TWELVE: Mayla
Clark's P.o.V
Vor 15 Jahren
Jetzt oder nie, ich musste sie ansprechen.
Sie war die erste Schönheit, die mir direkt ins Auge fiel und den öden Studentenraum in den Vordergrund stellte. Vielleicht wurde meine Sicht von dem vielen Alkohol getrübt, der auf dieser Studentenparty ausgeschenkt wurde. Eigentlich wollte ich solche Studentenverbindungspartys meiden, weil es immer im selben Desaster endete. Wilder Sex, illegale Drogen und Alkohol.
Allerdings hatte ich mich von den Kommilitonen dazu breit schlagen lassen, mitzugehen.
Ob es wohl daran lag, dass sie mir alle echt scheißegal waren und ich die Ablenkung suchte? Durchaus. Vielleicht erstickte ich in dieses harte Studium, dass mir wirklich zuhause die Decke auf dem Kopf fiel.
Oder es war die Trennung, die mir noch tief im Nacken saß. Fünfzehn Jahre Ehe und nun wollten sich meine Eltern voneinander scheiden lassen. Dad hatte es direkt am Esstisch mitgeteilt, dass er und Mom kein Team mehr sein würden. Von dem Tage auf an, wird Dad als Quarterback für immer das Spielfeld räumen. Ein team, was sie in einer illusionshaften Ehe jahrelang gebildet hatten, fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Jetzt würde sich alles anders ablaufen. Mom wird die Koffer packen und weggehen. Auch wenn ich bereits auf der Harvard war, wird sich dennoch alles ändern. Es wird keine Weihnachtstage mehr geben und die Familie wird unvollständig sein. Und so, wie ich Dad am Telefon belauscht hatte, wird er alles daran setzen, Mom den Boden gleichzumachen.
Ich kannte die Hintergründe nicht, dennoch erschütterte es mich, zu wissen, dass sich ein großer Rosenkrieg anbahnen wird. Sie werden sich nichts schenken und wir werden wieder zwischen die Fronten geraten. Ich sah den Krieg auf uns zukommen.
Vielleicht wollte ich mir deswegen diese Party nicht entgehen lassen, um den Frust und Kummer in Schmerz und in weiteren Abenteuern zu ertränken. Auch müsste ich mir um unser Vermächtnis keine Sorgen machen. Dad verdiente Geld wie Heu und Mom war jahrelang seine gesteuerte Marionette. Hauptsache sie schwang das Putztuch, um die perfekte Ehefrau abzugeben. Und ich? Ich wehrte mich mit Händen und Füßen dagegen niemals in die Fußstapfen meines Vaters zu treten.
Deswegen war ich hier, um mir die Kante zu geben.
Also pfeife ich auf die Regeln und Prioritäten. Wozu machte ich sie auch fest, um mich nicht an sie zu halten. Schließlich waren Regeln dazu da, um gebrochen zu werden.
Vor allem nicht, weil mein bester Freund immer auf alles gepfiffen hatte.
Bei den Gedanken an Davis stieß ich einen Seufzer aus. Er wollte nach Massachusetts kommen, um mit mir abzuhängen. Natürlich musste er mit ihr Zeit verbringen. Nachdem Davie mich anrief, um mir daraufhin zu sagen, dass unser Trip ins Wasser fallen würde, hatte es mich nicht kalt gelassen.
Ich hätte ihn wirklich gebraucht. Jenna machte riesigen Ärger, Mom und Dad bekriegten sich seit Tagen und mir saß das Studium im Nacken. Wenn ich nicht das Studium hätte, würde ich noch Däumchen drehen und in Dads Steuerbüro versauern. Mal davon abgesehen, wie er mit mir bei unserem Telefonat umgesprungen war, wollte ich ihn wirklich nicht sehen. Alles was ich tat, war es brav seine Worte zu schlucken, und mir seine Machenschaften gefallen zu lassen, die er ausübte. Bis die Leitung durchgekappt war und ich wieder in meine Realität ankam. Nämlich die, in der ich als einen Sündenbock funktionieren sollte. Jemand, der Mom ruinieren könnte.
Auch wenn ich mir einredete, dass alles in bester Ordnung wäre, warf mich die Scheidung mehr als zurück. Davis meldete sich nicht bei mir und seitdem wir getrennte Wege gingen und er in New York lebte, hielt nur einer von uns den Kontakt aufrecht.
Langsam frage ich mich, was bei ihm los war. Seit Monaten verhielt er sich so komisch, sagte alles ab und ließ mich selbst bei meinen Prüfungen im Stich. Es grenzte an einem Wunder, wie viel Enthusiasmus ich für mein Jurastudium aufbringen konnte. Obwohl es mir sehr zu schaffen machte. Nicht nur die ganzen Prüfungen, sondern selbst diese miesen Gedanken ließen mir keine Ruhe. Denn ich tauchte ab in einem Meer voller Gedanken, an denen ich mich festhielt. Und wenn ich sie losließ, würde ich fallen und ertrinken.
Es sollten doch nur Teenager Gedanken sein. Gedanken, verschlossen hinter den Türen eines Teenagers. Dort wären sie sicher aufgehoben. In dem Raum von Lügen, der Illusion einer Familie und den leeren Versprechungen.
Was hatte ich mich darauf gefreut, endlich die Koffer gepackt zu haben, um endlich von Zuhause zu verschwinden. In ein neues Leben, ein neues angebrochenes Kapitel.
»Hey clever Clog wo bleibst du denn?«
Ich zuckte zusammen, als Billie mir die Hand auf die Schulter legte. Ruckartig fuhr ich zu ihm herum und verzog eine Miene. Natürlich achtete ich darauf, nicht wie ein alter Snob zu wirken. Kein Wunder, dass ich sehr gemobbt wurde, für meinen Dresscode, den ich selbst in der Uni einhielt.
Am liebsten hätte ich ihm die Nase zugehalten, als mir seine Alkoholfahne ins Gesicht peitschte.
»Was gibt's Murray?« Wir stellten uns an die Wand, weil Billie doch leicht am Schwanken war. Eindeutig hatte er zu tief ins Glas geschaut. Wie jedes Mal an solchen Studentenverbindungen. Wie ich sowas hasste, wenn Typen, wie er, total über die Strenge schlagen mussten.
Murray fing an zu grölen, ehe er den ersten Satz hervorbrachte. »Hast du diese Chics dort hinten gesehen?« Aufgebracht schüttelte er an meiner anderen Schulter, während ich schnaufend Billie stützte.
Mit einer Kopfbewegung folgte ich seinen Zeigefinger, den er hektisch hin und herbewegte. Währenddessen verfluchte ich meinen Freund dafür, so sturzbetrunken zu sein. Erst als ich langsam glaubte, die gezielte Person zu entdecken, landete mein Blick erneut auf sie. Und wieder wurde mir bewusst, dass sie immer noch mit ihrer Freundin an derselben Stelle stand. Sie hatte ihr kurzes Haar zurückgeworfen und klammerte sich an ihrem Getränk fest. Schüchternheit schoss es mir sofort in den Sinn. So wie sie mit dem Strohhalm spielte, gedankenversunken ihre Freundin anschaute, musste es der Fall sein. Ihre Freundin hingegen wirkte ziemlich ausgelassen.
Aber irgendwie beschlich mich das Gefühl, als würde sie hier fehl am Platz sein.
»Mannoman, also die Brünette würde ich echt ficken. Schau dir mal die Beine an, alter. Also wenn du da keinen Steifen bekommst, dann weiß ich auch nicht mehr, clever Clog!« Schon wieder musste Murray es mir unter die Nase reiben. Vor allem bei seinem dämlichen Kosenamen, was mich erneut das Gesicht verziehen ließ.
Noch mehr hasste ich es, wenn mein Geschlecht so abwertend über Frauen sprach.
Bei dem Gedanken an Jenna ließ es mich panisch nach Luft schnappen. Was sie wohl gerade in diesem Moment trieb?
Verdammt ich hasste es mir andauernd Sorgen, um sie machen zu müssen.
»He ihr da, hier sind wir!« Noch bevor ich einen klaren Kopf bekam, grölte Murray direkt los und wedelte mit den Händen herum. Sekundenschnell riss ich seinen Arm nach unten und mahnte ihn mit einem wütenden Blick. »Bist du nicht ganz bei Trost?«
»Was denn?«, brachte er lallend hervor und grinste verschmitzt. »Ich versuche mein Glück bei der Brünette.«
»Du hast zu viel getrunken und solltest deinen Rausch ausschlafen, bevor du dich an eine Frau ranmachst, die vielleicht nichts von dir wollen!« Nicht auszudenken, dass sich mein Kommilitone bis auf alle Knochen blamieren würde. Dabei gehörten wir weder zu dieser Studentenverbindung, als wäre das unsere Party. Hier stank es nach Kriminalität, Armut und Drogen. Trotzdem wollte Murray unbedingt hierherkommen, weil er hier an alles herankommen würde. Ecstasy, Kokain und Alkohol.
Nichts kam gegen die Harvard-Elite an. Wobei die Musik im Gegensatz bei uns nicht schlecht war. Ein wenig Blackmusic, Tupac, Biggi und Nirvana. Hoffentlich war der Musikgeschmack hier so gut, dass sie nicht alle der neuen Boyband hinterher eiferten, die stark im Kommen war. Backshit Boys, oder wie die auch immer hießen.
Neulich hatte Molly mich die gesamte Fahrt damit zu Tode gequält. Irgendwann hatte ich doch den Stecker gezogen und direkt Schluss gemacht. Ja, ich war ein Arschloch und keine Beziehung trauerte ich hinterher, die ich schnell über mich gebracht hatte.
»Murray haste zu viel gesoffen?«
Wieder wurde ich aus den Gedanken gerissen und mein Kopf schnellte nach vorn. Augenblicklich spannte ich mich an und in mir begann es zu brodeln. Vince Humboldt stand mitten vor uns, mit drei Damen im Schlepptau.
Meine Augen blinzelten, als ich sie an seiner Rechten entdeckte. Das kleine Bambi befand sich in den Fängen des Jägers.
Die hellen Augen wirkten ziemlich verloren, als wüsste sie nie, wo sie zuerst hinschauen sollte.
Ich konnte ihre Nervosität bis hier zu mir spüren.
Trotzdem fragte ich mich, warum so jemand wie sie, etwas mit Vince zu tun hatte. Dem größten Arschloch vom ganzen Campus, der Frauen wie Abfall wegwarf. Ich brach die Herzen und setzte den Schlussstrich, bevor es direkt begann. Er hingegen nahm sich alles und ließ die Frau am Ende links liegen. Selbst Gerüchte drangen bis hin nach Harvard durch.
Murray, der kaum einen gescheiten Satz über seine Lippen bekam, stieß ein weiteres Grölen aus. »Ach das bisschen Alkohol, nicht wahr clever Clog?«
Ich verdrehte die Augen.
Vince lachte enthaltsam, bevor er sich an die Freundin der Brünetten zuwandte. Unter dem gedimmten Licht erkannte ich violette Haare, die sie zu Braids gebunden hatte. Oder waren sie doch mehr in einem Blauton?
Egal, sie turtelte genug mit dem Idioten herum und ließ sich von ihm wegziehen.
»Die Mädels und ich wollen ein wenig Abwechslung haben. Habt ihr schon was vor, Murray? Oder du Neuling?«
Innerlich kochte ich vor Wut. Ich war alles, aber ganz sicherlich kein Neuling und das wusste er auch. Denn mir fehlten nicht mehr als zwei Jahre und ich würde endlich raus aus diesem Laden sein. So ein Scheißkerl wie Vince, der nur auf Macht aus war, versuchte es selbst mir unter die Nase zu reiben, wer hier die Fackel trug. Sollte er von mir aus sich als den Big Boss aufspielen, mir war das gleich. Und selbst wenn er mir ans Bein pissen sollte, hätte ich Mittel und Wege, die seinen Ruf aufs Spiel setzen würden.
Immerhin arbeitete der berüchtigte Vince Humboldt als eine Zahnfee, die für Kinder in Krankenhäusern vorlas. An sich war es eine starke Aktion, aber so ein schmieriger Typ wie Vince würde das nicht aus Nächstenliebe tun.
Ich verbannte jeden Hintergedanken zurück und legte den Fokus zurück auf Vince, ohne jegliche Emotionen starrte ich ihn nieder, was mir im Blut lag. Monatelang hatte ich mich darin gesteigert, den Schmerz zu verbarrikadieren und ihn in Wut zu kanalisieren. Die Wut auf Davis und seine Schnepfe Lauren zu haben. Ebenso wie auf meine Eltern, die sich bereits um das Sorgerecht stritten. Nicht zu vergessen die Scheidung, und das Studium, wo manche Dozenten nur meinen Familiennamen als Visitenkarte für meinen Karrieresprung betrachteten.
Die beste Erfahrung war es für mich, andere einzuschüchtern, nur um mich selbst darin gut zu fühlen den anderen überlegen zu sein. Erfolgreiche Menschen trugen Masken, die sie niemals ablegen würden. Nur bei Menschen, die für sie ihr Zuhause waren. Jenna war mein Zuhause.
Schon wieder beschlich mich ein ungutes Gefühl.
Zurück zu Vince, der mich machtgeil anfixierte. Inzwischen müsste ihm klar sein, dass er mich nicht einmal mit seinen Blicken einschüchtern könnte. Koste ihm, was es wolle.
»Vincelein.«, schnurrte das Mädchen mit den violetten oder doch blauen Haaren in sein rechtes Ohr. Sie hatte sich ihm ziemlich an den Hals geworfen, während die andere den Fokus auf Murray legte.
Innerlich hätte ich laut aufgestöhnt. Gott bitte sag mir nicht, dass sie eine von der Sorte war, die auf Murray stand. Ich verwettete meinen Namen darauf, dass, sollten sie beide noch heute zusammen in der Kiste landen, sie am Ende von oben bis unten vollgekotzt sein wird.
Nur Bambi, die mir am vernünftigsten von allen erschien, wirkte so ziemlich verloren zwischen uns allen. Mittlerweile hatte sich Vince von uns gelöst und stierte ihr nach. Noch eben hatte er ihre Freundin festgehalten und nun näherte er sich ihr. Ich konnte ihre Unbehaglichkeit aus ihrem Gesicht ablesen. Sie wurde für mich wie ein offenes Buch, was alle Geheimnisse preisgab. Als Kind hatte ich es gelernt, Menschen lesen zu können. Auf Society-Partys war es ein guter Zeitvertreib die Körpersprache von allen Gästen zu erforschen. Jetzt konnte ich selbst mit Alkohol intus in Gesichter lesen und ihres sagte mir, dass sie sich in seiner Gegenwart unwohl fühlte.
»Habt ihr schon die Bekanntschaft mit unseren Bräuten hier gemacht«, Vince konnte sich sein dämliches Grinsen nicht verkneifen. Immer, wenn er die Damen wie auf einem Silbertablet präsentierte, hatte er dieses dämliche Grinsen. Als seien sie alle seine Trophäen, die er Stück für Stück sammelte. Nur das zwei darauf anspringen und die eine sich zurückzog. Doch ein mieser Seitenblick, der mir von ihrer Freundin nicht entging und schon wirkte sie ziemlich eingeschüchtert.
In mir schrillten die Alarmglocken. Wenn jemand so mit Jenna umgehen würde, würde ich Bäume ausreißen. Auch wenn ich solch eine Wut auf Mom schob, hatte sie mir schon als kleiner Junger klar zu Verstehen gegeben, was eine Frau mag und was nicht. So wie Vince mit ihnen umging, war es eine Zumutung an das männliche Geschlecht selbst.
Wir waren Menschen und befanden uns auf einer Party. Nicht auf einer dämlichen Show, wo etwas wie ein Kunststück präsentiert wurde.
Also nahm ich mich zusammen, holte nach tief Luft und wollte direkt ansetzen, bis mir Murray ins Wort fiel. »Du hast echt geile Bräute, Vince! Die Puppe hier würde ich mir doch mal näher ansehen.« Als er auf sie deutete, schaltete sich direkt mein Verstand ein.
»Welch ein Zufall, dabei wollte ich ihn gerade fragen, ob ich sie mir von ihm ausborgen darf.«
Wie erwartet blickte das scheue Reh zu mir. Angst spiegelte sich in ihren schönen Augen wieder. Eines war klar: Sie wollte wirklich nicht hier sein. Welchen Grund auch immer, aber sie gab sich mit Humboldt ab.
Vince verlor fast die Fassung, als er meine Antwort zu hören bekam. Immerhin kannten sie mich alle als den versnobten Jurastudenten, der verschlossen wie eine Auster war, aber Geld wie Heu besaß.
Langsam zögerte er für mich viel zu lange.
Komm schon, flehte ich ihn innerlich an und zählte bereits die Sekunden hinunter. Wenn ich richtig lag, wird er mich zu ihr lassen. Denn er glaubte zu wissen, dass ich, wie sie alle, Frauen abwertend behandeln würde. Nur würde dieser Fall nicht eintreten. Stattdessen werde ich sie vor meinem betrunkenen Freund retten-
Nachdem eine Minute verging, blitzten Vince weißen Zähne auf. »Weißt du was? Eigentlich wollte ich Mayla für mich haben, aber warum nicht.« Abrupt stieß er sie zu mir, dass sie fast den Halt verlor. »Sei lieb zu ihm, Maychen. Er ist ein hochansehender Student im Gegensatz zu allen anderen. Nicht so beliebt wie ich, aber er hat durchaus was zu bieten.«
Wie gern hätte ich ihm seine Fresse poliert, nur um sein Maul zu halten. Aber weil es mich nur in Gefahr bringen würde- denn niemand legte sich mit Vince Humboldt an- , hielt ich mich zurück.
Mayla hieß sie also. Irgendwie passte es nicht so zu ihr. Eine schüchterne Frau, wie sie, müsste doch mit Sicherheit ihre Identität verwahren. Viele Studenten taten es, schlüpften in neue Rollen und lebten ihr Leben aus. Vor allen Studentinnen, gaben alles dafür, um aufzusteigen und den besten Ruf zu haben. Am Ende wurden sie dafür ausgenutzt, um mit Decknamen sich unter den Party's zu mogeln.
Ich konnte es verstehen, weil sie es nun mal schwer hatten. Gehörte man einmal zu den Losern, würde man für immer ein Loser vom ganzen Campus bleiben.
Murray stieß einen frustrierten Seufzer aus, ehe er sich der anderen Dame, die ihn vorher ins Visier genommen hatte, widmete.
»Wir sehen uns clever clog!« war das letzte was in der Stille fiel und ich Mayla an den Arm nahm und sie von den anderen wegzog.
Helle Augen blickten, mir scheu entgegen. Wahrscheinlich überlegte sie, ob sie auf mein Vertrauen bauen konnte. Auch wenn ich es spüren konnte, dass sie glaubte mir etwas schuldig zu sein, schüttelte ich mit dem Kopf. »Du musst dir keine Gedanken machen. Solange du bei mir bist, kann dir nichts passieren.«
Keine Antwort. Stattdessen kam Verwirrung in sie auf. Sie war gewillt etwas zu erwidern, aber ich kam ihr zuvor. »Was hältst du von einem Spaziergang? Ich habe echt keine Lust mehr hier zu sein, und könnte etwas Bewegung gebrauchen.«
Plötzlich begann ich zu realisieren, dass sie mir mit Sicherheit nicht dieses Vertrauen entgegenbringen würde. Vor allem nicht, nachdem was gerade in New York durch die Schlagzeilen ging. Eine Gang sollte eine Joggerin mitten im Central Park brutal vergewaltigt haben. Sie war auf dem Weg zum Sport und wurde von fünf Männern attackiert.
Ohne darüber nachzudenken hakte ich mich bei ihr ein und nickte ihr entsprochen zu.
Mayla und ich verirrten uns minutenlang über den Straßen. Inzwischen hatten wir die Party hinter uns gelassen, dass die laute Hip Hop Musik völlig in Stille verschwand. Endlich löste sich die Anspannung von meinen Schultern. Selbst Mayla wirkte losgelassener und schien sich prächtig über mich zu amüsieren. Auch wenn wir keine Worte zueinanderfanden, inhalierten wir beide dieselbe Luft und ich konnte die Dankbarkeit spüren, die sie ausstrahlte. Manchmal brauchte es nur frische Luft, Ablenkung und keine weiteren Worte.
Nicht dass ich es genoss, mit einer Frau ins Gespräch zu kommen, aber irgendwie fühlte es sich ziemlich rund an, im Schweigen zu bleiben. Selbst bei den Gedanken an Jenna hatte ich keine Ruhe für eine Konversation. Wo sie mal wieder steckte?
Auf einmal geriet Mayla neben mir ins Stoppen und wie verdattert fuhr ich zu ihr herum.
»Ich muss mich bei dir dafür bedanken, dass du mich aus der Lage gerettet hast.«
Meine Lippen öffneten sich einen Spalt. Das war also ihre Stimme? Etwas piepsig, von Aufregung überzogen und doch klang sie in meinen Ohren wunderschön. Weil ich so in den Gedanken versunken war, riss ich mich von ihr los und fasste mir ans Haar. »Das ist doch nicht der Rede wert. Wobei ich mir die Frage stellen muss, warum jemand wie du dich mit Vince abgibst.«
Sie presste merklich die Lippen zusammen. »Glaube mir, das war alles auf Trisha's Mist gewachsen.« Sie verzog das Gesicht. »Sie hat mich dazu überredet mitzukommen und naja dann haben wir Vince kennengelernt, der echt anfangs ganz nett war.«
Ich lachte bitter auf. »Nett? Vince ist der geborene Manipulator. Ein Taugenichts, der Frauen vorführt. Also wenn es etwas gibt, wovon ich ein Lied singen kann, dann, dass Humboldt alles andere als nett ist. Am besten hälst du wirklich Abstand von ihm und solchen Typen.«
»Soll ich dann auch Abstand zu dir nehmen? Weil du mich doch selbst ins Bett locken könntest?«
Hastig blieb ich stehen und starrte sie an. Es kam so plötzlich, so unerwartet und traf mich wie der letzte Schlaf. Tief in mir drinnen wusste ich, dass es nur eine Frage war. Allerdings nicht, dass sie mich ziemlich treffen würde.
Wie von selbst machte ich mich von ihr los und blickte wütend in den Himmel. Meine Augen hatten sich zu schlitzen verengt. Spürte wie die Wut mich überkam und ich gleich erneut die Kontrolle verlieren würde.
Ich hatte sie so oft durch meine Emotionen verloren. Weil Jenna mir nicht aus dem Kopf ging und ich mir anfing große Sorgen um sie zu machen.
»Wenn ich dich manipulieren würde, würdest du schon bereits nackt im Bett liegen.«
Sie musste ziemlich verletzt ausgesehen haben, was meine Worte mit einem Menschen, wie sie, anrichteten. Sie waren wie eine Waffe, die geladen war und bereit dazu war, auf die Person zu treffen. Mit Erfolg. Schlagartig fiel ihr alles aus dem Gesicht. Ihr brannte etwas auf der Zunge, doch ich kam ihr zuvor.
»Merke dir eins, Kleines...«, setzte ich emotionslos an und richtete jedes Wort an sie. »Nur, weil dir jemand seine Hilfe anbietet, heißt es nicht, dass die Person mies ist. Im Gegensatz zu Vince würde ich niemals eine Dame vorführen und mies behandeln. Denn ich habe es nicht nötig, weil es sowieso nichts bei mir zu holen gibt.«
»Also hast du keinen Sex mit anderen?«
Was war das für eine beschissene Frage? Hatte Vince ihr nen Floh ins Ohr gesetzt oder woher hatte sie diesen Gedanken?
Ich stieß die Luft aus. »Nicht jeder Mann ist nur auf Sex aus.« Vor allem nicht, wenn es nie harmoniert hatte. Molly gab mir die Schuld dafür, nicht für etwas bereit zu sein, egal wie sehr sie mich reizen wollte. Sie saß in ihrer Unterwäsche auf meinem Bett, doch nichts hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt.
»Du bist der erste, der das sagt.«, erwiderte Mayla langsam.
Tatsächlich betrachtete ich sie genauer. »Welch ein Wunder, oder? Dass nicht jeder Typ gleich mit in die Kiste springt.«
Sie zog die Brauen hoch und ein großes Fragezeichen prangte auf ihr zierliches Gesicht. »Du warst also nur auf der Party, um abzuhängen?«
Langsam verschwand die Furcht aus ihrer Stimme. Als ich nur ein genervtes Hm wiedergab, musste sie weiter nachbohren, um ihre Neugierde zu stillen. »Ist es, weil du viel zu tun hast oder weil du nicht willst?«
Innerlich ballte ich die Hände zu Fäusten. »Zählt auch beides gleichzeitig? Nämlich, dass ich viel um die Ohren habe und mir nicht danach ist?«
»Das ist unvorstellbar.«, Sie schien es wirklich wie ein Wunder abzutun. »Nie hätte ich gedacht, dass-«
»Was hättest du nicht gedacht?«, schnitt ich ihr das Wort ab. Erneut zermürbte ich mir den Kopf darüber, was mit Jenna war. Verdammt hörte das denn nie auf?
Als hätte ich Mayla erneut verletzt, presste sie die Lippen zusammen. »Nichts... du kommst nur nicht wie jemand rüber, der mit einer Frau einen Spaziergang unternimmt, um sie aus einer Situation zu retten. Man könnte meinen, dass du dich gut verstellst.«
Sie konnte also auch Gesichter lesen.
Normalerweise müsste ich jeglichen Gedanken dazu abtun sie nach Hause zu bringen oder sie schleunigst loszuwerden, damit sich das Feuer nicht weiter entfachte. Doch die Wahrheit war, dass ich selbst nicht von ihr loskam. Sie hatte etwas an sich, was mich festhielt. Als könnte sie mir alles offenbaren. Alles, was uns beiden betraf. Noch waren wir noch zwei Studenten, die zusammen hier draußen waren, aber jetzt?
Wieso fühlte ich mich bei ihr so wohl, ohne sie nicht einmal so richtig zu kennen?
Mom hätte jetzt gesagt, das Frauen Komplimente verehrten. Sie würden die Stimmung auflockern, wenn die Anspannung zu hoch war. Und wer weiß, vielleicht wird mir das, Klarheit verschaffen. Weh von den Sorgen, weg davon nicht zur Telefonzelle hinzurennen, um Jenna anzurufen. Immerhin hatte ich es ihr hoch und heilig versprochen mich mit allem zurückzuhalten.
Was könnte ich also tun?
So kam es, dass ich mich zu Mayla umdrehte und den Blick in ihre Augen riskierte. Ich versank in einem Himmel voller Sterne. »Hat dir jemand schon gesagt, dass du schöne Augen hast?« Es klang romantisch, zu romantisch. Ich war kein Romantiker, aber es überkam mich einfach. Oder es war der innere Wahnsinn, der mich krank machte. Die Sorge um Jenna.
Tue das nicht, lass dich nicht darauf ein. Du wirst es bereuen.
Vielleicht war sie mein pures Gift, was für mich tödlich enden wird. Ein Kompliment konnte den Stein ins Rollen bringen, mehr sein, als ausgesprochene Wörter in einer Geschenkverpackung.
Irgendwie legte sich ein Schleier um Mayla's Augen. Jetzt legte sie den Blick auf meine Lippen.
Schau auf sie, nur auf sie.
Schau in ihre Augen, brach ich die verdammte Konversation mit mir selbst an.
Schlagartig legten sich Hände auf meine Brust. Mein Puls schlug mir bis zum Hals. Einmal, zweimal, dreimal.
Ich blickte ihr tiefer in die Augen. Viermal, fünfmal, sechsmal.
Zählte alle Sekunden runter.
Plötzlich öffnete sie ihre Lippen und ein verruchtes Lachen drang aus ihrem sinnlichen Mund. Sanft verzog sie ihre Lippen und dann überkam es mich. Schlagartig verringerte ich den Abstand zwischen uns und versenkte meine Lippen auf ihre.
Regeln waren dazu da, um gebrochen zu werden.
Wenn ich aber nur gewusst hätte, was danach eintreten wird, dann hätte ich es mir gewünscht, mich zum ersten Mal an Regeln gehalten zu haben..
Ihr habt abgestimmt, und ihr sehnt euch nach der Geschichte von Clark und Millie. Es tut mir Leid, dass so wenig zur Zeit kommt, aber manchmal kommt das Privatleben dazwischen und wir werden im Laufe der Jahre erwachsen. Ich bin gerade 25 Jahre alt geworden und dachte mir, für euch und auch für mich ist es das beste Geschenk, was ich euch gerade geben kann <3
Wir lesen uns demnächst.
Eure Sonny
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