ONE: Park Avenue
Clark Larson
Ich hatte es gewusst. Dieser Scheißmorgen war einfach nur beschissen.
Ich straffte die Schultern und blickte erneut auf mein Mobiltelefon. Inzwischen befanden sich viele Anrufe und Nachrichten auf meinem Telefon, weshalb ich mit einem tiefen Seufzer das Handy wieder entsperrte. Was für Nervensägen. Seufzend umklammerte ich die Aktentasche, richte meinen Anzug und warf erneut einen Blick auf die Uhr. Meine Augen verfolgten den Zeiger meiner silbernen Armbanduhr.
Ich hörte das schwere Schlucken meines Chauffeurs, der angespannt die Finger knetete. »Sir?«
Wie jeden Tag, erwartete Phoenix eine Anweisung von mir. Also hob ich den Kopf an und nickte ihm streng zu. »Sie werden immer besser.« Mit einem Seufzer klopfte ich ihm auf die Schulter, bis ich von Phoenix wegtrat und ihm den Rücken kehrte. Während ich auf mein Handy schaute, erhob ich erneut das Wort. »Sie können sich für den Rest des Mittags freinehmen. Ich erwarte Sie um 9 PM pünktlich vor der Kanzlei.«
Ich machte mir nicht die Mühe, auf Phoenix Antwort einzugehen, sondern winkte mit der Hand und stürmte auf das Gebäude zu. Mittlerweile sollte er es von mir gewohnt sein, keine sinnlosen Antworten von mir zu bekommen. Denn ich vermied es, eine Beziehung zu meinen Angestellten aufzubauen. Bei dem Wort Beziehung spürte ich die Wut in mir hochkommen.
Wie aufs Wort klingelte mein Handy, welches ich aus meinem Trenchcoat herausfischte und ihren Namen auf meinem Display ablas. Kopfschüttelnd drückte ich ihren Anruf weg und verstaute mein Handy in meine Hosentasche. Meine müden Augen starrten zur Rezeption, wo die Sicherheitsleute am Empfangsbereich saßen und nur darauf warteten, mir den Einlass zu gewähren. Immerhin müssten sie wissen, wer ich war. Als Juniorpartner unserer Kanzlei dürfte ich nicht mehr unbekannt sein. Trotzdem, als ich den kleinen Mann am Bereich sitzen sah, den ich noch nie zuvor im Leben im Park Avenue gesehen hatte, machte ich mich dazu bereit, meine Karte vorzulegen. Sobald ich vor dem Bereich zum Stehen kam, musterte der Kleine mich besonders. So sehr, dass er scheinbar seinen Tätigkeiten als Sicherheitspersonal vernachlässigte.
Ich zuckte mit den Mundwinkeln. »Gibt es ein Problem?«
»Ich habe Sie noch nie hier zuvor gesehen«, blaffte der Mann und fasste sich ans Kinn.
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Sollte ich ihn überhaupt ernst nehmen, wenn er nicht wusste, dass ich seit fünf Jahren hier an der Kanzlei Choose & Harper arbeitete?
Ohne auf seine Frage einzugehen, steckte ich die Hände in den Taschen meines Trenchcoats und nahm ihn in Augenschein. Kleiner Mann mit drei Barthaaren und einer Haltung wie ein Sack Kartoffeln. Absolut unsicher, hatte keine Erfahrung und kann schnell ausfallend werden. Ich musste es wissen, denn ich hatte Mandanten gehabt, die gingen mir nicht einmal über die Schulter. Kleine Männer waren die Böcke in der Männerwelt. Wo Frauen zu Zicken mutierten, musste man mit kleinen Männern auf der Hut sein. Doch dieser Typ war weder ein Mann, noch erwachsenhaft genug. In meinen Augen wirkte er wie ein Kind. Wie ein Teenager, der dazu verdonnert wurde, hier im Sicherheitsbereich auszuharren.
Der Bursche musterte mich nun durchdringender. Anscheinend entging ihm mein Aktenkoffer, den ich festhielt. Ein Blick auf die Uhr und ich spürte, wie die Anspannung in mir zunahm. Schon zwei Minuten zu spät.
Weil er immer noch in seinem Mustermodus zu sein schien, tippte ich auf meine Uhr. »Wie lange wollen Sie mich noch mustern Mr. ...«, begann ich und warf einen Blick auf sein Namensschild. »Hopps.«
Da hatte ihn wirklich jemand „Hops" genommen!
Mr. Hopps, den ich aufgrund seines Familiennamens nun gar nicht mehr ernst nehmen konnte, warf mir einen stechenden Blick zu. »Jeder könnte hier mit einem Aktenkoffer hineinkommen und sich als sonst jemandem ausgeben.«
Beinahe hätte ich mich an meiner eigenen Zunge verschluckt. Wie bitte?
Ich hob den Aktenkoffer an und fing an zu grinsen. »Sie wollen mir also sagen, dass ich ein Jemand sein kann, und das nur, weil ich einen Aktenkoffer mit mir trage?«
Mr. Hopps wollte gerade zur Antwort ansetzen, bis ich ihm ins Wort fiel. »Wollen Sie mir wirklich zu Verstehen geben, dass ich hier ein Niemand bin?«
»Sir, Sie haben-«
Doch ich ließ ihn keine Minute länger ausreden, sondern winkte mit der Hand. »Ich habe genug gehört, Mr. Hopps.« Sekundenschnell krempelte ich den Ärmel nach oben und meine Uhr blinkte wieder auf. Ziemlich genervt deutete ich auf meine Armbanduhr. Nein, es ging mir nicht darum, den Sicherheitskräften zu zeigen, dass ich eine Fünfzigtausend Dollar Uhr um mein linkes Handgelenk trug, sondern wie viele Minuten bereits vergangen waren.
»Sie haben schon fünf Minuten meiner Lebenszeit mit diesem Unsinn verschwendet, Mr. Hopps. Ich empfehle Ihnen also mir die Tür zu öffnen oder ich stelle Ihnen mein Honorar aus, welches sich auf meine vergeudete Lebenszeit belaufen wird.« Augenblicklich knallte ich meine Karte auf den Tisch und verengte die Augen zu Schlitzen. »Sehen Sie zu!«
Ihm fiel alles aus seinem Gesicht, als er meine Karte anschaute. In Windeseile versuchte er, den Knopf zu betätigen, verfehlte ihn dabei aber immer wieder. So nervös war er nun, nachdem ihm bewusst wurde, dass ich hier kein Niemand war.
»Verzeihen Sie, M-Mr. L-Larson ...«, begann er zu stottern.
Wortlos schnappte ich mir meine Karte, sandte ihm einen letzten Blick, bis ich mich zu den Fahrstühlen begab.
***
Ziemlich verspätet, 6 Minuten, um genau zu sein, erreichte ich die Kanzlei und mich erwarteten zeitgleich viele Situationen, die ich kaum managen konnte. Unsere Empfangsdame, Martha Maniac, eine sehr liebliche und doch zu mütterliche Frau, sprang von ihrem Platz auf und beugte sich über ihren Tisch.
»Mr. Larson! Mr. Larson!«, fing sie an zu krakeelen, was mir jeglichen Nerv raubte.
Verdrossen hörte ich das Geklingel meines Handys und erblickte erneut ihren Namen. Während ich den Weg zu meinem Büro antrat, wurde ich von vielen Arbeitstieren umgarnt. Die helfende Hand meines Kollegen, Randy Batters, ein aus meiner Sicht schlunziger „Lehrling", lief neben mir wie ein Hund her und begann erneut mit seinen typischen Monologen zu punkten. Konversationen, die mich kein Stück interessierten.
»Oh Mr. Larson! Wie cool, dass Sie mit am Start sind! Wussten Sie schon, dass ich meinen eigenen Pro Bono Fall haben darf? Natürlich muss Mr. Roderick mich anleiten, aber ist es nicht der absolute Wahnsinn?«
Ja, der absolute Wahnsinn. »Mein Beileid«, erwiderte ich trocken und richtete meine Augen auf mein wieder einmal klingelndes Handy. Dieses Mal war eine weitere Nachricht eingetroffen, die ich schnell überflog.
Leider Gottes konnte ich immer noch nicht von dieser Klette loskommen, die mir immer halbwegs ins Ohr brüllte: »Es ist absolut oberaffengeil, Mr. Larson! Ich darf einen Fall betreuen und mich auf den Prozess vorbereiten und-«
Er stockte, als meine Augen sich verengten und Kontakt mit seinen machten. Durch diesen Blick signalisierte ich jedem, die Klappe zu halten und mich am besten in Ruhe zu lassen. Die Tatsache, dass es jedes Mal funktionierte, überraschte mich selbst immer wieder aufs Neue. Trotzdem zögerte ich nicht länger, sondern strebte den Weg zu meinem Büro an. Es war mir unwichtig, ob der nun verdatterte ahnungslose Lehrling von mir abgewiesen wurde oder nicht.
Mrs. Maniac wollte gerade auf mich zukommen, bis ich mein Handy ans Ohr klemmte und mich kopfschüttelnd von allem abwandte. Währenddessen wartete ich, dass jemand abnehmen würde, doch wie ich feststellen musste, spielte wieder jemand mit meiner getimten Arbeitszeit.
Ein Blick zu Mrs. Maniac und schon schloss sie ihren Mund und kehrte mir den Rücken zu. Wortlos peilte ich weiter den Weg zu meinem Büro an. Die Augen aufs Display geheftet, die Gespräche von den Menschen abgelehnt.
Wie von selbst erreichte ich meinen Platz, öffnete die Glastür zu meiner Etage und schloss sie wieder. In der Mitte befand sich der runde Tresen von meiner Rechtsgehilfin und Assistentin Rhiannon Flanell, die sich vom Tresen erhoben hatte und mir ein Lächeln zuwarf. Nur das dieses wie weggewischt war, als sie meinen kalten und durchdringenden Gesichtsausdruck begegnete.
Ihre piepsige Stimme ertönte durch den Raum und ließ mich hellhörig werden. »Guten Morgen, Mr. Larson. Ich hoffe, Sie haben ein angenehmen Morgen gehabt.«
Rhiannon war eine zu liebe, offenherzige und weiche Person. Eine, die aus meiner Sicht der Aufgabe absolut nicht gewachsen war. Sie war einfach in ihrer Persönlichkeit zu lieb und auch zugleich verletzlich.
Ob ich einen angenehmen Morgen gehabt habe? Dass ich nicht lachte. Ich hatte einen Scheißmorgen gehabt. Erstens musste ich in einem Hotel ausharren, die Firma anrufen und den Antrag stellen. Von wegen, ich hätte einen angenehmen Morgen gehabt.
Rhiannon schob die Unterlippe weiter hervor und wirkte ziemlich unschuldig. Nein, ich korrigierte mich: Sie war unschuldig. Sie war die Unschuld in Person. Durch ihre kindliche Art, diese Stupsnase und die Sommersprossen auf ihrer Nase, wirkte sie wirklich wie ein Unschuldslamm.
Ja, mir entging es nicht, dass sie mittlerweile die Schüchternheit abgelegt hatte. Wobei, jetzt, wo sie sich wieder von mir einschüchtern ließ, konnte ich mir nicht die Frage beantworten, ob sie immer noch schüchtern sei. Rhiannon war einfach eine Nervensäge. Ich wusste auch nicht, was mich damals dazu geritten hatte, sie einzustellen. Vielleicht weil sie kein eigenes Privatleben hatte oder mich kein Stück anschmachtete.
Nur, dass ich sie tatsächlich in der ersten Woche beim Starren erwischt hatte. Während ich mir den Anzug wechselte, hatte ich ihr zu Verstehen gegeben, schnellstens das Weite zu suchen.
Damals war ich auch noch an eine Frau vergeben. Eine, bei deren Namen ich das Kotzen bekam. Und als wenn es nicht genug Folter war, prangte das Foto von ihr auf dem Tresen, welches ich sofort an mich nahm und es hasserfüllt anstarrte. Meine besten Freunde. Davis und das Miststück. Unsere ziemlich jungen Fratzen blickten mir entgegen. Es war ein Schnappschuss, auf dem wir zu dritt in die Kamera lächelten. Davis Frost, mein bester Freund, hatte die Kamera festgehalten und verschmitzt gegrinst. Er wollte wirklich witzig sein, sodass er dieses Foto mit einem Augenzwinkern unterstrich. Ein Augenzwinkern mit Kussmund und zusammengekniffene Brauen. Nun ja, ich war selbst damals ein Draufgänger gewesen. Bevor ich nach Harvard ging und sich alles für mich schlagartig änderte. Selbst ich hatte eine Schnute gezogen, die man bei mir heute nicht mehr sehen würde. Zusammengekniffene Augen, herausgestreckte Zunge und dieses Funkeln in meinen Augen.
Enttäuschung kam bei mir hoch. Ich ignorierte die Tatsache, dass sie das Bild kaputt machte und beachtete es nicht mehr länger. Schleunigst umklammerte ich das Foto, öffnete den Bilderrahmen und zog es daraus.
»Es ist ein schönes Foto«, beteuerte meine Assistentin.
Eine Gewitterwolke tauchte über mir auf und ließ imaginären Regen auf mich einströmen. Ohne weiteres riss ich mich aus der Starre los, hielt das Foto mit meinen Fingern fest und zerriss es in zwei Hälften. Nur die Hälfte mit Davis und mir nahm ich an mich und entfernte mich von Rhiannons Arbeitsplatz.
Ich vernahm, ihr scharfes Lufteinziehen, bis ich den Kopf anhob und meine stechenden Augen sich in ihre einbrannten. Wortlos drängte ich mich an ihr vorbei und steuerte auf die Bürotür zu. Wie zuvor haben wir eine Glaswand, die unser Büro von anderen trennte. Der Unterschied bei mir und Ace lag nur darin, dass wir unsere eigene Etage hatten. Seufzend drückte ich die Klinke mit der Hand durch und platzte in mein Arbeitszimmer. Mein Büro erstrecke sich um weiten. Mein markanter Glastisch positionierte sich im Mittelpunkt, dass jeder, der eintreffen würde, mir ins Sichtfeld käme. Rechts befanden sich meine Regale, gefüllt mit Büchern und Habgut. Zwei Gitarren prangten über den Regalen, die als Accessoire dienten. Links befand sich eine schwarze Ledercouch, ein schwarzer Glastisch, wo eine Karaffe mit Wasser stand, sowie meine Ruhezone. Auf der Couch hielt ich die ein oder anderen „Schlafminuten", wenn ich zu erschöpft war, an meinen Sachen weiter zu arbeiten.
Augenblicklich ließ ich den Trenchcoat auf das Sofa fallen und peilte meinen Schreibtisch an. Dabei knallte ich das Foto auf den Tisch und ließ mich auf meinen Ledersessel fallen. Genervt schaltete ich das Telefon ein und platzierte meinen Aktenkoffer auf meinem Arbeitsplatz. Dabei holte ich meinen Laptop heraus, legte die Aktentasche weg und machte mich bereit, den Stift in die Hand zu nehmen und ein Post-it vom Stapel abzureißen. Schnell notierte ich die Sachen, drückte auf den Knopf, der bei Rhiannon ertönte und sie von ihrem Platz aufstand.
»Sie haben mich gerufen, Mr. Larson?«, pflegte sie zu sagen und wagte es erneut, ein Lächeln aufzusetzen. Nur das mir nicht zum Lachen zumute war und ich auf meine Notiz deutete.
»In der Wall Street muss mein maßgeschneiderter Anzug abgeholt werden, den ich bei den Falcons anfertigen ließ. Um Punkt 11 AM muss ein Geschenk bei der Innenraumarchitektin vorliegen, die mein Büro entworfen hatte.«
»In Ordnung, Sir.« Rhiannon wollte den Zettel an sich nehmen, jedoch hielt ich ihn weiterhin in meiner Faust fest.
»Das war noch nicht alles«, setzte ich mit Nachdruck an.
Abrupt blickte sie auf.
Ich erhob das Wort erneut. »Wo ist mein Espresso?«
Eine Frage und ihre Augen wurden so groß wie Bälle. Gleich wird es kommen. Gleich wird sie mich in den Wahnsinn treiben. »Mr. Larson ...«, fing sie an zu hüsteln und knetete ihre Finger. »Ich hatte heute wirklich Zeitdruck gehabt und ... und-«
Die typische Ausrede, ich hätt's mir denken können. »Und doch finde ich auf meinem Schreibtisch keinen Espresso vor.«
Sie erstarrte. Ruckartig nahm ich die Haftnotiz und begann daraufhin etwas drauf zuschreiben. Schließlich legte ich ihr den Zettel vor die Nase und tippte mit dem Kugelschreiber darauf. »Sie erhalten viel Gehalt für so wenig Arbeit. Aber weil Sie zu inkompetent sind, mir wie vereinbart jeden morgen um 6 AM einen Espresso auf meinem Schreibtisch zu stellen, werde ich es wohl überdenken müssen, ob Sie für so eine miserable Leistung entlohnt werden sollten.«
Schmerzlich verzog sie das Gesicht. »Ja, Mr. Larson.«
»Sie haben einen tollen Job, worum sich andere darum reißen würden. Sie haben die Ehre, in der Park Avenue zu arbeiten und Sie könnten aufsteigen. Aber ihre Inkompetenz, die sich für mich viel zu viele Male wiederholt, zeigt mir nur, dass Sie nicht den Aufgaben gewachsen sind.«
Wut flackerte in mir auf, weil ich ein Bild im Kopf hatte, wie sie sich gut gelaunt mit ihr vor meinem Büro unterhalten hatte. Sie hatten sich mehr als gut verstanden.
Rhiannon atmete tief durch und wirkte jetzt schon ziemlich verheult. »Ich nehme meinen Job sehr ernst, Mr. Larson und-«
»Sie können gehen!« Entfuhr es mir von jetzt auf gleich und ich überreichte ihr den Zettel. »Hier ist ihre Aufgabenliste, die Sie heute abzuarbeiten haben.«
Hoffnung keimte in ihr auf und sie wirkte ziemlich zuversichtlich. »Danke sehr, Mr. Larson. Ich werde es wiedergutmachen und-«
»Nun, wenn ich in der nächsten angeschlagenen Stunde nicht meinen Espresso erhalte, brauchen Sie gar nicht mehr hier aufzukreuzen.« Damit machte ich meinen Standpunkt klar. Ein Machtwort, ein gesetztes Ende für diese Konversation.
Sie weitete die Augen, blickte auf die Haftnotiz und verfiel in einem Schockmodus. »Aber ... aber das wird meinen Tag mehr als überbrücken und und-«
»Richtig.« Meine Mundwinkel hoben sich direkt an, weil sie einfach ein IQ von einer Eintagsfliege besaß. »Und wissen Sie, wer noch den Tag überbrücken muss? Ihr Chef, weil ihr Chef keinen Espresso bekommt und Sie wissen doch sehr genau, dass dieser Anwalt nicht ohne seinen Espresso funktionieren kann!« Ich erhob mich von meinem Platz und starrte auf die Person nieder.
Rhiannon stieß einen schweren Seufzer aus und begann wieder mit ihrer weinenden Stimme zur Antwort anzusetzen. »Mr. Larson, es tut mir wirklich leid und-«
»Sie bleiben so lange, bis ich mit allem durch bin.« War das Letzte, was ich ihr zu Verstehen gab, bevor ich sie wegschickte.
***
Ich stand am Rande des Wahnsinns. Angefangen von hysterischen Anrufen der Oberzicke bis hin zu einer tollpatschigen Rechtsgehilfin, die mir wirklich jeden Nerv raubte. Während ich gerade in einem Telefonat feststeckte und endlich meinen Espresso in der Hand hielt, war ich gerade darauf gefasst, meinem Mandanten zu antworten. Bis die Tür allerdings aufgeschoben wurde und ich meinen Partner in mein Büro reinplatzen sah.
Ace Kidd, Anwalt für Arbeitsschutz, kam auf mich zugesteuert und hatte dieses süffisante Grinsen im Gesicht. Nicht nur, dass Ace ohne anzuklopfen mein Büro betreten durfte, Ace war einer der Seniorpartner der Kanzlei. Erst vor kurzem wurde er zu einem ernannt, hatte das Startkapital von einer halben Million Dollar erbracht und sein Büro nach oben verlegen lassen.
Ace Kidd galt als gerissen, schlau, taktvoll und wusste mit Menschen umzugehen. Außerdem nervte Kidd nicht, sondern hatte immer ein offenes Ohr für gewisse Themen übrig.
Ich ignorierte Ace, bis ich zu dem sabbelnden Mandanten sagte: »Mr. Lowel? Ich werde mich später bei Ihnen zurückmelden.« Damit hatte ich das Telefonat beendet und nahm Ace in Augenschein. »Kidd.«
Ace grinste vor sich hin. »Larson, was treibst du denn hier? Schikanierst du wieder deine Assistentin?«
Ich wusste, dass Rhiannon einfach zu weich war, dass sie sich bei ihm ausweinen musste. Trotzdem ließ es mich kalt und ich deutete Ace sich hinzusetzen. Er ließ sich auf den Stuhl fallen und nickte mir zu.
»Lass mich raten ...« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und hielt den Blickkontakt zu Ace aufrecht. »Dieses Mal habe ich ihr das Herz gebrochen.«
Ace schüttelte den Kopf und richtete sich auf. »Fast. Du hast ihr das Herz gebrochen und giltst als ein seelenloses Wesen, was kein Herz besitzt, sondern egoistisch ist.«
Bei seiner Aussage fing ich an zu lachen. »Ach, heute bin ich also der Empathielose und Egoist? Gott, die muss sich doch mal entscheiden.«
»Wie auch immer, aber was hast du dieses Mal angestellt? Sie hat richtig geheult.«
Ich kniff nur die Brauen zusammen. »Rhiannon hat meinen Espresso erneut vergessen. Dabei muss man doch wissen, dass ich nicht ohne Kaffee funktionieren kann.«
Ace konnte sich sein Grinsen nicht verkneifen. »Trink doch einen Tee.« Ich warf ihm einen genervten Blick zu, was er mit lautem Gelächter quittierte. »Gott nochmal, Larson, du bist heute echt mürrisch drauf. Ist es wirklich wahr?«
Fragend hob ich den Kopf. »Was soll wahr sein?«
Ace deutete auf das Foto, was rechts auf dem Tisch lag. »Na, dass sie dich links liegen gelassen hat.«
Wut flackerte in mir auf. Verdammt, woher wusste er denn das schon wieder? Woher wusste er ...
Als mich die Erkenntnis traf, hielt ich inne und schlug mir auf die Stirn. Rhiannon.
»Sie hat es dir erzählt?«, platzte es aus mir heraus und ich spürte, wie es plötzlich eng um meinen Hals wurde. So wütend wurde ich auf sie, dass ich Wände durchboxen könnte.
Ace nickte nur und spielte sich weiter auf. »Alter, Rhiannon hat es zum Besten gegeben, dass du das wichtige Foto zerrissen hast und solch eine miese Laune hast wie sonst was.«
Bei seiner Aussage ballte ich die Hände zu Fäusten, sprang vom Stuhl auf und kehrte Ace den Rücken zu. Während er mich beobachtete, malte ich mir aus, wie ich Rhiannon zusammenstauchen werde.
»Also du und Freya ... seid ihr wirklich ...«
»Ja!«, entfuhr es mir, während ich den Blick über Midtown Manhattan schweifen ließ. Ich steckte die Hände in den Hosentaschen.
Ace stieß die Luft aus. »Ach du grüne Neune und ... wie ist es passiert?«
Ohne weiteres drehte ich mich zu Ace um. »Sie hat mich betrogen.«
Aces Augen weiteten sich und ihm klappte die Kinnlade auf. Jedoch fehlten ihm die Worte, sodass ich die Zeit nutzte, um mir das Glas vom Couchtisch zu nehmen. Erst als ich den Blick über meine Bücher schweifen ließ, vernahm ich seine Stimme erneut. »Scheiße, Clark, das ist schlimm! Ich weiß nicht, wie ich dir irgendwie helfen kann.«
Ein diabolisches Grinsen schlich sich auf meine Lippen und ich rieb mir das Kinn. »Oh, du könntest mir in der Tat helfen.«
Ace musterte mich fragend. »Inwiefern?«
»Du müsstest für mich eine Klage einreichen.«
Ace kniff die Brauen zusammen. »Ist es das, was ich denke?«
»Ganz genau.« Abrupt lehnte ich mich an mein Regal und nahm ihn in Augenschein. »Da du im Arbeitsrecht tätig bist und dich besser mit diesem Kram auskennst und ich ungern meine Zeit damit vergeuden möchte, will ich, dass du eine Malerfirma anklagst. Sei kreativ und lasse dir was dazu einfallen.«
Ace fing an, sich etwas zu notieren. »Und wer ist der Auserwählte?«
»Der, der meine Ex-Freundin in meinem Bett gevögelt hat«, ergänzte ich trocken.
Er stieß einen Pfiff aus. »Ich kann schauen, was sich machen lässt.« Ace grinste teuflisch. »Aber bist du dir im Klaren, dass der Typ nie wieder einen Job haben wird?«
Mit dem nächsten Atemzug stieß ich die Luft aus. »Ich bin mir sicher.« Ich nahm etwas vom Schreibtisch und ging auf Ace zu. Es war die Visitenkarte des Malerbetriebs, die ich ihm entschlossen in die Hand drückte. »Hier sind die Kontaktdaten. Verklage die Firma oder führe ein Telefonat. Wie auch immer, aber du sollst dafür sorgen, dass der Kerl keinen Job mehr in dieser Stadt bekommt.«
Ace nahm mir die Karte ab und steckte sie in seine Pattentasche. »Du kannst auf mich zählen, Larson.«
»Und da gibt es noch etwas, was du für mich tun kannst.«
Ace blickte von seinen Unterlagen auf und wartete auf meine Antwort.
»Setze sie mit auf die Liste.«
Augenblicklich veränderte sich Aces Gesicht schlagartig. »Was?«, fragte er, bis er seine Sprache wiedergefunden hatte und direkt vom Stuhl aufsprang. »Nein, nein, das kannst du nicht von mir verlangen!«
»Oh doch«, ergänzte ich und schob die Hände in den Hosentaschen. Selbstsicher setzte ich zur Antwort an: »Ich möchte, dass du Freya Martin auf Schadensersatz verklagst.«
»Sie war immerhin deine Freundin, Clark!«, protestierte Ace.
»Ex-Freundin«, fiel ich ihm eilig ins Wort und holte die Sachen aus meiner Ablage hervor. »Hier ...« Ich deutete auf das Papier. »Da ist alles brav aufgezählt.«
Ace kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und griff nach dem Zettel. »Das ist ein hoher Betrag, Clark.«
»Ich weiß.« Während ich das sagte, ließ ich mich auf den Stuhl sinken und richtete mich auf. »Ace, ich bezahle dich auch dafür, wenn du das tust.«
»Verstehe mich nicht falsch, Larson. Ihr wart fast verlobt und hattet eine langjährige Beziehung. Willst du das wirklich alles aufs Spiel setzen?« Er wartete auf eine Antwort, die ich ihm sofort liefern würde. Denn während er auf sie wartete, schielte ich zum Foto, was noch in meinem Regal von ihr stand, bis sich unsere Blicke kreuzten.
»Wer mit mir ein abgekartetes Spiel spielt, wird nicht so glimpflich davonkommen.«
Willkommen Willkommen am Bord!
Ich, die Boss of Desasters Crew, begrüße euch alle herzlich zum Start in das Buch Boss of Desasters. Unser Kapitän, Mr. Larson, ist bereit zu starten.
Ich hoffe ihr seid alle wieder fleißig mit Kommentaren dabei <3
Wie hat euch das Kapitel gefallen?
Und was wird uns wohl als nächstes erwarten?
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