4. Kapitel
Am nächsten Morgen mache ich mich nach dem Frühstück bei Connor auf den Weg nach Hause. Dort verkünden mir meine Eltern, dass ich sie auf der Spendengala begleiten soll. Der Erlös der Veranstaltung geht dabei in die Krebsforschung. Es ist nicht das erste große Event, bei dem ich anwesend sein soll. Schon als kleines Kind war ich öfter auf Benefizgalas und anderen gesellschaftlichen Ereignissen. Die Elite, so wie sie sich gerne nennen, sucht sich gerne Gründe, um zu zeigen, wie viel sie besitzen. Sie präsentieren ihre teuren Kleidungsstücke und glänzenden Schmuck und beweisen so einander, wie viel Geld sie doch haben. Den meisten von ihnen geht es dabei nicht um einen guten Zweck.
Meine Familie ist dahingegen eher bodenständig geblieben und meine Mutter engagiert sich sehr für soziale Projekte. Sie ist regelmäßige Spenderin für verschiedenste Projekte. Ich bin sehr stolz, dass meine Familie so wie sie ist und ich spende bereits einen Teil meines Taschengelds für unterschiedliche gemeinnützige Organisationen.
Meine Mutter und ich stehen in einem Geschäft in der Bond Street in London. Da es von den Gästen auf der Gala erwartet wird, immer ein neues Kleid zu tragen, suchen wir heute gemeinsam nach einer schönen Robe. Da ich das griechische Aussehen meiner Mutter geerbt habe, trage ich gerne kräftige Farben. Meine Mutter sucht in einer Ecke des Ladens nach einem goldenen Kleid und ich halte ein Rotes an seinem Bügel in meiner Hand und betrachte es genauer. Das Oberteil ist aus einer Mischung aus Seide und durchsichtigem Netz, welches teilweise Partien von der Haut der Trägerin präsentiert. Der schimmernde rote Stoff fliest elegant bis zum Boden. Es fasziniert mich so sehr, dass ich kein anderes Kleid mit zur Umkleide nehme.
Nach dem meine Mum als auch ich die Kleider gekauft haben, machen wir uns noch einen schönen Tag in Londons Innenstadt. Das schöne Wetter genießen wir noch bei einem Spaziergang durch den Hyde Park, nachdem wir die Kleider in die Stadt-Wohnung meiner Eltern gebracht haben. Als ich noch nicht in der Schule war, haben wir größtenteils in London gelebt. Am Liebsten bin ich dann mit meinem Kindermädchen oder meiner Großmutter durch den Hyde Park zu Kensington Gardens spaziert. Dort saß ich gerne vor der Peter Pan Statur. während mir meine Nana die Geschichte von James Matthew Barrie vorgelesen hat. Unsere kleine Reise hat dann meist vor dem Kensington Palace geendet. Mit Nana Abigail bin ich im Gegensatz zu meinen Großvater immer durch den Park gelaufen, mit meinem ihm sind wir als Kinder eher auf der Serpentine Tretboot gefahren.
Ein paar Tage später ist es dann soweit. Der Tag der Gala ist gekommen und wir machen uns alle in unserem Apartment fertig. Mein Vater hat einen dunklen Smoking an und mein kleiner Bruder sieht in seinem Anzug sehr süß aus. Meine Großeltern kommen heute Abend nicht, sondern passen in Bournemouth auf Pollux auf. Da die Gala im Ballsaal des Morton Hotels stattfindet, wird auch Will anwesend sein. Die Zwillinge sind auch eingeladen, da ihr Vater ein hohes Tier in der Pharmaindustrie ist und sie daher auch in neue Methode zur Bekämpfung von Krebs investieren. Es werden auch viele andere Schüler meiner Schule mit ihren Eltern auftauchen, die meisten von ihnen interessieren mich jedoch nicht. Hauptsache Emma wird da sein, ihre Familie ist auch auf jedem größeren Event anzutreffen.
Ich betrachte mich noch ein letztes Mal im Spiegel und muss zugeben, dass das rote Kleid meinen Körper gut in Szene setzt. Meine Taille wird durch die Netzpartien betont und die intensive Farbe passt perfekt zu meiner Haut. Der Ausschnitt des Kleids ist nicht sehr groß, man kann trotzdem einen kleinen Blick auf mein Dekolleté erhaschen.
Ich bin schon gespannt, was Emma trägt, denn diese wollte es mir vehement nicht erzählen. Trotz Emmas guten Modegeschmacks sucht meistens ihre Mutter die Kleider für Veranstaltungen aus. Für einen Neuling könnte es doch recht kompliziert sein, was man wo tragen kann. Es gibt eine Vielzahl von Regeln, die bei Outfits der Damen an einem festlichen Abend gelten. Meine Mutter und ich machen uns dabei nicht so große Gedanken. Hauptsache man fühlt sich wohl in dem was man trägt.
Möglichst elegant steige ich auf den Rücksitz der schwarzen Limousine. An solchen Abenden ist es normal, mit einem pompösen Auto vor zu fahren. Denn man wurde nicht nur von den anderen Menschen der „Elite" gesehen, sondern es waren auch Fotographen da, die Fotos für Zeitungen und Klatschmagazine machen.
Sowohl ich als auch mein Bruder fühlen uns in diesem Wagen nicht wohl, mein Bruder wäre bestimmt viel lieber mit dem Fahrrad gefahren und ich wäre gerne einmal mit der Londoner Underground gefahren. Meine Familie organisiert meist Fahrer, wenn wir in London weitere Strecken unterwegs sind, deshalb war ich noch nie in Londons U-Bahn. Ich würde gerne einmal erleben, wie es so ist, vielleicht sogar in der Rush Hour, wenn alle Menschen hektisch durch die Gegend laufen. Dieses Chaos stelle ich mir sehr aufregend vor. Das Gedrängel und die Lautstärke der Züge, so etwas erlebt man nicht allein mit seinen Eltern in einem überteuerten Wagen.
Auf dem Weg zum fünf Sterne Hotel schaue ich aus dem Fenster und beobachte die Menschen auf der Straße. Heute zeigt sich London wieder mal seine widerspenstige Seite. Der Wind peitscht den Regen gegen die Fensterscheiben. Der Scheibenwischer der Limousine hat ordentlich etwas zu tun. Die meisten Menschen auf der Straße haben ihren Regenschirm aufgeschlagen und schützen sich so vor der Nässe. Die Wassertropfen, welche auf dem Wagendach auftreffen, erzeugen eine wunderschöne Melodie. Ein Mann auf dem Gehweg hat keinen Regenschirm, sondern schützt sich mit einer Zeitung vor dem Wasser. Die Zeitung ist schon aufgeweicht und so peitscht der Regen direkt auf ihn hinunter.
Als wir an einem Platz vorbeifahren, entdecke ich ein Mädchen, dass meine Aufmerksamkeit erregt. Sie steht im Regen, ihre Kleidung ist völlig durchnässt. Ihre Haare sind vom Wasser pechschwarz, aber sie sieht glücklich aus. Als würde der Regen all ihre Sorgen wegspülen. Um sie herum eilen Leute mit ihren Regenschirmen vorbei. Aber sie steht entspannt und friedvoll dort. Wir halten an einer Ampel und ich beobachte das Mädchen weiter. Sie ist etwa in meinem Alter, sie hat elfenhafte Gesichtszüge und eine schlanke Figur. Plötzlich steht sie nicht mehr nur lächelnd da, sondern beginnt zu Tanzen. Ihre Bewegungen sind elegant und so grazil, sie muss eine Tänzerin sein. Ich wünschte ich wäre so wie dieses Mädchen, sie sieht so frei aus. Ihr ist die Meinung der Menschen um sie herum egal. Sie macht ihr eigenes Ding und ist dabei überglücklich. Ich hoffe, ich werde sie eines Tages noch einmal sehen.
Vor dem Luxushotel angekommen, kann man durch die Blitzlichter der Fotographen nur Bruchstücke erkennen. Ich atme noch einmal tief ein, bevor ich die Limo verlasse. Neben meiner Familie laufe ich den langen Teppich hinein in das Hotel. Innen sammeln sich schon unzählige Menschen und unterhalten sich mit Sekt oder anderen alkoholischen Getränken in der Hand. Im Ball angekommen bestaune ich die pompöse Dekoration. Der gesamte Saal wurde in Gold gekleidet. Von dem Gedeck über die Blumendekoration bis hin zu den prächtigen Vorhängen, alles strahlte und funkelt in einem warmen Gelb.
An einem runden Tisch, an dem auch meine Familie sitzen wird, hat bereits die Familie O'Reilly platz genommen. Grinsend laufe ich langsam auf den Platz neben Emma zu. Der Stuhl fühlt sich angenehm weich an, sodass man das Gefühl hat, man sitze auf einer Wolke. „Die Stühle sind der Hammer. Denkst du, wir können welche mitgehen lassen?", flüstert mir Emma zu. Ich muss mich zusammenreißen, nicht laut loszulachen. „Ich denke, wir können Will fragen, ob sie nicht noch welche für uns dahaben. Oder willst du deinen Stuhl wirklich unter deinem Kleid mit nach draußen nehmen.", entgegne ich ihr in derselben Lautstärke. Daraufhin kann sich Emma nicht zusammenreißen, sondern fängt laut an zu lachen. Nun haben wir die volle Aufmerksamkeit der umliegenden Tische. Die älteren Herrschaften schauen uns verachtend an, als wäre es kriminell bei einer Veranstaltung Spaß zu haben.
„Was ist denn bei euch los?", höre ich Wills wunderschöne Stimme hinter mir. Emma, die ihre Zähne krampfhaft aufeinanderpresst, damit sie nicht wieder einen Lachflash bekommt, läuft rot an. „Ihr beide habt es anscheinend sehr unterhaltsam hier, was dagegen, wenn ich euch Gesellschaft leiste?", fragt Will und schaut abwechselnd mich und Emma an. Da Emma sich immer noch nicht gefangen hat, schüttelt sie nur kurz den Kopf, konzentriert sich dann wieder auf sich.
Ich erkläre Will, der sich neben mich gesetzt hat, wieso wir so lachen mussten. Er findet die Geschichte sehr amüsant und versichert uns, dass er uns beiden jeweils einen Stuhl schenken würde. Wir bedanken uns bei ihm und genießen noch etwas die ausgelassene Stimmung. „Sind die Zwillinge auch schon da?", möchte Emma von Will wissen. Dieser verziert kurz das Gesicht, erzählt dann, dass er die beiden schon gesehen hat und sie sicher irgendwo im Ballsaal herumlaufen. Mein Vater spricht derweilen mit Emmas Dad und während meine Mum sich mit Emmas Mutter unterhält.
„Du siehst heute Abend echt heiß aus, rot steht dir fantastisch.", höre ich Will in mein Ohr raunen. Auf meinem Nacken breitet sich direkt eine Gänsehaut und meine Wangen färben sich rot. Ich schenke ihm ein Lächeln und versuche mich dann auf etwas anderes zu konzentrieren, deshalb sehe ich mich im Saal um.
Neben einem pummeligen grauhaarigen Mann steht Charlie; neben dem ihm sein Vater. Es sieht so aus, als würde Mr. Armstrong die beiden bekannt machen wollen. Mr. Armstrong kannte ich fast ausschließlich von solchen Veranstaltungen. Vor der Scheidung von seiner Frau war er oft geschäftlich unterwegs oder in seinem Büro in London, daher habe ich ihn kaum gesehen, obwohl ich sehr oft bei den Zwillingen zu Hause war.
„Ich gehe mich kurz frisch machen, bin gleich wieder da.", höre ich Emmas Stimme sagen und schon ist sie mit ihrem langen Kleid in einem schönen Burgunderton davon gerauscht. Nun sind Will und ich plötzlich allein an diesem Tisch, die Erwachsenen haben sich schon zu Bekannten gesellt und führen oberflächliche Unterhaltungen. William will gerade eine Unterhaltung mit mir beginnen, da wird Emmas Stuhl nach hinten gezogen und Connor lässt sich darauf fallen.
„Ich hoffe ich störe euch beide nicht, aber ich habe echt keine Lust mehr, irgendwelche alte Leute kennenzulernen.", macht sich Connor bemerkbar. Da ich kein Problem damit habe, bleibt Con bei uns am Tisch sitzen und erzählt uns von den Menschen, denen er eben vorgestellt wurde. Es war noch mal für unsere Eltern mit ihren Kindern „Anzugeben", da Connor der ältere Zwilling ist, steht er dabei mehr im Fokus.
„Seid ihr beide eigentlich zusammen da?", will Connor plötzlich wissen und deutet dabei zwischen mir und Will hin und her. „Auch wenn es so wäre, würde es dich nichts an gehen.", gibt Will genervt zurück. Ich antworte ihm, dass mein Date schon verschwunden ist und nicke dann zu Lelex, der vor einem großen Glasfenster sitzt und die tropischen Pflanzen dahinter bewundert.
„Eigentlich dürfen da keine Gäste hinein, aber wenn ihr wollt, können wir uns hineinsetzten, es gibt dort auch eine Bank.", schlägt Will vor. Erstaunt schaue ich den Blonden an, das war ein verlockendes Angebot. Man wurde durch das Glasfenster von den umstehenden Menschen gesehen, trotzdem wirkt es, als wäre man dort drinnen an einem anderen Ort. Wir warten noch kurz, bis Emma wieder auftaucht und dann schleichen wir uns an meinen kleinen Bruder an.
„Hey Großer, wir haben eine kleine Überraschung für dich.", erzählt Will Lelex und lehnt sich dabei etwas gegen das Glas, um in das Sichtfeld meines Bruders zu geraten. Dieser schaut interessiert zu ihm hoch. Mit dem Wort Überraschung hatte man immer seine Aufmerksamkeit. Zusammen mit Lelex gehen wir einmal das lange Fenster bis zu einer Ecke entlang. Hinter der Ecke befindet sich eine Glastür mit einem Schloss, den Schlüssel davon zeiht Will hervor und mein Bruder öffnet euphorisch die Tür und läuft langsam den Weg durch die tropischen Pflanzen.
Die Luft hier ist ganz anders als im Saal und auch der Geruch ist viel schöner. Die Luftfeuchtigkeit ist etwas höher und es riecht nach Erde und den unterschiedlichen Pflanzen. Mein Bruder ist vor Begeisterung ganz sprachlos und schaut sich alles genau an. Wir anderen setzen uns auf eine kleine Bank, die sich hinter einigen großen Bäumen versteckt.
„Ich wusste gar nicht, dass es diesen Raum hier überhaupt gibt.", höre ich Emma sagen. Dieser Ort hier ist wirklich traumhaft und er wäre uns sicher schon viel früher aufgefallen. Will erklärt uns daraufhin, dass dieser kleine Innenhof vorher ziemlich schlicht war, einige Sessel und alles war eher schlicht und elegant gehalten. Bei einem Besuch von meinem Vater und Lelex hatte mein Bruder gesagt, dass es doch mit Bäumen und Pflanzen schöner aussehen würde. So kam er dann auf die Idee von einem kleinen Tropenhaus und bei den Hotelgästen kam die Sicht auf die grünen Schönheiten sehr gut an.
Während Lelex noch weiter alle Blätter und Blüten genaustens inspiziert, sitzen wir immer noch entspannt auf der Bank und haben die Menschen im Saal schon alle vergessen. Die Stimmung unter uns ist mit Ausnahme von Will und Connors Blicken sehr ausgelassen. „Dürfen wir überhaupt hier sein?", fragt Charlie, nachdem er einen Blick auf sein Handy geworfen hat. „Das Hotel gehört meinem Vater, das dürfte kein Problem sein.", antwortet ihm Will schlicht. Charlie streckt uns seine Hand, in der er sein Smartphone hält hin und wir lesen alle die Nachricht auf dem Display.
„Wenn man einmal Regeln bricht, hält man sich wohl nie daran. Oder was sagst du dazu Will? Eigentlich ist das Tropenhaus im Morton Hotels nicht für Besucher zugänglich, trotzdem entführt Mr. Morton Junior seine Freunde und Calix kleinen Bruder dort hinein. Dass er das nur macht, um die wunderschöne Griechin zu beeindrucken, ist uns allen doch wohl klar. Ihr hört von mir, feiert schön Rich Kids." #badmouth
Die Blicke, mit denen Connor Will bereits böse angestarrt hat, wurden nach dem Lesen der Nachricht von dem Handy seines Bruders nur noch schlimmer. Nervös schaut Will einmal in die Runde und überlegt was er als Nächstes sagen will. Nach kurzer Zeit ruft er Lelex zu sich und schiebt uns alle aus dem kleinen Tropen-Paradies. Ich laufe den anderen hinterher nach draußen und die Luft des Ballsaals kommt mir bereits entgegen.
Bevor ich jedoch in den Saal eintrete, will ich noch kurz etwas William sagen. „Egal, was Badmouth über dich weiß, ich hoffe dir ist bewusst, dass wir immer hinter dir stehen.", teile ich ihm mit und beobachte, wie er dabei etwas aufatmet. Nach einem kleinen Nicken seinerseits drehe ich mich nach vorne und laufe zwischen den Gästen zurück an unseren Tisch.
Spät nach dem Essen wurde die Spendensumme verkündet, anschließend wurde noch etwas getanzt. Die Spendengala verließen wir gegen ein Uhr und machten uns auf den Weg nach Hause. Dabei schwärmt mir Lelex noch von dem tropischen kleinen Garten vor, bevor er mit dem Kopf an der Fensterscheibe einschläft.
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Dies hier ist aus einem unerklärlichen Grund mein Lieblingskapitel :)
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