Unsere Freiheit
Ich habe in dieser Kurzgeschichte mit Absicht kein konkretes Land genannt in dem die Handlung spielt. Zum einen, weil es auch heute noch genug Länder gibt in denen eine ähnliche oder gleiche Situation herrscht, zum anderen, weil ich niemanden zu nahe treten möchte. Dennoch hoffe ich, die Aussage dieser Geschichte wird deutlich...
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Der gigantische Pulk aus Menschen strömte weiter die gesperrten Straßen entlang, direkt auf den Sitz ihres größten Feindes zu. Die Leute wedelten mit ihren Plakaten, hielten ihre Schilder empor und riefen heraus was sie bedrückte. Sie wollten nicht länger tatenlos zusehen und die Ungerechtigkeit über sich ergehen lassen. Viel zu lange schon waren sie stumm geblieben.
Anführer dieser wütenden Masse war ein junger Mann von gerade mal 28 Jahren. Er hatte zu dieser Demonstration aufgerufen. Im Auge des Staates war er ein Ärgernis, dutzende Male hatte er lautstark seine Meinung Preis gegeben und das gefiel einigen wichtigen Leuten gar nicht. Es war bekannt, dass er, Jeremia Kuschlew, ein Mensch war, der für seine Überzeugungen eintrat, schon öfters war er ins Gefängnis gekommen für sein 'unsittliches Verhalten'. Er sah es als seine Aufgabe, die ungerechte Behandlung von homosexuellen Menschen in seinem Heimatland zu stoppen, für die Gleichberechtigung von Frauen einzutreten und den Terror zu besiegen. Er selbst war homosexuell und konnte es nicht verstehen, wie ein Land im 21 Jahrhundert noch so zurückgeblieben sein konnte. Schon immer war Jeremia anders gewesen, aber er war stolz darauf, nicht normal und langweilig zu sein. Schon immer hatte er seine Meinung frei geäußert, egal was die anderen davon hielten. Und schon immer hatte er zu den Menschen gehört, die eine starke Persönlichkeit besaßen, er würde immer weiter machen, egal wie viel sich auch gegen ihn stellten. Viele Menschen in seinem Land waren froh jemandem wie ihn zu haben, jemanden der ihnen eine Stimme verlieh, der für sie eintrat. Die Bevölkerung hatte genug vom ewig wehrenden Krieg, sie hatten sie satt, die ständigen Diskriminierungen. Armut und Leid hatten sich in den meisten Teilen des Landes breit gemacht, doch die Leute aus der Regierung kümmerte das recht wenig, die waren ja nicht selbst betroffen.
Bis zum Vorplatz des Regierungsgebäudes waren sie bereits vorgedrungen. Mit einem Megaphon bewaffnet trat Jeremia aus der Menge hervor. „Wir fordern Toleranz! Das ist alles was wir wollen! Wir werden kämpfen für unsere Freiheit! Denn wir haben ein Recht auf unsere Freiheit!" Sein Ruf hallte von der imposanten Fassade des Regierungssitzes seines Landes wieder. Zustimmendes Jubeln ging durch die Reihen seiner Anhänger. „Wir fordern die Gleichberechtigung von homosexuellen Menschen! Wir sind normale Bürger dieses Landes! Wir haben ein Recht auf Akzeptanz!" Führte er seine lautstarke Rede fort. Er wusste zu genau, dass die ach so wichtigen Männer dieses Landes seine Worte hören konnten, während sie auf ihren gepolsterten Ärschen saßen und die aktuelle Situation des Landes beschönigten, indem sie über belanglose Dinge redeten, ohne konkrete Lösungen zu erzielen. Er hatte sich vorher informiert, genau in diesem Augenblick fand eine Sitzung der Regierung statt, also der perfekte Zeitpunkt um ihre Forderungen zu äußern. „Wir fordern Freiheit! Wir fordern Freiheit! Wir fordern Freiheit!" Setzte der Pulk zu einem immer wiederholenden Sprechgesang an.
Die lauten Sirenen eines Polizeiwagens unterbrachen die fordernden Rufe der Masse. Nacheinander fuhren immer mehr Wagen mit Polizisten auf den Platz und umzingelten die Demonstranten. Wütend darüber, dass die Politiker seines Landes den Bürgern, die für ihre Rechte kämpfte, die Polizei auf den Hals hetzten, rief er durch sein Megaphone an das riesige Gebäude gewandt: „Ist das alles was ihr habt? Ein paar lausige Polizisten! Ihr könnt uns nicht den Mund verbieten! Wir waren schon viel zu lange still! Wir kämpfen für unsere Freiheit, weil wir ein Recht darauf haben!" Die Äußerungen Jeremias schienen die Polizisten nicht zu erfreuen, aber was sollte man anderes erwarten? Sie waren Bedienstete des Staates und sie alle, die hier demonstrierten, waren gegen den Staat und somit auch gegen die Polizisten.
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Es war der erste Großeinsatz des jungen Polizisten Marco, dazu kam der Anruf von der Regierung persönlich. Ziemlich aufgeregt saß er in dem Streifenwagen und beobachtete die Menschen auf den Straßen, die erstaunt der Parade aus Polizeiwagen nachsahen. Als sie den großen Platz vor dem Regierungshauptsitz erreichten sah er Hunderte von wütenden Menschen, Plakaten und Banner in den Händen haltend. Bis in den Waagen konnte man ihre Rufe vernehmen, doch als die Sirenen angeschaltete wurden stoppen Sie ihre immer wiederholenden Forderungen nach Freiheit. Die Polizisten stiegen aus und schritten auf die Menschenmasse zu, auch Marco war unter ihnen, sichtlich nervös musterte er die beachtliche Menge an Demonstranten. Ein Mann stand vor der Masse, in seiner Hand hielt er ein Megaphon, durch das er das imposante Gebäude vor ihm anbrüllte. Er fiel Marco sofort auf, er war gutaussehend, seine schwarzen Haare waren kaum fünf Millimeter lang, das Gesicht markant und männlich. Er schien der Anführer des Pulks zu sein. Es kam ihm vor, als würde er ihn irgendwoher kennen und als er diesen Mann vor sich genauer betrachtete, erkannte er ihn. Jeremia war bekannt in ihrem Land, erst letzten Monat hatte der junge Polizist einen Bericht über seine Inhaftierung gelesen. Anders als die meisten Polizisten sah er Jeremia nicht als Plage, sondern als Helden an. Er selber hatte sich sein ganzes Leben lang verstecken und verstellen müssen, er war den einfachen Weg gegangen, hatte seine Vorliebe für Männer immer versteckt, damit er keinen Ärger bekam. Deshalb bewunderte er Jeremia, er tat das wozu Marco zu feige gewesen war, er stand zu sich selber und kämpfe für das, was ihm wichtig war.
Seine Bewunderung wurde auch nicht getrübt, als der Kopf dieses Aufstandes begann Marco und seine Kollegen als käufliche Schweinehunde und Verräter an den eigenen Bürger zu betiteln. Seine Kollegen waren wenig begeistert, grob versuchte einer der Polizisten Jeremia von der Masse weg zu zerren um ihn zu verhaften. Jedoch wehrte dieser sich stark und schaffte es den Mann von sich zu schubsen, woraufhin weiter Polizisten mit ihren Schlagstöcken auf ihn losgingen. Die Polizisten prügelten auf die Demonstranten ein, die Demonstranten versuchten sich so gut es ging zu verteidigen, einige versuchten zu flüchten. Es war ein einziges Chaos, mittendrin stand Marco und wusste nicht, was er tun sollte. Hin und her gerissen zwischen seiner Pflicht und seiner Überzeugung.
Kinderschreie durchbrachen den aufkommenden Kampflärm nur teilweise. Die Polizisten gingen mit unglaublicher Gewalt gegen die unbewaffneten Demonstranten vor, nahmen keine Rücksicht auf Frau und Kind. Und Marco stand bloß dort, zur Salzsäule erstarrt, unfähig etwas zu unternehmen.
Ein undefinierbarer Zeitraum verstrich indem Marco nichts tat, nichts tun konnte. Bis es ihm zu viel wurde. Er versuchte aus dem unübersichtlichen Gewühl aus Menschen rauszukommen, er musste einfach weg von dort. Er suchte sich seinen Weg durch das Gedränge aus Menschen.
Fast hatte er es geschafft unbemerkt vom Platz zu verschwinden, als eine schreckliche Szene seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Drei Uniformierte standen vor einem zusammengekauerten Mensch und prügelten wie wild auf ihn ein.
Marco konnte jetzt nicht einfach gehen, dass hätte er sich nie verzeihen können.
„Hey ihr da!" Rief er. Die Drei drehten sich zu ihm um, musterten ihn fragen. „Gonzales hat gesagt, ich soll den hier festnehmen." Er bemühte sich keine Miene zu verziehen, sein Herz klopfte ihn bis zum Hals. Die Drei zögerten kurz, nickten aber dann und gingen davon um sich auf die Suche nach neuen Opfern ihrer unbegründeten Aggressionen zu machen. Vorsichtig kniete er sich neben den Mann, er könnte sein Gesicht nicht sehen, da er von ihm abgewandt lag.
„Hey, Sir! Wir müssen von hier weg. Können Sie aufstehen?" Leicht berührte er ihn an seiner Schulten. Sie mussten so schnell es ging von hier fort, sonst würde sie noch Jemand entdecken und das würde böse enden, für Beide. Doch der Mann bewegte sich nicht, nur sein unregelmäßiges Keuchen versicherte Marco, das er noch am Leben war.
Kurzerhand griff er nach den Beinen des Mannes und legte sich den Verletzten über die Schulter. Trotzdem der braunhaarig Polizist ein gut trainierten Mann war, fiel es ihm alles andere als leicht, den Mann durch die kleinen Gassen zu tragen, doch das Adrenalin half ihm seine Heldentat zu vollenden.
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Die Geräusche drangen nur als undeutliches Gebrumme in Jeremias Verstand ein. Sein Kopf schmerzte erbarmungslos und er wusste, dass sein restlicher Körper genauso schmerzen würde, wenn er anfangen würde sich zu bewegen. Doch solange er still liegen blieb, blieben die Schmerzen human. Langsam öffnete er seine Augen, versuchte seine Umgebung zu analysieren und mit bekannten Bilder in seinem Kopf zu verbinden. Doch er hatte diese Decke noch nie gesehen, die Lampe, die von der Decke hing, kannte er ebenso wenig und das Bild, das an der Wand neben ihm hing, weckte keinerlei Erinnerungen. Er war verwirrt, das Letzte woran er sich erinnern konnte war die Demonstration und das Auftauchen der Polizei gewesen. Die Situation eskalierte, er hatte es nicht verhindern können, dass die Polizisten auf ihn und seine Leute losgingen. Und dann war da noch das dunkle, verschwommene Bild wie sich drei Männer über ihn gebeugt hatten und mit irgendwas auf ihn einschlugen. Doch alles davon beantwortete nicht die Frage, wo zum Teufel er gerade war.
Je länger er dort lag und versuchte seinen Gedanken zu ordnen, desto klarer wurde die Stimme eines Mannes, er war aufgebracht, trotzdem bemüht leise zu sein.
„Sie werden heraus bekommen, was du getan hast! Und dann bist du nicht nur deine Marke los, sondern auch deine Freiheit. Und wenn's richtig schlecht läuft sogar dein Leben!"
„Ich musste das tun! Mein ganzes Leben habe ich mich versteckt und geschämt für das was ich bin. Aber diese Menschen, sie treten ein für das was ihnen auf der Seele brennt, sie fordern das, was ihnen zusteht, sie haben nichts Schlechtes getan! Warum wird also von mir verlangt auf sie los zu gehen und auf sie einzuprügeln?
Abel versteh doch, da waren Kinder unter ihnen, unschuldige kleine Kinder. Wenn ich als Polizist so etwas Grausames tun muss, dann will ich kein Polizist mehr sein." Antwortete eine zweite Stimme der Ersten. Die zweite Stimme war deutlich sanfter und jünger.
Vorsichtig versuchte Jeremia sich auf zu richten, er biss die Zähne aufeinander, als der heiße, brennende Schmerz seine Glieder durch zuckte. Es war ein Kampf gegen sich selbst, doch Jeremia hatte nie zu den Menschen gehört die schnell aufgaben, so kam es das er auch diesen Kampf gewann. Ein gequältes Geräusch verließ seinen Mund ohne sein Zutun. Erschöpft lehnte er seinen Kopf an die Wand hinter sich und schloss die Augen, nachdem er es geschafft hatte sich in eine sitzende Position zu bringen. Sein Blick verschwamm leicht an den Rändern, der Schmerz benebelte sein Hirn. Nur nebenbei regestierte er, das der weiche Untergrund auf dem er gelegen hatte, ein Sofa war, dass in einem ihm fremden Wohnzimmer stand.
Er nahm dumpfe Schritte wahr, sie näherten sich ihm. Ohne die Augen zu öffnen, wusste er das die zwei Männer den kleinen Raum betreten hatten.
„Wie geht es dir?" fragte die zweite Stimme. Jeremia wusste, das er angesprochen war.
„Außer, dass ich mich fühle als wäre ich von einem Panzer überrollt worden, mein ganzer Körper quasi in Flammen steht und ich keinen blassen Schimmer habe wo ich bin, geht's mir blendend." Er schluckte hart, seine Kehle war staubtrocken.
„Hol ein Glas Wasser." Befahl die zweite Stimme in einem Tonfall, der keinen Wiederspruch zuließ. Schwere Schritte entfernten sich, bis die irgendwo im Haus verhallten.
Jeremia wollte nun doch wissen, wer der mysteriöse Fremde war. Flatternd öffneten sich seine Augenlieder. Er erblickte einen stattlichen Mann mit dunkle Locken, tiefbraune Augen, feinen Gesichtszügen, schöne geschwungene Augenbrauen und ernster Miene. Er sah jung aus, zu jung um die Polizeiuniform zu tragen, die seinen Körper verhüllte.
„Du bist ein Polizistenschwein?" Jeremia konnte seine Verachtung kaum verbergen.
„Ich bevorzuge zwar das Wort Mensch, aber ja ich bin Polizist." Jeremia musste trotz Schmerzen, angesichts der ironischen Bemerkung leicht schmunzeln. Er hatte schon immer ein Faible für Männer die gut kontern konnten.
„Nach dem gestrigen Tag bist du wohl die längste Zeit Polizist gewesen." Erwiderte die erste Stimme. Sie gehört zu einem kleinen kräftigen Mann, der gerade mit einem Glas Wasser in der Hand ins Zimmer trat. Er schenkte Jeremia nur einen flüchtigen Blick. „Ich muss zur Arbeit. Du weißt was zu tun ist." Mit eindringlichem Blick drückte der kleine Mann dem Fremden das Glas in die Hand. Dann ging er.
Der großgewachsene Fremde sah dem korpulenten Mann seufzten nach. Als eine Haustür ins Schloss fiel, richtete er sich wieder Jeremia zu.
„Hier, trink das." Er ging auf den immer noch sitzenden Verletzten zu und hielt ihm das Glas mit der verlockend glitzernden Flüssigkeit hin. Jeremia gab sein Bestens nicht schmerzerfüllt aufzustöhnen, als er seinen Arm hob und das Gefäß entgegen nahm. Das kühle Nass rann ihm die brennend trockene Kehle runter. Er trank es auf einen Zug leer und reichte er dem Mann vor sich wieder. Dieser stellte es unbedacht auf den kleinen Tisch zu seiner Rechten.
„Würdest du bitte die Arme heben, damit ich dir dein Oberteil ausziehen kann?" Jeremia lachte kurz auf, doch als sein Brustkorb begann zu schmerzen verstummte er.
„Denkst du nicht, dass das ein bisschen schnell geht? Ich meine, ich kenne ja nicht einmal deinen Namen." Der Braunhaarige verdrehte seine wunderschönen Augen.
„Keine Sorge. Ich will nur deine Verletzungen versorgen. Also hoch die Arme!" Jeremia liebte es wenn Männer eine dominante Ader hatten, auch wenn der Jüngling auf den ersten Blick nicht wirklich danach aussah. Ergeben hob er seine Arme, sein Gesicht verzog sich, als sein Körper eine erneute Schmerzwelle durchflutete.
Vorsichtig, darauf bedacht Jeremia nicht noch mehr unnötige Schmerzen zu bereiten, zog Marco ihm das enge T-Shirt vom Körper. Er entblößte einen gut gebauten Oberkörper, definierte Muskeln und einen Haufen Blutergüsse. Der halbe Brustkorb Jeremias war von Blut unterlaufen und schimmerte in blauen und lila Tönen. Er warf das Shirt neben Jeremia auf das alte Sofa und kniete sich vor ihn. Besorgt betrachtete Marco die Dutzend Verletzungen des Älteren. Die drei Männer hatte ihn ganz schön zugrichtet. Zum Glück hatten sie wenigstens Jeremias attraktives Gesicht größten Teils verschont, nur eine aufgeplatzte Lippe hatte er davongetragen.
„Ist es so schlimm, dass du deine hübsche Stirn in Falten legen musst?" Marco blickte zu Jeremia auf, der ihn interessiert beobachtete.
„Das wird schon wieder. Ich mach mir nur Sorgen, das vielleicht eine Rippe gebrochen oder geprellt sein könnte. Warte hier, ich hole schnell den Verbandskasten." Marco richtete sich auf und marschiere aus dem Wohnzimmer.
„Keine Sorge, ich geh nirgends wohin." Vernahm der Jüngere noch, bevor er in die Küche trat.
Eilig kramte er den verstaubten Erste-Hilfe-Kasten unter der Spüle hervor und kehrte dann wieder zu dem verletzten Demonstranten zurück. Den kleinen Koffer stellte er neben sich auf dem Boden ab. Er kniete sich wie zuvor vor Jeremia, kramte eine Heparin haltige Salbe heraus und begann vorsichtig die weiße Masse auf die verfärbten Stellen zu schmieren.
„Ich heiße übrigens Marco." Stellte er sich vor, ohne von seiner Arbeit aufzublicken.
„Marco... Schöner Name. Ich bin Jeremia."
„Ich weiß." Kurz sah Marco auf, direkt in die strahlend blauen Augen Jeremias.
„Wärst du so freundlich und würdest mir erklären wieso ich im Wohnzimmer eines Polizisten aufgewacht bin?" Jeremia blickte weiterhin fasziniert auf den Jüngeren herab. Marco legte die Salbe zurück, nahm sich stattdessen ein Wattepad und ein kleines Fläschchen mit alkoholischem Desinfektionsmittel heraus. Während er die Watte mit dem Alkoholkonzentrat tränkte fragte er: „An was kannst du dich denn noch erinnern?"
„An die Demo, das Auftauchen der Polizei, das die Situation eskalierte und das mich irgendjemand zusammengeschlagen hat."
„Dieser Jemand waren drei meiner Kollegen. – Achtung das könnte jetzt gleich brennen." Er tupfte vorsichtig mit einem Wattepad auf die breite Schürfwunde die sich auf Jeremias linker Seite entlang zog. Marco vermutete, dass er sie sich beim Sturz auf den rauen Asphaltboden zugezogen hatte. Auch an seinem Arm waren einige offene Stellen. Jeremia biss die Zähne zusammen, ließ nur ein leises schmerzvolles Zischen hören.
„Als ich gesehen habe, wie die Drei brutal auf dich eingeprügelt haben, bin ich dazwischen gegangen. Ich habe ihnen erzählt, dass ich den Befehl hätte dich festzunehmen und als sie verschwunden sind habe ich dich über die Schulter geworfen und hierher ins Haus meines Onkels getragen." Jeremia war verwirrt. Warum sollte der junge Polizist so etwas tun? Immerhin war es doch quasi der Feind. Und dem Feind half man nicht. Marco widmete sich unterdessen seinem Arm und desinfizierte auch dort die verunreinigten Verletzungen.
„Warum hast du mir geholfen?"
„Ich weiß nicht. Ich konnte einfach nicht mitansehen wie ein unschuldiger grundlos zusammengeschlagen wird." Jeremia bemerkte, das mehr dahinterstecken musste, doch er fragte nicht nach. Er wartete bis Marco von sich aus erzählen würde. Dieser nahm einen tiefen Atemzug um sich ein wenig zu sammeln.
„Als ich sieben war sind meine Eltern bei einer Schießerei ums Leben gekommen. Damals habe ich mir geschworen, dass ich eines Tages Polizist werden und die Welt zu einem besseren Ort machen würde, indem ich so viele schlechte Menschen hinter Gitter bringe, wie nur möglich. Nach dem Tod meiner Eltern lebte ich bei hier meinem Onkel Abel. Er ist ein guter Mann, ehrlich und genügsam, aber er hat Angst. Deshalb würde er es niemals wagen sich gegen den Staat zu stellen. Ich machte es ihm nach, mein ganzes Leben lang, passte ich mich an, versteckte mein wahres Ich, aus Angst.
Ich wollte Polizist werden um Gutes zu tun, doch jetzt wo ich einer bin ist das Einzige das ich tun soll unschuldige Demonstranten niederzuschlagen, weil sie das machen, das ich mich nie getraut habe. Für die Gerechtigkeit kämpfen.
Es ist schwer die Welt besser zu machen, wenn die schlimmsten Verbrecher in der Regierung sitzen. Ich glaube, das gestern war nötig um mir den nötigen Anstoß zu geben, endlich zu handeln."
Marco nahm eine Mullbinde zur Hand, vorsichtig verband er erst Jeremias Arm und dann seinen Thorax. Dabei musste er ein wenig näher an den Verwundeten rücken damit er um ihn herum greifen konnte. Ihre Körper waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt, ab und an streiften Marcos Finger Jeremias warme, samtige Haut. Selbst als Marco fertig mit verbinden war rückte er nicht von Jeremia ab.
„Und was genau ist dein wahren Ich?" fragte Jeremia und riss Marco aus den Betrachtungen seiner vollendeten Arbeit. Er sah auf, erneut trafen sich ihre Blick. Marco hatte das Gefühl in dem ewigen Blau, das Jeremias Augen trugen, zu ertrinken. Der Braunäugige war sich nicht sicher wie er es formulieren sollte, deshalb entschied er sich einfach dafür, es ihm zu zeigen. Behutsam legte er seine rechte Hand in den Nacken des Älteren, zog ihn, fast schon zärtlich, ein wenig zu sich und beantwortete Jeremias Frage mit einem Kuss. Je länger Marcos Lippen auf denen von Jeremia verweilte, desto mehr loderte das gewaltige Verlangen in dem Schwarzhaarigen auf, welches er so noch nie zuvor verspürt hatte. So geschah es, das der anfangs noch unschuldige Kuss schnell an Intensität und Leidenschaft zunahm. Jeremia legte seine Hände um Marcos Hüften und zog diesen sanft zu sich nach oben und platzierte den Vierundzwanzigjährigen auf seinem Schoß. Die Begierde Beider stieg, als Marco seine Zunge einsetzte und vorsichtig über die angeschlagene Unterlippe des älteren Mannes strich. Jeremia drückte den Jungen auf seinem Schoß noch enger an sich, vergas über den Rausch der Leidenschaft, sogar seine Schmerzen. Bis Marco unbeabsichtigt mit seinem freien Arm gegen Jeremias schmerzende Brust stieß. Dieser brach den Kuss, um schmerzvoll zischen Luft in seine Lungen einzuziehen.
„Oh Gott, Entschuldige. Das tut mir so leid! Das wollte ich nicht..." Marco machte Anstalten von dem Schoß des Älteren abzusteigen, doch Jeremia hielt ihn fest.
„Alles gut. Das war es definitiv wert." Erwiderte er und lächelte Marco beruhigend an.
„Ich sollte aufstehen und den Verbandskasten wegbringen." Murmelte der Jüngere mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen und blickte zu Boden.
„Zuerst, muss ich mich bei dir bedanken."
„Wofür?"
„Na dafür, dass du mich vor diesen Polizisten gerettet und in Sicherheit gebracht hast. Und dafür, dass du dich um mich kümmerst und versorgst."
„Das hätte jeder an meiner Stelle getan." Winkte der junge Polizist ab. Bescheidenheit, noch so etwas, das er von seinem Onkel übernommen hatte.
„Das stimmt nicht. Die meisten hätten sich abgewandt und wären gegangen. Nur die wenigstens hätten so viel riskiert, um jemanden zu helfen. Du bist ein Held. Mein Held."
Darauf konnte und wollte Marco nun wirklich nichts erwidern. Dass sein Herz jedoch bei dem Worten Mein Held einer kleinen Hüpfer machte, musste er sich selber eingestehen.
„Versprichst du mir etwas?" fragte Marco zögerlich.
„Alles was du willst." Erwiderte Jeremia ehrlich und strich Marco zärtlich eine kleine Locke hinters Ohr.
„Versprich mir dass du erst einmal untertauchst. Nur bis sich die ganze Situation ein wenig entspannt hat und die Polizei dich nicht mehr für den Staatsfeind Nummer Eins hält."
„Na gut. Aber nur unter einer Bedingung."
„Und die wäre?"
„Du tauchst mit unter."
„Mir bleibt gar nichts anderes übrig." Lächelte Marco.
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