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Scarlett
Mein Blick ist starr an die Zimmerwand, meines Schlafzimmers gerichtet, als Serena anruft.
Seit Brandon mich geküsst hat, sind ungefähr zwei Tage vergangen.
Nun ist also Freitag.
Und da es schon Mittag ist auch noch Wochenende.
Meine zwei Lieblingstage!
"Hay, Süße", Serena merkt es zwar nicht, aber automatisch verdrehe ich die Augen.
So hat Brandon mich auch genannt.
"Na wie geht's?"
"Gut, dir?" Am Telefon bin ich nie sehr gesprächig. Wozu auch?
"Du bist mal wieder gesprächig", ihr warmes Lachen dringt an mein Ohr und ich stimme ein. "Hast du Lust, zu mir zu kommen? Ich habe Sturmfrei."
Eigentlich wollte ich zu dem Café in der Nähe. Ava hat mir neulich erzählt, dass sie eine Aushilfe für Wochenenden brauchen und da ich sowieso nicht zu Partys gehe und mir damit etwas eigenes Taschengeld verdienen könnte, dachte ich, könnte ich mich ja mal bewerben. Es würde auf jeden Fall lustig werden und Rabatt gäbe es auch noch!
Mir wird langsam eh zu viel, wie sehr meine Mutter Ava und mich bemuttert. Was auch immer sie Ava angetan hat, es muss echt schlimm gewesen sein. Sie sollte sich nur um sie kümmern oder uns einfach beide in Ruhe lassen.
"Ich wollte eigentlich...", beginne ich, doch Serena schneidet mir das Wort ab.
"Du solltest wirklich kommen. Tyler wird auch kommen."
"Wer ist Tyler?" Ich kann ein Grinsen nicht verbergen. Ich habe nie von Serena gehört, dass sie Männerbesuch hat oder generell viel mit Männern macht.
Serena lacht erneut auf. "Er ist nur ein Freund. Er macht im Moment viel durch, musst du wissen. Wenn du willst, können wir zusammen bei mir abhängen. Trinkst du?"
"Nein!" Antworte ich schnell.
Serena lacht, als hätte sie es geahnt. Ich weiß, dass ich manchmal echt spießig bin. Aber Alkohol schadet doch nur und löst leider auch nicht meine Probleme, wie ich kurz nach der Trennung meiner Eltern dachte.
"Dann eben nicht. Ich habe Cocktails gemacht. Ansonsten trink halt Wasser", sie lacht erneut, ungläubig darüber, dass ich wirklich nicht trinke. Dann gibt sie mir ihre Adresse weiter. Ich erwähne zwar, dass ich kein Auto habe, aber schaffe es, sie zu überzeugen, dass ich auch mit dem Bus fahren kann.
"Dann bis gleich!" Ich nicke, bis ich merke, dass sie das nicht sehen kann.
"Bis gleich!" Räume ich schnell ein, bevor sie noch etwas Falsches denkt und lege schnell auf.
In nur fünf Minuten, habe ich Handy und Tasche in der Hand und bin bereit loszugehen.
Eines hat unser Umzug auf jeden Fall Gutes an sich. Im Gegensatz zu San Francisco ist das Wetter schön und ich muss mir keine Sorgen machen, dass mir ohne Jacke zu kalt sein könnte.
Los Angeles könnte wirklich eine schöne Stadt sein, wenn es nicht Brandon gäbe...
[~]
Die Fahrt mit dem überfüllten Bus dauert knapp 25 Minuten.
Wie immer ist es stickig und riecht nach Schweiß.
Am liebsten würde ich mich übergeben, so stickig ist es, aber ich mache es nicht.
Auch wenn ich wirklich allen Grund dazu hätte.
"Na Süße?" Verwirrt wirble ich herum mit dem Gedanken, dass sich gerade Brandon neben mich gesetzt hat.
Doch als ich aufblicke, sehe ich nicht in schokoladenbraune Augen sondern smaragdgrüne...
Ich mag smaragdgrün nicht... genauso wenig wie normales grün.
Schnell wische ich die aufkommende Enttäuschung -warum auch immer..- weg und zwinge mir ein Lächeln auf, obwohl in mir alles schreit wegzulaufen.
Ich kenne diesen Typen nicht und trotzdem kommt er mir ungewohnt nah... eindeutig ein bisschen zu nah.
Als er wie von selbst seine Hand auf meinem Oberschenkel platziert, halte ich panisch die Luft an. Um uns herum scheint uns niemand zu sehen oder es scheint einfach niemanden zu stören.
Meine Augen werden automatisch groß. So wie sie es immer werden, wenn ich überrascht oder nervös bin oder einfach nur panisch so wie in diesem Moment.
Der Mund des Mannes kräuselt sich und ein unbehaglicher Schauer läuft mir den Rücken hinunter.
Wann hat dieser Albtraum ein Ende??
Dann spüre ich das erlösende Vibrieren und atme erleichtert auf. Blitzschnell hole ich mein Handy aus der Hosentasche und lese dann den Namen. Es ist Serena!
Sofort springe ich auf, wobei die Hand des Mannes wie von selbst von meinem Oberschenkel gleitet, und bahne mir einen Weg durch den Bus bis zum Ausgang, der sich automatisch öffnet.
Schnell verabschiede ich mich vom Busfahrer und nehme den Anruf an, als ich aus der Tür steige.
Die frische Luft auf meiner verschwitzten Haut tut unglaublich gut und erleichtert seufzte ich auf. Dann dringt auch schon Serenas Stimme an mein Ohr.
"Wo bleibst du?" Fragt sie, wobei ich ihre Sorge deutlich heraushören kann. Serena hat mir am Telefon davor klar genug gesagt, wie wenig sie den öffentlichen Verkehrsmitteln vertraut. Und innerlich und vor allem nach dieser Aktion gerade stimme ich ihr zu.
"Ich bin gerade ausgestiegen und bin in drei Minuten da. Okay?" Sie seufzt beruhigt auf.
"Ist sonst alles okay?" Ich kann nur mit einem leisen "ja" zustimmen und verabschiede mich dann -auch wenn ich sie sowieso gleich sehe.
Dann lege ich mein Handy zurück in meine Hosentasche und gehe so schnell ich kann zu Serenas Haus.
Die vergangen Minuten sitzen mir noch schwer in den Knochen. Auch wenn es nur wenige Minuten waren, bevor mich Serena befreit hat. Hätte sie nicht angerufen, wäre das jetzt ganz anders ausgegangen.
[~]
Selbst von Weitem sticht Serenas Haus aus der Menge heraus.
Verblüfft bleibe ich stehen und betrachte das orangene Haus, mit den auffällig blauen Fenstern und der grünen Tür.
Fast schmunzle ich, da es mich stark an meinen alten Kindergarten erinnert.
"Scarlett! Gott, bin ich erleichtert, dass du endlich da bist! Du hast fast eine Stunde gebraucht." Verwirrt hole ich mein Handy aus der Hosentasche -und tatsächlich!- ist jetzt schon eine halbe Stunde vergangen, seit ich den Bus verlassen habe. Ich war so in meine verstörenden Gedanken vertieft, dass mir gar nicht aufgefallen ist, wie schnell die Zeit vergeht.
Ich umarme Serena lächelnd und drücke sie an mich. "Ich bin erwachsen. Mach dir also keine Sorgen um mich."
Empört löst sie sich von mir. "Ich bin von heute an deine beste Freundin, natürlich bin ich besorgt! Und Leuten im Bus kann man nicht trauen!"
Ich stimme ihr zu und lasse mir ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen.
Ich bin von heute an deine beste Freundin!
Es klingt schön so etwas zu hören. Ich mag Serena, sie war in den letzten Tagen mehr für mich da als irgendwer sonst. Auch wenn ich ihr nichts von dem Grund für meinen Umzug erzählt habe.
Hinzu kommt, dass ich unglaublich erstaunt bin, dass ich so schnell eine neue Freundin gefunden habe. Auch wenn ich innerlich meiner ehemaligen besten Freundin nachtrauere.
"Deine Mundwinkel gehen schon wieder nach unten..." Sie legt mir erneut den Arm um die Schulter und auf einmal weht mir der leichte Duft von Alkohol in die Nase.
"Wie viel hast du getrunken?" Frage ich, ohne auf ihre Worte einzugehen.
Ich merke ihr Zögern, dann antwortet sie locker: "Nur ein paar Gläser von meinem Spezialcocktail. Mein Vater hat eine eigene Bar, da habe ich von ihm gelernt." Sie setzt ihren Kulleraugenblick ein. "Bitte trink wenigstens ein Glas."
Diesmal zögere ich. Dann nicke ich und sofort breitet sich ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
"Und jetzt komm mit! Du hast mein Haus noch nie von innen gesehen und Tyler will dich unbedingt kennenlernen!"
Tyler? Der Tyler Woodley von dem Brandon vor zwei Tagen geredet hat?
Hat sie vorhin erwähnt, dass er da ist? Ehrlich gesagt, habe ich es vergessen.
"Warum will er mich kennenlernen?" Fragend sehe ich sie an.
"Du bist doch Ava's Schwester, oder?" Ich nicke nur, da dieses Gespräch eine stark verwirrende Wendung genommen hat. "Er hat nur gesagt, dass er Ava's Schwester kennenlernen würde und ich habe gesagt, dass du ja heute kommst. Mehr hat er nicht gesagt. Woher er Ava kennt, weiß ich nicht." Serenas Stimme ist piepsig geworden. Erneut sehe ich sie fragend an, doch sie wendet nur nervös den Kopf ab und schleift mich die restlichen Treppen nach oben durch die grüne Tür. Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich grün hasse?
Die Farbe steht mir einfach nicht.
"Da wären wir." Serena wartet kurz, bis ich meine Schuhe ausgezogen habe, dann schleift sie mich weiter. Zügig gegen wir, an wunderschönen abstrakten Gemälden vorbei, passieren genauso bunte Türen und finden uns schließlich in einem gemütlichen aber dennoch grell bunten Wohnzimmer wieder.
Der Einrichtungsstil ihrer Eltern ist etwas komisch.
"Hay, Scarlett", als ich aufschaue, lächelt mich ein Junge, der ungefähr mein Alter sein muss, freundlich an. Ich nehme mal einfach an, dass es Tyler ist.
"Hay, Tyler." Erwidere ich lächelnd und hebe gut Begrüßung eine Hand. Dann ziehe ich meine Jacke aus und lege sie fein säuberlich über den Stuhl.
"Tyler ist übrigens in unserem Geschichtskurs", erklärt mir Serena und setzt sich auf einen knallbunten Sessel, der mit Samt bezogen ist.
Das erklärt auch, warum ich ihn zuvor nie gesehen habe! Geschichte fiel gestern aus, da unsere Lehrerin kurzzeitig krank geworden ist.
"Und im Footballteam." Ich lächle und sehe mir seine Jacke genauer an. Wie die von Logan und Brandon ist sie perfekt auf seinen Körpernah angepasst -keine Ahnung, warum ich ausgerechnet darauf achte- und bis auf die Ärmel komplett blau. Auf seiner Brust prangt stolz das Wappen, ein Waschbär mit einem Wald im Hintergrund- unserer Mannschaft.
"Ja, seit jetzt schon fast zwei Jahren. Damals war ich sechzehn!" Verkündet er stolz und streckt dabei die Brust raus. Fragend sehe ich zu Serena.
Diese lächelte und erklärt dann: "Die meisten dürfen erst in den letzten beiden Jahren in die Mannschaft. Brandon und Tyler waren die einzigen, die wegen ihrem Talent so früh in die Mannschaft kommen durften." Und schon fällt wieder sein Name. Genervt verdrehe ich die Augen und ernte damit verwirrte Blicke der beiden.
"Ich mag es einfach nicht, von Brandon zu hören. Und schon gar nicht wie ach so toll er doch ist..." Antworte ich auf ihre fragenden Gesichter und nehme auf einem türkis-orangenen Sessel gegenüber Serena Platz.
Wenig später bemerke ich, wie Tyler sich verkrampft. "Dann ist es wohl nicht so gut, dass ich ihn eingeladen habe..."
"Du hast was??" Fragen Serena und ich gleichzeitig. Geschockt sehen wir ihn an.
"Ich habe gesagt, dass ich mit dir bei Serena bin und er meinte, er wolle noch unbedingt mit dir reden..."
Ein lautes Stöhnen entkommt mir. Natürlich will er das, nachdem ich ihn vor der ganzen Schule blamiert habe... aber er hatte einfach kein Recht dazu, mich zu küssen. Also so gar keins!!
"Du kannst gehen, wenn du willst. Brandon wohnt in der Nähe, also wird er gleich da sein." Sagt Serena schnell und ein Stein fällt mir vom Herzen. Ich hatte eigentlich schon vor zu gehen, aber wollte nicht zu unhöflich erscheinen. Und natürlich, da Serena jetzt meine neue beste Freundin ist, wollte ich erst recht nicht gehen.
Dankbar stehe ich auf, umarme Serena zum Abschied und renne dann schnell zum Flur, wo meine Schuhe stehen.
Ich ziehe sie mir schnell an und öffne hektisch die Tür, in der Angst, dass Brandon jederzeit kommen und klingeln könnte.
Doch als ich aus der Tür hinauslaufe, pralle ich plötzlich gegen ein hartes Hindernis. Verwirrt sehe ich nach oben und finde mich in schokoladenbraunen Augen wieder.
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Da jetzt doch für meine Verhältnisse sehr lange kein Kapitel mehr kam, habe ich mir bei diesem hier besonders Mühe gegeben♡
Wie findet ihr das Buch bis jetzt?
Was denkt ihr, wie geht es weiter?
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