EIGHT: Die erste Begegnung
Millie's P.o.V
Leica fiel fast die mit Nudeln aufgerollte Gabel aus der Hand. Ihr blieb der Mund offen stehen, nachdem ich ihr die freudige Botschaft verkündet hatte. Währenddessen hatte Paddy nur das Gesicht verzogen und schielte seine Essstäbchen an.
Vor kurzem, hatte ich noch von unserem Lieblingschinesen Essen geholt, weil wir etwas zu feiern hatten. Bevor ich allerdings wie eine Zitrone ausgequetscht wurde und alle Karten offen auf den Tisch legte. Mit dem Unterschied, dass Leica kreischend vom Stuhl aufgesprungen war, um mich stürmisch in die Arme zu schließen.
Paddy hingegen schwieg, murrte nur leise, weil er es nicht verstehen konnte, wie Leica und ich bei asiatischem Essen normales Besteck nehmen konnten. Er klemmte sich die Stäbe zwischen seine Finger und fischte sich die nächsten Nudeln aus seinem Pappbecher heraus.
»Also hast du jetzt einen Mandanten?«
»Mandantin«, warf Leica direkt ein.
Paddy verdrehte die Augen und nahm seine Diet Coke zu sich. »Verzeihung eure Majestät, ich meine selbstverständlich Mandantin.«
Ich unterdrückte mein Gelächter, während meine Freundin unserem Mitbewohner einen giftigen Blick zuwarf. Allerdings hielt er nicht von Dauer an, dass sie sich an ihr Essen wandte und mich dabei musterte. Ihre Mundwinkel hoben sich an.
»Ich hab's euch doch gleich gesagt, dass Millie aus gutem Holz geschnitzt ist.« Euphorisch rempelte sie Paddy mit dem Ellenbogen an, hoffte wohl, ihn mit ihrer Partylaune anstecken zu können, aber er rollte mit den Augen und murmelte etwas vor sich hin. Selbst wenn wir kein Wort von seinem Genuschel verstanden, schien er nur Leica angiften zu wollen.
Ich hatte die beiden lieb gewonnen, als mein damaliger Verlobter Finnick und ich unseren ersten großen Streit hatten. Leica begegnete ich in einer Bibliothek, als sie mich weinend auf der Treppe vorfand. Für mich war eine Welt zusammengebrochen und sie war einfach dort und bot mir ihren Schokoriegel an. Paddy lernte ich im Starbucks kennen. Als er meine nassen Wangen bemerkte, woran Finnick mal wieder schuld gewesen war, hatte er mir zu meinem Cappuccino seine Nummer auf dem Pappbecher notiert. Es waren nur drei Worte, die meine Tränen weg lächelten: Du bist stark.
Seitdem verband uns eine tiefe und großartige Freundschaft. Paddy hatte mich an Tagen aufgefangen, an denen ich kurz davor war, alles hinwerfen zu wollen. Er begleitete mich durch meine ersten Erfahrungen in der Kanzlei und wie ich zum dritten Mal „unfreiwillig" Mutter geworden war. Wenn es wirklich jemanden gab, zu dem meine Kinder aufsahen, dann war es Paddy. Nur, dass sich das Blatt wendete und nur noch zwei Kinder ihm mit solch einer Vertrautheit begegneten. Chady hingegen zog sich immer mehr in seine eigenen vier Wände zurück.
Leica warf sich leicht an Paddy und lachte. »Kannst du es auch kaum glauben, dass sich unsere Millie einen großen Fisch an die Angel gezogen hat?«
Paddy rümpfte die Nase und stopfte sich die Nudeln in den Mund. Mit kauenden Bewegungen schielte er zu mir rüber, bis er seine Nudeln hinunterwürgte und sich augenverdrehend an Leica wandte. »Du meinst doch wohl eher, dass sie am Arsch ist, weil die Konkurrenz nicht schläft.«
»Ach, diesen arroganten Schnösel wird sie sowas von wegpusten.«
Ein Lächeln umspielte meine Lippen, bis dieses erstarb, als sich Paddys Blick mit meinen kreuzte. Immerhin hatte Paddy nicht unrecht. Ich war am Arsch. Denn eine Großstadt wie der Big Apple schlief nie.
Als Amber mir den Namen meines Konkurrenten nannte, erschauderte einfach alles in mir. Ich hatte von den Schlagzeilen gehört, die diese autoritäre Persönlichkeit ausschlachteten. Der Fall mit seinem Mandanten, der als Drogendealer fungierte und seine Tarnung vor dem großen Prozess aufgeflogen war. Oh ja, das war die erste und letzte Niederlage gewesen, die ich mit ihm in Erfahrung bringen konnte. Seitdem war es wohl ziemlich knifflig, Mr. Larson als Scheidungsanwalt engagieren zu können.
Trotzdem sollte ich mir die Anspannung nicht anmerken lassen. Also nahm ich das Sektglas, unterdrückte die Angst und kippte es hinunter.
Sobald Leica etwas erwidern wollte, hörten wir die laute Musik durch das ganze Haus dröhnen und der Verantwortliche schlurfte resigniert durch den Flur. Ich drehte mich zu Chady um, der gerade ins Haus kam und den Rucksack von seinen Schultern löste.
»Hey Chady!«, stieß Leica jubelnd aus und hielt ihm den Pappbecher hin. »Willst du auch Chinesisch?«
Seufzend schaute ich in Chadys Richtung, der verdrossen die Lippen zusammenpresste und die Augen zu Schlitzen verengte. Nur ein Hauch von Verärgerung trat in seinen schönen grünen Augen auf. Bis er sich wieder in seine Mauern zurückzog, direkt umkehrte und wir das laute Zuknallen der Tür hörten.
Nur Paddy erhob sich langsam von seinem Platz, ehe er sein Essen wegräumte und direkt zu Chady ging. Ein letztes Mal sah mich Paddy an, bis er seufzend die Türklinke von Chadys Zimmer herunterdrückte.
Irgendwann füllte sich das Haus wieder mit Gelächter und Leica versuchte mich aufzumuntern. Sie schenkte sich Sekt ein und drückte mir das Glas in die Hand. »Also, wir feiern heute deinen ersten Sieg. Darauf, dass du nun eine neue Mandantin hast und den Prozess und alles, was kommen wird, gewinnst.«
Lächelnd wollte ich ihr zuprosten, doch da hatte sie das Sektglas schon geleert und sich gackernd nachgeschenkt. Meine Freundin wollte mich wirklich für alles Beglückwünschen und dabei kam mir das schlechte Gewissen hoch. Egal wie schön die Neuigkeit war, dass ich eine gute Mandantin hatte, die Konkurrenz war hart. Härter, als ich es mir jemals ausgemalt hätte.
Doch für diesen Moment verdrängte ich die Angst und warf meiner Freundin einen letzten Blick zu. »Auf uns und auf die Zeiten, die noch kommen werden.«
***
Ehrlich gesagt, war der Kater am nächsten Morgen kaum zu ertragen. Die Reste eines ziemlich witzigen Abends hatten Spuren auf mir hinterlassen. Von meinen Kopfschmerzen abgesehen, war meine Haut blass und fahl und meine Augenringe wirkten wie richtige Krähenfüße. Fazit war: Nie wieder Alkohol trinken.
Inzwischen hatte ich mir den Concealer dick unter den Augen aufgetragen, dass ich jetzt schon ziemlich fremd ausschaute. Ich warf einen Blick auf die Uhr und seufzte schwer. Auf gar keinen Fall durfte ich zu spät kommen, wenn ich nach Manhattan fahren wollte. Selbst wenn die Entfernung nicht weit war, aber wenn man in die Rushhour kam, dann kam man nicht schnell aus der Sache heraus und gerade einige Uberfahrer schienen meine Zeit nicht ganz ernst zunehmen.
Es dauerte nicht lange, bis ich mich um meine eigene Achse drehte und mich kritisch beäugte. Ich trug eine weiße Bluse, sowie einen schönen schwarzen Bleistiftrock in Kombination zu den Louboutins. Zu gern hätte ich die bequemen Pumps bevorzugt, konnte ich es mir jedoch nicht erlauben. Der erste Eindruck zählte und diesen durfte ich mir nicht vermiesen. Ohne ein einziges Wort zog ich den kirschroten Lippenstift nach, ließ meine Haare in ihrer Lockenpracht über meine Schulter fallen, bevor ich mir den Schmuck anlegte und zufrieden lächelte. Ich sah heiß aus und so würde ich bald wieder von Bryant gevögelt werden.
Siegessicher fischte ich mein Handy heraus und knipste ein Foto. Noch im selben Moment schickte ich es Bryant und wartete gespannt auf seine Reaktion. Aber sie kam nicht. Ein wenig enttäuscht steckte ich das Handy ein und fasste mir an den Locken.
»Millie, Mr. Triggers ist verschwunden und ... oh.« Paddy, der ins Badezimmer gestürmt kam, verharrte vor dem Türrahmen und starrte mich mit geweiteten Augen an.
Unsicher trat ich zu ihm heran und zeigte auf mein Outfit. »Ist es zu aufreizend?«
Ein Kopfschütteln.
Zögernd fasste ich mir ans Haar. »Soll ich sie doch zusammenbinden?«
»Herrgott nochmal nein!«, stieß Paddy aus und kam auf mich zu. Mein bester Freund nahm mich ein letztes Mal in Augenschein und fing an zu grinsen. »So wirst du ihn mit Sicherheit rumkriegen.«
Augenblicklich rollte ich mit den Augen und presste die Lippen zusammen. »Zu allererst habe ich einen Freund, mit dem ich demnächst Sex haben werde, zweitens bin ich eine Frau mit Klasse, und drittens will ich nur ein Gespräch mit Clark Larson führen. Es muss ja nicht immer Krieg bei einer Scheidung herrschen.«
Paddy seufzte schwer und kratzte sich am Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist. Ich glaube ja immer noch, dass mit diesem Larson nicht gut Kirschen essen ist.«
»Lass mich raten ...«, setzte ich an. »Du willst mir weismachen, dass du anhand eines Fotos einen Menschen beurteilen kannst?«
Mein Freund schnaubte nur, bevor er hinter die Badewanne griff und ein Tiger Kuscheltier herauszog. Ein letztes Mal blickte er mir in die Augen, bis er kapitulierend die Hände hochwarf. »Nicht jeder Typ ist auf Smalltalk aus und er? Er hat erst recht keine Lust auf sowas. Wieso sollte er denn sonst so grimmig auf seinem Foto schauen, geschweige denn keine Kontaktdaten preisgeben? Richtig, weil er undurchschaubar ist und keine Lust auf ein Kaffeekränzchen hat.« Damit machte er auf den Absatz kehrt, spähte ein letztes Mal zu mir und atmete tief durch. »Und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst. Ich halte deine Kinder in Schach.«
Sekundenschnell fiel die Tür laut ins Schloss, während ich mich vor den Spiegel stellte und tief die Augen schloss. Das wird doch schon nicht so kompliziert sein. Es musste einfach klappen.
***
Der bullige Wachmann am Eingang ließ prüfend den Blick auf meinem Ausweis fallen, bevor er ihn mir wieder aushändigte und sich wutschnaubend wegdrehte.
Und da sollte mir doch einer weismachen, dass es easy-peasy war, in diese Kanzlei reinzukommen.
Sobald er mit dem Rücken vor mir stand, stöhnte ich theatralisch auf. »Und was ist jetzt?«
Schnaubend drehte er sich mir zu. »Wie, was ist jetzt?«
»Ich habe Ihnen den Ausweis gezeigt. Wenn Sie mich also nicht durchlassen wollen, wieso sollte ich Ihnen den Ausweis vorlegen?«
Der Glatzkopf presste grimmig die Lippen zusammen. Erst dann machte er den Schritt zu mir nach vorn und stellte sich mir in den Weg. »Sie haben weder einen Besucherausweis, noch weiß ich, dass Sie hier arbeiten. Und jetzt machen Sie kehrt.« Damit wandte er sich seinem Kollegen zu und ließ mich völlig perplex zurück.
Ich rümpfte die Nase und legte den Kopf in den Nacken. Wenn ich also nicht hereingelassen werde, wie sollte ich es dann ins Gebäude schaffen?
Wortlos blickte ich zu den Security Männern, die gerade dabei waren, jemand anderem Zutritt zu gewähren. Ohne weiteres wollte ich schon den Rückweg antreten, als ich ein bekanntes Gesicht der Kanzlei entdeckte, welches mich vielsagend auf deren Homepage angelächelt hatte.
Ein dunkelblonder, hochgewachsener Mann mit einem breiten Lächeln steckte sich das Handy ein.. Siegessicher und selbstbewusst trat er an die Männer heran. »Guten Abend, Shawn. Wie geht es Emilia heute?«
Er entlockte dem Bulligen ein Grinsen. »Bestens, Mr. Kidd. Emilia schwärmt immer noch von Ihren Blaubeermuffins, die Sie mir mitgegeben haben.«
Ace Kidd. So lautete sein Name. Er schüttelte sich das Haar und neigte das Profil zu dem Mann. Schließlich griff er aus seinem Rucksack eine Tüte hervor und drückte sie ihm in die Hand. »Und heute habe ich Cheesecake mitgebracht. Richten Sie Emilia meine besten Genesungswünsche aus und das wir Sie wirklich schmerzlich vermissen.«
Mit diesen Worten wandte er sich von dem Wachmann ab, der ihm freudig Einlass gewährte. Er begleitete ihn zu den Fahrstühlen und beide waren in eine Konversation vertieft. Während der jüngere Wachmann ihnen hinterherblickte, kam mir ein Geistesblitz. Augenblicklich fuhr ich herum, trat den Weg zu dem Jüngeren an und blieb vor ihm stehen. Er sah mir kritisch in die Augen und errötete.
»Sie sollen doch gehen«, fing er direkt an und kreuzte die Arme vor der Brust.
Ich setzte ein zuckersüßes Lächeln auf und fing an, mit den Wimpern zu klimpern. »Auch wenn ich darum gebeten wurde, muss ich allerdings ablehnen.«
Nun verhärtete sich sein Gesichtsausdruck. »Und warum, wenn ich fragen darf?«
Gleich wird er in meine Falle tappen, dachte ich mir teuflisch und fing an, den Brustkorb herauszustrecken. Nur um die Aufmerksamkeit auf mein Dekolleté zu legen. Wie erwartet fiel sein gieriger Blick auf ihn. Bingo. Ja, das war der Vorteil einer Mutter. Durch die Schwangerschaften fielen meine Brüste prall und größer aus und waren der absolute Blickfang jedes Mannes. Viele gingen immer noch schwer davon aus, dass ich sie mir damals hatte machen lassen. Aber alles, was ich gerade zum Besten gab, war von Mutter Natur erschaffen und ich war wirklich stolz auf mein Dekolleté.
»Ach wissen Sie ...« Ich schielte zu Ace rüber und musterte den Mann vor mir erneut. Auf seinem Namensschild las ich den Namen Hopps. Zielstrebig blickte ich ihm in die Augen. »Ich bin die Geliebte von Ace Kidd.«
Skepsis lag in seinem Blick. »Aber Mr. Kidd ist ledig und hat Sie gar nicht beachtet.«
»Das passiert uns oft.« Ich spitzte die Lippen und ging auf ihn zu. Nur um ihm ins Ohr zu wispern, was mir durch den Kopf ging: »Er ist sehr dominant und übt liebend gern die Machtposition aus. In seiner Gegenwart muss ich mich ziemlich unterwürfig verhalten. Glauben Sie mir, er fährt total darauf ab. Er hat mich auch nur losgeschickt, damit ich von Ihren Kollegen angemacht werde. Sie wissen schon der typische Fetisch eben.«
Hastig zog sich Hopps von mir zurück und riss die Augen weit auf. »Nein, ich denke nicht.«
»Wie auch immer. Sie würden sich und mir den großen Gefallen erweisen, indem Sie mich zu ihm lassen. Ich soll in diesem Aufzug vor seinem Büro auftauchen und für ihn einen Striptease ablegen, aber wenn ich nicht dort erscheine, wird er nicht nur mir die Hölle heiß machen. Sondern es könnte Sie auch noch treffen und glauben Sie mir ...« Ich biss mir auf die Lippe und versuchte innerlich nicht an meinem Lachkrampf zu ersticken. »Sie möchten nicht von ihm gefesselt werden, nicht wahr?«
Seine Augen weiteten sich. Volltreffer. »Sie meinen doch nicht etwa, dass Mr. Kidd ...« Er brachte den Satz nicht einmal zu Ende. Denn ein Blick in meine Augen genügte, um ihn völlig erröten zu lassen. Ziemlich angewidert presste er die Lippen zusammen.
Ich nickte ihm zu. »Ace Kidd steht auf Rollenspiele und übt bei allen seine Machtposition aus. Warum bringt er sonst Shawn Kuchen mit? Weil er ihm damit klarmacht, dass er hier das Sagen hat.« Schließlich blickten wir beide zu Ace, der immer noch mit Shawn in einer Unterhaltung vertieft war.
Es dauerte keine Minute, bis ich den Wachmann bittend ansah. »Mr. Hopps bei allem Respekt, aber wollen Sie wirklich solch einen bleibenden Eindruck bei Ace hinterlassen?«
»Nein«, platzte es aus ihm heraus und schon gewährte er mir Einlass. Kaum war ich endlich durch die Drehscheibe gekommen, als ich das Gesicht von Shawn entdeckte. Der bullige Wachmann blieb mit verschränkten Armen vor mir stehen und sandte mir Todesblicke zu. Mein Herz pochte mir fast aus der Brust. Jetzt oder nie.
Mit voller Wucht stieß ich ihn so von mir, dass er zu Boden krachte. Ich ergriff die Initiative und eilte zu den Fahrstühlen.
»Hey!«, hörte ich Shawn brüllen.
Ich rannte um mein Leben, verfluchte die dämlichen Louboutins und tippelte auf den Fahrstuhl zu. Sofort erreichte ich krampfhaft den Fahrstuhl, nahm Anlauf, sprang hinein, bis ich direkt mit einer Person zusammenstieß und mit ihr gegen die Wand prallte.
»Hopsala nicht fallen«, grinsend umklammerte er meine Taille und bewahrte mich vor dem Sturz. Amüsiert nahm er mich genauer in Augenschein und schielte zu den Fahrstühlen. »Ich glaube, ich muss mir nicht die Frage stellen, warum Sie den Wachmann überfallen haben, oder?«
Mein Lächeln erstarb mir auf den Lippen, denn die Panik stand mir ins Gesicht geschrieben. Also gewann ich Abstand zu Ace und stieß einen Seufzer aus. »Wenn wir ankommen, werden die Wachmänner mich festnehmen.«
»Das kann durchaus der Fall sein«, erwiderte Ace und wählte die Nummer des Stockwerks. »Es sei denn, Sie haben einen guten Grund dafür, dass ich Sie nicht gleich der Security ausliefern sollte.« Er sah mir prüfend in die Augen. »Wie kommt es dazu, dass ein heißer Feger, wie Sie, die Wachmänner austrickst und in das Gebäude eindringt? Wollen Sie etwas klauen?«
»Nein«, kichernd legte ich mir die Hand auf die Brust.
Ace fing an zu grinsen. »Finden Sie mich so unwiderstehlich, dass Sie mir nachlaufen müssen?«
Schon wieder entlockte er mir ein Grinsen, dass ich mich zusammenreißen musste, nicht wie ein Breitmaulfrosch auszusehen. »Sind Sie immer so direkt?«
»Kommt darauf an, mit wem ich es zu tun habe.«
Seufzend presste ich die Lippen zusammen. »Ich habe einen Termin mit einem Mitarbeiter aus der Kanzlei.«
Nun schien ich sein Interesse geweckt zu sein. »Mit wem wollen Sie sich denn treffen? Doch nicht etwa mit Howell was? Howell ist wirklich nicht Ihr Beuteschema und er ist ziemlich tollpatschig. Falls Sie also mit mir ausgehen wollen, kann ich Ihnen versichern, dass ich eine Punktlandung bin.«
Ich musste gestehen, dass Ace mir jetzt schon sympathisch wurde. Egal wie direkt er in diesem Moment war. Er brachte mich zum Lachen. Mein Blick wanderte zu den laufenden Zahlen der Stockwerke. Wir waren schon beim siebten Stockwerk angekommen.
Also wartete ich keine Sekunde mehr ab und legte die Karten offen auf den Tisch. »Da muss ich Sie wohl leider enttäuschen, denn ich bin bereits vergeben.«
Ace machte ein bekümmertes Gesicht. »Oh. Sie gehören also zu jemandem.«
Ich nickte fröhlich mit dem Kopf und sah, wie er sich gespielt an die Brust fasste. »Na sowas. Die erste attraktive Frau, die mir heute begegnet, ist nicht mehr Single. Was soll das wohl heißen?«
»Das soll wohl heißen, dass Sie mich nicht den Wachmännern ausliefern werden?« Ich schaute ihn bettelnd an. Durch meinen Blick schien er schwach zu werden.
»Wenn Sie mir verraten, wen Sie hier antreffen wollen, dann werde ich das Ganze überdenken.«
Weil Ace wohl nie aufhören würde, mir Fragen zu stellen, gab ich mich geschlagen. »Also gut, weil Sie es sind ...« Ich wippte mit meinen Füßen auf und ab. »Die Person, mit der ich ein Gespräch habe, heißt Clark Larson.«
Misstrauen spiegelte sich in seinen Augen wider. Sein Lächeln erstarb auf seinen Lippen und er starrte mich kritisch an. Von Kopf bis Fuß musterte er mich. Lüstern setzte er zur Antwort an: »Also, das wäre mir wirklich neu, wenn Larson neuerdings spontane Unterhaltungen in seinem Büro führt. Normalerweise muss jeder mit einem Termin bei ihm erscheinen.« Das Wort spontan betonte er lautstark.
Scheiße!, so wie er mich anstarrte, schien der Groschen gefallen zu sein. Denk nach, Millie, denk nach! »Also ich muss ihn wirklich dringend sprechen und-«
Ich wurde schlagartig durch das Aufspringen der Fahrstuhltüren unterbrochen. Noch bevor Ace aus dem Lift stieg und ich ihm folgte, standen zwei andere Wachmänner auf ihren Posten und schienen mich erwartet zu haben. Der eine trat heran und holte bereits die Handschellen heraus.
»Uns wurde gerade durchgegeben, dass sich ein Eindringling hier befindet, Mr. Kidd?«
Ängstlich gesellte ich mich zu Ace, der den Blickkontakt zu den Wachmännern und dann wieder zu mir aufnahm. Sekundenlang zögerte er, bis er die Augen schloss und mit dem Kopf schüttelte. Plötzlich schlang sich sein Arm um meinen und er deutete auf mich. »Sie gehört zu mir.«
Perplex starrte die Security ihn an. »Aber Mr. Kidd, die Frau hat-«
»Kein aber, Samson! Die Frau gehört wie schon gesagt zu mir und ich würde euch bitten, sie jetzt durchzulassen, oder sollen wir noch weitere Minuten hier herumstehen?«
Zum ersten Mal schlug Ace keinen netten Ton in der Gegenwart der Wachmänner an. Dies schien aber nur dazu zu führen, dass sie von der Tür wegtraten und uns beiden Einlass gewährten. Wortlos umklammerte Ace meinen Arm und dirigierte mich zur Tür. Schließlich drehte er sich zu den Wachmännern. »Sie leisten gute Arbeit, wir als Kanzlei können uns glücklich schätzen, Sie zu haben.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und öffnete mir die Tür. Als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, stieß er einen Seufzer aus.
Dankbar lächelte ich Ace an. »Ich danke Ihnen.«
»Dafür schulden Sie mir was.« Gemeinsam peilten wir die Bürotür an. Nur dass wir von einer älteren Dame aufgehalten wurden, die zuvor noch seelenruhig auf ihrem Schreibtischstuhl gesessen hatte.
»Mr. Kidd! Mr. Kidd!« Panisch fuchtelte sie mit den Händen herum.
Ace nahm sie genauestens unter die Lupe. »Ja, Mrs. Maniac?«
»Oh Mr. Kidd. Es ist schon wieder passiert.« Sie wirkte ziemlich aufgewühlt.
»Was ist passiert, Martha?«
Ihre strengen Augen blickten in meine Richtung, bis Ace mit der Zunge schnalzte. »Sie gehört zu mir.«
Martha, so wie er sie bezeichnete, wirkte nicht beeindruckt. Ganz im Gegenteil. Sie verengte tatsächlich die Augen zu Schlitzen und sandte mir Todesblicke aus. Ahnungslos wie ich war, stellte ich mir die Frage, warum jeder hier so giftig wurde.
»Martha«, holte Ace sie auf den Boden der Tatsachen zurück. »Das ist doch nicht sein ernst.«
Die Frau zuckte zusammen.
»Wie auch immer.« Ace sah sie streng an. »Also was ist passiert?«
»Rhiannon ist passiert, Ace.« Martha fasste sich vor Schreck an die Brust, dass sie sich an Ace abstützen musste und Halt suchte. »Sie wurde gerade von ihm fristlos gekündigt. Er hat sie vor wenigen Minuten zusammengestaucht und sie dem Boden gleichgemacht.« Tränen schwammen in ihren Augen. »Oh Mr. Kidd, was soll Rhiannon jetzt tun?«
Es schien ein intimer Moment zu sein, dass ich mich von ihnen abwandte und mich verabschiedete. Nur dass sie mich nicht mehr wahrnahmen, sondern sehr mitgenommen schienen.
Sobald ich die Etage erreichte, vernahm ich nur Schluchzer. Sie drangen durch den Flur, dass sich andere über den Lärm beschwerten und selbst die Bürotüren laut zufielen.
Erst als ich die oberste Etage erreichte, hörte ich eine Stimme jammern: »Ich bin gefeuert worden! Er hat mich gerade gefeuert, obwohl ich mein Bestes gegeben habe!« Sie konnte kaum deutlich sprechen, weil die Person sich sehr an ihren Tränen verschluckte. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete ich zwei Frauen. Eine hielt die andere stützend im Arm, die ziemlich am Weinen war. Sie legte ihre Arme um sie und wog sie wie ein Kind hin und her.
»Beruhige dich, Rhi. Der Mistkerl hat deine Tränen nicht verdient.«
Die Frau blinzelte die Tränen weg, löste sich aus der Umarmung und stieß einen großen Seufzer aus.
»Was mache ich denn jetzt, Andra? Ich habe keinen Job mehr. Wie soll ich bloß meine Miete bezahlen und meinen Unterhalt verdienen, wenn ich gerade arbeitslos geworden bin?«
»Wir finden eine Lösung, Rhi.« Andra lächelte sie traurig an. »Es ist doch nur eine Frage der Zeit, wann du den Job los wirst. Er hat dich nicht gut behandelt und außerdem bist du für jemand anderes besser qualifiziert als für solch ein Arschloch, der deine Kompetenz einfach nicht wertschätzen kann.«
Die Freundin schien selbstsicher zu sein. Sie strahlte eine selbstbewusste Autorität aus, wofür wohl jeder dankbar wäre, so eine Person als Freundin an seiner Seite zu haben.
Trotzdem legte sie irgendwann die Selbstsicherheit ab und stürzte sich geradezu in die nächste Diskussion. »Verstehst du mich, Rhi? Du hast alles richtig gemacht.«
Rhi, so wie sie bezeichnet wurde, nickte, bis sie sich die schwarz verlaufene Mascara unter den Augen wegwischte.
Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten, hier zu stehen und nichts zu tun. Irgendwie ging der Mutterinstinkt mit mir durch. Augenblicklich löste ich mich aus der Starre und bahnte mir den Weg zu den beiden Frauen. Lächeln und freundlich sein, das war das Stichwort. Jedoch gefror mir auf der Sekunde das Lächeln auf den Lippen ein, als ich mit bösen Blicken abgeworfen wurde.
Ziemlich verwundert über diesen Stimmungswandel, versuchte ich mich dazu zu bringen, ihnen eine Frage zu stellen: »Entschuldigung für die Störung, aber wisst ihr zufällig, wo sich das Büro von Clark Larson befindet?«
Keine Antwort. Sie musterten mich und rümpften die Nase. Andra war direkt aufgestanden und stemmte die Hände an den Hüften. Ihre Freundin hingegen schniefte in ihr Taschentuch und nahm mich genauer unter die Lupe. Bevor sie ein weiterer Heulkrampf erwischte und sie in den Armen ihrer Freundin zusammenbrach.
»Das ist doch wohl nicht wahr«, platzte sie schluchzend heraus.
Die andere warf mir ziemliche Todesblicke zu. Wutschnaubend riss sie sich von ihrer Freundin los und stürmte auf mich zu. Plötzlich peitschte ihre laute Stimme durch den ganzen Raum, sodass ich beinahe zusammengezuckt wäre.
»Da! Genau da ist sein Thron! Ach, und das wird nicht lange anhalten.« Sie warf mir einen prüfenden Blick zu. »Sie sind nicht seine Liga.« Hastig packte sie Rhis Arm und zerrte sie von mir weg. »Komm schon, Rhi! Wir verschwinden von hier.« Bevor sie die Tür anpeilten und mich völlig ahnungslos allein ließen. Einzig und allein ein großes Fragezeichen prangte über mir, bis ich tief durchatmete und mich zusammennahm. Herrgott nochmal, was war denn bloß vorgefallen?
Ich schluckte den Ärger hinunter und machte auf dem Absatz kehrt. Zielstrebig steuerte ich auf die Glastür zu, wo sich ein Schreibtisch befand, jedoch niemand anwesend war. Außer einer Tür, die zu einem anderen Raum führen würde.
Ohne einen einzigen Gedanken zu haben, steuerte ich auf die Tür zu, hob die Hand zum Klopfen an, bevor die Tür so schwunghaft aufgerissen wurde, dass ich beinahe den Halt verloren hätte. Nur um dann in verwirrte und zugleich grün getauchte Augen aufsehen zu müssen.
Mein Gehirn lief auf Hochtouren und meine Augen arbeiteten sich von der Hand bis zu seinem restlichen Körper nach oben. Die Hand, die immer noch den Türknauf in einem festen Griff umschloss, war so groß, dass sie in mir die dunkelsten Fantasien hervorrief. Der silberne Manschettenknopf, der das weiße Hemd ummantelte, wirkte so prunkvoll in meinen Augen. Der nachtgrüne Stoff schmiegte sich wunderbar an seinen Körper.
Immer weiter wanderte mein Blick zu den breiten Armen, die angespannt waren, bis zu dem Oberkörper, der sich auf und absenkte. Seine Schultern waren breit, der Oberkörper von leichten Muskeln definiert. Meine Augen verharrten, als sie eine bordeauxrot-schwarzgesteifte Krawatte entdeckten, die um seinen Nacken lag. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Ich erkannte den Knoten, der das Ende der Krawatte umschloss. Es war ein Windsorknoten. Ziemlich komplex und nicht einfach zu binden. Der Knoten, den ich am Hochzeitstag Finnick zubinden musste. Er war deshalb so schwierig, weil er zwischen den beiden Seiten des Kragens sitzen musste, der den obersten Knopf des Hemdes vollständig bedeckte. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie viele Anläufe es mich gekostet hatte, diesen Knoten binden zu können. Doch so wie ich ihn gebunden hatte, würde er diesem, den ich gerade entdeckte, nie und nimmer das Wasser reichen können.
Ich schluckte den Kloß hinunter, der sich in meiner Kehle gebildet hatte, während ich in sein Gesicht aufsah. Markant und jung. Von Bartstoppeln umrahmt und Gesichtszüge wie in Stein gemeißelt. Sie waren fein, aber auch markant. Plötzlich wurde mir ganz warm unter den Klamotten. Dieser Mann vor mir erweckte in mir die dunkelsten Begierden und Fantasien, die sich eine Frau einfach nur ausmachen konnte. Eine geradlinige Nase, die einen leichten Höcker hatte, die geschwungenen Lippen, wo die Oberlippe schmaler ausfiel und die Unterlippe mehr in die Breite ging. Und trotzdem wusste man, dass sie zum Küssen einluden. Leicht hervorgehobene Wangenknochen, die durch den Bartansatz ziemlich ausgeprägt waren und die Attraktivität in seinem Gesicht, die einfach zu seiner mystischen Ausstrahlung passte. All das war so eine versteckte Perfektion, dass es unreell zu sein schien. Doch sobald ich in die grünen Smaragde blickte, gefror mir das Blut in den Adern. Sie wirkten wie ein Wald für mich, in dem ich mich verirren würde.
»Genug gestarrt?«, vernahm ich eine dunkle Stimme, die mir eine Gänsehaut über die Haut fegte.
Überall fing es auf meiner Haut an zu prickeln, dass ich fast zu frösteln begann. Nur wusste ich nicht, ob sein Blick oder seine Präsenz mich erschaudern ließen. Ich hatte ihn nur auf Fotos gesehen, auf denen er keine Mimik zeigte und die Augen trostlos und leer aussahen. Keine Emotion spiegelte sich in seinen Augen wider. Doch ihn vor mir stehen zu haben, veränderte so vieles. Jetzt, in diesem Moment, steckte pures Leben in seinen Augen.
Clark Larson erweckte zum Leben und schien seinen Blick über mich wandern zu lassen. Minutenlang schienen wir beide wie festgewachsen zu sein, bevor er wieder die Stimme erhob. »Das ist doch wohl ein Scherz.«
Irritiert hob ich die Brauen an. »Ein Scherz?«
Er stieß die Luft aus und drehte sich leicht von mir weg. Dabei vergrub er die Hände in seine Anzugtaschen und schnaubte verächtlich. »Kaum bringt mir die eine nichts als Ärger ein und schon wird mir die nächste geliefert.« Er schnappte sich wissbegierig das Telefon.
Völlig ahnungslos starrte ich Mr. Larson an. »Also Mr. Larson, ich bin Mi-«
»Ich brauche keine neue Sekretärin!«, fiel er mir übereilig ins Wort und klemmte sich den Hörer ans Ohr. Schon ließ er den Blick erneut über mich schweifen.
Mir klappte die Kinnlade herunter. Was hatte er da gerade gesagt? »Sekretärin?«
Schweigend drehte er sich von mir weg, während ich den Blick auf seine Statur erhaschte. Selbst sein Rücken sah so muskulös aus. Wie er vor seinem Thron stand und sich der Skyline Manhattans zuwandte. Gott hatte wirklich einen attraktiven Mann, wie ihn erschaffen.
»Was machen Sie noch hier?«
Abrupt kniff ich die Brauen zusammen. »Also ich bin hier, weil-«
»Gott nochmal, ich habe keine Zeit, mich mit sowas beschäftigen zu müssen!«, blaffte er.
Schlagartig veränderte sich mein Gesichtsausdruck. Wollte er mich komplett verarschen?
Aus Zorn wollte ich gerade zur Antwort ansetzen, nur um ihm ins Gesicht zu schleudern, was für ein Arschloch er sei, bis uns ein Klingeln unterbrach. Hastig fischte er sein Handy aus seiner Tasche heraus und nahm den Anruf entgegen.
»Larson?« Er wandte sich von mir ab, bis seine Miene noch düsterer wurde. »Nein verdammt, ich habe es Ihnen schonmal gesagt, dass unser Gespräch beendet ist. Ich möchte mich nicht erneut wiederholen müssen!«
Plötzlich wandte Clark sich von seinem Handy ab, nur um mir einen finsteren Blick zu zuwerfen. »Entschuldigung, wer sind Sie nochmal?«
»Millie«, erwiderte ich. »Ich heiße Millie F-«
»Wie auch immer!« Er zuckte nur mit den Schultern.
Ich begann die Nase zu rümpfen und stemmte die Hände an den Hüften. »Mr. Larson, ich bin hergekommen, um mit Ihnen-«
»Die Antwort lautet Nein!« Damit war das Gespräch für ihn beendet. »Und jetzt gehen Sie, denn ich habe zu tun.« Bevor er sich wieder an sein Handy klemmte. »Ich habe es Ihnen schonmal verklickert, dass ich nichts damit zu tun haben will! Nein, ich möchte auch in nichts investieren!«
Ich konnte es kaum glauben, was hier vor sich ging. Clark Larson behandelte mich wie die Pest. Er sah mich nicht mehr an, sondern wirkte noch genervter als je zuvor. Als er bemerkte, dass ich trotzig und willensstark vor ihm stehen blieb, ergriff er die Initiative und kam auf mich zu. Nur um mich am Arm zu packen und aus seinem Büro zu dirigieren.
»Hey was soll-«
Er warf mir einen letzten finsteren Blick zu, bevor ich sekundenschnell aus dem Büro befördert wurde und er die Tür vor meiner Nase zufallen ließ. Ohne dabei ein einziges Wort mit mir geredet zu haben.
Charmant wie immer, was ?
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