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♯Cнαpтer O6 ~ Tнe Reαpιɴɢ Dαy.

Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!

Zuallererst einmal: Es tut mir ehrlich schrecklich leid, dass Ihr fast einen ganzen Monat auf ein neues Kapitel warten musstet ... Dafür habe ich auch versucht, dieses hier besonders lang und ausführlich werden zu lassen.

Um ehrlich zu sein, hatte ich bis vor einer Woche gar keine wirkliche Zeit, am sechsten Kapitel zu schreiben ... Das habe ich erst vor zwei Tagen endlich hinbekommen, da ich nur mit Hausaufgaben, Vorträgen und Abiturvorbereitungen zu kämpfen hatte. Aber jetzt ist hoffentlich Schluss damit - noch zwei Wochen, dann sind endlich Sommerferien!

Besonders zum Weiterschreiben motiviert haben mich die zahlreichen Kommentare zu den letzten Kapiteln! Danke hierbei an becauseIamspecial, Jeremya_, Kulturen, rubinarose, xXCloveLoverXx, Dodomausi, beimmortal, Emmy3788, Lini26, Nakita_Herondale, BlackGirlNumber1 und xLeaClatox! Wie jedes Mal hoffe ich natürlich, dass Ihr auch dieses Kapitel mögen werdet und es Euch gefällt. Aber jetzt erst einmal genug der vielen Worte! Ich wünsche Euch ganz herzlich: Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ!

Eυre Zoey <3

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♯Cнαpтer O6 ~ Tнe Reαpιɴɢ Dαy.

Just because her eyes don't tear, doesn't mean her heart doesn't cry and
just because she comes off strong, doesn't mean there's nothing wrong.

Als ich aus unserem winzigen Häuschen hinaus ins Freie trat, spürte ich sogleich die ungewöhnlich warmen Strahlen der Herbstsonne, welche sich durch die bunt gefärbten Blätter der Bäume stahl, angenehm auf mein Gesicht scheinen. Entgegen meinem Willen entfuhr mir ein kleines Lächeln, und ich genoss, wie der laue Wind meine Haare leicht zerzauste und die kleinen Singvögel in den hohen Baumkronen ihre Liedchen trällerten.

Mein Lächeln verging jedoch schnell wieder, als ich plötzlich den dröhnenden Motor eines Wagens hinter mir hörte - der jedoch sogleich wieder erstarb - und erschrocken herumfuhr. Beinahe wäre ich dabei über meine hohen Stöckelschuhe gestolpert, konnte mich jedoch gerade noch so am Ast eines kleinen Obstbaumes direkt neben unserem Haus abstützen.

Merke: Gehen auf High Heels üben!

»Clove! Warum funktioniert diese Scheißkarre denn schon wieder nicht? Hast du etwa heimlich damit herumgespielt?«, brüllte mein Vater wütend über das plötzliche Aufheulen des Motors hinweg, welcher jedoch gleich wieder mit einem unheilvollen Klang verstummte. Ich stöhnte, öffnete die Augen, die ich wegen der warmen Sonnenstrahlen geschlossen hatte, und drehte mich unwirsch um. Mein Vater war offenbar gerade damit beschäftigt, unser knallgelbes schmutziges, kleines Auto zu starten, das mal wieder nicht richtig anspringen wollte. Im Duett mit dem Motor fluchte und spuckte er also und warf mir dabei immer wieder wütende Blicke zu. Als wäre es meine Schuld, dass der Motor mal wieder nicht ansprang. Ich hatte mitnichten damit herumgespielt - warum sollte ich auch? - und das wusste er ganz genau. Er brauchte nur wieder jemanden, an dem er seinen Frust ablassen konnte. Ich seufzte.

Ich hätte, anders als sonst, eigentlich keine Probleme damit, heute nicht rechtzeitig zur Ernte zu erscheinen, denn ich wollte das ganze Theater mit meinem Vater um jeden Preis vermeiden.
Deshalb hatte ich heute früh auch nichts gesagt. Er würde schon merken, dass ich nicht nach vorn stürzte, um mich freiwillig zu melden.

»Clove! Beeil dich doch mal, sonst säuft der Motor wieder ab! Hast du denn gar keine Angst, zu spät zu kommen?«, brüllte mein Vater jetzt gereizt und ließ drohend den - jetzt leider wieder funktionierenden - Motor aufheulen. Ich seufzte schwer, wischte meine Hände sorgfältig an meinem roten Kleid ab, und ließ mich dann neben meinem verhassten Vater auf den Autositz fallen. Dieser herrschte mich sogleich barsch an, mich gefälligst auch ordentlich anzuschnallen. Er wollte ja nicht, dass ich bei einem unerwarteten Autounfall noch draufging oder so. Denn das wäre ja eine schreckliche Katastrophe für die diesjährigen Hungerspiele. Dann hätte er ja keine Siegertochter mehr, die er allen präsentieren konnte. Ich verkniff mir ein verächtliches Schnauben.

Nun, schön, dass er so um meine Sicherheit besorgt war. Nur leider hatte er keine Angst, seine Tochter zu verlieren, sondern seine künftige Siegerin.
Ich verdrehte genervt die Augen. Ich hasste das ganze Getue und Theater meines Vaters. Wenn ich mich nicht meldete, dann würden es sicher einige andere Mädchen tun. Mädchen, die noch länger und härter als ich für die Spiele trainiert hatten, und ihren großen Moment gar nicht mehr erwarten konnten.
Sie hatten sich inzwischen bestimmt schon längst Plätze ganz nahe an der Bühne gesucht. Auch Wetten wurden heute besonders gern abgeschlossen.
Viele Menschen sparten ihr Geld monatelang auf diesen Tag hin, in der Hoffnung, es noch vervielfältigen zu können. Man wettete dabei auf die Auswahl der Tribute, ihren Gemütszustand und ihre Erfahrungen im Kampf.

Meiner Meinung nach war es zwar absolut abartig, solche Wetten über das Leben einer Person zu schließen, doch manche Leute brauchten eben einfach dringend Geld. Oder hatten Langweile. Was auch immer. Ich selbst jedoch, und wäre ich noch so arm, würde so etwas niemals tun. Ich hatte einen gewissen, wenn auch nur noch zur Hälfte vorhandenen Respekt vor den Tributen, die das Glück oder das Pech hatten, auserwählt zu werden. Man musste ihnen das Leben nicht noch schwerer machen, als ohnehin schon. Meinen Vater hatte es jedoch nie gestört. Ihm waren die Gefühle anderer Menschen vollkommen egal.

»Wann wird sich eigentlich dein Freund endlich für die Spiele melden? Er ist doch schon achtzehn, oder? Viel Zeit bleibt ihm da ja nicht mehr. Genauer gesagt, ist dies sogar sein letztes Jahr! Wird er sich vielleicht diesmal endlich melden? Oder macht er wieder einen Rückzieher? Das ganze Distrikt wettet immer jedes Jahr auf ihn. Ich habe auch einmal auf ihn gewettet, aber natürlich verloren.« Mein Vater sah mich an, als wäre das jetzt meine eigene Schuld.
Ich zuckte nur mit den Schultern. War mir doch egal, was er dachte. Seine Meinung konnte mir gestohlen bleiben. Aber sowas von.

Mein Vater sah mich hämisch an und sein Blick wurde gehässig. »Und du? Was ist mit dir, Clove? Wirst du auch wieder einen Rückzieher machen, wie jedes Jahr? Zwar hatte ich bislang von dir noch nicht verlangt, dich freiwillig zu melden, aber du hättest es tun können, das weißt du. Ich hätte nichts dagegen gehabt. Aber nein ... Du bist ein kleiner Feigling. Weißt du, was ich in meinem Leben großgezogen habe? Eine nichtsnutzige, kleine Göre

Ich sah zu Boden, auf dem noch ein kleiner, vergammelter Pizzarest klebte. Woher der wohl stammte? Ich war noch nie mit meinem Vater Pizza essen gegangen. Nie hatte ich etwas mit ihm unternommen, was auch nur ansatzweise Spaß gemacht hätte. Nie. Mein Vater, der seiner Wut jetzt offenbar freien Lauf lassen musste, sprach wütend weiter.

»Weißt du was, ihr beide passt ja perfekt zusammen. Beide aus einer guten Familie, beide auf der Akademie unterrichtet. Doch ihr bereitet sowohl euren Eltern, als auch euren Lehrern nur Schande ...«

»Das ist nicht wahr!«, zischte ich ihn wütend an. »Cato bleibt, weil er mich nicht allein lassen will!« Mein Vater lachte abfällig. »Aber natürlich ist es wahr. Du willst es nur nicht wahrhaben. Für dich? Warum sollte er sich bitte die Mühe machen, für dich hierzubleiben? Was kannst du ihm schon bieten? Du bist doch nur seine Ausrede, Clove. Nur seine billige Ausrede. Er hat Angst, das ist der wahre Grund für sein Zögern. Angst. Doch wieso?
Er trainiert doch schon, seit er ein kleiner Junge ist. Ich verstehe einfach nicht, warum er nicht in die Hungerspiele will. Er könnte gewinnen, da bin ich mir sicher. Er könnte den Sieg nach Distrikt zwei bringen. Nach über fünf Jahren, hätten wir endlich mal wieder einen richtigen Gewinner!«

Ich konnte mir ein genervtes Seufzen nicht verkneifen.
Mein Vater warf mir einen drohenden Blick zu. »Wie war das?«
Ich biss ärgerlich die Zähne zusammen. »Du ... du kennst ja nicht einmal seinen vollen Namen«, sagte ich leise, mit nur schwach unterdrückter Wut in meiner Stimme. »Und du hast kein Recht überhaupt über ihn zu sprechen.«

Dann drehte ich mich weg von ihm, zum Fenster hin, und starrte hinaus auf die staubige Straße, wo sich ein hupendes Auto an das nächste reihte. Keiner von uns sagte mehr ein Wort. Ich nagte an meiner Unterlippe und dachte über die Worte meines Vaters nach. Ganz unrecht hatte er nicht. Klar, Cato konnte die Spiele durchaus gewinnen, das war keine Frage. Er hatte auch schon oft darüber nachgedacht, sich freiwillig dafür zu melden. Doch er tat es nicht. Und zwar meinetwegen. Denn wenn er ging ... dann hatte ich niemanden mehr. Das war der Grund. Deshalb meldete er sich jedes Jahr aufs Neue nicht für die Spiele, sondern stand einfach nur passiv am Rand herum, und sah starr zu, wie andere Jungen den Platz des Tributs von Distrikt zwei einnahmen. Ich wusste, er würde gern in die Hungerspiele gehen. Ich wusste, er brannte nur darauf, allen zu beweisen, wie tapfer und perfekt ausgebildet er war. Doch das war seine eigene Entscheidung. Er hatte keine Eltern, die ihm befahlen, oder von ihm erwarteten, sich freiwillig zu melden. Seine Mom würde wahrscheinlich sogar emotional völlig aufgelöst sein, wenn er dies tun würde.

Nachdem wir die dicht bevölkerten Straßen von Distrikt zwei passiert hatten, auf denen die Autos allesamt das Justizgebäude, auf dessen Innenhof das heutige Spektakel stattfinden sollte, ansteuerten, und deren nervtötendes Hupen man die ganze Zeit über zu hören bekam, hielt mein Vater an. Ich schaute mich neugierig um, wobei ich den Kopf recken musste, weil unsere Autositze so tief unten lagen. Antike griechische Gebäude und Tempel, hoch in den Himmel aufragende Säulen, glatter Boden mit Marmor und reinen Goldadern. Die meisten nannten diesen Ort einfach nur den »Ernteplatz«.

Viele Menschen hatten sich bereits hier versammelt, um der jährlichen Ernte von Panem, zu der jeder einzelne Mensch im Distrikt erscheinen musste, beizuwohnen. Dies war natürlich immer ein großes Spektakel, sowohl für die Menschen, die hier lebten, als auch für die Kameras und das Fernsehen.

»Steig hier aus, Clove, ich suche uns einen Parkplatz«, sagte mein Vater zu mir und öffnete die Autotür. Eine deutlichere Aufforderung hätte es für mich nicht geben können. Ich seufzte unterdrückt, stieg vorsichtig aus dem Auto, um mein Kleid nicht allzu weit hochrutschen zu lassen, und knallte, kaum dass meine Füße in den hochhackigen Schuhe den Asphalt berührt hatten, die Autotür heftig hinter mir zu. Mein Vater zuckte teilnahmslos mit den Schultern und fuhr los, ohne mir noch einmal einen Blick zuzuwerfen.

Verletzt blieb ich einsam und allein auf dem überfüllten Parkplatz stehen, wo all die Eltern ihren Kindern aus den schicken Neuwagen halfen und miteinander redeten. Ich seufzte erneut und riss mich zusammen. Na und, ich hatte eben keinen Vater, der mich verhätschelte und mein Händchen nahm, um mich zum Ernteplatz zu bringen. Ich konnte auch ohne seine Hilfe dorthin kommen; ich war ja schließlich kein Baby mehr. Also dann ... Los geht‘s.

Schnellen Schrittes lief ich über den schon vollbesetzten Platz, bis ich schließlich bei der Aufseherin angelangte, die wie jedes Jahr die Namen der schon erschienenen Kinder in eine Liste eintrug, und mich in die lange Reihe stellte. Es dauerte circa fünfzehn Minuten bis ich endlich die Spitze der Schlange erreicht hatte, und mich ebenfalls in das Buch eintragen ließ. Die Friedenswächterin, die jedes Jahr aufs Neue diesen Tisch besetzte und bestimmt schon uralt war, stach mir mit einer kleinen Nadel in den Finger und ließ den Blutstropfen dann durch ein Lasergerät laufen.

Ein grünes Licht erschien.

»Positiv. Geh weiter«, sagte sie mit gelangweilter Stimme. Ich lief schnell zu der Reihe, wo die anderen sechzehnjährigen Mädchen standen und drängelte mich, kaum dass ich angekommen war, frech bis nach ganz vorne.

»Hey! Du kannst uns doch nicht einfach so die Plätze wegnehmen!«, rief ein dünnes rothaariges Mädchen mit fettiger Haut entgeistert und tippte sich an die Stirn, wie um ihre Meinung über mein unverschämtes Verhalten noch zu verdeutlichen. Ich musste mir ein verächtliches Schnauben verkneifen. Gott, wollte die sich wirklich freiwillig für die diesjährigen Hungerspiele melden? Hatte die denn gar keine Ahnung, wie hässlich sie war? Es war natürlich nicht verboten, Menschen, die wie diese Tussi nicht gerade mit übermäßiger Schönheit gesegnet waren, in die Spiele zu schicken, aber jeder konnte sich denken, dass ein Tribut mehr Sponsoren bekommen würde, wenn er oder sie ... nun ja, ein wenig hübscher war. »Oh doch, das kann ich«, antwortete ich dem hässlichen Mädchen jetzt mit einem gemeinen Grinsen. »Und zwar so.«

Provokativ drängelte ich mich noch ein bisschen weiter nach vorne, bis ich direkt neben der Brüstung stand, die uns von der Bühne abtrennte. Ich lächelte hinterhältig. »Von hier aus hat man einfach die perfekte Aussicht, findet du nicht auch?«, spottete ich und strich langsam über das kalte Metall der Brüstung, während das Lächeln noch immer wie festgefroren auf meinen Lippen klebte.

Anscheinend machte sich jetzt langsam die aufgestaute Wut wegen meines ignoranten Vaters und dem Zwang, als Freiwillige in die Hungerspiele zu ziehen, bei mir bemerkbar, denn mein Kopf schien vor Hass beinahe zu explodieren und ich wollte all diese schlechten Gefühle, die versuchten, mein Herz zu vergiften, einfach nur so schnell wie möglich irgendwie loswerden. Und diese hässliche kleine Schlampe vor mir, die mich eben so blöd angepöbelt hatte, war genau das richtige Ventil dafür. Man konnte förmlich zusehen, wie deren Gesicht blitzschnell alle je vorhandenen Rotschattierungen annahm, bevor sie entrüstet die Hände an die Hüften stemmte. Ihre Freundinnen, die sie bis eben stumm umringt hatten, sahen sich nun unsicher an.

»Amy, vielleicht sollten wir uns nach hinten verziehen«, meinte eine hübsche Braunhaarige mit großen braunen Rehaugen leise zu dem Mädchen.
»Super Idee«, warf ich ein, doch Amy schenkte der süßen Braunhaarigen nur einen giftigen Blick, woraufhin sich die Kleine sofort wieder duckte, als erwartete sie jeden Moment einen groben Schlag der Zurechtweisung.

Diesmal konnte ich wirklich nicht umhin, ein Schnauben auszustoßen. Bitte. Dieses hübsche Mädchen war doch viel zu anständig für so ein Miststück wie Amy, deren Manieren ihr offenbar schon vor langer Zeit abhanden gekommen waren. Eine andere von Amys Freundinnen, eine große Blonde, flüsterte jetzt der Brünette etwas ins Ohr, das klang, wie: »Tja, da ist endlich mal jemand, den Amy nicht herumschubsen kann! Wurde auch Zeit, dass sich jemand endlich gegen sie behauptet!« Und da endlich verstand ich.

Ein Lächeln entfuhr meinen Lippen. So lief der Hase also. Nicht mal ihre »Freundinnen« wollten wirklich mit ihr befreundet sein, sondern wurden anscheinend förmlich dazu gezwungen, Zeit mit ihr zu verbringen. Die Armen. Sie waren echt zu bemitleiden. Ich hatte eigentlich gar nicht vorgehabt, so weit nach vorn zu gehen, da ich mich ja nicht freiwillig melden wollte, doch die Sache hatte inzwischen einen ganz interessanten und amüsanten Nebeneffekt angenommen: Ich bekam die ungeteilte Aufmerksamkeit der anderen.

Sowohl der Jungs, die in dem Areal direkt neben uns standen, und mich die ganze Zeit über neugierig beobachteten, als auch die der Mädchen, welche in unserem Umkreis gelangweilt an den Brüstungen lehnten.
Amy, die es anscheinend gar nicht leiden konnte, vor ihren Freunden von mir ausgelacht zu werden, bekam nun hektische Flecken im Gesicht, die ihrem Teint wirklich noch den allerletzten Schliff gaben. Jetzt sah sie wirklich aus, als hätte sie einer der Umstehenden gerade ausgekotzt.

»Wie kannst du es wagen, du kleines Miststück! Ich stehe hier schon seit geschlagenen sechs Stunden!«, brüllte sie mich wütend an und schüttelte die Fäuste. Ich zuckte nur unbeteiligt mit den Schultern. »Nicht mein Problem. Und selbst wenn du schon seit zehn Stunden hier stehen würdest, würde es mich nicht interessieren.« Mein Lächeln wurde breiter, als ich sah, wie sie auf mich zukam und versuchte - sie versuchte es wirklich - mir ins Gesicht zu schlagen.

Tja, das hätte ich an ihrer Stelle aber sein gelassen. Ich fing ihre Hand ab, bevor sie meinem Gesicht zu nahe kommen konnte, und schlug sie eilig weg, als wäre sie bloß eine lästige Fliege. Danach verdrehte ich Amy den dünnen Arm hinter dem Rücken, bis sie vor Schmerz gepeinigt aufschrie.

Das fettige Haar fiel ihr in die pickelige Stirn.

»Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«, wollte ich mit einem kalten Unterton in der Stimme wissen. »Oder muss ich noch deutlicher werden, wenn ich dir sage, dass du dich verpissen und mich in Ruhe lassen sollst?« Mein Ton wurde nun drohender und Amy schien unter meinem bedrohlichen Blick zusammenzuschrumpfen. »Nein«, murmelte sie leise, kaum hörbar.

»Wie war das?«, wollte ich nachdrücklich wissen und grub ihr als kleine Drohung meine scharfen Fingernägel fest in den Arm, was sie zusammenzucken ließ. »Nein. Du hast dich deutlich genug ausgedrückt«, sagte Amy etwas lauter als zuvor. Ich lachte leise. »Das freut mich. Und nun würde ich vorschlagen, dass du verschwindest ... und zwar schnell. Sicher gibt es noch irgendwo weiter hinten einen Platz, der deinen ... Anforderungen gerecht wird«, lächelte ich zuckersüß und bedachte sie mit einem überlegenen Blick.

Sie starrte mich aus hasserfüllten Augen an.

Eiskalt erwiderte ich den Blick, bis Amy schließlich ihre schlammbraunen Augen senkte, ihren Arm aus meinem festen Griff riss, und in der Menge verschwand. Prompt schickten sich ihre »Freunde« an, ihr zu folgen.
Ich bedachte sie mit einem kleinen Grinsen.
»Also ich find’s ja echt peinlich, wenn so ‘ne hässliche Tusse sich rausnimmt, für andere mitzuentscheiden, aber das ist meine Meinung. Wenn ihr keine eigene Meinung habt, dann ist da eben nichts zu rütteln.«

Unsicher sahen die fünf verbliebenen Mädchen - allesamt wirkliche Schönheiten - mich an. Ich zuckte nur mit den Schultern und wandte mich ab. Aus dem Augenwinkel sah ich jedoch, wie sich die fünf einen Platz weiter vorn neben mir suchten, und ein zufrieden Lächeln legte sich über mein Gesicht. Da erst bemerkte ich die gaffende Menschentraube, die sich in der kurzen Zeit um mich herum angesammelt hatte. Ich grinste. »Na, genießt ihr die Show?«

Die Menge tuschelte aufgeregt. Ich behielt eisern das Lächeln auf meinem Gesicht, und nach und nach wandten alle den Blick ab.

Erleichtert drehte ich mich nach vorn zur Bühne. Normalerweise war es nicht meine Art, vor solch großem Publikum - ich bevorzugte da eher die Klassenzimmer als den ganzen Schulhof - einen kleinen Aufruhr zu veranstalten, und so langsam wurde mir die Aufmerksamkeit der anderen auch ziemlich unangenehm. Obwohl es mir zum Anfang sogar Spaß gemacht hatte, dieser hochnäsigen Schlampe die Meinung zu sagen ...

Ich schüttelte den Kopf. Über meine sadistische Ader, die ab und an durchschlug, brauchten wir an dieser Stelle wirklich noch nicht zu diskutieren. Da auf der Bühne auch noch nichts Spannendes zu sehen war, ließ ich meinen Blick nun gelangweilt durch die Menge wandern.

Die Mädchen aller Altersstufen sahen mich verstohlen an; ich hörte, wie sie leise hinter vorgehaltenen Händen miteinander tuschelten. Ich schluckte, und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Zwar gab ich für gewöhnlich nicht viel auf das Gerede anderer, doch während meiner Grundschulzeit hatte ich am eigenen Leib erfahren müssen, wie grausam Kinder sein konnten, wenn sie da in großen Gruppen auf dem Schulhof zusammenstanden und miteinander tuschelten. Ich seufzte unterdrückt und wandte den Blick ab.

Kurzzeitig schweifte mein Blick zum Rand des Platzes, wo alle Eltern der bereits versammelten Kinder hinter hohen Zäunen, die sie vom Ernteplatz trennten, standen, ihnen eifrig Glückwünsche zuriefen, und ungeduldig auf ihre Platinarmbanduhren starrten. Ich lächelte schmal.
Als ob die Zeit dann schneller vergehen würde. Also bitte. Wenn dem so war, hätte ich inzwischen schon längst die Akademie abgeschlossen.

Ich schüttelte den Kopf und wandte mich wieder dem Platz vor dem Justizgebäude zu. Ich sah die Eltern vieler Schüler der Akademie und auch einige Lehrer, die ihre Schützlinge aufmunternd anlächelten. Mich natürlich nicht - ich war nicht gerade der Lehrerliebling, um es mal schmeichelhaft auszudrücken. Meinen Dad konnte ich nirgendwo ausmachen.

Nicht, dass ich nach ihm gesucht hätte, oder so. Nein.

Mein Blick wanderte weiter nach rechts, vorbei an den sechzehnjährigen Jungen, von denen ein Großteil die Akademie besuchte, und die das vergangene Spektakel anscheinend noch gar nicht vergessen konnten, sondern mich einfach nur bewundernd ansahen, beinahe so, als hätten sie mich heute zum ersten Mal wahrgenommen, bis ich in der Reihe der Achtzehnjährigen schließlich Cato entdeckte.

In seinem Blick konnte ich kaum verholene Sorge erkennen. Ich lächelte strahlend, um ihm zu zeigen, dass alles in Ordnung war. Sekunden später verblasste mein Lächeln jedoch, als ich an den kühlen und etwas unangenehmen Abschied gestern Abend am See dachte. Noch immer hatte ich keine Zeit gehabt, mit ihm über das, was dort geschehen war, zu reden. Was hatte er nur vor? Ich warf ihm einen schnellen Blick zu, doch er hatte sich bereits wieder seinem Kumpel Shane zugewandt. Sie unterhielten sich angeregt; wahrscheinlich redeten sie über Sport. Ich verdrehte genervt die Augen und sah wieder nach vorn. Auf der Bühne tat sich nun endlich etwas.

Der Bürgermeister unseres Distrikts, ein steinalter Mann mit falsch herum sitzender Krawatte, war nun endlich erschienen und ließ seinen schweren Körper auf den gepolsterten Stuhl fallen, der gleich neben dem Bühnenabgang für ihn platziert worden war. Wahrscheinlich, um nach der Auswahl der Tribute und den ganzen Feierlichkeiten, die daraufhin folgen würden, gleich die Flucht ergreifen zu können, denn allen hier war es stets bekannt, dass Bürgermeister Aslan solch große Veranstaltungen über alle Maßen hasste.

Gleich nach ihm folgten unter großem Theater unsere Betreuerin, deren Aufgabe es war, die neu gezogenen Tribute ins Kapitol zu begleiten und ihnen dort Manieren beizubringen, damit sie sich bei der Parade und den Interviews gut benahmen, Emelia Cakeania, und unsere Mentoren für dieses Jahr, Enobaria Evenescense und Brutus Longorion. Diese hatten die Aufgabe, die Tribute jedes Jahr so gut wie möglich zu coachen, damit sie schließlich die Hungerspiele überlebten und wenn möglich auch gewannen.

Doch nur einer von beiden konnte der Sieger sein, was bedeutete, dass mindestens ein Tribut sterben würde. Die Mentoren waren dazu gezwungen, Zeit mit uns zu verbringen, uns kennenzulernen, einzuschätzen, und somit unsere Stärken zu ermitteln. Vielleicht schlossen sie einen von uns mehr ins Herz als den anderen, wenn sie zu viel Zeit mit uns verbrachten - und verloren uns dann schließlich doch. Jeder Mentor hatte einmal die Hungerspiele selbst gewonnen, und wusste genau, worauf es ankam. Ich kannte sowohl Enobaria als auch Brutus, denn einmal im Jahr war es Tradition, dass die Mentoren uns in der Akademie besuchten, uns Kampftipps gaben und mit uns trainierten.

Emelia hatte sich für die heutige Ernte in ein seltsames grünes Kleid geworfen, was wirklich furchtbar mit ihren roten Haaren harmonierte. Enobaria und Brutus dagegen sahen ganz normal aus. Brutus trug zu so einem festlichen Anlass sogar seine gewohnten - und natürlich nicht gebügelten - Jeans und ein abgerissenes rotes Shirt. Seine schulterlangen braunen Haare sahen ziemlich verstrubbelt aus, so, als wäre er gerade erst aufgestanden. Was wohl auch der Fall war, denn Brutus war für seine Unpünktlichkeit und sein schlechtes Benehmen bekannt und hatte hier in Distrikt zwei einen miserablen Ruf.

Im Kapitol dagegen war das natürlich anders, denn er war, wie alle anderen vor, und nach ihm auch, ein äußerst beliebter Sieger. Enobaria, in einem schlichten, hochgeschlossenen schwarzen Stretchkleid, hatte sich nach ihren Hungerspielen ihre langen braunen Haare komplett schwarz gefärbt und sich die Zähne golden und spitz zulaufend richten lassen. Wenn sie lächelte - was äußerst selten vorkam, möchte ich hinzufügen - und dazu noch die Sonne schien, sah es manchmal aus, als würde hier und da ein goldener Schimmer aufblitzen. Ich lächelte ihr kurz zu, als sie auf die Bühne ging. Zwar erwiderte sie das Lächeln nicht - stets sah sie ein wenig ernst und verschlossen aus - aber immerhin funkelte sie mich auch nicht so wütend an, wie zum Beispiel Emelia und die vielen Kameras, die rings um den Platz herum angebracht waren.

Ja, Enobaria hasste die Hungerspiele.

Eine der wenigen Ausnahmen in unserem Distrikt - was sie mir gleich viel sympathischer erscheinen ließ - aber auch ein verständlicher Aspekt. Denn die Spiele und Präsident Snow hatten ihr Leben, wie sie es kannte, vollkommen zerstört. In einer Familie aufgewachsen, wo Mutter und Vater in zwei aufeinanderfolgenden Jahren die Hungerspiele gewonnen hatten; als einziges Kind, getrimmt auf den Sieg, war ihr Leben nie besonders einfach gewesen. Es musste schwer sein, ständig etwas beweisen zu müssen.

Als der Tag ihrer siebten Ernte gekommen war, meldete Enobaria sich freiwillig - und gewann schließlich die 62. Hungerspiele für Distrikt zwei. Doch ihr Sieg war zugleich ihr Verderben gewesen, da der Präsident offenbar der Meinung war, dass die Hungerspiele mehr nach Enobarias Kopf, als nach seinem verlaufen waren - ich hatte ihre Spiele damals nicht gesehen, weil ich noch zu klein gewesen bin, ich wusste nur, dass sie in einem Handgemenge einem Tributen die Kehle aufgerissen hatte, und im Kapitol deshalb ziemlich angesehen war - hatte er ihre Familie heimlich beseitigen lassen und zugleich versucht, sie auf der Tour der Sieger zu eliminieren. Zwar war der Versuch fehlgeschlagen - doch Enobaria lebte seitdem immer in Angst, dass er es erneut versuchen könnte. Sie konnte sich keinen einzigen Fehltritt mehr leisten. Sie musste perfekt erscheinen und eine Maske aus Gleichgültigkeit tragen.

Und sie musste alles tun, was das Kapitol von ihr verlangte.

Woher ich all das wusste? Vor einem Jahr war Enobaria zu uns in die Akademie gekommen und hatte mir nach dem Unterricht, als ich noch zurückgeblieben war, um beim Abbauen zu helfen, unfreiwillig ihr Herz ausgeschüttet. Sie hatte einfach nicht mehr weitergewusst, hatte sie gesagt - Sie war sogar kurz davor gewesen, sich umzubringen. Ich hatte ihr zugehört, hatte mir all die schrecklichen Geschehnisse ihres schmerzerfüllten Lebens angehört, und versucht, sie zu trösten. Da ich leider nie besonders gut darin gewesen bin, hatte ich sie kurz entschlossen zu Brutus gebracht, und sie dort gezwungen, die ganze Geschichte ein zweites Mal zu erzählen - wofür sie mich in diesem Moment sicher gehasst hat. Aber ich wusste nun mal einfach nicht, wie ich mit dieser instabilen, zerbrechlichen Person, die ich in der Öffentlichkeit stets so entschlossen, selbstsicher und stark erlebt hatte, umgehen sollte. Brutus hatte sich ebenfalls alles angehört, und versprochen, sich um Enobaria zu kümmern. Und das hatte er getan. Bis heute. Keine Ahnung, ob die beiden längst mehr waren als nur gute Freunde - Es gab Gerüchte, aber nichts Bestätigendes - aber ich war mehr als nur froh, dass er sie beschützte, auch wenn sie stets darauf bestand, keinen Schutz nötig zu haben. Brutus und ich wussten es jedoch besser. Und ich war froh, dass er für sie da war.

Plötzlich ertönte ein durchdringendes Signal, ähnlich dem eines Nebelhorns und alle verstummten. Auch meine Gedanken rückten in den Hintergrund. Ich sah mich um, und bemerkte, dass nun offenbar alle Kinder anwesend waren.

Bewundernd, wenn auch etwas widerwillig, sah ich mich auf unserem Ernteplatz um. Anders als die der anderen Distrikte, deren dreckige und kahle Plätze man immer im Fernsehen zu sehen bekam, war unser Ernteplatz sauber und stattlich anzusehen. Er besaß sogar einen Boden aus Backsteinen, welche mit echten Goldadern und funkelndem Erz durchzogen waren.

All diese Steine pflasterten den Innenhof unseres Justizgebäudes wie ein glatter Teppich. Riesige Bildschirme säumten die Ränder des Platzes und die meisten Erwachsenen hatten sich vor das Justizgebäude oder auf die Marmortreppe gleich davor gestellt, um wenigstens einen Blick auf die ausgewählten Tribute erhaschen zu können, denn das Gedränge der Schaulustigen, welche Wetten abschlossen, oder laut grölten, war ziemlich dicht und versperrte die Sicht auf die einzelnen Abschnitte.

Nur die Eltern hatten das Privileg, relativ weit vorn stehen zu dürfen, um ihre Kinder zu beobachten. Während das Erntefest in anderen Distrikten ein gefürchteter Henkerstag war, war es hier in Distrikt zwei Gang und Gebe, nach der Ernte eine ausgelassene Feier zu schmeißen, auf die sich alle schon das ganze Jahr über freuten. Sicher würden heute Abend wieder unzählige Partys steigen, bei denen das ganze Distrikt bis in die Morgenstunden hinein feierte.

Inzwischen waren wohl auch die letzten Nachzügler der Mädchen und Jungen eingetroffen, denn Emelia hielt jetzt betont fröhlich ihre Ansprache, die haargenau dieselbe war wie letztes Jahr, und auch dem Jahr davor. Sie handelte hauptsächlich davon, wie sehr sie sich auf die diesjährigen Spiele freute, und wie wichtig in diesem Zeiten doch Moral und Teamfähigkeit waren. Moral und Teamfähigkeit in den Hungerspielen. Ja, klar. Dass ich nicht lache.

Nach ihrer lächerlichen Ansprache zeigte sie uns einen kurzen Film, direkt aus dem Kapitol übersandt. Überschwänglich deutete Emelia auf die vielen Bildschirme und erzählte freudestrahlend, wie man vor langer Zeit die Rebellion Panems unter Kontrolle gehalten, und die Einführung der Hungerspiele kurz darauf begonnen hatte. Es wurde hauptsächlich über die dunklen Tage und den Krieg zwischen dem Kapitol und den Distrikten berichtet und darüber geschwafelt, was wir dem Kapitol alles zu verdanken hatten. Ich verdrehte die Augen. Ja klar. Das Kapitol war ja soo super. Ganz großes Kino.

Anders als ich jedoch, teilten die anderen Kinder Emelias Meinung. Sie trampelten euphorisch auf die Steine und schrien begeistert, um ihre Genugtuung und ihren Spaß zum Ausdruck zu bringen.
Ich verdrehte erneut die Augen. Es war kein Geheimnis, dass sich unser Distrikt über die Möglichkeit, die Spiele zu gewinnen, oder überhaupt erst daran teilnehmen zu dürfen, mehr als jeder andere freute. Der Sieger war meistens immer jemand aus Distrikt zwei, denn kein anderer Distrikt ist so gut ausgebildet und perfekt für den Kampf geschaffen, wie wir. Ich seufzte.

Die meisten hier wollten doch sowieso nur gewinnen, um Geld und Ruhm zu ernten. Fast niemand wollte aus den Spielen als Sieger hervorgehen, weil er an etwas anderes, als Macht glaubte. Ich gähnte. Minuten später schon, als der Film zuende war, wurde es dann wirklich ernst. Emelia, am ganzen Körper vor Euphorie zitternd, ging nun zu einer der beiden Glaskugeln, die die Aufschrift »Jungen« zierte, und worin sich die Namen der unzähligen Jungen aus Distrikt zwei befanden. Angetrieben von dem heftigen Brüllen der aufgebrachten Menge, und der kaum verhohlenen Anspannung, hielt Emelia kurz inne.

»Nun wird es also ernst! Zum vierundsiebzigsten Mal ziehen wir heute einen jungen Mann und eine junge Frau, die die Ehre haben werden, Distrikt zwei in den alljährlichen Hungerspielen zu vertreten!«

Alle grölten und jubelten. Emelia lächelte; offenbar hatte sie genau diese Reaktion beabsichtigt. Noch einmal ließ sie ihr strahlendes Lächeln aufblitzen und ließ dann ihre Hand, mit den sorgfältig manikürten Fingernägeln, in die Jungenkugel gleiten. Sie schüttelte die Kugel ein paar Mal hin und her, und zog dann einen kleinen weißen Zettel hervor. Ganz langsam, um die Spannung noch zu steigern, faltete sie ihn auseinander, wartete noch ein paar Sekunden ab, und sagte dann schließlich mit lauter Stimme: »Bryce Olandil

Ich hielt den Atem am. Was ich nicht erwähnt hatte: Bei uns war es Brauch, dass sich die Jugendlichen untereinander um den Platz des Tributen bekämpften. Mal sehen, wer heute die Schlägerei gewinnen würde. Ein stämmiger vierzehnjähriger Junge, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, kam jetzt aus der Menge hervor und trat seinen Weg zur Bühne an.
Sein Gesicht zeigte keinerlei Furcht. Er hatte jedoch kaum die Hälfte der Strecke erreicht, als das Chaos losbrach, und sich Jungen allen möglichen Alters auf ihn stürzten und ihn schlussendlich brutal zu Boden schlugen. Blutend und wimmernd wollte er sich aufrichten, fiel aber sogleich wieder zu Boden, als ihn der grobe Schlag eines dunkelhäutigen Jungen traf.

Viele, die es geschafft hatten, die Massenprügelei zu überleben, wollten nun auf die Bühne stürmen, wurden jedoch sofort von einem Jungen niedergestreckt, der offenbar viel Erfahrung in der Kampfkunst hatte.

Ich reckte den Hals, um ihn besser erkennen zu können.

Kurzzeitig sah ich kurzes blondes Haar in der sengenden Sonne schimmern und eisblaue Augen, die mich fast schon flehend um Vergebung baten. Ich stutzte. Das ... das war Cato. Aber wie ... und warum ... Da machte es plötzlich Klick in meinem Gehirn. Cato hatte gerade diese ganzen anderen Jungs niedergeschlagen. Nicht mal Shane, seinen besten Freund, der jetzt mit blutender Nase und gebrochenen Beinen auf dem Boden hockte, und mit dem Cato vorhin noch geplaudert hatte, hatte er verschont. Entsetzt schlug ich mir die Hand vor den Mund, als ich den Ausmaß der Brutalität begriff, mit der Cato sich soeben den Platz des männlichen Tributen erkämpft hatte. Dann erst, dachte ich über die Gründe nach, die Cato dazu bewegt hatten, das alles auf sich zu nehmen. Und sogleich brach Panik in meinem Inneren aus. Das konnte doch nicht wahr sein! Das durfte er nicht tun! Er konnte nicht da auf die Bühne stolzieren und in die Hungerspiele ziehen. Wenn er ging, dann hätte ich niemanden mehr! Warum, warum nur tat er mir das an?

Wegen mir, schoss es mir da durch den Kopf. Er tat das alles für mich.

Meinetwegen würde er in den Spielen sterben, wenn er es nicht schaffte zu gewinnen. Es würde meine Schuld sein. Etwas mit dem ich nicht bereit war zu leben. Ich konnte das verhindern. Verdammt, ich musste das verhindern!

»Nein!«, brach es aus mir heraus, während ich die anderen Mädchen vor mir wegschubste, um eine bessere Sicht zu erlangen. »Nein

Die Mädchen um mich herum sahen mich allesamt mitleidig an, als wüssten sie, was ich durchmachte. Manche waren auch einfach nur schadenfroh. Doch ich achtete gar nicht auf sie. Meine Augen hafteten an Cato, der nun selbstsicher die Bühne erklomm. Ich schickte mich schon an, die Brüstung zu erklimmen, und mich wütend auf ihn zu stürzen, als mein Blick Enobarias begegnete. In ihren dunklen Augen lagen Mitleid und Verstehen. Ich starrte sie an; bat um Hilfe. Sie schüttelte jedoch bloß den Kopf. Ich hielt inne.

Cato hatte nun die Bühne erklommen und sich selbstbewusst neben Emelia gestellt. Seine Augen glitten über die Menge hinweg; ignorierten mich.

Emelia wandte sich nun ihm zu.

»Meldest du dich freiwillig für die vierundsiebzigsten Hungerspiele?«, fragte sie mit hoher Kleinmädchenstimmte und sah ihn abwartend an. Cato nickte. »Ja, das tue ich. Ich melde mich freiwillig als Tribut
Emelia klatschte ein paar Mal ausgelassen in die Hände, bevor sie sich wieder etwas beruhigte. »Sehr schön, sehr schön. Wie heißt du denn, mein Lieber?«

Cato sah mich geradewegs an. In seinem Blick rangen Mitleid und Vergebung um die Oberhand. »Mein Name ist Cato Daniel Chandler

Seine Stimme schallte klar und verständlich über den ganzen Platz hinweg. Ich schluckte. Emelia lachte erneut. »Wunderbar, ganz wunderbar! Da haben wir ja schon mal einen ersten Eindruck von deiner beeindruckenden Kampffähigkeit zu sehen bekommen! Ich denke, auf diese Spiele kann man ganz besonders gespannt sein!« Cato nickte. Seine Miene stellte offenen Spott zur Schau, doch das war nur Show. Ich erkannte, wie es wirklich in ihm aussah. Er war aufgebracht, nervös und angespannt. Emelia schaute nun auffordernd zu uns.

»Nun, dann sehen wir doch mal, wie sich die Mädchen gegen die Darbietung eines so gefährlichen jungen Mannes behaupten können!« Sie lachte schrill und lief nun zur Mädchenkugel hinüber. Wieder wiederholte sich das viele Gedrehe und Geschiebe, dann öffnete Emelia den zweiten weißen Zettel. »Und der weibliche Tribut für Distrikt zwei dieses Jahr ist: Clove Eliseé Kentwell

Was?! Wie ... Ich erstarrte, zum zweiten Mal an diesem Tag. Das ... das konnte doch gar nicht wahr sein! Ich ... Ich konnte doch nicht bei den diesjährigen Spielen antreten! Ich hatte mich nicht einmal freiwillig dafür gemeldet! War ... war das vielleicht irgendein kranker Zufall? Ein Riesenwitz? Wie könnte ich die Spiele gewinnen? Andere Menschen ... töten? Und dann auch noch Cato?

Wie ... wie bitte sollte ich ihn jemals töten können?

Ich wusste, dass ich das nicht bringen konnte. Er war für mich da gewesen, beinahe schon mein ganzes Leben lang. Ich konnte ihn nicht töten, so einfach war das. Und er? Hatte er denn gar keine Bedenken mich zu töten? Würde er es tatsächlich fertigbringen, mir ein Messer ins Herz zu stoßen, oder würde er sich lieber selbst töten lassen, um mich zu retten?

»Clove Kentwell! Wo bist du, Liebes? Nun komm schon herauf, Mädchen!«

Emelia blickte auffordernd in die Runde. Ich schluckte schwer.

Was blieb mir denn schon für eine Wahl?

Am Ende würde mein Widerwort hier sowieso keine Rolle spielen.

So war der Lauf der Dinge. So waren die Spiele konstruiert. Ich würde mit einem kleinen Aufstand hier gar nichts ändern können. Außer vielleicht mein Ansehen in Distrikt zwei. Und das, was ich mir jahrelang so mühsam erarbeitet hatte, wollte ich auf gar keinen Fall wiederhergeben.

Mühsam nahm ich mich also zusammen, wischte meine leicht verschwitzen Hände an meinem roten Kleid ab, und trat dann mit zitternden Knien den Weg zur Bühne an. Da fiel mir die vergangene Massenprügelei um den Platz des Tributen wieder ein, und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Sicher würde mich gleich ein heftiger Schlag von hinten in den Nacken treffen, und ich würde hier zu Boden gehen ... Vor allen anderen ... Doch nichts kam.

Während all meine Freunde und Feinde den Weg zur Bühne für mich freimachten, damit ich hindurch gehen konnte; hinauf zu Emelia, Cato und all den anderen wichtigen Leuten unseres Distrikts, versuchte ich krampfhaft, meine perfekt einstudierte Maske der Kälte und Gelassenheit auf meinem Gesicht zu behalten. Es gelang mir sogar recht gut, denn als ich in die vielen glänzenden Kameras blickte, konnte ich tatsächlich nur ein starkes, selbstbewusstes kleines Mädchen mit glänzenden braunen Haaren und feinen Gesichtszügen erkennen. Doch eins verriet mich: Die Angst und der Unglaube in den Tiefen meiner weit aufgerissenen dunklen Augen.

Aber vielleicht wird es ja noch einen Freiwilligen geben, der mich ersetzt, schoss es mir plötzlich durch den Kopf.
Die Zeichen dafür sahen zwar nicht allzu rosig aus, da ich bereits den Großteil des Weges zur Bühne passiert hatte, aber vielleicht ... 

»Gibt es irgendwelche Freiwilligen?«, fragte Emelia nun mit süßlicher Stimme und sah die Menge auffordernd an. Unschlüssig blickten manche sich an; ratlos, ob sie meinen Platz einnehmen, und sich letzten Endes doch noch auf mich stürzen sollten, oder nicht. Ganz hinten erkannte ich Amy, die mich nun mit einer Mischung aus Hohn und Missfallen anblickte.

Am liebsten hätte ich ihr den Finger gezeigt, und mal ehrlich - der Zeigefinger wäre es wohl nicht gewesen. Nun kommt schon!, bettelte ich stumm und verschränkte die Arme nervös hinter dem Rücken. Bitte ...

Doch niemand meldete sich. Die meisten Mädchen waren offenbar noch so beeindruckt von meiner vergangen Showeinlage gegen Amy, dass sie nun lieber die Klappe hielten. Andere hatte mich wahrscheinlich beim Training gesehen und dachten nun, ich wäre ihnen überlegen, insbesondere, weil ich ja auch noch Spezialtraining bekommen hatte, und jedes Jahr bei den Wettkämpfen zwischen den Akademien von Distrikt eins und vier dabei war.

Klasse gemacht, Clove!, schalt ich mich selbst wütend. Mit deiner Aktion vorhin hast du dir dein Leben versaut, du dummes Ding!
Doch mich selbst zu hassen half auch nicht viel, das wusste ich aus Erfahrung. Emelia betrachtete mich nun erfreut und zwitscherte vergnügt:
»Nun, meine Liebe, ich denke, da sich keiner mehr für die diesjährigen Hungerspiele melden möchte, solltest du jetzt auf die Bühne kommen! Anscheinend halten dich alle für viel zu begabt, um gegen dich anzutreten!«

Sie lachte gekünstelt, doch nicht einer lachte mit ihr, als ich schweren Herzens die Bühne erklomm. Denn sie alle wussten, um die kleine Tragödie, die sich da soeben abgespielt hatte. Sogar die Lehrer mussten inzwischen mitgekriegt haben, dass Cato und ich eine Beziehung miteinander hatten.

Mein Schreien mit den wild rudernden Armen und mein entsetzter, panischer Gesichtsausdruck - von dem ich hoffte, dass die Kameras zu dieser Zeit viel zu sehr an Cato interessiert waren, als dass sie mich aufgezeichnet hatten - war eindeutig genug gewesen. Ich konnte sogar sehen, wie Mrs. Peakins, meine Biologielehrerin, mich jetzt empört anfunkelte. Ich grinste schmal, auch wenn mir überhaupt nicht nach Lachen zumute war.
Tja, das einzig Gute an dieser verkackten Situation war, dass ich mich vor einer Strafe und einem Verweis der Akademie nicht mehr zu fürchten brauchte!

Denn entweder kehrte Cato hierher zurück ... oder ich.

Aber auf gar keinen Fall wir beide.

Ich schluckte schwer und weigerte mich strikt, meinen Kopf nach links zu wenden, wo Cato stand. Emelia, die sich inzwischen wieder beruhigt hatte, legte nun jedem von uns eine Hand auf die Schulter. »Also dann, einen ganz herzlichen Applaus für die diesjährigen Tribute aus Distrikt zwei, Clove Elisee Kentwell und Cato Daniel Chandler!« Sie bedeutete Cato und mir, uns die Hände zu reichen. Langsam wandte ich mich zu ihm um.

Zum ersten Mal, seit Emelia meinen Namen verkündet hatte, trafen sich unsere Blicke. Verzweiflung. Unglaube. Hass. Wut. Liebe.

All diese Gefühlsregungen lagen in Catos schönen blauen Augen, als er sanft meine zitternde Hand in seinen festen Griff nahm. Doch allen voran dominierten - wie bei mir - Unglaube und Verzweiflung seinen Blick.

Aber anders als ich, schaffte er es besser, dies zu verbergen.

Eine kleine, aber sehr deutliche Bewegung an meinem Arm, die von einem mürrischen Friedenswächter stammte, brachte mich zurück in die Gegenwart. Er deutete auf das kleine Gebäude vor mir und machte eine auffordernde Bewegung mit dem Arm. Ich nickte verwirrt und stolperte hinter ihm her. Bald darauf waren wir vor dem kleinen Gebäude angekommen, wo die Tribute sich noch ein letztes Mal von ihren Familien beglückwünschen und verabschieden konnten. Ich schluckte. Was wohl mein Vater jetzt von mir hielt? Sicher war er unheimlich stolz auf mich. Ich seufzte leise. Der Friedenswächter sah mich mitleidig an und ließ mich dann in einem Saal voller Prunk und Gold zurück. Ich stand da, wagte es nicht, die schönen Antiquitäten und Möbel um mich herum zu berühren, und kam mir dabei unsagbar klein und unbedeutend vor.

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Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯1: Ich liebe diesen Song ... Und er passt einfach perfekt zu diesem traurigen, schicksalshaften Kapitel.

Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯2: Die Widmung geht dieses Mal an Kυlтυreɴ. Danke für all die lieben und aufbauenden Kommentare und Votes zu dieser Geschichte. Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut! Ich hoffe, dieses Kapitel gefällt Dir genau so sehr, wie die vorigen.

Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯3: Dieses Bild stellt Catos und Cloves Betreuerin Eᴍᴇʟɪᴀ Cᴀᴋᴇᴀɴɪᴀ dar, welche die Tribute ins Kapitol bringen soll, und durch Hollywood - Schauspielerin Nᴀᴛᴀʟɪᴇ Pᴏʀᴛᴍᴀɴ verkörpert wird.

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