Fourteen: Cheddar Apple Pie
Millie's P.o.v
»Also rein theoretisch gesehen hast du den Igel mit in dein Studentenwohnheim genommen?«, stellte ich ihm die Frage. Mir stand die Fassungslosigkeit in den Augen geschrieben, während Ace mir über sein wildes Studentenleben berichtete. Wie er ausgelassen Partys feierte und sich so gar keine Grenzen setzte. Es vermittelte so ein anderes Bild von dem jungen Mann neben mir auf der Parkbank, der gerade von seinem Cheddar Apple Pie Eis naschte. Einer der angesagtesten Anwälte, verbrachte seine Zeit mit mir und offenbarte alle Geheimnisse eines jungen Studenten, der nichts im Leben ernst nahm.
Ich kam immer noch nicht darüber hinweg, dass dieser Jemand in einer normalen Universität in Wisconsin Jura studiert hatte.
Und Ace schaffte es bei Choose&Harpers zu landen. Ein Seniorpartner mit einem soliden Uni-Abschluss.
Das Lächeln erreichte seine Augen, weil er mit Euphorie seine Geschichte erzählte. Dabei kostete er wieder von seinem Eis und wartete jede Reaktion von mir ab, die ich ihm mehr als zeigte. Mit Sicherheit bemerkte er meine geweiteten Augen oder mein geöffneter Mund, den ich kaum zuklappen konnte, weil er mich sowas von mit seinem Storytelling abgeholt hatte.
Ich hingegen hing nahezu an seinen Lippen, sah ihm dabei zu, wie er sein Eis probierte und sich wohl an den Geschmack seines Zuhauses in Wisconsin erinnerte. Cheddar, Apfelkuchen und Eiscreme.
Langsam spürte ich, wie mir mein Stracciatella Eis über die Finger tropfte.
Augenblicklich hob er den Kopf an und seine dunklen Augen verharrten auf mir. Mit einem Schmunzeln im Gesicht deutete er auf mein Eis. »Willst du nicht lieber dein Eis aufessen, bevor es dir ganz wegschmilzt?«
Oh dieses Grinsen in seinem Gesicht war wirklich seine beste Waffe. Es sorgte nur dafür, dass mir so fürchterlich warm wurde. Ja, dieses Schmunzeln war kaum zu verkennen. Es verriet einfach alles, was man über diesen Mann neben mir wissen musste. Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein und absolute Freude. Genau das verkörperte Ace Kidd geradezu. Er versprühte so viel Charme, dass ich das Prickeln in mir kaum ignorieren konnte. Und das musste schon etwas heißen.
Um nicht komplett durchzudrehen, wandte ich den Blick von ihm ab und leckte über meinen Finger, der von Stracciatellacreme beträufelt war. Vielleicht hätte ich doch ein Eis im Becher nehmen sollen. Stattdessen wollte ich dieses Eis unbedingt in einer Waffel haben. Ace hingehen, machte mit seinem Eisbecher alles richtig. So wie jedes seiner Entscheidungen optimal waren.
»Ich habe den Igel mitgenommen.«, vernahm ich es nach wenigen Atemzügen. Ein Blick zurück zu ihm und sein Grinsen kehrte auf seinen Lippen zurück. Als würde er geradezu in dieser Erinnerung baden, die er mit mir teilte. »Pepps sorgte für viel Aufregung bei meinen Mitstudenten. Vor allem bei den Frauen.«
Meine Brauen zogen sich zusammen »Pepps?«
Ace zuckte lachend mit den Schultern »Mein Igel.«
»Du hast ihm einen Namen gegeben?«, setzte ich direkt an und sah ihm dabei zu, wie er mehr von seinem Eis kostete. Seine Augen brachen den Blickkontakt zu mir ab und verharrten auf die Landschaft, die sich vor uns erstreckte. Und wieder trat dieses Grinsen in sein Gesicht auf, was seine Gesichtszüge weicher werden ließ. »Früher wollte ich immer ein Stinktier haben, weil ich mich als Kind in die Cartoonfigur Pepe le Pew verliebte. Aber meine Eltern hatten es mir nie erlaubt. Nun ja bis dann der Igel auftauchte, unterernährt und ziemlich verkümmert. Von da an wurde mir klar, dass ich es nicht übers Herz brachte ihn zurück zulassen. Und ob man es glaubt oder nicht, er war sozusagen mein erstes eigenes Haustier.«
Die Trauer war aus seiner Stimme herauszuhören, wie sehr es ihn als Kind brach niemals diesen Wunsch erfüllt zu bekommen. Doch sobald er über den Igel sprach, funkelten seine Augen, als dachte er zu gern an diesen einen Moment zurück, seinem Wunsch näher gekommen zu sein, was ihm als Kind verwehrt wurde.
Und doch hätten die Eltern die finanziellen Mittel für Tiere gehabt. So viel ich in Erfahrung bringen konnte, wuchs Ace wohlhabend auf. Seine Eltern führten eine glückliche Ehe, gaben ihren Kindern alles, was sie sich erträumen konnten. Ein Name, der jetzt schon viel Gewicht hatte, um viel Einfluss auszuüben. Finanzielle Freiheit, die manche sich nur erträumen konnten.
Für die Boulevard Zeitung war dieser Mann neben mir unerreichbar, unantastbar, um in die High Society gezerrt zu werden. Jetzt von einem Mann wie ihm zu hören zu bekommen, dass die kleinsten Kleinigkeiten, ihn zum Lachen brachten, vermittelte ein ganz anderes Bild von ihm. Und doch waren wir in dieser Situation gleich. Mit dem Unterschied, dass ich von meinen Eltern den Wunsch eines Haustieres erfüllt bekam, obwohl sie nicht die finanziellen Mittel hatten und sich Stück für Stück verschuldeten. Aber ich lernte, es wertzuschätzen und dankbar dafür zu sein, dieses tolle Pferd bekommen zu haben. Mein Pferd, was alles für mich war.
Ich erinnerte mich an den Moment zurück, als ich eines Tages nach Hause kam und solch eine Trauer in mir trug. Die Schüler ärgerten mich und ich kam mit dem Mobbing gar nicht zurecht. Bis ich einen Blick in den Stall warf und dieses eine Pferd in der Box stand. Für mich war es der Segen, weil dieses Pferd meine Trauer durch Liebe ersetzte. Von dem Moment an glaubte ich alles, auch den harten Mobbingattacken überstehen zu können.
Als Ace mir anmerkte, dass ich in meinen Erinnerungen weg driftete, stupste er mich von der Seite an. »Millie? Millie bist du noch anwesend?«
Ich lächelte ungezwungen »Ja. Ich habe nur an etwas denken müssen.«
Warmherzig lächelte er mich an »Etwa daran, wie ein gut aussehender Jurastudent den Igel ins Studentenwohnheim geschmuggelt hat?«
Ein Lachen fiel mir von den Lippen und ich schüttelte mit den Kopf »Nein, sondern daran, wie unterschiedlich unsere Welten sind, aber wir beide denselben Wunsch hatten. Nur mit dem Unterschied, dass mein Wunsch eines Haustieres in Erfüllung ging.« Ein trauriger Ausdruck zierte meine Augen »Obwohl meine Eltern es sich nicht leisten konnten.«
Irgendetwas wandelte sich bei Ace. Eben wirkte er noch so gelassen, bevor er eine gewisse Strenge annahm. »Es ist nicht alles Gold was glänzt, Millie.« Mehr gab er dazu nicht preis, sondern schien gedankenverloren an seinem Eis zu lecken. »Geld ist nicht alles im Leben.«
Seufzend betrachtete ich ihn genauer »Für meine Eltern war das Geld überlebenswichtig, Ace. Sie haben sich mit Jobs über Wasser gehalten und ständig mit der Angst gelebt, dass es unser Ende sein wird.«
Er schien mir die Sorgen abzulesen, die ich seit Kind an in mir trug. Die Sorgen, die für ein Kind niemals existieren sollten. Die Angst darum, jederzeit auf den Straßen zu landen. Oder mit Kinderaugen zusehen zu müssen, wie Stück für Stück das Hektar Land geschmälert wurde. Die Sorgen eines Vaters, der manchmal zu sehr die Kontrolle verlor und seine Emotionen ausließ. Die Tränen einer verzweifelten Mutter, die ihren Mann dazu animierte, nie aufzugeben. Durch die Liebe waren meine Eltern durch Höhen und Tiefen gegangen.
Trotzdem schien es Ace nicht ganz glücklich zu stimmen. Im Gegenteil, er starrte sein Eis an und schien mehr mit Worten zu ringen. »Es kann belastend werden einen großen ehrfürchtigen Namen zu tragen. Oder in Fußstapfen zu treten, die zu groß sind.« Wortlos schloss er die Augen und atmete tief durch. Mit einem großen Seufzer blinzelte er gegen die Sonne und nahm eine angespannte Haltung an. »Was ich dir damit sagen will, ist, dass du nicht auf den Erfolg und auf das Geld von Menschen schauen sollst. Denn jedes hat seine Schattenseiten.«
Irgendwie hatte diese Konversation eine überraschende Wendung genommen. Was eben noch von Gelächter begleitet wurde, wurde von Seufzern untermauert. Wo die Augen bei Erzählung gestrahlt hatten, trat eine Leere in ihnen auf. Um nicht ganz in Melancholie zu fallen, unterbrach ich meine Gedanken und alles, was mir keine Ruhe lassen wollte. Mir selbst war der Appetit auf Eis vergangen. »Ich habe Angst zu versagen, dass die Fußstapfen, in die ich trete, nicht passen würden.«
Ace hob den Blick an. Er ahnte, worauf ich hinauswollte. Denn tatsächlich senkte er die Augenlider und stieß die Luft aus, die er in seinen Wangen sammelte. »Glaube mir, du bist nicht allein mit dieser Angst. Denn seine Fußstapfen haben wirklich große Spuren hinterlassen.«
»Er war ein Höhenflieger.«, fiel es mir von den Lippen.
Augenblicklich presste er die Lippen fest zusammen. »Er war ein Höhenflieger, bevor er den Tiefflug gemacht hat.« Seufzend stellte er das Eis auf den Boden und schüttelte mit dem Kopf. »Ich kann es einfach nicht realisieren, warum er seine Karriere weggeworfen hat.«
Wie gern hätte ich ihm zugestimmt, und wie sehr erinnerte ich mich an den Schmerz zurück, der in mir aufflammte. Um ihn zu verdrängen, kniff ich die Augen fester zusammen. Denn eine Frage brannte mir besonders auf der Zunge. Eine, die Ace vielleicht beantworten könnte. »Ace? Du hast mir erzählt, dass er in Nevada für sein Verbrechen verurteilt wurde.«
Sein Gesicht zeigte kaum eine Regung »Ja...«, fiel es ihm kühl von den Lippen und er fasste sich an sein Kinn. Obwohl er mir indirekt zeigte, dass er nicht für dieses Gespräch bereit war, setzte er wie von selbst zum Reden an. »Sie hatten ihn rausgeworfen, sobald sein Urteil verkündet wurde. Tagelang fetzten sich Norah und Evan in der Kanzlei, weil sie sich nicht einig waren, was mit Clark passieren würde. Und eines ist sicher, Evan wollte Clark nicht feuern.« Er schloss die Augen und atmete tief durch »Sondern er setzte alles daran, dass Clark irgendwie aus der Situation herauskommt.«
Bei seinen Worten wurde mir flau im Magen.
Und wieder trat ein kühler Ausdruck in seinen Augen auf »So ist nun mal ein Mentor. Er tut alles dafür, um seinen Schützling zu schützen. Egal wie viele Risiken er dafür in Kauf nehmen müsste.« Seine Lippen pressten sich zu einer dünnen Linie zusammen »Aber manche sind zu blind, um zu sehen, dass diese Straftaten ein absolutes Vergehen sind und bestraft werden müssen. Und dann muss selbst ein Mentor wie er einsehen, dass es keinen Sinn hat, für etwas zu kämpfen, was einen zeitgleich ruinieren kann.«
»Er hat ihn gekündigt.«, fiel es mir von den Lippen.
Ace nickte nur knapp »Sie haben ihn dazu gezwungen es zu tun.«
Ich hob fragend die Brauen an »Sie?«
»Die Kanzlei.«, erwiderte er tonlos und schnappte sich seinen Eisbecher. Mittlerweile war das Eis geschmolzen, was er seufzend betrachtete und er wieder nach Luft schnappte. »Was ich dir damit sagen will... du wirst in ziemlich große Fußstapfen treten. Und auch ich habe die Angst, dass sie sehr groß ausfallen werden. Denn ob man es hinnehmen will oder nicht, aber er ist unersetzbar. Und für den Mentor selbst wird es keinen weiteren Schützling mehr geben.«
Mir schnürte es in der Kehle zu. Evan Choose war Clark's Mentor, der sehr seinem Schützling nachtrauerte. Also war es auch kein Wunder, warum er so sauer auf Norah war, wieso sie mir Clark's Job angeboten hatte. Er setzte alles daran, damit Clark's Strafe abgemildert wird. Alles, um ihn nicht zu verlieren. Wie groß musste also die Erfolgsquote von seinem Schützling gewesen sein, damit so ein einflussreicher Anwalt wie Evan Choose sich für ihn stark machte?
Und weil mir diese Frage so sehr auf der Zunge brannte, konnte ich nicht anders, als sie Ace zu stellen. »Ist er...« ich schluckte schwer und gierte nach dem nächsten Atemzug »War er-«
»Ja...«, platzte es aus ihm heraus und nichts war von der Freude geblieben, die er vorhin noch mit mir geteilt hatte. Nur seine Augen ruhten auf mir, während er diesen Satz sagte, der mich völlig aus der Bahn warf. »Evan Choose hatte Clark als Anwalt verteidigt.«
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro