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Mein Vater sagte mir mal einst, zu viel von etwas könne nie gut sein, egal was es betraf. Daraufhin empfing er einen kritischer Blick meinerseits, da ich seiner Weisheit nicht ganz zustimmen konnte. Doch übertrug man diesen belehren sollenden Spruch auf meine momentane Situation, konnte ich nicht verleugnen, dass er der Wahrheit entsprach. Je länger ich mich ihm unterwarf, desto schärfer wurde die Klinge meiner giftigen Besessenheit, die mich sicher in den Tod führen konnte. Es war ein wahrhaftes, präsentes Versprechen, welches mir Tag zu Tag immer vor Augen geführt wurde.
Wie hätte ich denken können, dass es mir an seiner Hand gut gehen könnte?
So sehr ich ihn auch liebte, so sehr ich ihn auch begehrte, es änderte nichts daran, was er war. Es war nicht vorbestimmt mich ihm zu binden, es durfte eigentlich nicht so weit kommen. Der einzige triftige Grund warum Taehyung auf dieser Welt – wohlgesehen auf meiner Welt- weilte, war, um seine Strafe abzusitzen. Nichts weiter. Und solange ich an seiner Seite blieb und den eigentlichen Grund praktisch zunichtemachte, wurde ich ebenfalls bestraft. Ich litt wahrlich neben ihm, noch viel mehr, als ich in dieser gruseligen Dunkelheit gefangen war, noch mehr, als ich es mir zuvor ausmalen konnte. Ich war zu Hause, in meiner gewohnten Umgebung, die ich liebgewonnen hatte, doch auch hier fühlte ich mich so, als ob ich sterben würde.
Ich habe mein Gewissen belogen, obwohl ich insgeheim wusste was passieren würde. Und nun bekam ich meine Strafe tagtäglich zu spüren und musste mit diesen Konsequenzen leben, die ich mir milder vorgestellt hatte. Mensch und gefallener Engel gehörten nicht zusammen und sollten getrennte Wege gehen. So war es immer und so wird es auch immer bleiben. Doch der Egoismus wurde beiden Kreaturen zum Verhängnis, sodass sie ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, diese Regel brachen. Sie weckten gegenseitig ihr Interesse und wollten das jeweils andere Lebewesen für sich erobern. Beide nahmen sich das, was sie wollten, unabhängig davon, ob es den Beiden auch zustand und vergaßen dabei, dass die Zeit sie für ihre Tat bestrafen würde.
Der stechende Schmerz verteilt auf meinem gesamten Körper ließ mich aufschreien, weinen und trotzdem war ich im stillen glücklich bei ihm zu sein. Wie ein Idiot lächelte ich vor mich hin, nachdem er mir einen Kuss schenkte oder mich in eine warme Umarmung schloss. Es waren diese kleinen Gesten, die mein Herz wie eine Blume zum Aufblühen brachten, doch auch diese Momente konnten den täglichen Schmerz nicht in den Hintergrund drängen.
Und er wusste es.
Taehyung wusste darüber Bescheid und ich wusste, dass er niemals daran denken würde - nicht mal eine Sekunde an diesen Gedanken verschwenden würde - mich freiwillig zu verlassen, damit ich schmerzfrei weiterleben konnte.
Es war das Böse, das in ihm regierte, so wie ich es traurigerweise feststellen musste. Er liebte es zu spielen und zu quälen.
Eines Tages waren diese Schmerzen dermaßen unerträglich, sodass ich ihn anschrie meine Hand loszulassen und sich von mir fern zu halten. Doch auch an diesem Tag bemerkte er ohne Mühe, dass sich dieser Wunsch tief in mir hegte mit ihm auf ewig liiert zu sein. Er nutzte es zu seinen Gunsten, benutzte mich, um die quälend langsam vorangehende Zeit zu vergeuden, in dem er sich mit mir vergnügte. Es war mir bewusst, es war glassklar zu erkennen, was vor sich ging, diese Signale sind bei mir angekommen, aber ich konnte nicht gehen. Verdammt nein, ich wollte nicht gehen, weshalb ich mir selbst einredete, dass ich mir bloß zu viele Gedanken machte und meine Augen vor der blanken Wahrheit verschloss. Denn ich hatte Angst.
Ich fühlte mich so, als würde ich brennen, als ob ich meine Sünde im Fegefeuer ausbaden würde. Ich verlor meinen Halt, ich sank auf die Knie, als die Schmerzen mich erneut schreien ließen. Jegliche Kraft entwich mir, sodass ich mich bloß krümmte und das Geschehen vergehen ließ. Seine Blicke hafteten an mir und keine weitere Minute später wandte er sich von mir ab und ging.
Stumm betrachtete ich das Szenario vor mir, als sich die erste Träne den Weg über meine Wange bahnte, ehe ich meine Augen zusammenkniff.
"Es ist nicht so, wie es aussieht. Es ist nicht so, wie du es denkst...", wiederholte ich es für mich leise. Hauchend, so leise, dass kaum ein Ton meine Lippen entwich, doch so laut, dass diese Worte in meinem Kopf hallten. Es war eine Lüge. Eine Lüge, mit der ich lieber weiterleben wollte, als mit der Wahrheit, welche all dem einen Endstrich ziehen und mich zu einem Neuanfang zwingen würde.
Doch damit bezweckte ich bloß, dass meine Situation schlimmer wurde.
Die Strafe beruhte nicht nur darauf mich physisch anzugreifen. Wie ein instabiles Kartenhaus brach mit jedem verstrichenen Tag mehr mein positives Selbstwertgefühl, welches ich mal zu pflegen wusste, während ich viel zu spät einsah, dass er scheinbar noch nie die Erfahrung mit der unermesslichen Liebe, welche auf die Gegenseitigkeit basiert, gemacht oder sie jemals gekannt hatte. Ich hätte es wissen müssen, spätestens dann, als es mir bewusst wurde, mit wem ich es zu tun hatte.
Für ihn war ich wohl nur ein Objekt, welches man herumschubsen konnte und dann fallen ließ, wenn es ihm danach war. Mein Wohlergehen hatte hier keinerlei Wert. Mir könnte es so dreckig gehen wie eh und je, trotzdem würde er darüber hinwegsehen, was schmerzte. Diese Einsicht schmerzte und anstatt mich von ihm abzuwenden, suchte ich die Schuld bei mir. Ich fühlte mich nicht mehr geliebt, bis zu dem Punkt, an dem ich aufhörte mich selbst zu mögen; es war das Ende eines tragischen Kapitels und zugleich der Anfang eines Neuen.
Eine Möglichkeit gab es all dem ein Ende zu setzen, statt einer Fortsetzung voller Leid. Es gab eine Gelegenheit, mein damals gewöhnliches Leben wieder aufzunehmen und meine Fehler gerade zu biegen. Eine einzige Option, so wie ich es erfuhr, um mich von dem, was ich erlitt, zu befreien. Ich könnte mir die Handschellen abnehmen, die ich mir selbst umband und den Weg nehmen, der in die entgegengesetzte Richtung von ihm ging. Ich wusste, wie ich mich seiner Führung entziehen und mich von dieser Besessenheit befreien konnte.
Ich musste ihn vergessen. Ihn hinter mir lassen, mich ihm entziehen und mein Herz verschließen, sodass er ja nicht die weitere Möglichkeit bekam sich wieder diesen besonderen Platz zu nehmen und ich die Chance hatte meine Flügel auszubreiten, um zu fliegen. Es war die einzige Lösung, die es gab, egal wie sehr ich über meine Situation reflektierte und Lösungswege drehte und wendete. Es verletzte mich, ich hatte das Gefühl, dass die Schmerzen zunahmen, je länger ich darüber nachdachte, ich spürte, wie etwas in mir entzweibrach. Es tat weh. Um wieder normal leben zu können, musste ich ihn hinter mir lassen und ihn in meinem Kopf ins Reich des Verdrängens schieben. Mitsamt seiner süßen Lippen, die mich um den Verstand brachten, seinen scheinbar lieben Gesten, die er nur mir zeigte und wohl nach seinem Verstoß aus dem Himmel nie verlernt hatte.
Es war ein Dilemma, dem ich mich stellen musste, welches mir den Verstand raubte, denn egal wie ich mich entschied, am Ende würde ich trotzdem unglücklich sein.
Gehe ich oder bleibe ich?
Mit dem Verlust leben, welcher mein Herz nie vergessen wird oder innerlich sterben?
Ich war hilfloser denn eh und je, verzweifelter, als beim letzten Mal in der lang andauernden Finsternis, was ich nicht mehr für möglich gehalten hätte.
Ich verfluchte mein Herz dafür, diese Kreatur ausgewählt zu haben und mich dafür, blind auf diese Falle getappt zu sein. Ich hätte mich so früh wie möglich von ihm abwenden sollen, bevor mein Herz die Chance hatte sich an ihm festzuhaken.
Ausgerechnet er. Das Böse persönlich.
Er zerstörte mich. Er wusste es und ich sah es nun ein. Also warum zögerte ich? Warum machte ich mir das Leben noch schwerer, obwohl die Antwort eigentlich schon auf der Hand lag? Erschöpft löste ich mich aus der knieenden Position und legte mich schwach auf dem Boden, wobei ich meinen Kopf auf meine Arme bettete.
Die Zeit verstrich weiterhin unbekümmert, während ich vom Boden aus die einzelnen Regentropfen beobachtete, die langsam gegen die Fensterscheibe plätscherten. Das Geräusch stimmte mein Inneres endlich ruhig.
Solange, bis die Zeit ablief.
Ich konnte ihn nicht loslassen. Dafür liebte ich die Berührungen des Bösen so sehr.
Es schlug die Stunde meiner eigenen Hinrichtung.
Ich sah, wie er in den Raum kam und mir tief in die Augen sah, mich intensiv musterte. Er hatte die Kontrolle über mich und ich war bloß sein Untertan.
Oh Seele, meine arme Seele, du wirst niemals ruh'n...
Taehyung Pov.
Es tut mir leid.
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Danke für's Lesen und Voten.
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