Kapitel 10
Bei den letzten Sätzen hatten sich Hes' Augen mit Tränen gefüllt, die ihr jetzt über die Wangen liefen, weswegen sie stockte und sich gegen mich sinken ließ. Leise flüsterte sie: „Ich hab dich so oft angelogen... meine Schule und meine beste Freundin hab ich komplett erfunden... es tut mir so leid!" Sofort drückte ich sie an mich und redete ihr gut zu, bis die Tränen langsam versiegten und Hes wieder weiter sprechen konnte.
„Naja", fuhr sie fort, „irgendwann hab ich meinen Eltern dann gesagt, dass ich nicht mehr eingesperrt sein will. Lange haben sie nichts anständiges darauf erwidert und gesagt, dass ich Geduld haben soll aber als ich so ungefähr sechzehn war und wieder nur sowas als Antwort bekommen hab, hat mir das nicht mehr gereicht und ich wollte einen genauen Zeitpunkt wissen.
Meine Eltern haben dann gesagt, dass ich mit achtzehn raus darf. Unter die Leute. Dass ich mir die Welt anschauen und reisen kann, wohin ich will. Und ich hab das immer geglaubt. Bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass ein Mensch mit Katzenohren und Schweif etwas abnormales sein könnte.
Aber an meinem Geburtstag, auf den ich mich ewig gefreut hatte, haben sie mir dann die Wahrheit gesagt. Dass ich da nicht raus kann. Dass niemand so aussieht wie ich. Und dass ich niemals akzeptiert werde. Dass ich entstellt bin und dass ich von allen Leuten komisch angeschaut werde.
Und das hat alles Sinn ergeben. Ich hab vorher noch nie Bilder von Leuten mit echten Katzenohren gesehen. Oder mit einem Schweif. Das ist mir noch nie aufgefallen aber da wurde mir dann mit einem Schlag klar, dass meine Eltern mich niemals nach draußen gelassen hätten.
Ich hab mich gefühlt, wie jemand der am Verdursten ist und sich immer weiter in Richtung Wasser schleppt, um dann anzukommen und festzustellen, dass der Fluss von dem er trinken wollte schon seit Ewigkeiten vertrocknet ist!
Der Keller war für mich immer mein Zuhause. Aber in dem Moment hat er sich angefühlt wie ein Gefängnis, das er ja eigentlich auch immer war. Und an dem Tag hab ich zum ersten Mal ernsthaft darüber nachgedacht, abzuhauen.
Natürlich hab ich da auch schon früher dran gedacht aber als Kind hatte ich zu viel Angst vor allem, was sich außerhalb des Kellers befunden hat, einfach weil ich keine Ahnung hatte, was da überhaupt ist. Später hab ich auch mal versucht, mich raus zu schleichen aber ich hab es nie geschafft, die Tür zum Erdgeschoss aufzuschließen, ich hatte keinen Schlüssel und man konnte die Türe nicht mit Gewalt öffnen.
Aber dann hast du mir von diesem Film erzählt, Misery, in dem der Mann das Schloss mit einer Haarnadel öffnet. Und dann hatte ich die Hoffnung, dass ich das auch schaffe. Ich hab mir ganz viele Tutorials dazu angesehen und in meinem Kopf immer wieder durchgespielt, was ich machen muss.
Nachts wenn meine Eltern es nicht mit bekommen haben, hab ich an meiner Zimmertüre geübt und als ich es in einer Nacht dreimal hintereinander geschafft hab, hab ich es mir auch an der Tür zum Erdgeschoss zugetraut."
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Die liebe @seccrecy hat mich grad darauf hin gewiesen, dass ich statt dem siebten Kapi zweimal das achte hochgeladen habe also für alle, denen das komisch vorgekommen ist; jetzt stimmt wieder alles und ihr könnt Kapitel Nummer sieben nachholen ^^'
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