ELEVEN: Davis
Clark's P.o.v
Drei Dinge gab es, die ich niemals mehr vergessen würde. Meine Aufnahme für das Studium an der Harvard Universität, der Kurzurlaub auf den hawaiianischen Inseln und nicht zu vergessen meinen ersten gewonnenen Prozess. In all den dreien hatte ich ein Gefühl von Glückseligkeit verspürt. Von da an war ich glücklich, fühlte mich unbeschwert und alle Türe und Wege standen mir offen. Alles, was ich in meinen Händen hielt, würde ich zu Ruhm und Sieg erbringen.
Mittlerweile führte kein Weg mehr zum Sieg und die verfehlten Ziele, verliefen sich wie Sand am Meer.
Ich hatte jedes meiner Ziele verfolgt, fiel und prallte in einer Kollision gegen die Zielscheibe ab. Der Schmerz tat weh, das Aufstehen wurde zu einer Herausforderung und das Weiterkämpfen zu einer Belastung. Nur dieser Wille in mir, weiterzumachen, hielt mich aufrecht, auf festen Beinen zu stehen.
Jetzt in diesem Moment wurde ich von einer Schmerzenswelle erfasst, ertrank in einem Ozean, gepaart von Schmerz und Rückschlägen. Verirrte mich in einem Sturm von Gefühlen, die nicht zuzuordnen waren. Jeder Atemzug, jede Bewegung, schmerzte unermesslich. Doch nichts ging über den Schmerz weit hinaus. Einer, der sich ein Loch in das verwundete Herz fraß und sich vergrößerte.
Oh wie ich diesen Schmerz zu gut kannte, der nicht vergehen wollte.
Seit Jahren wurde dieser zu meinem ständigen Begleiter, mit jedem Schritt, den ich setzte oder welchen Weg ich bereit war zu gehen.
Müde öffnete ich meine Augen und das grelle Sonnenlicht stach mir mitten ins Auge. Genervt hob ich die Hand an, um ihn auszublenden, bis mein Blick zu meiner Hand wanderte. Eine Kanüle? Was hatte das zu bedeuten?
Schlagartig war meine Müdigkeit wie weggewischt und ich richtete mich im Bett auf. Hätte ich nur gleich die verbundenen Schläuche gesehen, denn von jetzt auf gleich knallte etwas vom Tisch und ein Schmerz durchzuckte mich.
Ich stieß ein lautes Schnauben aus. Verflixt und zugenäht. Automatisch ließ ich den Blick über den ganzen Raum wandern. Er stank nach Desinfektionsmittel und Tod.
Mir drehte sich der Magen um. Desinfektionsmittel?
Scheiße.
Verdammte Scheiße!
Was für eine Scheiße!
Als es mir gerade ins Bewusstsein drang, weder mich in meinem Zimmer, sondern in einem Krankenzimmer zu befinden, wurde mir flau im Magen. Sofort sank ich auf die harte Matratze zurück und kniff die Augen fest zusammen.
Das konnte doch wohl nicht wahr sein.
Einmal stieß ich die Luft wieder aus, die ich viel zu lange angehalten hatte. Dann kniff ich erneut die Augen zusammen, um wieder dieses Geschehen auszublenden. So lange, bis ich wieder auf meine Hand blickte und mich in aller Ruhe umschaute. Ich lag in einem Krankenhaus und das war gar nicht gut.
Doch ich kam nicht dazu, mich zu orientieren, weil ein Schmerz mich zurück in das Hier und Jetzt warf. Ein greller Schmerz schoss mir direkt in mein linkes Bein.
Reflexartig biss ich mir auf die Zähne zusammen. »Verdammt!«, fluchend richtete ich mich auf, versuchte es wenigstens, ehe ich daran scheiterte, weil mein Bein tatsächlich hochgelagert war. Na wunderbar, wie sollte ich von hier verschwinden können?
Schließlich hatte ich meine Gründe, die Krankenhäuser zu meiden. Zum einen, weil sie genau nach dem rochen, was ich nicht war. Nach kranken Menschen, nach dem Tod und Schicksalsschläge, die andere aus der Bahn geworfen hatten.
Mir war klar, dass mich nichts von hier halten wird. Genau deswegen stützte ich mich auf, hielt den Blick auf die Hand gerichtet und setzte den Versuch an, die Nadel herauszuziehen. Wenn es nur so einfach wäre. Denn es kam mir so vor, als würde sie wie festgetackert sein.
»Was soll das hier werden, wenn Sie fertig sind?«
Hastig riss ich den Kopf nach oben und blickte in die stinkwütigen Augen einer Krankenschwester. Oh nein, nicht auch das noch.
Selbstverständlich hatte sie mein Vorhaben die ganze Zeit beobachtet, wie ich, ihr Patient versuchte, an der Kanüle herumzudoktern.
Warum auch musste dieses Scheißding in meiner Vene stecken?
Weil ich nun mal ein Scheißkerl war und nie, wirklich nie klein beigab. Ich warf ich ihr einen finsteren Blick zu. »Wonach sieht es denn für Sie aus? Die Scheißnadel nervt mich und ich will sie nur raushaben!«
Kaum hatte ich ihr meine Antwort um ihre Ohren geschleudert, wirkte sie plötzlich ziemlich alarmierend. Sofort wollte sie sich in Bewegung setzen, bis ich schnalzend die Hand anhob. »Wagen Sie es ja nicht, hierherzukommen. Ansonsten kann ich wirklich für nichts mehr garantieren!«
Davis würde mir jetzt sagen, in der Ruhe läge die Kraft, aber ich konnte einfach nicht mehr ruhig bleiben. Wie verdattert starrte das junge Reh mich an, sie konnte es wohl kaum glauben, so von einem Patienten angefahren zu werden. Mit Sicherheit plante sie mich, auf Schachmatt zu setzen oder mir gleich eine Spritze rein zu jagen. Bevor sie sich ihren nächsten Schritt überlegte, wirbelte sie herum und ließ die Tür fluchtartig hinter sich zu knallen.
Ein lauter Knall vibrierte zwischen den Wänden wieder, sodass ich ächzend mich zurück in die Matratze presste. Was für ein Morgen, dachte ich mir und starrte missbiligt mein linkes Bein an.
***
Seitdem die Krankenschwester Reißaus nahm, hatte sie sich nichts mehr von sich hören lassen. Selbst kein Arzt hatte hier vorbeigeschneit. Mir sollte es recht sein. Sie konnten mir alle gestohlen bleiben, weil sie nur meine schlechte Laune abbekommen würde, die nur so von Langeweile geprägt war. Stattdessen drehte ich hier Däumchen und musste in meinem Zimmer ausharren. Noch bevor ich zum dritten Mal meine Hand abgetastet hatte, wurde die Tür aufgezogen.
In mir wütete der Hurrikan. Hatte Madam Krankenschwester nicht genug von mir zu Hören bekommen? Musste sie jetzt wirklich auf ihr Recht pochen, indem sie mir gleich einen Vortrag halten wird? Oder ist es endlich ein Arzt, der mich hier aus der Hölle herausholen wird?
Genervt starrte ich an die Decke. »Na endlich.« Bis ich mich fester an meiner Bettdecke festhielt. »Seit einer halben Stunde warte ich auf Sie. Es ist wirklich wunderbar so allein gelassen zu werden. Wirklich ich kenne viel bessere Krankenhäuser, die auf die Verpflegung ihrer Patienten achten und...« auf einmal verknotete sich meine Zunge, als ich mittendrin in das vertraute Gesicht von Davis starrte.
Mein bester Freund stand am Türrahmen, zog die Tür an sich heran und kam in eiligen Schritten auf mich zu. Achtlos hatte er alles auf den Stuhl geworfen, nur um direkt mit ausgebreiteten Armen auf mich zuzustürmen und sie um mich auszubreiten.
»Scheiße!«, entfuhr es ihm und wurde von seiner Umarmung zerquetscht. Währenddessen bohrte sich die Kanüle fester in meine Haut. Verflixt!
»Oh Gott du lebst!«, brachte er krächzend hervor und wieder wurde ich in eine Umarmung gezerrt. Wenn er nicht endlich loslassen würde.
Protestierend rang ich nach Atem. »Davis, wenn du mich nicht auf der Stelle loslässt, bekomme ich gleich keine Luft mehr!«
Und diese Mistnadel drückte sich fester in meine Vene, schoss es mir gedanklich hervor.
Davis hingegen stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Das ist mir egal.« Hastig ließ er von mir ab und verengte die Augen zu Schlitzen »Du verdammter Sturkopf! Wie kannst du mir so einen Schrecken einjagen?!«
Verärgerung machte sich in mir breit. Weil er schon wieder auf Kuschelkurs ging, stieß ich ein lautes Schnauben aus. »Wenn du so harmoniebedürftig bist, dann suche deine Frau auf und lass mich damit in...Scheiße flennst du etwa?«
Als ich seine rotunterlaufenen Augen bemerkte, hielt ich inne. War er denn so völlig neben der Spur?
Mein bester Freund bedachtete mich mit einem traurigen Blick, ehe er sich auf den Stuhl fallen ließ, den er an sich gezogen hatte. Sofort faltete er die Hände zusammen und sah zu mir auf. »Du hast uns allen einen großen Schrecken eingejagt. Weißt du das überhaupt? Nachdem ich von deinem Betreuer den Anruf erhalten habe, dass du dir eine Verletzung zugezogen hast, habe ich alles gecancelt und mich sofort auf dem Weg gemacht. Jade und Miles sind zuhause geblieben, aber Miles wollte am liebsten herkommen nur...« Er geriet ins Stocken und seine kugelrunden Augen blickten an die Decke.
Ich verspürte einen Stich von Enttäuschung. Denn er musste nicht aussprechen, was ich in den Sinn hatte.
»Er soll meinen Zustand nicht mitbekommen.«, nahm ich ihm den Satz aus dem Mund und blickte enttäuscht aus dem Fenster. Natürlich wollten sie es nicht. Sie wollten Miles vor mir schützen, so wie sie ihn immer in Watte einpackten, anstatt ihn mit der traurigen Realität zu konfrontieren. Vielleicht war es auch die beste Entscheidung, wenn Miles mich nicht so am Ende sehen würde.
Davis nickte, bis er die Hände verschränkte. »Clark, wenn es etwas gibt, was du mir zu sagen hast, dann weißt du doch, dass du immer auf mich zählen kannst.« Eine Schweigesekunde entstand, bevor er weiter fortfuhr. »Mist, ich habe versucht, dich anzurufen. Du hast jedes meiner Anrufe ignoriert und selbst meine Treffen abgewiesen.«
»Vielleicht habe ich nicht den Sinn darin gesehen, mich mit dir unterhalten zu müssen.«
»Aber ich habe dich immer unterstützt, Clark. Selbst bei dem Vorfall bin ich geblieben und habe dafür gesorgt, dass wir dich sicher aus der schrecklichen Nummer herausbekommen. Und wie bekomme ich etwas von dir zurück? Indem du mir aus dem Weg gehst, mich abweist und mich für etwas bestrafst, was ich nicht getan habe.«
Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster und presste die Lippen zusammen. Mir war nicht nach Reden zumute. Viel zu sehr verspürte ich eine gewisse Erschöpfung, weil ich all dieses Rechtfertigen so Leid war. Es reichte schon, dass er hier war. Vielleicht erfreute es mich, aber jetzt? Gerade erfüllte mich nichts außer eine Leere. Denn mir wurde alles genommen.
Einzig und allein mein Geld ist mir übrig geblieben. Doch wofür sollte man es verwenden, wenn alles andere in die Brüche ging?
Ein Blick zurück auf mein Bein und ich stieß einen weiteren Fluch aus.
»Der Arzt sagte, dass du dir einen Muskelfaserriss zugezogen hast.«
Abrupt drehte ich mich zu Davis um und starrte ihn entgeistert an. »Was?!«
Mein bester Freund presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und wirkte ziemlich mitgenommen. »Du hast dich übel beim Sport verletzt. Dein Betreuer hat dich bewusstlos in deinem Zimmer aufgefunden.« Er hielt inne und blickte mir ernst entgegen. »Bitte sag mir, dass es nicht wahr ist.«
Ich ahnte, was mich erwarten wird. Denn bevor ich etwas erwidern würde, schoss er direkt hervor. »Du hast trotz ärztlichen Rates dich über alles hinweg gesetzt und Sport gemacht?«
»Meine Güte, was würdest du denn tun, um nicht vor Langeweile umzukommen?«
»Es nicht soweit übertreiben, um am Ende im Krankenhaus zu landen, Clark!«
»Stimmt, weil du auch immer auf alles geachtet hast. Ich hingegen halte mich jung und das nur durch meinen Sport, den ich betreibe!«
»Aber doch nicht den ganzen Tag.«
»Und wieso nicht?!«, entfuhr es mir eine Spur zu laut. Mir wurde es egal, ob uns jemand beim Diskutieren hören würde. Augenblicklich kamen alle Erinnerungen wieder hoch »Ich habe nichts, was mich durch den Tag bringt, Davis. Meine Arbeit kann ich nicht mehr machen, weil ich aus der Kanzlei geschmissen wurde! Weder habe ich keinen Zugang zu meinem Laptop und von der Psychotante ganz zu schweigen, die mich wahnsinnig macht und eine inkompetente Null ist, ist meine Grenze jetzt erreicht!«
»Dann freunde dich doch mit den anderen an, Clark.«, versuchte er mir sanft den Vorschlag zu unterbreiten.
Automatisch setzte ich eine finstere Miene auf. »Das kannst du doch nicht ernst meinen. Wir wissen beide, dass Menschen mich nerven!«
Auf einmal trat ein Grinsen in sein Gesicht auf. »Ach was.« Dabei deutete er gestikulierend auf mich. »Wenn du schon sooo vor Langeweile umkommst, hättest du jederzeit mich anrufen oder herbestellen können. Aber nein, stattdessen musstest du alles ablehnen.«
Verflixt machte er mich wütend. Kopfschüttelnd betrachtete ich ihn aus schmalen Augen heraus. »Du weißt ganz genau, dass ich es nicht will. Wann kapierst du das endlich? Ich will nicht zum Hörer greifen, um dir das Gefühl zu vermitteln von dir als Freund gebraucht zu werden.«
Schlagartig verschwand sein Grinsen aus dem Gesicht. »Wow.« Sein Blick wirkte gebrochen. »Du hast schon immer ein Gespür dafür gehabt andere zu verletzen. Empathie war schon immer für dich ein Fremdwort. Vielleicht ist es mal an der Zeit, sich einzugestehen, dass du nicht allein mit allem dastehst. Denn du bist nicht allein.« Davis fasste sich ans Herz, wollte gerade den Mund aufmachen, bis wir von einem Türklopfen unterbrochen wurden.
In mir wütete es. Na wunderbar der Arzt ist da.
»Herein.«, platzte es aus mir heraus und schon wurde die Tür geöffnet. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als eine junge Ärztin ins Zimmer kam. Für meinen Geschmack war sie zu jung für diesen Beruf und lächelte viel zu viel mit ihrem Zahnpastalächeln.
Sobald sie vor meinem Bett stehen blieb, senkte sie den Blick zu mir. »Ah Sie sind schon wach, Mr. Larson. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Dr. Johannison.« Gefühlte Minuten erklärte sie mir in einem langweiligen Monolog, für was sie alles zuständig wäre. Erst als ich mit den Augen rollte, riskierte sie den Blick in meine Krankenakte.
»Also was haben wir denn hier...oh ja den Muskelfaserriss. Ich erinnere mich.« Sie wackelte mit den Brauen. »Tja das passiert wohl, wenn man sehr sportaffin ist.«
Während neben mir ein Lachen fiel, verschränkte ich fluchend die Arme vor meiner Brust. »Das scheint wohl so.«
Dabei fing ich mir von Davis einen Seitenblick ein.
Als die gute Frau Doktor nichts erwiderte, durchbrach ich das Schweigen. »Na sagen Sie schon endlich. Wann kann ich das Krankenhaus verlassen und mich meinem Sport widmen?«
Die Ärztin ließ ihre Augen über die Akte wandern, ehe sich unsere Blicke ineinander verhakten. Erst wirkte sie ziemlich verwundert, bis sie sich das Haar schüttelte und in einem Gelächter ausstieß. »Oh sie haben mich damit gemeint, haha. Das habe ich total vergessen.« Wieder versuchte sie, es mit einem Lächeln abzutun.
Langsam platzte mir der Kragen. »Und?«, hakte ich ungeduldig ein und gab mein bestes, nicht genervt zu klingen. Inzwischen ging mir nämlich diese Grinsekatze ziemlich auf den Zeiger. Aber weil ich mich nur in Geduld wiegen konnte, wartete ich auf ihre Antwort ab. Und wie schnell sie ihr über die Lippen fiel.
»Ach Sie meinten es ernst.« Tiefdurchatmend klappte sie die Akte zu. »Es tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, aber Sie müssen doch verstehen, dass es so schnell mit dem Sport nichts wird. Ich denke in sechs Wochen können Sie den Sport wieder fortsetzen.«
Mir klappte die Kinnlade herunter. Sechs Wochen?!
»Sechs Wochen?! Ich soll also sechs Wochen mit dem Sport aussetzen?«
»Nun Sie haben doch den Muskelfaserriss, nicht wahr? Also ja, damit es nicht zu einem schlimmeren Ausmaß kommt, sind sechs Wochen Ruhe gut angesetzt.«
»Das ist doch wohl ein Witz oder?« Krampfhaft stieß ich ein Lachen aus und starrte zu Davis. Nur war ihm so ganz und gar nicht nach Lachen zumute. Und waren wir doch ehrlich? Mir auch nicht.
Selbst die Ärztin guckte bitterernst. »Mr. Larson, Sie können den Sport nicht ausüben. Ob in einer Woche oder vor den sechs Wochen. Ihr Bein muss hochgelagert werden. Sie können vom Glück reden, dass sie noch gut davon gekommen sind. Aber wenn Sie sich nicht endgültig zusammennehmen, könnte sich Ihr Muskelfaserris verschlimmern und bleibende Schäden könnten zurückblieben. Und glauben Sie mir, dann können Sie erst recht keine Sportart mehr ausüben.«
»Mit anderen Worten, ich soll froh sein nicht als Krüppel degradiert zu werden.«, entfuhr es mir.
Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter. »Clark.«, erwiderte Davis ruhig.
Meine Augen verengten sich. »Was denn? Das ist doch so. Ich soll mich ausruhen, wovon ich jetzt schon die Nase gestrichen voll habe. Hast du deine Ahnung, was das für eine Zumutung sein wird, wieder alle Muskeln aufzubauen, die in den Wochen verloren gehen? Und dann auch noch in meinem Alter? Da kann ich erst recht einpacken, weil alles an Muskelmasse abbauen wird.« Wütend warf ich die Arme in die Luft. »Und wofür? Weil ich nur ein paar Liegestützen gemacht habe, nachdem mir der Sport verwehrt wurde.«
»Sie können froh sein, dass es nur zu sowas gekommen ist, Mr. Larson. Vielleicht versuchen Sie mal auf die Signale zu achten, die Ihr Körper mitzuteilen versucht.« Mit diesen Worten verabschiedete sich die Ärztin von mir und ließ mich mit meinem besten Freund allein zurück. In einem Raum, wo die Enttäuschung viel größer wurde.
Nachdem ein Krankenpfleger die Nadel aus der Vene gezogen hatte, breitete sich eine betrübte Stimmung zwischen Davis und mir aus.
Ich musterte mein Bein, bekam den Becher auf der Anrichte zu fassen und schmetterte ihn gegen die Tür. Davis ließ mich völlig in Ruhe, stattdessen nahm er mich ins Visier und stand mir bei. Erst als ich alles vom Tisch gefegt hatte, griff er direkt ein.
»Clark, das hat doch alles keinen Zweck.«
»Ich kann einpacken, Davis. Jetzt kann ich alles hinwerfen, weil es nichts mehr gibt. Erst verliere ich meinen Job, dann scheitere ich mit der Therapie und jetzt wird mir der Sport genommen. Was tue ich noch hier?«
Lange hatte er mit sich gehadert, bis ein Lächeln seine Lippen umspielte. »Du bist hier, um zu kämpfen, weil du nie eine Niederlage einsteckst.« Langsam drückte er meine Schulter. »Hörst du? Du gibst nie auf und hast für jedes Problem eine Lösung gefunden.«
Niedergeschlagen starrte ich ihn an. »Und welche soll es sein? Ich bin raus aus der Kanzlei und musste mich in Therapie begeben, weil der Richter glaubt, dass das mich wieder auf die richtige Bahn bringt. Dabei lenkt mich nichts auf die richtige Bahn. Allmählich glaube ich daran, den Verstand zu verlieren.«
Wenn ich noch weitere Tage in diesem Zimmer fristen werde, werde ich noch völlig verrückt sein. Diese ganze Gedankensache raubte mir die Gehirnzellen.
Mein bester Freund konnte nicht anders, als zu nicken. »Und auch hierfür werden wir eine Lösung finden. Bis dahin sollst du dich ausruhen, Clark.« Wortlos schnappte er sich seine Sachen, stülpte sich seine Jacke über, ehe er sich zu mir umdrehte. Sorge spiegelte sich in seinem Gesicht wieder. »Wenn es etwas gibt, was ich für dich tun kann, dann weißt du, wo du mich findest. Mein Handy steht niemals für dich still. Ich möchte, dass du das weißt.«
Ich nickte nur stumm, bis er sich der Tür annäherte. »Wir finden eine Lösung. Wie für all die Probleme, die wir bisher lösen konnten.« Damit zog er die Tür auf und warf mir ein letztes Grinsen zu. »Nimm dir endlich eine Auszeit. Wenn jemand zur Ruhe kommen darf, dann du, Clark.« Ohne weiteres fiel die Tür hinter mir ins Schloss.
Abrupt sank ich auf die Matratze zurück und starrte gedankenverloren den Nachttisch an. Mein Blick schärfte sich, als ich etwas hervor nahm, was in Seidenpapier gehüllt war.
Rasch riss ich das Seidenpapier auf und blickte einer Fotografie entgegen, die mich mit Miles zeigte. Zusammen grinsten wir frech in die Kamera, während ich ihm die Prothesen umschnallte. Es war der Tag, wo er sie von mir als Geschenk bekam. Neben ihn war Buddy, der sich an meinem Hosenbein angelehnt hatte.
Langsam betrachtete ich das Bild und drehte es dabei um. Als ich die Schrift las, musste ich grinsen.
- Für den besten Onkel auf der ganzen Welt. Ich hab dich lieb. -
»Ich hab dich auf lieb, Miles.«, murmelte ich leise vor mich hin und hielt das Foto fest.
Wenn ich also keine Stärke in mir fühle, dann musste ich lernen, mit der Schwäche umzugehen. Für Miles, für Jade und für Davis.
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