf der dünnen Matratze daneben geworfen worden.
Garwhen seufzte leise. „Die werden mir nie sympathisch", brummte er, fügte dann aber hinzu: „Ich warte auf dich in der ersten Gasse links von der großen Straße aus gesehen."
Mit diesen Worten verließ er den Karren.
Die Tür ließ er dabei offenstehen – ein eindeutiges Zeichen, dass die Luft rein war und Draecon ab jetzt alleine weiterreisen würde.
Der Assassine bewegte vorsichtig seine steifen Gliedmaßen, holte das Leben in jeden einzelnen seiner Finger zurück.
Er griff nach dem Bogen, ging dann durch die Tür und schenkte Garwhen ein letztes, dankbares Nicken. Seine müden Augen erwiderten es, wenn es doch sein Haupt nicht tat.
Der Händler war Draecon wirklich eine angenehme Begleitung. Stellte keine Fragen, sprach nur das Nötigste und wusste sich im Notfall zu wehren.
Ab jetzt würde Draecon ein Schatten werden. Die Sonne stand tief, war aber doch noch weit über eine Stunde vom endgültigen Untergang entfernt.
Sie tauchte die Gasse in goldenes Licht. Die nebeneinanderstehenden Häuser warfen lange Schatten auf den unordentlich gepflasterten Weg. Der dunkelgraue Stein ihrer Wände leuchtete dort, wo die Sonne ihn traf, hell auf.
Die meisten hölzernen Fensterläden waren geschlossen. Ihre mintgrüne Farbe durch die Sonne matt getrübt. Ein klares Zeichen, dass die Besitzer dieser Häuser unterwegs waren.
Mit einer Brise wurde das Spielen einer Fiedel an Draecons Ohren getragen. Die Kneipen und Tavernen waren schon lange offen.
Der Assassine trat einen Schritt in die Schatten. Mit der Zeit hatte er sie zu schätzen gelernt, wusste, wie er sich zu bewegen hatte, um für jedes Auge unsichtbar zu werden.
Die Dunkelheit hieß ihn willkommen wie einen lang vermissten Freund.
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