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Scarlett
Tage vergehen, Wochen vergehen und vielleicht sogar Jahre.
Das wird mir erst richtig bewusst, als unser Abschluss immer mehr in die Gegenwart rutscht.
Mitlerweile steht der Countdown bei einem Monat.
Ein Monat bis zur Freiheit.
Ich habe mich bei mehreren Colleges beworben. Zwei Zusagen sind sogar schon angekommen
Doch glücklich werde ich dadurch nicht.
Der Gedanke daran, Brandon nie wieder zu sehen, ihn nie wieder heimlich im Unterricht oder gelegentlich während Avas Training beobachten zu können, treibt mir Tränen in die Augen.
Es ist, als würde man mir einen Dolch ins Herz rammen und erwarten, dass ich ohne Hilfe weiterlebe.
Es ist unmöglich.
Sogar Serena ist das bewusst geworden.
Meine beste Freundin bekam in letzter Zeit wenig Zuwendung von mir.
Zu sehr schmerzt mich die Tatsache, nicht mehr mit Brandon streiten zu können und nie mehr der Grund für sein Lächeln zu sein.
Es war eine Beziehung, die nur einen Tag hielt.
Aber es war ein Monat, der uns zusammenführte.
Ich merke, wie meine Gedanken von Serena erneut zu Brandon abschweifen.
Selbst in meinen Gedanken bekommt sie nicht das, was sie verdient.
In meinen traurigen Stunden auf dem Sofa, in denen ich weinend mit einer Schüssel Eiscreme in der Hand Titanic sah, war sie immer für mich da gewesen.
Ich hatte Serena nie erzählt, was vorgefallen war und über meine Vergangenheit wusste selbst sie nicht Bescheid.
Aber wegen der Tatsache, dass sie dennoch für mich da ist, ist genau sie meine beste Freudnin.
"Scarlett?" Serena sieht mich fragend an, während sie die Hände in die Hüften stemmt.
Sie hat es tatsächlich geschafft, mich in ein Kleidergeschäft nur für den Abschlussball zu schleppen.
Dass natürlich sie ein Kleid kauft und nicht ich, steht außer Frage.
"Ich kann mich nicht entscheiden. Das hier", sie dreht sich einmal für mich in dem türkisfarbenen Meerjungfrauenkleid, dessen oberster Teil mit Pailletten bestickt ist.
Sie sieht umwerfend aus. "Oder das andere?"
In ihrer Hand hält sie den Bügel eines bodenlangen, hellblauen Kleides, dessen Rock hauptsächlich aus Tüll besteht.
"Entscheide du", murre ich lustlos und widme mich meinem Glas Sekt, das die Verkäuferin uns bereitgestellt hat.
Daraufhin gibt Serena ein wütendes Schnauben von sich und reißt mir kurzerhand das Sektglas aus der Hand.
"Ich habe meine beste Freundin mitgenommen, weil sie mitentscheiden und sich nicht mit Sekt volllaufen lassen soll."
"Ach deine beste Freundin bin ich?" Desinteressiert starre ich aus dem Fenster.
Ich bin wirklich keine gute Freundin.
Aber das durfte Serena von Anfang an nicht erwarten.
"Hör mal, Scarlett. Brandon ist ein Arschloch. Was auch immer er dir angetan hat." Ihre Augen blicken mich ehrlich an.
Oh sie sieht aus wie eine Göttin in diesem Kleid, mit den Haaren und diesen ehrlichen Augen.
Serena, die Göttin der Ehrlichkeit.
"Er ist nicht das Arschloch an dem Ganzen", gebe ich kleinlaut von mir und versuche, ihr mein Glas zu entreißen.
"Wenn du mir nicht sagst, was zwischen euch passiert ist, dann kann ich dir auch nicht helfen." Serena zuckt mit den Schultern, hat offensichtlich den Spaß an dem Ganzen verloren.
Dann winkt sie eine der Verkäuferinnen zu sich.
"Bringen sie das hellblaue zur Kasse, ich ziehe mich noch kurz um." Dann dreht sie sich zu mir. "Und dich, Scarlett, will ich heute nicht mehr sehen."
"Aber...", Serena schüttelt nur wütend den Kopf. Ich verstumme.
Dann mache ich mich mit meiner Tasche und einem letzten Schluck Sekt auf den Weg aus dem Geschäft.
Ich bin eine schlechte Freundin.
Das wird mir jetzt auch klar.
~
Auf meinem Weg nach Hause komme ich an einer kleinen Bar vorbei.
Ihr äußerliches Erscheinen hat etwas Anziehendes auf mich.
Also gehe ich hinein.
Der Umschwung von leisem Getuschel und Straßengeräuschen in laute Musik und angeregtes Partygetuschel wird mir sofort klar.
Mein Blick schweift über die Tanzfläche zu der Theke in der rechten Seite der Bar.
Ein junger Mann in meinem Alter hält ein Glas Whiskey in der Hand. Vor ihm steht eine hübsche Frau, die ihn aber keineswegs beeindruckt.
Seufzend wünsche ich mir, dass das Brandon wäre und gehe auf die Theke zu.
Zwei Stühle weiter von dem jungen Mann ist ein Hocker frei, also setze ich mich.
"Was darf's sein?" Fragt mich eine zierliche Frau.
Ihre dunklen Augen betrachten mich kritisch.
Aber ich weiß selbst, dass ich mit meinem bodenlangen Rock und dem gestreiften Top nicht hier reinpasse.
"Ein Whiskey, bitte", die Frau nickt und geht davon.
Seufzend mache ich es mir auf dem harten Hocker aus Holz bequem.
Whiskey half mir schon immer, gelegentlich alles zu vergessen.
Warum soll er es nicht auch jetzt?
Meine Mutter, Calvin, Serena und Brandon können mich mal.
Also ein guter Grund zu trinken.
Wenige Sekunden später steht auch schon der Whiskey auf dem Tisch und findet kurzerhand einen Weg in meine Hand.
Dann setze ich zum ersten Schluck an und schließe die Augen, um mich nur auf das brennende Gefühl des Alkohols in meinem Hals zu fokussieren.
Genüsslich leere ich das Glas unter den überraschten Augen der Frau.
Die betäubende Wirkung des Alkohols aber lässt auf sich warten.
"Was machst du hier, Scarlett?" Fragt mich eine betrunkene nur zu gut vertraute Stimme.
Ich lege mir einige Sätze zusammen, die ich ihr an den Kopf werfen will.
Doch als der Alkohol langsam seine Wirkung entfaltet, vergesse ich sie schnell wieder.
Stattdessen sehe ich in die dunklen Augen des Mannes von vorhin.
"Brandon?"
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Ich weiß noch nicht, ob ich mein Buch wirklich so fortsetzen soll, wie es mir etwas später in den Sinn kam oder ob ich es langsam zum Ende kommen lassen soll.
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