Chapter 6
Der Besprechungsraum war überfüllt. Überall hatten sich die Kollegen niedergelassen, ergatterten die besten Plätze, um nichts zu verpassen. Ich feixte, denn obwohl ich immer vorne saß, wollte ich heute den ganzen Tag hinten verbringen. Jeremiah winkte fuchtelnd mit der Hand in meine Richtung, so dass ich mich auf dem Weg zu ihm begab.
In meinen High Heels bahnte ich mir einen Weg zwischen der Menschenmenge zu ihm durch. Erst als ich bei ihm stoppte, atmete ich hörbar aus. »Gott sei Dank, bist du schon hier. Ich dachte schon, ich müsste jetzt irgendwo zwischen den anderen ausharren.«
Jere seufzte. Lächelnd ließ ich mich auf dem Stuhl nieder, den er mir freigehalten hatte, und starrte auf meine Fingernägel. Ich sollte wirklich mal wieder Nadia anrufen, damit sie den Schaden wieder richten könnte und Enrico. Meine Tönung schien nicht mehr länger halten zu wollen. Konzentriert suchte ich nach all den Makeln, die ich hatte. Das mit meiner Oberweite war schon längst bekannt und dass ich mir die Wimpern machen lassen müsste. Eine Frau sollte nicht ewig die Zeit im Bad mit Wimpern aufkleben vergeuden.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht einmal bemerkte, wie still der Raum plötzlich wurde. Sie alle schienen von Davis in den Bann gezogen worden zu sein, während Jere sich an mich wandte.
»Ich bin sehr gespannt, was uns heute erwarten wird. Und wir kriegen es so gut wie geschenkt!«
Ich seufzte. »Ich hätte den Tag schön nutzen können, anstatt mich mit solch einem Unsinn auseinandersetzen zu müssen.«
Nanu? War da die Haut am Nagel aufgerissen? Oh Gott, Nadia würde mich umbringen! Das war alles nur Davis Schuld. Wenn er mich nicht zum Möbelschleppen einberufen hätte, dann wäre das nicht passiert.
Verärgert von der Situation stöhnte ich auf und rollte mit den Augen. »Ich muss gleich einen Termin bei meiner Nageldesignerin machen...«
Jere schaute weg, natürlich, weil es ihn nicht interessierte.
»Hast du mir eigentlich zugehört?«, verlangte er zu wissen und versuchte mich erneut aus der Fassung zu bringen. Mein kritischer Blick blieb auf meinen Fingernägeln hängen. Was für eine Farbe würde dieses Mal zu mir passen? Apricot? Terrakotta? Oder ein schönes Cyan?
»Wie lange willst du denn noch deine Fingernägel angaffen?« Jere schien so verärgert zu sein, dass er versuchte in mein Blickfeld zu kommen.
Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, streckte ich beide Hände in die Höhe und betrachtete die Fingernägel erneut. »Die Fingernägel sind das wichtigste Markenzeichen für eine selbstständige und verantwortungsbewusste Frau. Und eine Jade Moore darf nicht dadurch gestört werden«
Ein Räuspern kam von der Seite und abrupt hob ich den Kopf hoch und starrte in die Augen von Davis Frost. Mein Herz machte einen Satz. Was wollte er denn jetzt schon wieder?
Um nicht verunsichert zu wirken, ließ ich wieder den Blick auf meine Fingernägel schweifen. »Wollen Sie nicht bald anfangen, Mr. Frost?«
Ein Lächeln stahl sich auf seinen Lippen. Obwohl ich ihn nicht direkt ansah, als er ein Lachen ausstieß, schien er hundertprozentig dieses schelmische Grinsen auf den Lippen zu haben.
»Wie humorvoll Sie mal wieder sind, Miss Moore. Aber nein...« Er schaute auf seine Uhr. »Clarissa wird in fünf Minuten hier erscheinen.«
»Oh, ist das etwa Ihre neue Angestellte?«, spottete ich, aber er schüttelte lächelnd den Kopf. »Sie ist unser und auch Ihr Coach«, erklärte er.
Sofort zog ich meine Finger zurück und kniff die Augen zusammen. Ungläubig starrte ich ihn an. Eine Frau würde uns coachen? Ja, war er denn von guten Geistern verlassen?
Davis schien sich zu amüsieren, dass ich mich daran störte, dass ausgerechnet eine Frau herkommen würde. Eine Frau, die stundenlang irgendetwas quasseln würde, die mir die Nerven rauben würde.
Wie sehr vermisste ich gerade jetzt Lucias magische Hände, die über meinem Rücken streichelten und die Verspannungen lösten?
»Mein lieber Scholli, das klingt sehr verlockend«, schaltete sich mein bester Freund nun ein und war mit von der Partie. Ich warf ihn einen giftigen und bitterbösen Blick zu, um ihn zu signalisieren, den Mund zu halten. Jere ging nicht weiter darauf ein. Zu verblendet war er, anstatt auf seine gute Jade zu hören. »Sie haben doch nicht zufälligerweise die Nummer von der Clarissa, oder?«
Ich hustete und weitete die Augen. »Mein Gott, Jere!«, fuhr ich ihn leise an, damit nur Jere es hören konnte.
Aber mein Ärger war offensichtlich zu laut, denn Davis schien es mitbekommen zu haben. Ein diabolisches Grinsen stahl sich auf seine Lippen und er wandte sich lachend an meinen besten Freund. Der mir gerade in den Rücken fiel.
»Es tut mir leid, Mr. Spoon. Aber Clarissa ist verheiratet«, wimmelte er ihn ab und kehrte uns den Rücken zu.
Jere sank tief in seinem Stuhl zurück und starrte Löcher in der Luft. Kaum hatte Davis sich umgedreht, verpasste ich Jere einen Stoß in die Rippen und er fuhr herum.
»Was soll das?!«
»Wieso fällst du mir in dem Rücken, du Betrüger?«
»Dir in den Rücken fallen?«, wiederholte er und ich schnaubte erneut »Ja! Du bist mir gerade in den Rücken gefallen.«
»Ich habe nur Davis etwas gefragt. Das hatte weder etwas mit dir zu tun, noch habe ich dich irgendwie betrogen!«
Abrupt drehte ich mich von ihm weg und zog stattdessen meinen Terminkalender aus der Tasche. Es war nicht richtig, einfach die Diskussion offen im Raum stehen zu lassen, aber ich hatte nicht mehr den Nerv dafür, mich mit Jere auseinandersetzen zu müssen.
Ehe ich meinen Kalender in der Hand hatte, stand aber wieder Davis Frost vor mir. Ich sah zu ihm hoch und verfluchte mich dafür nicht, mit ihm auf Augenhöhe zu sein. Sein Blick war dunkel und furchteinflößend. Nein, er würde mich nicht einschüchtern.
»Ist irgendetwas?« Ich biss die Zähne zusammen.
Der Chef presste entschieden die Lippen aufeinander und nickte stumm. »Kommen Sie, Miss Moore. Sie befinden sich auf dem falschen Platz.«
Ich lachte gespielt auf und drehte mich zu Jere. »Will er mir wirklich weismachen, dass ich mich auf dem falschen Platz befinde?« Danach bohrte sich mein Blick in Davis. »Wer sind Sie? Der Präsident von den Vereinigten Staaten?«
»Ich bin ihr Boss, Miss Moore und Sie sollten-«
»Sie sollten lieber Ihre Clarissa in Empfang nehmen, anstatt mich herumzukommandieren. Ich bin weder Ihr Hündchen, noch werde ich mich umsetzen. Also...« Ich verschränkte die Arme vor der Brust »Ich werde hierbleiben.«
Davis beugte sich zu mir und wisperte in mein Ohr: »Clark Larson.«,
Sofort verfing sich mein Blick mit seinem und ich atmete schwerer. Diese Drohung wirkte zu gut auf mich. Statt also meinen Stolz zu wahren, erhob ich mich von meinem Stuhl, nahm meine Tasche und warf Jere einen leidenden Blick zu. Davis deutete auf einen Stuhl und wie es das Schicksal wieder für guthieß, musste dieser Platz ausgerechnet vorne und vor allem neben ihn sein. Doch das schlimmste daran war, dass ich neben Andy sitzen musste. Dem müffelnden und widerlichen Andy. Konnte ich noch tiefer sinken?
Genervt ließ ich mich auf dem Stuhl fallen und starrte nach vorn. Inzwischen hatte sich mein Boss neben mich gesetzt, aber nur, um dann wieder aufzustehen und mir einen letzten Blick zuzuwerfen.
Davis hielt einer Person die Tür auf und eine Frau trat hinein. Eine Frau mit einem geradlinigen schwarzen Bob, aber in einem Aufzug als wäre sie aus dem Walmart entsprungen. Einen Trostpunkt gab es für ihre Kleidungkombination. Sie trug ein grauen Hosenanzug, wo der Gürtel zu einer Schleife gebunden wurde. Mir graute es, diese zugeschnürte Schleife zu sehen, dass ich am liebsten alles in Ordnung bringen wollte. Trotzdem erkannte ich den billigen Stoff sofort. Billig, nicht hochwertig und vor allem verblasste der graue Hosenanzug enorm.
Ich schnaubte und lehnte mich zurück. Und die sollte uns coachen? Dass ich nicht lachte. Die müsste eher ich coachen. Ich müsste mit ihr einen Shoppingtrip unternehmen, um ihr zu zeigen, wie man sich richtig anzog und vor allem, wo jeder kaufen sollte. Chanel, Prada, Gucci, Michael Kors und vieles mehr.
Sie gab Davis ein Wangenkuss, begrüßte ihn, als würden sie sich seit einer Ewigkeit kennen, und fing direkt an, mir auf die Nerven zu gehen. Wieso hatte er sie herbestellt? Sie sah aus wie ein ramponierter Kleiderständer, der wie Müll entsorgt wurde. Ja, genau so sah sie aus.
Ich rümpfte die Nase und kreuzte die Arme. Dabei richtete sich Andy nun an mich, der sich mampfend an seinem Donut bedient hatte. Kein Wunder, dass er bald wirklich wie eine Kugel aussehen wird. Wer so viel Kalorien zu sich nahm, konnte nur ein Unmensch sein.
»Hey Jade« Er sprach mit vollem Mund und grinste mich an. Leicht gelbe Zähne? Legte er denn kein Wert auf Hygiene?
Ich knurrte und starrte beleidigt in die Ecke. Bloß dem Ekelpaket keines Blickes würdigen, dachte ich mir.
Als Davis sich umdrehte, klatschte er hochmotiviert in die Hände und der Raum verfiel in Stille. »Willkommen, Ladies und Gentlemen. Ich freue mich sehr, Sie alle im Besprechungsraum begrüßen zu dürfen, um Ihnen meine helfende Hand Clarissa Tain vorzustellen. Clarissa ist unser Coach, weshalb sie Ihnen heute vieles beibringen wird, was für mich Voraussetzung sein wird...«
Ich schaltete ab, weil er ihren Lebenslauf herunterratterte, was mich nur nervte. Stattdessen starrte ich meine Fingernägel an, ignorierte Andy, der sich grinsend an mich wenden wollte und konzentrierte mich auf mein eigenes Ich.
Anscheinend war Davis Rede zu Ende, denn jeder klatschte Beifall. Clarissa schaute ihn an. »Vielen Dank für die schöne Begrüßung, Davis« Sie wandte sich uns zu und klatschte, wie Davis zuvor, in die Hände. »Ich freue mich, hier zu sein und euch vieles zeigen zu können...«
Desinteressiert legte ich den Fokus auf meine Hände. Dabei überlegte ich, was mir noch in dem Sinn kommen mochte. Tierarzt? Die Massage bei Lucia? Nadia? Enrico? Hmm... Ich musterte meine Beine. Fußpflege?
»Sie scheinen sehr beschäftigt zu sein«, riss mich Davis aus den Gedanken und ich fuhr zusammen.
Er hatte mich im richtigen Moment erwischt. Seufzend drehte ich mich zu ihm und schnaubte verächtlich. »Was Sie nicht sagen«, murmelte ich und ignorierte Clarissas Geschwafel.
Davis legte den Kopf schief. »Ich würde Sie nur darauf aufmerksam machen zuzuhören, Miss Moore. Sie wollen doch nichts verpassen, nicht wahr?« Der Gesichtsausdruck sprach Bände. Er wollte es mir heimzahlen. Gespannt richtete Davis sich nun an Clarissa, während ich weiterhin meine Fingernägel betrachtete. Saphirblau würde gut passen... mit goldenen Akzenten.
»Wenn Sie weiterhin so Ihre Fingernägel betrachten, werden Sie abgelenkt sein«, warnte Davis mich lächelnd.
Am liebsten würde ich ihm eine knallen, doch stattdessen warf ich ihm einen warnenden Blick zu und richtete mich auf. »Freuen Sie sich nicht zu früh, Mr. Frost. Sie mögen dieses Spiel gewonnen haben, aber ich kann auch mit meinen Waffen zurückschlagen.«
Davis kümmerte das offenbar wenig, denn er beugte sich zu mir, nur um mir etwas ins Ohr zu wispern. »Noch können Sie das und wenn Sie es tun, dann kann ich für nichts garantieren. Muss ich Clark Larson einfliegen lassen?«
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