Chapter 11
Verärgert starrte ich aufs Grundstück und stemmte die Hände in die Hüften. Den Ärger sah man mir eindeutig an und als die nächste Staubschicht auf mich zukam, fuchtelte ich mit den Händen herum und schnaubte verächtlich. »Ist es hier immer so windig?!«, schnaufte ich und klopfte mir die Staubpartikeln von meinem Jumpsuit.
Wutentbrannt richtete ich mich an Tobias, der grinsend zur Windböe starrte und mit den Schultern zuckte. »Hier ist es immer nen bisschen windig.«
»Was Sie nicht sagen...«, murmelte ich und folgte ihm weiter zur Bruchbude. Ein anderes Wort konnte man nicht für dieses getrautes Heim verwenden. Eindeutig ein kaputter Schuppen, der wie verlassen aussah. Trotzdem schaute ich auf mein Handy und folgte ich Tobias.
Sobald er ins Innere des Hauses verschwand, war ich dabei, die Nachricht an Davis Frost zu tippen, bevor etwas unter meinen Schuhen kleben blieb. Ruckartig blickte ich zu meinen Tom Ford High Heels und mir wichen alle Farben aus dem Gesicht. Nein nein nein! Das konnte doch wohl nicht wahr sein!
Panisch machte ich einen Schritt zurück, begutachtete meine nun in braun getauchten High Heels und ließ einen Wutseufzer aus. »Was für eine Scheiße!« Der müffelnde beißende Geruch von Hundefäkalien stieg mir in die Nase und ich presste mir die Hand vor meinem Mund, nur um nicht zu würgen. Ich bin wahrhaftig in einem Hundehaufen getreten. Hundefäkalien hafteten nun unter den Sohlen meiner High Heels, klebten an meinem Absatz. Konnte der Tag nicht noch furchtbarer enden?
»Miss Moore? Miss Moore wo sind Sie denn...oh.« Tobias spähte aus der Haustür und entdeckte wie ich vergeblich versuchte den Hundekot von meinen Schuhen im Rasen abzuwischen. Ich streifte immer wieder über die Grashalme, aber nichts passierte.
»Entschuldigen Sie, Miss Moore. Wir haben seit eine Woche einen Welpen, der noch nicht ganz stubenrein ist.«
»Das ist ein Rasen...«, murrte ich leise und fischte nun doch die Taschentücher aus meiner Handtasche hervor und beugte mich runter, um meine Schuhe auszuziehen. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte ich, den Kot abzuwischen.
Tobias bemerkte meinen Gesichtsausdruck und schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln. »Ich komme gleich wieder. Ich werde Ihnen von uns Turnschuhe holen.« Schon hatte er die Schuhe an sich genommen und mich allein zurückgelassen.
Seufzend starrte ich auf meine nackten Füße und mein Gesicht verfinsterte sich. Während mein Klient damit beschäftigt war, mir Notfallschuhe zu besorgen, blickte ich auf die Bruchbude und sog alles auf, was mich nur noch mehr schockierte.
Diese Bruchbude ähnelte einem Container. Das Haus wirkte so klein und das gesamte Grundstück zu groß. Die Proportionen passten nicht einmal ansatzweise zusammen. Ich spähte nach links und presste die Lippen aufeinander. An der Hauswand standen Sperrmüll, Sperrmüll und noch mehr Sperrmüll. Weil ich mir das Haus angucken musste, tapste ich auf Strümpfen zur Hauswand und nahm es genauer unter die Lupe.
Davis Frost wollte mich doch wirklich verarschen. Es roch nach alten Möbeln und aus meiner Sicht nach Tod. Beißende chemische Gerüche stiegen mir in die Nase, was bei mir ein Niesen auslöste. Ich nieste erneut, fischte mir ein Taschentuch hervor und hielt es mir unter meine Nase. Sobald ich das Taschentuch wegnahm, prangte ein wenig von meinem Make-up am Tuch. Ich stöhnte frustriert auf, setzte mir die Sonnenbrille wieder auf und drehte mich überall um. Währenddessen machte ich die Fotos von allen Seiten, die ich für mich bräuchte. Nicht nur für diesen Auftrag, sondern um Davis damit zur Rede zu stellen.
»Hier sind Sie also«, hört ich Tobias. Ich fuhr herum und entdeckte, wie mein Klient mit modrigen Turnschuhen zu mir zurückkam. Er blieb vor mir stehen und übergab mir die angefressenen Turnschuhe. Mit einem entschuldigenden Blick grinste. »Unser Welpe knabbert alles an, was ihm zwischen die Zähne kommt. Die hier sind teils heil geblieben.«
Unbeeindruckt starrte ich die Schuhe an und alles in mir schrie, diese nicht anzuziehen. Da ich mir aber keine Grippe holen wollte, nahm ich sie ihm einfach ab und versuchte mir diese Schuhe anzuziehen. Sie waren viel zu groß. Welche Dame sich auch immer diese Schuhe geholt hatte, hatte richtige Plattfüße. Ich hingegen besaß zierliche kleine Füße. Ohne Murren und Knurren zog ich mir beide Schuhe an, richtete mich auf und nickte Tobias zu. Er schien vor Erleichterung zu seufzen.
»Also, das hier ist aber nicht der Abstellplatz, nicht wahr?« Meine strengen Blicke verharrten auf dem Sperrmüll. Tobias verzog gequält das Gesicht und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen. »Nun ja wir...«
»Wollen Sie etwa den Sperrmüll mit dem Haus verkaufen lassen? Da muss ich Sie enttäuschen«, ich presste die Lippen aufeinander. »Niemand kauft gerne ein Haus mit Müll ein.«
Bei meinen Worten schien er mitgenommen zu sein. Sein geradezu nettes Lächeln verschwand urplötzlich und ein trauriger Gesichtsausdruck machte sich in seinem Gesicht bemerkbar. »Sperrmüll?«, hakte er nun fragend ein.
Ich stemmte die Hände an den Hüften und stieß ein Laut aus. »Ja, Sperrmüll.«
»Nun, also, das ist kein Sperrmüll«, setzte er an, aber dieses Mal schien er sehr eingeschüchtert von mir zu sein. »Wollen wir nicht ins Haus gehen? Dort können Sie sich genauer umsehen und sich ein Bild von den Räumen machen.«
Nickend kehrte ich dem Müll den Rücken zu und folgte schweigend meinen Klienten. Er führte mich mit zur Haustür. An der Haustür, die aus Glas bestand, war das Schloss aufgebrochen und die Fensterscheibe eingeschlagen. Tobias schien sich unbehaglich zu fühlen, weil meine strengen Adleraugen alles unter die Lupe nahmen. Schweigend traten wir ins Haus.
Eine altbackene Blumentapete zierte den kleinen Flur, wo oben einiges schon abblätterte. Die Decke war gelblich und die ersten Zigarettenspuren konnte ich erkennen. Hier wurde wohl viel gequalmt. Das Parkett knarzte unter meinen Füßen, wo einige Dellen entstanden waren und bei einem Parkett die Schraube nach oben gegangen war. Als ich mir den Flur genauer anschaute, erkannte ich schiefe, grässliche, Zeichnungen an den Wänden, die vermutlich von Kindern stammten. Warum auch immer sowas auf gehangen werden musste, ich konnte es mir nicht erklären.
Tobias lief geradewegs in den nächsten Raum. Meine Laune verschlechterte sich weiter. Der alten modrigen Treppe, die an der Ecke begann, fehlten schon die ein oder andere Stufen. Das Geländer war verbogen und die schwarze Farbe blätterte langsam ab. Das gesamte Zimmer hatte den gruseligen 70er Jahre Stil. Eine alte zersprungene Ledercouch, ein kaputter Sessel, ein zerkauter Lederhocker. Es gab einen zersprungenen Glastisch und ein Perserteppich, der auch schon bessere Tage gesehen hatte, wurde von mehreren Staubschichten und Schmutz bedeckt. Es grenzte an einem Wunder, dass ich die Muster erkennen konnte.
Der nächste Raum war das Schlafzimmer Es gab kein Bett, sondern eine Matratze, die ausgebreitet auf dem Boden lag. Statt richtige Bettdecken lagen zwei Fleecedecken ausgebreitet über der Matratze und ein Kissen fand seinen Platz am Boden. Die Steckdosen fielen schon fast heraus, die Fenster waren geöffnet und die Fliegengitter wurden von Spinnennetzen besudelt. Überall hingen Spinnen an den Decken, alte und große Spinnennetze in den Ecken und wirklich alles sah lieblos und so verlassen aus.
Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich solch eine Bruchbude gesehen und ich wusste auch, wieso ich nie solch eine betreten wollte. Als ich mich zu Tobias drehte, um ihm meine Meinung zu geigen, wieso man mich nach einer endlosen Autofahrt hier her schickte, vernahmen wir ein Geräusch aus einem Raum.
Sofort blickten wir auf und er entfernte sich vom Zimmer. Ich schoss die letzten Aufnahmen und machte mich auf den Weg zu Tobias. Ich ignorierte die Baustellen, hatte nur noch ihn ins Visier genommen und spazierte mit ihm geradewegs in die Küche. Dort verharrte ich am Türrahmen, als ich eine Frau sah, die etwas aus dem alten kleinen Backofen holte.
Mit Topflappen gewappnet stellte sie etwas Braunartiges auf den Tisch und lächelte in unsere Richtung. Sie hatte rotbraune kurze Haare, die schon längst ihren Glanz verloren hatten. Und obwohl sie in solch einer Bruchbude wohnte, zeichnete sich ein echtes Lächeln auf ihren Lippen ab. Die Frau trug ein Animalprint Halstuch, ein graues Baumwollkleid und Hausschuhe.
Kaum hatte sie mich erblickt, sagte sie fröhlich: »Oh, ich freue mich, Sie zu sehen, Miss Moore.«
Sie drückte ihrem Mann ein Kuss auf die Wange, ehe sie mir freudig die Hand reichte. »Emily O'Malley. Ich bin die Frau von Tobias. Sie müssen also die Maklerin sein.«
Ich schüttelte ihre Hand und erwiderte trocken: »Angenehm.«
Sie schien etwas irritiert von meiner Tonlage zu sein, da sie in Tobias Richtung schaute. Schnell fasste sie sich jedoch wieder und setzte ein nettes Grinsen auf. »Möchten Sie ein Stück Kuchen haben? Ich habe extra für den Anlass gebacken. Es handelt sich um Schokolade mit Bananenstückchen.«
Ihre Geste sollte wohl sehr kundenfreundlich sein. Meine Augen verharrten auf dem Kuchen, der leicht angebrannt aussah. Allerdings wurde mir es in die Wiege gelegt niemals zu solchen Gesten Nein zu sagen. Also bejahte ich stumpf und suchte nach einem Platz ab, wo ich mich niederlassen könnte.
Tobias sah es mir an, wie ich mich suchend umblickte und schob mir den wahrscheinlich besten Stuhl vom ganzen Haus in meine Richtung. Sofort warf er ein Kissen darauf und deutete mir an, mich dort hinzusetzen. Prüfend nahm ich das Kissen unter die Lupe, holte mein Taschentuch hervor und breitete es über dem Kissen auf. Erst dann ließ ich mich auf dem Stuhl nieder und vernahm ihre undefinierbaren Blicke auf mir. Emily räusperte sich. »Tobias, Schatz, würdest du Miss Moore den Kaffee anbieten?«
Tobias nickte lächelnd wissend und drehte sich zu mir um. »Möchten Sie einen Kaffee haben?«
Ich lächelte gezwungen. »Wenn Sie für mich einen dahaben.«
Eigentlich würde ich es bevorzugen, einen leckeren Nespresso zu trinken, aber da ich hier nicht zuhause war, musste ich wohl auf diesen verzichten. Ich überkreuzte meine Beine, holte mein Handy hervor und tippte die Notizen ein, die ich mir machen wollte.
»Und, wie finden Sie das Haus?«, wollte Emily wissen.
Wie ich das Haus fand? Einfach nur schrecklich. Ich spitzte die Lippen und setzte meine Sonnenbrille ab. »Das Haus ist in keinem guten Zustand«, erklärte ich sachlich.
Emily nickte leicht gekränkt und Tobias goss schweigsam den Kaffee ein. Als er die Tassen auf den Tisch stellte und mir meine übergab, verzog ich beinahe vor ihnen das Gesicht. Dieser Kaffee roch sehr metallisch. Kein Wunder, wenn er in solch einer Blechbüchse gebrüht wurde.
»Tobias hatte das Haus von seinen Großeltern geerbt«, setzte Emily wieder an und er kniff die Brauen zusammen. »Em...«
»Und die hatten es so hinterlassen?« Ich konnte mir den Spruch nicht verkneifen, denn es wunderte mich sehr, wie man so ein Haus so gehen lassen konnte.
Auf einmal presste Emily sich die Hand auf ihren Bauch und kniff die Augen zusammen. »Oh nein, nicht schon wieder!«, fluchte sie leise.
Tobias eilte seiner Frau zur Hilfe und stützte sie. »Du sollst doch nicht so viel tun, Em. Leg doch für eine Weile die Beine hoch.«
Emily warf ihm einen gequälten Blick zu und nickte stumm. Sie drückte sich in den Stuhl und schnappte nach Luft. »Der Kleine tritt mich die ganze Zeit«, kicherte sie und ihre Hände ruhten auf ihren runden Bauch. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie schwanger war. Zu sehr hatte ich aufs Haus geachtet und nicht auf die Leute um mich herum.
Der stolze Tobias legte seiner Frau die Hand auf die Schulter. »Der Kleine soll seiner Mama nicht so ärgern.«
Ich wusste schon immer, dass Kinder und Babys niemals zu mir gehörten. Sie waren zwar recht süß anzusehen, aber alles, was damit zu tun hatte, konnte für mich nicht gut sein. Sie schrien zu viel, dann kam noch das Windeln wechseln und nicht zu vergessen der Schlafmangel. Trotzdem versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen.
»Haben Sie auch Kinder?«, grinste Emily und Tobias schlug die Augen auf.
Mehrere Male blinzelte ich, doch bevor ich etwas sagen konnte, plapperte sie schon weiter: »Oh, Sie sind bestimmt eine tolle Mutter!«
Ich beschloss, den Einwurf einfach zu ignorieren. »Also, wenn Sie mich entschuldigen, die Arbeit ruft.« Ich setzte ein verlegenes Lächeln auf. »Es war wirklich nett, Sie beide kennenzulernen und äh, der Kuchen war nicht schlecht. Danke für alles.«
Ich nahm meine Tasche und reichte Emily die Hand. »Auf Wiedersehen und ich wünsche Ihnen alles Gute für die Geburt.« Mein Blick huschte zu Tobias. »Mr. O'Malley, wenn Sie mir doch bitte meine Schuhe bringen würden.«
Emily sah verdattert zu mir, danach zu Tobias, der sich aus der Starre löste und direkt nickte. »Ja klar-«
»Gut, denn wir sehen uns draußen«, unterbrach ich ihn und schon stürmte ich aus der Küche. Ich ließ eine überforderte Emily zurück, starrte geradeaus zum Flur und blieb vor der kaputten Haustür stehen.
Augenblicklich kehrte Tobias mit meinen Schuhen zurück, die er mir etwas benommen reichte. »Hier sind die Schuhe. Ich hatte sie gerade eben noch gewaschen. Der Geruch müsste nun raus sein.«
»Danke«, erwiderte ich trocken und nahm sie ihm aus der Hand. Rasch stieg ich in meine High Heels. Als ich mich aufrichtete, beobachtete Tobias mich skeptisch. Trotzdem öffnete ich die Haustür und nickte ihm ein letztes Mal zu. »Also, Mr. O'Malley, ich wünsche Ihnen viel Glück mit Frau und Kind. Aber ich muss jetzt wirklich los.«
Langsam trat ich nach draußen und blickte dieses Mal auf den Rasen. Tobias, der immer noch verwirrt war, folgte mir. »Moment, Miss Moore, was ist denn mit dem Haus?«, rief er mir nach, als ich schon zu meinem Wagen tippelte. Ich wollte gerade die Beifahrertür aufstoßen, als er direkt vor meinem Wagen verharrte. »Wollen Sie uns wirklich schon verlassen?« Er klang selbst nicht ganz erfreut darüber.
Seufzend klammerte ich mich an meine Tasche. »Mr. O'Malley...«
» Ich dachte, Sie nehmen sich die Zeit dafür.« Es wunderte mich, wie mutig er gerade war. »Dauert eine Besichtigung nicht länger?«
Ich stöhnte genervt auf und starrte in die Ferne. Erst dann drehte sich mein Kopf in seine Richtung. »Sie wollen eine Besichtigung? Ich habe Ihr Haus besichtigt und was ist mir dabei aufgefallen? Dass dieses Haus nicht vermarktet werden kann. Nicht in diesem Zustand.«
»Miss Moore wir-«
»Zweitens staut sich an der hinteren Hauswand Sperrmüll an. Glauben Sie, das macht einen guten Eindruck, wenn Müll auf den Fotos zu sehen ist?«
Verletzt starrte er auf dem Boden und seufzte schwer. Ihm schienen die Worte zu fehlen. »Wir geben wirklich unser Bestes.« Er kratzte sich am Nacken. »Emily ist im siebten Monat schwanger und das mit dem Geld...«
»Reißen Sie die Bude ab, Mr. O'Malley, und lassen Sie darauf ein neues Haus bauen. Das bringt viel mehr Wert als diese Bruchbude.«
So, nun war es raus. Ich hatte es tatsächlich gesagt. Ich hatte meinen Klienten verletzt, das sah man ihm an. Er wollte wohl etwas erwidern, als seine Augen auf etwas hängen blieben. »Miles, wo hast du dich so lange herumgetrieben?«
Augenblicklich starrte ich in die Richtung, in die er geschaut hatte, und meine Augen weiteten sich. Ein kleiner Junge, wahrscheinlich zehn Jahre alt, hielt die Leine von einem Hund fest. Ich stutzte. Hund? Oh nein, hier war wirklich ein Hund. Ein knurrender Hund gaffte mich an, der leicht die Zähne fletschte. Abrupt sprang ich zur Seite.
»H...Hund«, entwich es mir krächzend und ich klammerte mich fester an meinem Wagen.
Der Junge grinste verschmitzt. »Das ist Buddy«, erklärte er und tätschelte die Stirn von dieses sabbernden Ungeheuers.
Alles, was ich sah, war dieser Hund und mir wurde schon fast schwarz vor Augen. Die Angst stieg in mir hoch, meine Finger fingen an zu zittern und ich klebte schon beinahe an der Beifahrertür, was Tobias bemerkte.
»Miles, bring Buddy ins Haus«, gab er streng von sich und Miles nickte und warf mir einen letzten Blick zu. »Ist das die Frau, die uns hilft, Daddy?«
Tobias machte ein langes Gesicht. »Später, Miles. Jetzt bring Buddy weg.«
Der kleine Junge seufzte leise, bevor er die Leine fester zog und das fletschende Monstrum mit sich zog. »Komm, Buddy, wir gehen. Das ist wohl wieder ne Erwachsenensache.«
Erst als das Monster sich mit dem Jungen entfernte, atmete ich auf. Tobias lachte leise. »Unser Bernersennenhund tut keinem etwas. Er mag nur neue Leute nicht besonders.«
»Das ist gut zu wissen«, murrte ich und entfernte mich von meinem Wagen. Dabei hielten wir zueinander Blickkontakt und starrten uns gegenseitig an. Weil das Schweigen mir zu lange dauerte, räusperte ich mich. »Also, der Junge gehört zu Ihnen?«
Tobias legte den Kopf schief. »Er ist mein Sohn, ja.«
»Puh, dann haben Sie wirklich volle Hände zu tun.«
Er steckte die Hände in den Hosentaschen. »Ich habe auf der Baustelle genug zu tun. Miles hilft Emily, wo er nur kann.« Ihn schien das Thema zu belasten, weshalb er das andere wieder anschnitt. »Also wie verbleiben wir mit dem Haus? Werden wir das Haus verkaufen?«
Ich wusste, dass er nicht locker lassen würde. Ich hatte es ihm doch schon gesagt, dass das Haus eine Bruchbude glich. »Mr. O'Malley... Die Bruchbude. sie kann nicht-«
»Dieses Haus gehörte meinen Großeltern, Miss Moore.« Sein Ton klang schneidend. »Und ich habe Sie um Hilfe gebeten, das Haus zu verkaufen.« Seine Augen fingen an zu glitzern. »Also soll ich etwa zu meiner Frau und zu meinem Sohn gehen und ihnen die schreckliche Nachricht verkünden, dass Sie nicht dazu in der Lage sind, das Haus zu vermarkten? Haben Sie nicht gesehen, dass meine Frau ein Kind erwartet? Oder wie mein Sohn sich darauf freut, dass Sie hier sind?«
Mir blieben die Worte im Hals stecken und abrupt öffnete ich die Beifahrertür. Dabei vernahm ich wieder seine verärgerte Stimme. »Sie besitzen keine Empathie. Alles, was Sie tun, ist, schlechte Laune zu verbreiten. Aber es ist mir egal, wie biestig Sie sein mögen. Es ist mir egal, wie Sie die kleinsten Gesten nicht wertschätzen konnten oder wie rücksichtslos Sie sind...« Er presste die Lippen aufeinander. »Ich brauche Sie als Maklerin. Meine Frau lag mir damit die ganze Zeit in den Ohren, einen Immobilienmakler aufzusuchen und um Hilfe zu bitten. Obwohl ich das nicht wollte. Es war Emilys Idee, eine Immobilienfirma anzurufen... und dann rufe ich bei Ihrer Firma an, führe ein Gespräch mit dem Vorgesetzten und dieser sagte mir, dass Sie eine engagierte Immobilienmaklerin sind. Er sagte mir, dass wir uns auf Sie verlassen könnten und Sie die Beste sind. Aber wissen Sie was? Sie sind nicht die Beste und ich werde mit Ihrem Vorgesetzten erneut telefonieren und ihn zur Rede stellen, was das hier eigentlich sollte. Denn ich brauche jemanden, der mein Haus verkaufen kann!«
Tobias schnaubte verächtlich. »Das war eine blöde Idee von Emily, Sie zu engagieren!« Er nahm Abstand von mir und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und jetzt gehen Sie. Sie scheinen es sehr nötig zu haben, von hier zu verschwinden.« Er sah mich aus schmalen Augen an. »Ich werde jetzt zu meiner Familie zurückkehren und ihnen die Nachricht kundtun, dass wir wieder vor dem Nichts stehen. Ich werde meiner Frau sagen, dass ihr Vorschlag eine miese Idee war und meinem Sohn werde ich erzählen, dass die gute Frau uns in Stich gelassen hat.«
Damit rückte er ganz von mir ab und drehte mir den Rücken zu. Überrumpelt blieb ich vor meinem Wagen stehen und sah Tobias nach. Empathielos? Rücksichtslos? Biestig? Normalerweise würde ich ihm irgendetwas zurückschleudern, aber seine Worte hatten mich getroffen. Zum ersten Mal hatten sie einen wunden Punkt bei mir erreicht. Ich spürte, wie die Wut in mir aufkam, dass ich die Beifahrertür zuknallte, den Wagen umkreiste und mich ans Steuer setzte.
Wie gern hätte ich mein Handy genommen und Davis Frost angerufen, was ich nur nicht tun würde, um nicht vom Autofahren abgelenkt zu werden. Ich trat auf die Kupplung, drückte aufs Gaspedal und schon preschte ich von der Straße herunter und fuhr davon. Wut stand in meinem Gesicht geschrieben. Eine große Wut. Zorn. Aggression. Alles, was damit zu tun hatte. Blanker Hass, Abscheu und Verachtung.
Noch nie in meinem ganzen Leben war ich so angegriffen worden. Noch nie hatte ein Fremder mir Worte an dem Kopf geworfen, die mich tief trafen. Keine Empathie. Ich lachte laut auf.
»Ich habe wohl Empathie!«
Biestig... Ich war nicht biestig. Rücksichtslos? Ich hatte den Kuchen angenommen, anstatt ihn abzulehnen!
»Wo bin ich rücksichtslos gewesen?!«, entfuhr es mir wütend und ich gab mehr Gas. Weil ich mich kaum am Lenkrad vor Zorn festhalten konnte, schaltete ich das Radio ein und die Popmusik dröhnte mir entgegen. Erst dann versuchte ich wieder auf andere Gedanken zu kommen, um bloß durch Ablenkung keinen Unfall zu bauen.
Ich kehrte schneller ins Büro zurück, als ich es mir erhofft hatte. Statt vier Stunden Autofahrt war ich innerhalb zwei Stunden wieder im Büro, da ich zu schnell gefahren war. Ich hatte nur noch eines im Sinn. Ich wollte Davis Frost zur Rede stellen, jawohl, das wollte ich!
Wütend knallte ich die Fahrertür zu, schulterte mir die Tasche über und schlüpfte in meine High Heels. Dabei war ich so aufgebracht, dass jeder, der mir über den Weg lief, vor mir die Flucht ergriff. Sogar Jere entdeckte mich aufgebracht am Flureingang und suchte das Weite.
Ich stampfte erhobenen Hauptes auf die Bürotür zu. Ignorierte Tobys Rufe und sah nur noch die beschissene Bürotür vor mir. Ruckartig riss ich die Tür auf und stürmte ins Büro.
Davis Frost saß telefonierend an seinem Schreibtisch und war dabei, das Telefonat zu beenden. Schließlich sah er meine Gestalt vor seiner Bürotür stehen und er verzog das Gesicht. »Ich habe Sie gerade erwartet, Miss Moore.« Seine Stimme klang düster.
Ich presste die Lippen zusammen und blieb an der Bürotür stehen. »Wir müssen reden!«
Mein Boss fing an zu nicken und erhob sich von seinem Platz. »Ja, wir müssen reden.« Er musterte mich kritisch. »Ich habe gerade ein nettes Gespräch mit Tobias O'Malley geführt. Also ja wir müssen reden.«
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